Sicherungsabrede: Begriff und Grundprinzip
Die Sicherungsabrede ist eine Vereinbarung zwischen einem Sicherungsgeber (z. B. Kreditnehmenden) und einem Sicherungsnehmer (z. B. Kreditgebenden), die den Zweck, den Umfang und die Grenzen einer Sicherheit festlegt. Sie bestimmt, welche Forderungen gesichert werden, unter welchen Voraussetzungen die Sicherheit verwertet werden darf und wie nach Tilgung der gesicherten Forderungen mit der Sicherheit umzugehen ist. Die Sicherungsabrede ist damit das inhaltliche „Regelwerk“ hinter einer Sicherheit wie Grundschuld, Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung und verbindet diese rechtlich mit der zugrunde liegenden Forderung.
Rechtsnatur und Systematik
Trennung von Sicherungsvertrag und Sicherungsrecht
Die Sicherungsabrede ist ein schuldrechtlicher Vertrag. Daneben besteht das dingliche Sicherungsrecht, etwa an einem Grundstück, einer Sache oder einer Forderung. Beide Ebenen sind voneinander zu unterscheiden: Die dingliche Sicherheit wirkt gegenüber Dritten, während die Sicherungsabrede das Innenverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ordnet. Erst die Sicherungsabrede legt fest, wofür die Sicherheit stehen soll (Sicherungszweck) und welche Rechte und Pflichten sich daraus ergeben.
Abstraktion und Bindung an den Sicherungszweck
Viele Sicherheiten (insbesondere an Sachen oder Rechten) werden rechtlich abstrakt bestellt, das heißt zunächst ohne Bezug zu einer konkreten Forderung. Die Sicherungsabrede „füllt“ diese abstrakte Sicherheit mit Inhalt: Sie legt fest, dass und in welchem Umfang die Sicherheit nur zur Absicherung bestimmter Forderungen dient. Wird der Sicherungszweck erfüllt, entsteht ein Anspruch auf Rückgewähr oder Freigabe der Sicherheit.
Beteiligte und typische Konstellationen
Üblich sind Sicherungsabreden zwischen Kreditinstituten und Kreditnehmenden. Häufig treten Dritte als Sicherungsgeber auf, etwa Gesellschafter, Familienangehörige oder verbundene Unternehmen. Die Abrede kann individuell ausgehandelt oder in vorformulierten Bedingungen enthalten sein. Sie ist häufig Bestandteil von Kredit- und Sicherheitenverträgen.
Abgrenzung zu verwandten Instituten
Die Sicherungsabrede ist nicht selbst die Sicherheit; sie begleitet und steuert diese. Sie unterscheidet sich von persönlichen Sicherheiten wie der Bürgschaft, die eine eigenständige Verpflichtung begründet. Bei dinglichen Sicherheiten (z. B. Grundschuld, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung) bestimmt die Sicherungsabrede, welche Forderungen abgesichert sind und wie die Verwertung erfolgen darf. Beim Eigentumsvorbehalt und dessen Erweiterungen übernehmen entsprechende Klauseln die Sicherungsfunktion im Waren- und Forderungsverkehr.
Typische Ausgestaltung
Sicherungszweck und Bestimmtheit
Kern der Sicherungsabrede ist die Festlegung des Sicherungszwecks. Dieser kann eng (nur eine einzelne Forderung) oder weit (mehrere oder sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen) gefasst sein. Erforderlich ist eine hinreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der gesicherten Forderungen. Unklare, uferlose oder intransparente Formulierungen können zu Auslegungsproblemen oder Unwirksamkeit einzelner Klauseln führen.
Sicherheitenkreis und künftige Forderungen
Die Abrede kann einen Sicherheitenpool erfassen, etwa bei Sicherungsabtretungen von Kundenforderungen, bei Warenlagern (Sicherungsübereignung) oder bei Kontoguthaben. Zulässig sind häufig auch sogenannte Mantel- oder Globalabreden, die künftige Forderungen einschließen, sofern Transparenz und Bestimmbarkeit gewahrt sind und keine unangemessene Benachteiligung entsteht.
Freigabeklausel und Überbesicherung
Die Abrede regelt üblicherweise, wann Sicherheiten ganz oder teilweise freizugeben sind. Eine deutliche und dauerhafte Überbesicherung kann unzulässig sein. In der Praxis finden sich Freigabeklauseln, die bei einer bestimmten Überschreitung der Deckungsgrenzen einen Anspruch auf Freigabe vorsehen. Maßstab ist regelmäßig der realisierbare Wert der Sicherheit im Verhältnis zum gesicherten Forderungsbestand.
Verwertungsregelungen und Erlösverwendung
Für den Fall des Zahlungsverzugs kann die Sicherungsabrede die Verwertungsmodalitäten festlegen, etwa Art und Ablauf der Verwertung, Informationsrechte, Fristen, Schätzungen und die Reihenfolge der Erlösverwendung (Kosten, Zinsen, Hauptforderung). Sie kann den Verwertungszugriff an sachliche Voraussetzungen knüpfen, etwa Fälligkeit und Nichtleistung.
Informations- und Mitwirkungspflichten
Typisch sind Pflichten zur Werterhaltung, Versicherung, Duldung von Prüfungen sowie Anzeige- und Auskunftspflichten (z. B. bei Forderungsabtretungen). Diese dienen der Sicherungsüberwachung und der Vorbereitung einer etwaigen Verwertung.
Rückgewähr und Revalutierung
Nach Zweckfortfall besteht regelmäßig ein Anspruch auf Rückgewähr, etwa Rückabtretung, Rückübertragung, Löschung oder Freigabe. In laufenden Geschäftsbeziehungen kann eine Revalutierung möglich sein, wenn neue gesicherte Forderungen entstehen und die Sicherungsabrede dies vorsieht.
Sicherungsabrede bei einzelnen Sicherungsarten
Grundschuld
Die Grundschuld ist in der Regel abstrakt. Erst die Sicherungsabrede (häufig als Sicherungszweckerklärung bezeichnet) ordnet sie bestimmten Forderungen zu und regelt Rückgewähr, Verwertung, Zinssätze für den Sicherungszweck und die Behandlung von Überschüssen. Ohne Sicherungsabrede fehlte die begrenzende Zweckbindung.
Sicherungsübereignung beweglicher Sachen
Bei der Sicherungsübereignung bleibt die Sache häufig beim Sicherungsgeber; das Eigentum wird zur Sicherheit übertragen. Die Sicherungsabrede regelt, welche Forderungen gesichert sind, wie mit Austausch, Verarbeitung oder Veräußerung der Sachen umzugehen ist und welche Pflichten zur Erhaltung und Versicherung bestehen.
Sicherungsabtretung von Forderungen
Bei der Sicherungsabtretung werden Forderungen (z. B. Kundenforderungen) übertragen. Die Abrede definiert den Kreis der abgetretenen Forderungen, Veritätspflichten (Bestand), Einziehungsermächtigung, Offenlegung gegenüber Drittschuldnern, Auskehr vereinnahmter Beträge und Verwertungsmodalitäten bei Widerruf der Einziehungsermächtigung.
Eigentumsvorbehalt und Erweiterungen
Beim einfachen Eigentumsvorbehalt bleibt das Eigentum an gelieferten Waren bis zur vollständigen Zahlung vorbehalten. Erweiterungen wie verlängerter oder erweiterter Eigentumsvorbehalt nutzen funktional Sicherungsabreden, um Vorausabtretungen von Erlösforderungen oder eine Einbeziehung weiterer Forderungen zu regeln.
Wirkung gegenüber Dritten und im Insolvenzfall
Drittwirkung und Publizität
Die dingliche Sicherheit wirkt gegenüber Dritten; die Sicherungsabrede als schuldrechtliche Vereinbarung bindet primär die Vertragsparteien. Dritte können aus ihr nur ableiten, was ihnen mitgeteilt oder offengelegt wird oder was sich aus der Art der Sicherheit ergibt. Öffentlichkeitswirkung besteht vor allem, wenn das Sicherungsrecht registriert wird, etwa im Grundbuch; der konkrete Sicherungszweck ergibt sich daraus jedoch regelmäßig nicht.
Mehrfachsicherungen, Rang und Konkurrenz
Bei mehreren Sicherheiten regeln Abreden häufig Rangverhältnisse, Quoten und Verwertungskoordination. Unklare oder widersprüchliche Regelungen können zu Kollisionen führen. Rangfragen ergeben sich insbesondere bei Grundstücksrechten und bei mehrfach abgetretenen Forderungen.
Insolvenz des Sicherungsgebers
Im Insolvenzverfahren des Sicherungsgebers setzt die Verwertung der Sicherheit die Beachtung insolvenzrechtlicher Regeln voraus. Der aus einer Verwertung erzielte Überschuss ist herauszugeben. Die Sicherungsabrede bleibt insoweit bedeutsam, als sie Verwertungsbefugnisse, Voraussetzungen und die Zweckbindung konkretisiert.
Insolvenz des Sicherungsnehmers
Im Insolvenzfall des Sicherungsnehmers ist maßgeblich, dass die Sicherheit zweckgebunden ist. Ansprüche auf Rückgewähr oder Freigabe können geltend gemacht werden, wenn der Sicherungszweck entfällt. Die Abrede steuert dann die Abwicklung, insbesondere die Reihenfolge und Form der Rückgewähr.
Wirksamkeit und Kontrolle
Form, Transparenz und AGB-Kontrolle
Sicherungsabreden können formfrei geschlossen werden; bei bestimmten Sicherheiten sind allerdings für die dingliche Bestellung besondere Formen erforderlich. Werden vorformulierte Bedingungen verwendet, unterliegen die Klauseln einer Inhalts- und Transparenzkontrolle. Unklare, überraschende oder unangemessen weitreichende Klauseln können unwirksam sein.
Unangemessene Benachteiligung und Wertgleichgewicht
Eine krasse und dauerhafte Überbesicherung, intransparente Globaldeckung ohne erkennbaren Bezug zur Geschäftsbeziehung oder fehlende Freigaberegelungen können eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Entscheidend sind Ausgewogenheit, Bestimmbarkeit und Verständlichkeit der Regelungen.
Nichtigkeit, Teilunwirksamkeit und Auslegung
Ist eine Klausel unwirksam, bleibt die restliche Abrede häufig wirksam, wenn sie ohne die betroffene Klausel sinnvoll fortbestehen kann. Lücken können im Wege der ergänzenden Auslegung geschlossen werden. Maßgeblich sind dann Zweck, Systematik und das objektiv erkennbare Interesse beider Seiten.
Beendigung und Nachwirkungen
Zweckfortfall und Freigabe
Mit vollständiger Erfüllung der gesicherten Forderungen entfällt der Sicherungszweck. Es entsteht ein Anspruch auf Rückgewähr, Löschung oder Freigabe. Bestehen mehrere Forderungen oder ein laufender Rahmen, kann die Sicherung fortbestehen, soweit die Abrede dies vorsieht und ein Sicherungsbedürfnis noch besteht.
Umschuldung, Anpassung und Fortentwicklung
Ändert sich der Forderungsbestand (z. B. durch Umschuldung, Prolongation oder Kontokorrent), kommt es auf die Auslegung der Sicherungsabrede an. Erfasst die Zweckbestimmung auch solche Änderungen, bleibt die Sicherung bestehen; andernfalls sind Anpassungen erforderlich, die den Sicherungszweck klar und bestimmt abbilden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist eine Sicherungsabrede in einfachen Worten?
Es handelt sich um die Vereinbarung, die festlegt, wofür eine Sicherheit steht, welche Forderungen sie deckt und wie mit der Sicherheit verfahren wird, wenn die Forderungen erfüllt oder nicht erfüllt werden.
Worin unterscheidet sich die Sicherungsabrede vom Sicherungsrecht?
Die Sicherungsabrede ist der Vertrag zwischen den Beteiligten und regelt den Zweck sowie die Nutzung der Sicherheit. Das Sicherungsrecht (z. B. Grundschuld, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung) ist das rechtliche Mittel, das die Sicherheit gegenüber Dritten wirksam macht.
Welche Inhalte gehören typischerweise in eine Sicherungsabrede?
Wesentlich sind die Beschreibung des Sicherungszwecks, der gesicherten Forderungen, die Regeln zur Verwertung und Erlösverwendung, Freigaberegeln bei Überdeckung sowie Informations- und Mitwirkungspflichten.
Was bedeutet Überbesicherung?
Überbesicherung liegt vor, wenn der realisierbare Wert der Sicherheit den gesicherten Forderungsbestand deutlich und dauerhaft übersteigt. Dies kann zu Freigabeansprüchen oder zur Unwirksamkeit einzelner Klauseln führen.
Wann endet die Sicherungsabrede?
Sie endet regelmäßig mit dem Wegfall des Sicherungszwecks, etwa nach vollständiger Erfüllung der gesicherten Forderungen. Dann besteht Anspruch auf Rückgewähr, Freigabe oder Löschung der Sicherheit.
Welche Rolle spielt die Sicherungsabrede bei der Grundschuld?
Sie ordnet die abstrakte Grundschuld bestimmten Forderungen zu, legt die Grenzen der Nutzung fest und regelt Rückgewähr sowie Verwertung. Ohne diese Zweckbindung wäre der Einsatz der Grundschuld nicht auf den vereinbarten Rahmen beschränkt.
Welche Bedeutung hat die Sicherungsabrede in der Insolvenz?
Sie konkretisiert die Zweckbindung und Verwertungsmodalitäten. In der Insolvenz des Sicherungsgebers steuert sie die Verwertung und die Auskehr von Überschüssen; beim Sicherungsnehmer regelt sie Rückgewähransprüche nach Zweckfortfall.
Ist eine Sicherungsabrede für künftige Forderungen zulässig?
Sie kann auch künftige Forderungen erfassen, sofern Transparenz und Bestimmbarkeit gewahrt sind und keine unangemessene Benachteiligung entsteht.