Begriff und rechtlicher Rahmen der Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen
Die Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen bezeichnet im agrarrechtlichen Kontext Maßnahmen, durch die landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen vorübergehend oder dauerhaft aus der Nutzung genommen werden. Ursprünglich aus umweltpolitischen und agrarstrukturellen Motiven initiiert, ist die Stilllegung sowohl von unionsrechtlichen als auch nationalen Agrargesetzen und -verordnungen geprägt. Ziel der Stilllegung ist es, einerseits Marktüberschüsse zu verhindern und die Umwelt zu entlasten, andererseits agrarpolitische Steuerungsmaßnahmen umzusetzen.
Rechtsgrundlagen der Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen
Europarechtlicher Ursprung und Entwicklung
Die Regelung der Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen hat ihren Ursprung maßgeblich im europäischen Agrarrecht. Einen bedeutenden Rahmen bildete die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, insbesondere mit der Einführung verpflichtender Flächenstilllegungen im Rahmen der Reformen der 1990er Jahre (z. B. Verordnung (EWG) Nr. 1765/92).
Diese verpflichtende Flächenstilllegung wurde vielfach reformiert. Insbesondere die Reformen 2003 und 2007 führten zu erheblichen Änderungen, wobei die verpflichtende Stilllegung seit 2008/2009 im Zuge des sogenannten Gesundheitschecks der GAP ausgesetzt wurde. An ihre Stelle traten umweltbezogene Maßnahmen, insbesondere im Rahmen der Direktzahlungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, wie beispielsweise ökologische Vorrangflächen („Greening“).
Aktuelle europarechtliche Regelungen
Mit der GAP-Reform 2023 und der Verordnung (EU) 2021/2115 rückt die Stilllegung vor allem im Kontext von freiwilligen Maßnahmen und Umweltanforderungen (z. B. Flächen für Biodiversität) in den Vordergrund. Die spezifische Umsetzung erfolgt über die nationalen Strategiepläne der Mitgliedstaaten.
Nationales Recht
In Deutschland findet die Stilllegung von landwirtschaftlichen Nutzflächen ihre gesetzliche Grundlage insbesondere im Gesetz über die Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz/MOG) sowie im Direktzahlungen-Durchführungsgesetz (DirektZahlDurchfG) und zugehörigen Verordnungen. Zusätzliche Regelungen bestehen im Rahmen von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen.
Voraussetzungen und Formen der Stilllegung
Verpflichtende und freiwillige Stilllegung
Die rechtlichen Regelungen unterscheiden zwischen verpflichtender und freiwilliger Stilllegung:
- Verpflichtende Stilllegung: Eine zeitweise von der EU-Kommission verpflichtend festgelegte Maßnahme, deren Zweck darin bestand, Überproduktionen zu reduzieren. Als Gegenleistung erhielten Landwirte Prämienzahlungen.
- Freiwillige Stilllegung: Im Rahmen von Förderprogrammen sowie als Bestandteil nationaler Umweltmaßnahmen können Landwirtinnen und Landwirte auf freiwilliger Basis Flächen stilllegen und erhalten dafür Ausgleichsleistungen oder Zahlungen im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen.
Fördervoraussetzungen
Für eine förderfähige Stilllegung sind in der Regel folgende Voraussetzungen gesetzlich normiert:
- Die Flächen müssen als förderfähige landwirtschaftliche Nutzflächen ausgewiesen sein.
- Die Stilllegung hat gemäß den Richtlinien und Bedingungen der einschlägigen Förderprogramme zu erfolgen (z. B. Mindestruhezeit, Verzicht auf landwirtschaftliche Nutzung und Düngung).
- Die Einhaltung von Mindestanforderungen an die Erhaltung der Flächen, beispielsweise hinsichtlich Begrünung, Erosionsschutz oder Anlage von Blühstreifen.
Verfahren der Antragstellung, Kontrollmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten
Die Inanspruchnahme von Stilllegungsmaßnahmen setzt regelmäßig einen Antrag auf Teilnahme an entsprechenden Förderprogrammen voraus. Die Einhaltung aller Auflagen und Anforderungen wird durch Vor-Ort-Kontrollen und stichprobenartige Prüfungen durch die zuständigen Behörden überprüft. Verstöße gegen die Auflagen können zu Rückforderungen der gewährten Zahlungen oder zu Ausschluss von zukünftigen Förderungen führen.
Rechtsfolgen und Auswirkungen der Flächenstilllegung
Auswirkungen auf die Bewirtschaftung
Mit der rechtswirksamen Stilllegung entsteht ein Bewirtschaftungsverbot im Sinne der jeweiligen Rechtsgrundlage. Die Nutzung der Fläche ist auf bestimmte, in der Regel umweltschützende Maßnahmen, wie z. B. Begrünung oder Pflegearbeiten, beschränkt. Jegliche agrarische Produktion (Ackerbau, Düngung, Pflanzenschutzmitteleinsatz etc.) ist untersagt.
Auswirkungen auf Eigentum und Pachtverhältnisse
Die Flächenstilllegung berührt regelmäßig keine Fragen des Eigentumsrechts; sie begründet aber öffentlich-rechtliche Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung. In Pachtverträgen muss die Stilllegung ausdrücklich geregelt oder vertraglich gestattet sein, andernfalls kann sie zu Streitigkeiten zwischen Verpächter und Pächter führen. Die Rechtsprechung erkennt die Stilllegung häufig als ordnungsgemäße Bewirtschaftung im Sinne der Pachtverträge an, sofern eine entsprechende Ausgleichszahlung erfolgt.
Flächenstilllegung und Umweltrecht
Stillgelegte Flächen erfüllen wichtige Funktionen im Natur-, Umwelt- und Wasserschutz. Sie leisten einen Beitrag zur Biodiversität, zur Erhaltung seltener Arten und Lebensräume sowie zur Reduzierung boden- und gewässerschädlicher Stoffeinträge. Im Rahmen der EU-Nitratrichtlinie oder den Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes ergeben sich zusätzliche umweltrechtliche Anforderungen und Nutzungsbeschränkungen.
Steuer- und abgabenrechtliche Bewertung
Im Steuerrecht stellt sich bei Stilllegung die Frage, ob weiterhin landwirtschaftliche Nutzung im umfassenden Sinne vorliegt. Nach der Verwaltungsauffassung bleibt die Einordnung als landwirtschaftlicher Betrieb in der Regel erhalten, solange die Stilllegung auf Basis agrarpolitischer Programme erfolgt und die Bewirtschaftung lediglich zeitweise ruht. Auswirkungen können sich jedoch auf die Bewertung von Flächen, die Festsetzung von Grundsteuer und die Anrechnung von Ausgleichszahlungen zu den steuerpflichtigen Einnahmen ergeben.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen bildet einen komplexen Schnittpunkt zwischen Agrar-, Umwelt- und Förderrecht. Sie stellt ein zentrales Instrument der Agrarpolitik dar, das je nach politischer Ausgestaltung verpflichtend oder freiwillig und mit unterschiedlichen Zielsetzungen ausgestaltet werden kann. Rechtlich ergeben sich daraus vielfältige Anforderungen an Flächeneigentümer und -bewirtschafter, insbesondere bzgl. Antragsverfahren, Nutzungsvorgaben, Kontrollmechanismen sowie zivilrechtlicher und steuerlicher Aspekte. Mit den jüngsten GAP-Reformen liegt der Schwerpunkt zunehmend auf gezielten Umweltleistungen und Biodiversitätszielen, wodurch die rechtlichen Anforderungen weiter spezifiziert und verfeinert werden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Vorschriften regeln die Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen ergeben sich insbesondere aus einer Vielzahl von Normen auf europäischer und nationaler Ebene. Zentrale Grundlage bildet hier die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, die im Rahmen der Direktzahlungsverordnungen (z. B. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013) und entsprechender nationaler Ausführungsgesetze – wie dem Direktzahlungen-Durchführungsgesetz (DirektZahlDurchfG) – verbindliche Regelungen zur Flächenstilllegung festschreibt. Daneben sind auch landesrechtliche Vorgaben relevant, einzelstaatliche Agrarumweltprogramme, Naturschutzgesetze sowie die Förderbestimmungen der jeweiligen Länder, insbesondere bezüglich Ökoregelungen und Greening-Auflagen. Zudem sind die Vorschriften des Umweltrechts, wie insbesondere das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sowie das Wasserhaushaltsgesetz (WHG), zu berücksichtigen. Diese rechtlichen Anforderungen definieren beispielsweise, unter welchen Voraussetzungen eine Stilllegung erfolgen darf, welche Flächen als stilllegungsfähig gelten und welche Nutzungsbeschränkungen im Hinblick auf Biodiversität, Bodenschutz und Gewässerschutz beachtet werden müssen. Sanktionen bei Verstößen ergeben sich aus den jeweiligen Verwaltungsvorschriften und können den vollständigen oder teilweisen Verlust von Zahlungsansprüchen bedeuten.
Welche Mitteilungs- und Genehmigungspflichten bestehen bei der Stilllegung?
Landwirte, die eine Stilllegung von Nutzflächen beabsichtigen, unterliegen strengen Anzeige- und ggf. Genehmigungspflichten. In der Regel ist die geplante Stilllegung dem zuständigen Amt für Landwirtschaft oder der Bewilligungsbehörde vorab anzuzeigen. Die Anzeige muss alle relevanten Informationen zur betroffenen Fläche, beabsichtigten Nutzungsänderung sowie zur geplanten Dauer der Stilllegung enthalten. Je nach Bundesland und Art der Stilllegung (vorübergehend, dauerhaft, freiwillig oder durch Umweltauflagen bedingt) kann zudem eine explizite Genehmigung notwendig sein. Besonders bei Stilllegungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen oder bei Flächen, die unter Natura-2000-Schutz stehen, sind die behördlichen Anforderungen strenger. Eine Verletzung der Melde- und Genehmigungspflichten kann verwaltungsrechtliche Konsequenzen bis hin zu Ordnungswidrigkeitsverfahren nach sich ziehen.
Welche Folgen hat eine Stilllegung für bestehende Pachtverträge?
Die Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen kann erhebliche Auswirkungen auf bestehende Pachtverträge haben. Grundsätzlich bedarf eine Änderung der Bewirtschaftungsart, wie die Nichtnutzung der vereinbarten Flächen, der ausdrücklichen Zustimmung des Verpächters, sofern keine entsprechenden Vereinbarungen zur Stilllegung im Pachtvertrag geregelt sind. Ohne eine vertragliche Grundlage kann die eigenmächtige Stilllegung eine vertragswidrige Nutzung darstellen und berechtigt den Verpächter unter Umständen zur Abmahnung oder zur Kündigung des Vertrags. Darüber hinaus können sich Schadensersatzansprüche ergeben, sofern dem Verpächter durch die Stilllegung ein messbarer Nachteil entsteht, wie beispielsweise der Wertverlust der Fläche. Im Rahmen von Förderprogrammen ist zudem zu beachten, dass die Stilllegung nur dann förderfähig ist, wenn sie mit den Pachtmodalitäten vereinbar ist.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen Stilllegungsvorschriften?
Verstöße gegen die rechtlichen Vorschriften zur Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen können verschiedene Sanktionen nach sich ziehen. Im Rahmen der Agrarförderung drohen bei Nichteinhaltung der Stilllegungsauflagen oder bei unzulässiger Nutzung der Fläche Kürzungen oder vollständiger Entzug der Direktzahlungen und weiterer Fördermittel. Im Extremfall kann dies auch zur Rückforderung bereits ausgezahlter Gelder führen. Zusätzlich sieht das Landwirtschaftsrecht für bestimmte Zuwiderhandlungen Bußgeldtatbestände vor; beispielsweise können Ordnungswidrigkeiten nach dem DirektZahlDurchfG oder BNatSchG mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden. Liegt zudem ein Verstoß gegen umweltrechtliche Vorgaben (z. B. Gewässerschutz, Naturschutz, Bodenschutz) vor, sind weitere administrative und strafrechtliche Maßnahmen denkbar.
Welche Pflichten bleiben trotz Stilllegung für den Landnutzer bestehen?
Auch nach erfolgter Stilllegung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche bleiben dem Nutzer zahlreiche gesetzliche Pflichten erhalten. Insbesondere bestehen weiterhin Verpflichtungen aus dem Boden- und Gewässerschutzrecht, beispielsweise der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und die Verhinderung von Erosion. Gesetzliche Regelungen zur Pflegepflicht, etwa aus dem BNatSchG, verpflichten dazu, die Fläche in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten und beispielsweise das Aufkommen invasiver Arten oder die Verbuschung zu verhindern. Weiterhin kann die Behörde regelmäßige Kontroll- und Nachweispflichten anordnen, insbesondere im Falle geförderter Stilllegungen. Kommt der Inhaber diesen Pflichten nicht nach, riskiert er empfindliche Sanktionen, bis hin zu Wiederherstellungsanordnungen.
Wie lange können landwirtschaftliche Flächen rechtlich stillgelegt werden?
Die Dauer der rechtlich zulässigen Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen ist von mehreren Faktoren abhängig. Im Rahmen förderfähiger Stilllegungen, etwa nach den Vorschriften der GAP, werden häufig jährliche Verpflichtungszeiträume vereinbart, die in der Regel zwischen fünf und zwanzig Jahren variieren können – abhängig vom jeweiligen Programm und den spezifischen Bedingungen der Fördermaßnahme. Eine unbefristete Stilllegung ist regelmäßig nur mit behördlicher Genehmigung möglich und unterliegt strengeren rechtlichen Auflagen, insbesondere hinsichtlich des dauerhaften Flächenentzugs aus der landwirtschaftlichen Nutzung. Bei temporären, freiwilligen Stilllegungen muss der Nutzer die Beendigung der Stilllegung fristgerecht anzeigen und kann dann die Flächen wieder in die landwirtschaftliche Produktion überführen, sofern keine naturschutzrechtlichen Belange entgegenstehen.
Inwieweit beeinflusst die Stilllegung die betriebliche Flächenförderung?
Die Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen kann erhebliche Auswirkungen auf die betriebliche Flächenförderung haben. Nur solche Flächen, die den rechtlichen Vorgaben der jeweiligen Förderperiode (z. B. Ökoregelungen, Greening-Auflagen) entsprechen und ordnungsgemäß als stillgelegt gemeldet und bewirtschaftet werden, bleiben in der Regel weiterhin prämienfähig und können in die Berechnung der förderfähigen Betriebsfläche einbezogen werden. Nicht gemeldete oder nicht vorschriftsgemäß stillgelegte Flächen können hingegen zum teilweisen oder vollständigen Ausschluss von Fördermaßnahmen führen. Zudem können Änderungen der Flächenbewirtschaftung Auswirkungen auf die Höhe der betrieblichen Prämienansprüche und die Einstufung im Flächenverzeichnis haben, was sich mittel- bis langfristig auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs auswirken kann.