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Sicherungsübereignung


Sicherungsübereignung

Die Sicherungsübereignung ist ein im deutschen Recht weit verbreitetes Instrument der Kreditsicherung. Dabei überträgt ein Sicherungsgeber das Eigentum an einer beweglichen Sache zur Absicherung einer Forderung auf den Sicherungsnehmer, wobei dem Sicherungsgeber in der Regel der unmittelbare Besitz und die Nutzung der Sache verbleiben. Die Sicherungsübereignung ist insbesondere im Bank- und Wirtschaftsverkehr von großer praktischer Bedeutung, da sie dem Sicherungsnehmer eine effektive Rechtsposition vermitteln kann, ohne die Verwertungsmöglichkeiten des Sicherungsgebers unverhältnismäßig einzuschränken.


Rechtliche Grundlagen der Sicherungsübereignung

Gesetzlicher Rahmen

Die Sicherungsübereignung ist als atypischer Sicherungsvertrag im deutschen Zivilrecht ausgestaltet. Sie ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, aber im Rahmen der Vertragsfreiheit nach den §§ 929 ff., 930, 931 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie den Grundsätzen des Sicherungsvertrags zulässig. Die Rechtsfigur wurde durch die Rechtsprechung und Literatur entwickelt und wird heute als eigenständiges Sicherungsmittel anerkannt.

Vertragsparteien und Sicherungszweck

Beteiligte der Sicherungsübereignung sind der Sicherungsgeber (meist Kreditnehmer) und der Sicherungsnehmer (meist Kreditgeber). Gegenstand ist regelmäßig eine bewegliche Sache, deren Übereignung dem Sicherungsnehmer als Absicherung einer bestehenden oder künftigen Forderung, z. B. eines Darlehens, dient. Der Sicherungszweck bestimmt, bis wann und unter welchen Voraussetzungen das Sicherungseigentum besteht.


Voraussetzungen und Ablauf der Sicherungsübereignung

Einigung und Übergabeersatz

Die klassische Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB setzt eine Einigung und Übergabe voraus. Bei der Sicherungsübereignung verbleibt jedoch häufig der Besitz beim Sicherungsgeber. Dies wird durch sogenannte Besitzmittlungsverhältnisse nach § 930 BGB ermöglicht. Der Sicherungsgeber bleibt beispielsweise als Besitzmittler berechtigt, die Sache weiterhin zu nutzen.

Sicherungsvertrag als Nebenabrede

Die Parteien schließen zusätzlich zum dinglichen Rechtsgeschäft (Eigentumsübertragung) einen Sicherungsvertrag ab, der die Bedingungen für die Rückübertragung, die Verwertungsrechte des Sicherungsnehmers und die Pflichten während der Sicherungszeit regelt. Der Sicherungsvertrag ist als ergänzendes Rechtsverhältnis von erheblicher Bedeutung.


Arten und Anwendungsbereiche der Sicherungsübereignung

Einzel- und Mantelsicherungsübereignung

Einzelsicherungsübereignung: Bezieht sich auf eine konkret bestimmte Sache.
Mantelsicherungsübereignung: Umfasst eine Vielzahl von Gegenständen, meist eine ganze Warengruppe oder das gesamte Betriebsvermögen (z. B. bei Unternehmen).

Typische Anwendungsgebiete

Die Sicherungsübereignung ist vor allem im Rahmen von Warenkrediten, Maschinenfinanzierungen oder Kraftfahrzeugfinanzierungen gebräuchlich. Sie wird bevorzugt, wenn eine Bestellung eines Pfandrechts aufgrund der Forderung nach unmittelbarem Besitzverlust als zu einschneidend empfunden wird.


Rechtswirkungen der Sicherungsübereignung

Eigentumserwerb zugunsten des Sicherungsnehmers

Mit Abschluss des Sicherungsübereignungsvertrags und Wirksamwerden des Besitzmittlungsverhältnisses erlangt der Sicherungsnehmer ein sogenanntes Sicherungseigentum. Dieses ist gegenüber Dritten grundsätzlich vollwertiges Eigentum, unterliegt aber internen Beschränkungen nach Maßgabe des Sicherungsvertrags.

Rechtliche Stellung des Sicherungsgebers

Obwohl der Sicherungsgeber das Eigentum an der Sache verliert, bleibt er in aller Regel weiterhin deren Besitzer und darf sie bestimmungsgemäß nutzen. Im Innenverhältnis sind seine Nutzungsmöglichkeiten durch den Sicherungsvertrag geregelt.

Abgrenzung zum Besitzkonstitut

Das häufig bei der Sicherungsübereignung eingesetzte Besitzmittlungsverhältnis wird als Besitzkonstitut bezeichnet. Dabei bleibt der Sicherungsgeber als „Besitzmittler“ für den Sicherungsnehmer weiterhin im Besitz der Sachen (mittelbarer Besitzer).


Risiken und Grenzen der Sicherungsübereignung

Sicherungsübereignung an künftigen Forderungen und Sachen

Üblicherweise ist auch die Sicherungsübereignung an künftigen, im Besitz oder Erwerb des Sicherungsgebers stehenden Sachen möglich, soweit diese ausreichend bestimmt sind und später in den Besitz des Sicherungsgebers gelangen.

Übersicherung und Rückgewähranspruch

Kommt es zu einer Übersicherung – also einer Werthöhe der Sicherung, die die gesicherte Forderung wesentlich übersteigt – hat der Sicherungsgeber nach ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Freigabe der überschießenden Sicherungsgegenstände.


Verwertung und Erlöschen der Sicherungsübereignung

Voraussetzungen der Verwertung

Wird die gesicherte Forderung nicht bedient (z. B. bei Zahlungsverzug), kann der Sicherungsnehmer das Sicherungseigentum verwerten. Hier gelten die vertraglichen, gesetzlichen und gegebenenfalls insolvenzrechtlichen Vorschriften. Häufig erfolgt die Verwertung durch freihändigen Verkauf; der Sicherungsgeber hat Anspruch auf etwaigen Verwertungserlösüberschuss.

Erlöschen der Sicherungsübereignung

Wird die gesicherte Forderung erfüllt, wandelt sich das Sicherungseigentum nach den Regeln des Sicherungsvertrags wieder in das Eigentum des Sicherungsgebers zurück. Häufig bewirkt der Sicherungsvertrag zugleich ein Rücktritts-, Rückübertragungs- oder Herausgabeanspruch.


Insolvenzsicherheit und Drittwirkungen

Sicherungsübereignung in der Insolvenz

Die Sicherungsübereignung entfaltet in der Insolvenz des Sicherungsgebers regelmäßig absonderungsrechtliche Wirkung. Der Sicherungsnehmer kann unter Beachtung insolvenzrechtlicher Vorschriften bevorzugt auf den Sicherungsgegenstand zugreifen.

Schutz des redlichen Erwerbs

Dritte können unter bestimmten Voraussetzungen gutgläubig Sicherungseigentum erwerben, insbesondere wenn Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ein Besitzmittlungsverhältnis nicht offenkundig nach außen gestalten.


Abgrenzungen zu anderen Sicherungsmitteln

Unterscheidung von Eigentumsvorbehalt und Pfandrecht

Im Unterschied zum Pfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB verbleibt die Sache beim Sicherungsgeber, ohne dass ein Besitzverlust eintritt. Der Unterschied zum einfachen Eigentumsvorbehalt nach § 449 BGB liegt darin, dass bei der Sicherungsübereignung bereits mit Vertragsabschluss das Eigentum an der beweglichen Sache auf den Sicherungsnehmer übergeht – unabhängig von der vollständigen Kaufpreiszahlung.


Zusammenfassung

Die Sicherungsübereignung ist ein im Wirtschaftsleben etabliertes Sicherungsmittel, das sowohl dem Sicherungsgeber die Nutzung als auch dem Sicherungsnehmer bestmögliche dingliche Absicherung bietet. Sie basiert auf einem Zusammenspiel von sachen- und schuldrechtlichen Vereinbarungen und ist vielseitig verwendbar, etwa bei der Finanzierung mobiler Anlagegüter oder der Warenkreditsicherung. Rechtliche Besonderheiten ergeben sich insbesondere bei der Vertragsgestaltung, dem Umgang mit Drittinteressen und in insolvenzrechtlichen Kontexten. Die genaue Kenntnis der damit verbundenen Rechte und Pflichten ist unerlässlich, um eine wirksame und ausgewogene Sicherungsübereignung sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formvorschriften gelten für die Sicherungsübereignung?

Die Sicherungsübereignung unterliegt grundsätzlich keiner besonderen Formvorschrift, das heißt, sie kann sowohl mündlich als auch schriftlich vereinbart werden. Aus Beweisgründen wird jedoch regelmäßig die Schriftform gewählt. Der Sicherungsübereignungsvertrag muss die beteiligten Parteien, die zu sichernden Forderungen sowie den zu übereignenden Sicherungsgegenstand (z. B. Maschinen, Fahrzeuge oder Warenlager) genau bezeichnen, um der Bestimmtheitsanforderung gemäß dem Publizitätsprinzip zu genügen. Die Einhaltung der Bestimmtheitsanforderung ist insbesondere beim sogenannten „Rahmenvertrag“ oder bei der Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten bedeutsam, wo die zu sichernden Gegenstände einzeln und eindeutig bestimmbar beschrieben werden müssen. Eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich. Gegebenenfalls können jedoch besondere Formvorschriften, etwa bei Grundstücken oder bestimmten Rechten, einschlägig sein, für bewegliche Sachen gilt dies aber nicht.

Welche Rechte verbleiben dem Sicherungsgeber nach der Sicherungsübereignung?

Durch die Sicherungsübereignung verliert der Sicherungsgeber in rechtlicher Hinsicht das Eigentum an dem Sicherungsgut, da dieses auf den Sicherungsnehmer übergeht. Allerdings bleibt der Sicherungsgeber in der Regel im unmittelbaren Besitz des Sicherungsgutes und ist gemäß Sicherungsabrede typischerweise weiterhin befugt, das Sicherungsgut im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs zu nutzen (sogenannter Besitzmittlungsverhältnis, § 930 BGB). Dies unterscheidet die Sicherungsübereignung von einem Pfandrecht, bei dem der Gläubiger unmittelbaren Besitz erlangt. Die Nutzungsmöglichkeit kann sich jedoch je nach Ausgestaltung der Sicherungsabrede richten; oft sind bestimmte Einschränkungen – etwa ein Veräußerungsverbot oder ein Verpfändungsverbot – vereinbart. Im Falle einer Zuwiderhandlung kann dies zum Verlust der Nutzungsbefugnis führen. Der Sicherungsgeber bleibt außerdem verpflichtet, die Sache sorgfältig zu behandeln und eventuelle Wertminderungen zu vermeiden.

Welche Sicherungsrechte stehen dem Sicherungsnehmer zu?

Der Sicherungsnehmer erlangt durch die Sicherungsübereignung das rechtliche Eigentum am Sicherungsgut, jedoch typischerweise mit der Einschränkung, dass er dieses nur im Sicherungsfall – also bei Eintritt der Fälligkeit und Nichteinhaltung der gesicherten Forderung – im Wege der Verwertung zur Befriedigung seiner Forderung einsetzen darf. Der Sicherungsnehmer ist verpflichtet, im Rahmen der Verwertung die Grundsätze der ordnungsgemäßen Pfandverwertung (§ 1235 BGB analog) sowie die Interessen des Sicherungsgebers zu wahren (Treuhandverhältnis). Eine Verwertung „auf Treu und Glauben“ ist zwingend. Ein etwaiger Mehrerlös nach Befriedigung der Forderung ist an den Sicherungsgeber herauszugeben. Während des Sicherungszweckes darf der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut nicht zu eigenen Zwecken nutzen oder veräußern. Bei Insolvenz des Sicherungsgebers erlangt der Sicherungsnehmer gemäß § 47 InsO ein Aussonderungsrecht am Sicherungsgut.

Welche Rolle spielt das Publizitätsprinzip bei der Sicherungsübereignung?

Das Publizitätsprinzip soll sicherstellen, dass für Dritte – insbesondere für andere Gläubiger – erkennbar ist, dass ein bestimmtes Sicherungsgut nicht mehr dem Schuldner, sondern dem Sicherungsnehmer gehört. Bei der Sicherungsübereignung wird das Publizitätsprinzip durch die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (Besitzkonstitut, § 930 BGB) erfüllt. Das Besitzmittlungsverhältnis muss so ausgestaltet sein, dass dem Gläubiger die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Sache, etwa bei Eintritt des Sicherungsfalls, gewährleistet ist. Eine rein formale oder lediglich fingierte Besitzverschaffung genügt nicht. Ist die Ausgestaltung des Besitzmittlungsverhältnisses zu unbestimmt oder ausschließlich im Interesse des Sicherungsgebers, kann die Sicherungsübereignung gegenüber Dritten (etwa Insolvenzverwaltern oder anderen Gläubigern) unwirksam sein. Die Beachtung des Publizitätsprinzips ist ferner notwendig, um sog. Gutglaubensschutz nach §§ 932 ff. BGB einzuschränken.

Wie wird im Sicherungsfall die Verwertung des Sicherungsguts durchgeführt?

Tritt der Sicherungsfall ein, d. h., kommt der Sicherungsgeber seiner Verpflichtung nicht nach, ist der Sicherungsnehmer berechtigt, das übereignete Sicherungsgut zu verwerten. Die Verwertung richtet sich nach den vertraglichen Absprachen; fehlt eine ausdrückliche Regelung, findet eine analoge Anwendung der Vorschriften über das Pfandrecht (§§ 1228 ff. BGB) statt. Dabei ist die Sicherungsübereignung in der Regel als Treuhandverhältnis auszugestalten, sodass dem Sicherungsgeber ein Anspruch auf Herausgabe eines Verwertungserlöses zusteht, der die gesicherte Forderung übersteigt. Die Verwertung kann durch freihändigen Verkauf, öffentliche Versteigerung oder eine anderweitig vereinbarte Vorgehensweise geschehen. Der Sicherungsnehmer ist verpflichtet, bei der Verwertung die Interessen des Sicherungsgebers angemessen zu berücksichtigen, insbesondere einen angemessenen Verwertungserlös zu erzielen. Etwaige Mehrerlöse sind an den Sicherungsgeber auszukehren.

Welche Risiken bestehen für den Sicherungsnehmer bei Insolvenz des Sicherungsgebers?

Im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers erlangt der Sicherungsnehmer grundsätzlich ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO), sofern die Sicherungsübereignung wirksam ist und das Sicherungsgut noch eindeutig bestimmbar im Vermögen des Sicherungsgebers vorhanden ist. Problematisch kann dies jedoch werden, wenn das Sicherungsgut nicht mehr individuell identifizierbar ist, wie z. B. bei der Sicherungsübereignung von Sachgesamtheiten, gemischten Warenlagern oder verarbeiteten Gegenständen. In solchen Fällen kann das Aussonderungsrecht entfallen und der Sicherungsnehmer lediglich auf ein Absonderungsrecht verwiesen werden, was wirtschaftlich regelmäßig nachteilig ist. Wird das Sicherungsgut zudem von Dritten (z. B. bei Weiterveräußerung) gutgläubig erworben, besteht das Risiko eines Verlustes der Sicherungsrechte. Auch formale Fehler bei der Sicherungsabrede oder ein nicht ordnungsgemäß ausgestaltetes Besitzkonstitut können im Insolvenzfall zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit (§ 129 InsO ff.) der Sicherungsübereignung führen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt?

Obwohl sich sowohl Sicherungsübereignung als auch Eigentumsvorbehalt als Kreditsicherungsmittel etabliert haben, unterscheiden sie sich in wesentlichen Punkten. Bei der Sicherungsübereignung wird das Volleigentum an der beweglichen Sache als Sicherheit auf den Sicherungsnehmer übertragen, wobei dem Sicherungsgeber im Rahmen eines Besitzmittlungsverhältnisses der Besitz verbleibt. Die Sicherungsübereignung ist daher besonders für Dauerschuldverhältnisse, Betriebsmittel- und Investitionsgüter geeignet. Beim Eigentumsvorbehalt hingegen bleibt der Veräußerer bis zur vollständigen Bezahlung der Kaufsache Eigentümer; das Eigentum geht erst mit vollständiger Erfüllung der Kaufpreisforderung automatisch auf den Erwerber über. Der Eigentumsvorbehalt ist im Massengeschäft (Handelskauf) und insbesondere im Absatzkreditverkehr bedeutsam. Im Unterschied zur Sicherungsübereignung ist das Risiko bei der Insolvenz des Erwerbers beim verlängerten Eigentumsvorbehalt durch die Besonderheiten des Absonderungs- und Aussonderungsrechts abweichend geregelt.