Definition und rechtliche Einordnung des Begriffs „Strafzins“
Der Begriff Strafzins bezeichnet im Bank- und Finanzwesen eine negativ verzinste Gebühr, die Kreditinstitute auf Kundeneinlagen erheben, sobald diese einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Der Strafzins stellt keine klassische Zinszahlung im Sinne der Guthabenverzinsung dar, sondern vielmehr einen Verwahrungsentgelt, welcher dem Kunden für die Verwahrung von Guthaben durch das Kreditinstitut in Rechnung gestellt wird. Die rechtliche Grundlage sowie die Zulässigkeit und Grenzen dieser Gebühr sind in verschiedenen Rechtsgebieten angesiedelt, darunter Bankvertragsrecht, Verbraucherschutzrecht und wettbewerbsrechtliche Bestimmungen.
Entstehung und ökonomischer Hintergrund
Der Strafzins ist vor allem im Zusammenhang mit der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) seit etwa 2014 zu betrachten. Aufgrund des negativen Einlagensatzes der EZB, der die Einlagen von Geschäftsbanken bei der Zentralbank mit Kosten belegt, gaben immer mehr Kreditinstitute diesen Negativzins zumindest teilweise an ihre Kunden weiter. Daraus resultierte eine weite Verbreitung von Verwahrentgelten, die umgangssprachlich als Strafzinsen bezeichnet werden.
Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen
Vertragsrechtliche Aspekte
Die Erhebung eines Strafzinses erfordert eine vertragliche Grundlage zwischen Bank und Kunde. Bei Privatgirokonten erfolgt dies in der Regel über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder individuelle Vereinbarungen. Rechtlich bedeutsam ist dabei, dass Strafzinsen nicht ohne wirksame Einbeziehung in den Vertrag erhoben werden dürfen. Die Wirksamkeit und Transparenz solcher Klauseln ist Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen.
Anforderungen an die AGB
Entsprechend § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dürfen AGB-Klauseln keine unangemessene Benachteiligung der Kunden bewirken und müssen klar sowie verständlich formuliert sein. Die Rechtsprechung verlangt darüber hinaus eine deutliche Hervorhebung der Strafzinsregelung im Vertrag und eine rechtzeitige Information der Bankkunden.
Vertragsänderung
Eine nachträgliche Einführung von Strafzinsen bedarf einer einvernehmlichen Anpassung des Vertrages. Das sogenannte „Zustimmungsmodell“, wonach eine Änderung der AGB automatisch wirksam wird, wenn der Kunde nicht widerspricht, ist nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei wesentlichen Vertragsbedingungen, zu denen auch Verwahrentgelte zählen, nicht zulässig.
Bankaufsichts- und regulatorische Vorgaben
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht die Einhaltung regulatorischer Anforderungen an Banken, einschließlich der Informationspflichten bei der Einführung von Strafzinsen. Es bestehen umfassende Transparenz- und Informationspflichten zugunsten des Bankkunden. Weiterhin prüft die BaFin die Angemessenheit der Entgeltgestaltung im Rahmen der allgemeinen aufsichtsrechtlichen Überwachung.
Verbraucherschutzrechtliche Gesichtspunkte
Strafzinsen betreffen regelmäßig Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Die Verbraucherschutzregelungen verlangen eine besonders transparente Gestaltung der Entgeltklauseln. Weiterhin dürfen Verwahrentgelte nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen oder im Widerspruch zum sogenannten Wesensgehalt des Verwahrungsvertrages stehen.
Zentrale Rolle spielen hierbei die §§ 305 ff. BGB für Klauselkontrolle sowie § 355 BGB hinsichtlich etwa bestehender Widerrufsrechte. Verbraucherzentralen prüfen regelmäßig die Rechtmäßigkeit von Strafzins-Klauseln und sind klagebefugt, um die Unterlassung unzulässiger Klauseln geltend zu machen.
Wettbewerbsrechtliche Relevanz
Unzulässige Erhebungen von Strafzinsen können einen Wettbewerbsverstoß nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen. Vor allem die Irreführung über die Kosten oder eine Intransparenz bezüglich der Entgeltstruktur können wettbewerbsrechtliche Ansprüche durch Konkurrenten oder Verbraucherschutzverbände begründen.
Strafzins in der Rechtsprechung
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Entgeltklauseln für Verwahrentgelte durch Gerichte überprüft. Insbesondere der Bundesgerichtshof sowie zahlreiche Landgerichte haben sich umfassend mit der Wirksamkeit von Strafzinsvereinbarungen auseinandergesetzt.
BGH-Urteil zur Änderung von AGB
Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil (Az.: XI ZR 26/20) entschieden, dass Banken ihre AGB nicht einseitig zu Lasten der Kunden ändern dürfen, wenn die Zustimmung des Kunden nicht ausdrücklich vorliegt. Strafzinsen, die ohne Zustimmung und lediglich per Mitteilung eingeführt wurden, erklärte der BGH mit Verweis auf die Unzulässigkeit des Zustimmungsfiktionsmodells für unwirksam.
Wirksamkeit von Verwahrentgelt-Klauseln
Einige Gerichte haben zudem entschieden, dass Verwahrentgelte auf klassische Spareinlagen und unverzinsliche Girokonten nur unter engen Voraussetzungen und nach ausdrücklicher Zustimmung zulässig sind. Bei Fehlen einer individuellen Vereinbarung wurde ein Rückzahlungsanspruch der Kunden bestätigt.
Steuerliche Behandlung des Strafzinses
Aus steuerlicher Sicht ist der Strafzins als negativer Ertrag einer Kapitalanlage zu qualifizieren. Seit 2022 wurde durch Anpassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) klargestellt, dass negative Zinsen als Werbungskosten, nicht jedoch als negative Kapitalerträge zu behandeln sind. Eine steuermindernde Verrechnung mit positiven Kapitaleinkünften ist daher ausgeschlossen.
Arten und Formen von Strafzinsen
Strafzins für Privatkunden
Meist wird der Strafzins in Form eines laufenden Prozentsatzes auf Guthaben oberhalb einer definierten Freibetragsgrenze berechnet. Die Regelungen variieren zwischen den Instituten. Privatkunden sind insbesondere durch Verbraucherschutzvorschriften geschützt.
Strafzins für Geschäftskunden
Auch auf Geschäftskonten können Banken Verwahrentgelte erheben. Allerdings sind hier die Schutzvorschriften schwächer ausgeprägt, da Geschäftskunden nicht als Verbraucher gelten. Dennoch greifen auch hier die allgemeinen Vorgaben zu Transparenz und Vertragsgestaltung.
Regelungsumfang und Ausblick
Die Thematik des Strafzinses bleibt weiterhin Gegenstand regulatorischer, verbraucherschutzrechtlicher und gerichtlicher Entwicklungen. Künftige Änderungen im Zinsumfeld sowie neue rechtliche Vorgaben können die Rahmenbedingungen maßgeblich beeinflussen. Bislang stellte die Rechtsprechung die Verbraucherinteressen in den Mittelpunkt und schuf hohe Anforderungen an Transparenz, Zustimmung und Angemessenheit von Strafzinsvereinbarungen.
Literatur und Quellen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 305 ff., § 355
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.2021, Az.: XI ZR 26/20
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – Leitfäden zur Entgeltpolitik
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Einkommensteuergesetz (EStG)
- Veröffentlichungen der Verbraucherzentralen und der Deutschen Bundesbank
Dieser Artikel behandelt die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Zulässigkeit sowie die praktische und steuerliche Relevanz des Strafzinses und bietet einen detaillierten Überblick zu allen bedeutsamen Aspekten des Begriffs.
Häufig gestellte Fragen
Ist die Erhebung von Strafzinsen durch Banken überhaupt rechtlich zulässig?
Die Erhebung von Strafzinsen (auch Negativzinsen genannt) durch Banken ist grundsätzlich rechtlich zulässig, sofern hierfür eine wirksame vertragliche Vereinbarung zwischen Bank und Kunde besteht. Nach deutschem Recht, insbesondere dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), bedarf die Einführung oder Änderung von Entgelten einer ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung des Kunden. Viele Banken haben versucht, Strafzinsen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einzuführen. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Transparenz und Wirksamkeit der entsprechenden Klausel an. Die Rechtsprechung – unter anderem auch der Bundesgerichtshof (BGH) – verlangt, dass eine solche Klausel klar und verständlich formuliert ist und keinen Verstoß gegen das AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) darstellt. Zudem darf die Klausel keine unangemessene Benachteiligung der Kunden nach § 307 BGB bewirken. Ohne wirksame individuelle oder allgemeine vertragliche Grundlage, die der Kunde ausdrücklich akzeptiert hat, sind Strafzinsen in der Regel nicht zulässig und können zurückgefordert werden.
Muss der Kunde einer Änderung der AGB zur Einführung von Strafzinsen ausdrücklich zustimmen?
Ja, eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Einführung von Strafzinsen vorsieht, bedarf regelmäßig der ausdrücklichen Zustimmung des Kunden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH reicht eine einseitige Mitteilung oder eine sogenannte Zustimmungsfiktion (also die Annahme, dass der Kunde durch Schweigen zustimmt) nicht aus, wenn es um die Einführung oder Erhöhung von Entgelten geht. Der Kunde muss aktiv und informiert zustimmen; ein bloßes Unterlassen eines Widerspruches ist rechtlich nicht ausreichend. Damit eine Bank also Strafzinsen rechtlich wirksam einführen und erheben kann, muss sie die Zustimmung ihrer Kunden individuell einholen.
Können Strafzinsen auch rückwirkend eingeführt werden?
Die rückwirkende Einführung von Strafzinsen ist rechtlich unzulässig. Vertragsänderungen – und dazu zählt auch die Einführung von Strafzinsen – bedürfen stets der Zustimmung des Kunden und können nur für die Zukunft wirken. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen des deutschen Vertragsrechts (§§ 311, 305 ff. BGB). Eine rückwirkende Belastung des Kunden mit Strafzinsen für Zeiträume, in denen noch keine wirksame Vereinbarung vorlag, verstößt gegen das Rückwirkungsverbot und den Schutzgedanken des AGB-Rechts. Kunden, die rückwirkend mit Strafzinsen belastet wurden, können diese Beträge in der Regel zurückfordern.
Gilt für Strafzinsen eine gesetzliche Informationspflicht der Banken?
Ja, Banken unterliegen in Bezug auf Strafzinsen umfangreichen gesetzlichen Informationspflichten. Nach § 675a BGB und den Vorschriften des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) ist die Bank verpflichtet, ihre Kunden vor Vertragsabschluss umfassend, rechtzeitig und in klar verständlicher Form über sämtliche Entgelte, zu denen auch Strafzinsen zählen, zu informieren. Diese Pflicht besteht sowohl bei der Kontoeröffnung als auch bei späteren Änderungen der Konditionen. Kommt die Bank dieser Informationspflicht nicht nach, sind daraus resultierende Vereinbarungen über Strafzinsen im Zweifel unwirksam und können vom Kunden angefochten werden.
Unterliegen Strafzinsen einer gesetzlichen Begrenzung?
Für die Höhe der von Banken erhobenen Strafzinsen gibt es bislang keine explizite gesetzliche Obergrenze. Allerdings sind Banken verpflichtet, sich an die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie das AGB-Recht zu halten. Insbesondere darf die Erhebung von Strafzinsen den Kunden nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Im Falle eines Rechtsstreits würde daher im Einzelfall geprüft, ob der erhobene Strafzins im Verhältnis zum zugrunde liegenden Negativzins der Europäischen Zentralbank (EZB) und den tatsächlichen Kosten der Bank noch als angemessen gilt.
Können Kunden sich gegen bereits gezahlte Strafzinsen rechtlich wehren?
Kunden, die Strafzinsen gezahlt haben, ohne dass eine rechtswirksame vertragliche Grundlage vorlag, haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Rückzahlungsanspruch. Dieser kann sich aus einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) ergeben, wenn die Bank ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage Strafzinsen einbehalten hat. Betroffene Kunden sollten die Wirksamkeit der jeweiligen Klausel prüfen lassen und können die zu viel gezahlten Beträge, auch rückwirkend, innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist zurückfordern. Dabei empfiehlt es sich, die Forderung zunächst schriftlich gegenüber der Bank geltend zu machen und ggf. rechtlichen Beistand hinzuzuziehen.