Begriff und rechtliche Einordnung der selbständigen Arbeit
Der Begriff der selbständigen Arbeit ist sowohl im deutschen Zivilrecht als auch im Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht von besonderer Bedeutung. Selbständige Arbeit unterscheidet sich rechtlich von unselbständiger Arbeit dadurch, dass die Tätigkeit nicht weisungsgebunden erfolgt und eine eigene unternehmerische Entscheidungsbefugnis charakteristisch ist. Im Zentrum steht dabei die Abgrenzung zu abhängiger Beschäftigung, da hiervon wesentliche rechtliche, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Folgen abhängen.
Abgrenzung: Selbständige Arbeit vs. abhängige Beschäftigung
Merkmale der selbständigen Arbeit
Selbständige Arbeit setzt voraus, dass die Tätigkeit auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung ausgeübt wird. Typischerweise sind selbständig tätige Personen hinsichtlich:
- Gestaltung ihrer Arbeitszeit
- Arbeitsort
- Art der Durchführung
frei und unterliegen keinen oder nur wenigen Weisungen durch Dritte. Sie sind zudem im Wesentlichen frei in der Organisation ihrer Tätigkeit und tragen das wirtschaftliche Risiko selbst.
Abgrenzungskriterien zur abhängigen Beschäftigung
Die rechtliche Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung (sog. unselbständige Arbeit) basiert auf mehreren Kriterien, die sich insbesondere aus der Rechtsprechung ergeben, u.a.:
- Weisungsgebundenheit
- Eingliederung in betriebliche Abläufe
- Verwendung von Betriebsmitteln des Auftraggebers
- Keine eigenwirtschaftliche Dispositionsbefugnis
- Zahlung eines festen Entgelts (Lohn/Gehalt)
Die genaue Abgrenzung erfolgt häufig durch Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände.
Selbständige Arbeit im Steuerrecht
Begriff nach Einkommensteuergesetz (EStG)
Das Einkommensteuergesetz (§ 18 EStG) definiert selbständige Arbeit aus steuerlicher Sicht. Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählen insbesondere folgende Berufsgruppen:
- Freiberufler
- Wissenschaftler
- Künstler
- Schriftsteller
- Lehrer und Erzieher
Des Weiteren gehören Tätigkeiten dazu, die keine Gewerbebetriebe im Sinne des § 15 EStG sind und nicht einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden.
Abgrenzung zu gewerblicher Tätigkeit
Der Unterschied zwischen einer freiberuflichen und einer gewerblichen, selbständigen Tätigkeit ist insbesondere wegen der Gewerbesteuerpflicht relevant. Freiberufler sind grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig, Gewerbetreibende schon. Maßgeblich ist unter anderem die Eigenverantwortlichkeit und fachliche Unabhängigkeit bei der Ausübung der Tätigkeit.
Steuerliche Pflichten
Selbständige sind verpflichtet, ihre Einkünfte durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder Bilanzierung zu ermitteln und entsprechende Steuererklärungen abzugeben. Zudem unterliegen viele selbständig Tätige der Umsatzsteuerpflicht, sofern die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) nicht greift.
Selbständige Arbeit im Sozialversicherungsrecht
Sozialversicherungspflicht und freie Mitarbeit
Ob und in welcher Weise eine selbständige Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Grundsätzlich sind selbständig Tätige nicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig. Es gibt jedoch diverse Ausnahmen:
- Selbständige Lehrer und Pflegepersonen können versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sein
- Sogenannte arbeitnehmerähnliche Selbständige (weniger als ein Auftraggeber, keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten) unterliegen unter Umständen der Rentenversicherungspflicht
- Künstler und Publizisten sind im Rahmen der Künstlersozialversicherung abgesichert
Statusfeststellungsverfahren
Das Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund dient der Klärung, ob eine Tätigkeit als selbständig oder als beschäftigungsähnliches Verhältnis einzuordnen ist. Wichtige Kriterien hierfür sind Weisungsfreiheit, Unternehmerrisiko und eigenes Unternehmenskapital.
Selbständige Arbeit im Zivilrecht und Vertragsrecht
Vertragsarten
Die rechtliche Grundlage einer selbständigen Tätigkeit bildet regelmäßig der Dienstvertrag (§ 611 BGB) oder der Werkvertrag (§ 631 BGB). Der Dienstvertrag regelt das Erbringen von Diensten (z. B. Beratungsleistungen), beim Werkvertrag steht der Erfolg einer Tätigkeit im Vordergrund (z. B. Erstellung einer Software).
Rechte und Pflichten
Selbständig Tätige sind grundsätzlich allein für die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Vertragspflichten, die Abführung von Steuern und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (wie Datenschutz oder Arbeitsschutz, soweit anwendbar) verantwortlich. Eine Privilegierung wie bei Arbeitnehmern (Kündigungsschutz, Anspruch auf Urlaub etc.) besteht in der Regel nicht.
Haftung und unternehmerisches Risiko
Selbständig arbeitende Personen haften persönlich und unbeschränkt für die aus ihrer Tätigkeit entstehenden Verbindlichkeiten, sofern keine Haftungsbegrenzung durch eine bestimmte Rechtsform (etwa GmbH, UG) vereinbart wurde. Das unternehmerische Risiko trägt die selbständig tätige Person in vollem Umfang.
Berufsrechtliche Vorschriften
Für zahlreiche selbständig Tätige bestehen besondere berufsrechtliche Regelungen, etwa für Heilberufe, Architekten oder Steuerberater. Diese regeln neben Zulassungsvoraussetzungen auch Fortbildungs- und Dokumentationspflichten sowie bestimmte Standesregeln.
Besonderheiten und Sonderformen
Scheinselbständigkeit
Unter Scheinselbständigkeit versteht man ein Beschäftigungsverhältnis, das formal als selbständige Tätigkeit deklariert wird, inhaltlich jedoch die Merkmale abhängiger Beschäftigung erfüllt. Dies führt zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen, insbesondere Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern.
Honorarkräfte und freie Mitarbeit
Honorarkräfte und freie Mitarbeiter gelten in der Regel als selbständig tätig, sofern sie die entsprechenden Merkmale (z. B. unternehmerisches Risiko, Weisungsfreiheit) erfüllen. Hier ist eine sorgfältige Prüfung der Vertragsverhältnisse ratsam, um eine ungewollte Sozialversicherungspflicht zu vermeiden.
Fazit
Selbständige Arbeit ist ein zentraler Begriff im deutschen Recht, der insbesondere im Steuer-, Sozialversicherungs- und Zivilrecht präzise definiert und abgegrenzt wird. Die exakte rechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist entscheidend für die zutreffende Anwendung der gesetzlichen Vorgaben. Vor Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit empfiehlt sich eine eingehende Prüfung der Voraussetzungen, Rechte und Pflichten, um rechtliche und wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Pflichten muss ich als Selbständiger in Bezug auf die Anmeldung meiner Tätigkeit beachten?
Wer eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, ist in Deutschland verpflichtet, diese Tätigkeit unverzüglich beim zuständigen Gewerbe- oder Finanzamt anzumelden. Für bestimmte freie Berufe (z. B. Ärzte, Steuerberater, Künstler) genügt die Anzeige der Tätigkeit beim Finanzamt, während für andere selbständige Tätigkeiten (insbesondere im Bereich der Gewerbetreibenden) eine Gewerbeanmeldung bei der örtlichen Gemeindeverwaltung erforderlich ist. Zusätzlich ist die Wahl der Rechtsform von Bedeutung, da mit ihr unterschiedliche rechtliche Anforderungen einhergehen (z. B. Einzelunternehmen, GbR, GmbH). Nach der Anmeldung erhält der Selbständige einen steuerlichen Erfassungsbogen vom Finanzamt, worin Eckdaten zur Tätigkeit, voraussichtliche Umsätze und Gewinne sowie Angaben zur Umsatzsteuerpflicht gemacht werden müssen. Die Eintragung in Berufsregister oder bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) kann ebenfalls erforderlich sein. Dies betrifft insbesondere gewerbliche Tätigkeiten. Auch etwaige Meldungen bei der Berufsgenossenschaft (gesetzliche Unfallversicherung) sowie weitere branchenspezifische Zulassungen und Genehmigungen sind rechtzeitig zu beachten.
Welche steuerlichen Verpflichtungen entstehen durch die selbständige Tätigkeit?
Selbständige unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer und müssen ihre Einkünfte jährlich im Rahmen der Steuererklärung angeben (§ 2 EStG, § 18 EStG). Bei Überschreitung bestimmter Umsatzgrenzen oder freiwilligem Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung müssen sie zudem Umsatzsteuer auf ihre Leistungen ausweisen und abführen (§ 19 UStG). Hierzu sind regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen und eine Jahresumsatzsteuererklärung erforderlich. Je nach Art der Tätigkeit kann zusätzlich die Gewerbesteuer anfallen (§ 2 GewStG, Ausnahme: Freiberufler sind gewerbesteuerbefreit). Die Buchführungspflichten richten sich nach der Gewinnermittlungsart (Einnahmenüberschussrechnung oder Bilanzierung). Abhängig von den erzielten Gewinneinkünften müssen regelmäßig Vorauszahlungen auf die zu erwartende Steuerschuld geleistet werden. Für den Bereich der Sozialabgaben bestehen zumindest Informations- und gegebenenfalls Meldepflichten bei den Trägern der Sozialversicherung.
Muss ich als Selbständiger Pflichtbeiträge zu Sozialversicherungen leisten?
Selbständige sind grundsätzlich nicht automatisch in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen. Ausnahmen gelten beispielsweise für bestimmte Berufsgruppen (Handwerker, Künstler, Publizisten, Lehrer, Hebammen), die kraft Gesetzes pflichtversichert sind (zum Beispiel in der Künstlersozialkasse oder in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 2 SGB VI). Für andere Selbständige besteht Wahlfreiheit, jedoch auch die Notwendigkeit, sich eigenverantwortlich um Absicherung gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit und fürs Alter zu kümmern. Wer nicht unter die Versicherungspflicht fällt, muss sich freiwillig gesetzlich oder privat versichern. Das Nichtbestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes kann erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken beinhalten, zum Beispiel durch eine Versicherungslücke oder Unterdeckung. Zudem besteht vielfach eine Meldepflicht gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung, um die Versicherungspflicht prüfen zu lassen.
Welche Anforderungen gelten in Bezug auf Verträge und Vertragsabschlüsse bei selbständiger Tätigkeit?
Als Selbständiger bestehen keine festen formalen Anforderungen an den Abschluss von Verträgen; grundsätzlich gilt die Vertragsfreiheit nach § 311 BGB. Allerdings empfiehlt es sich aus Beweisgründen, Verträge stets schriftlich zu schließen, insbesondere bei wiederkehrenden Leistungen, hohen Summen oder langen Laufzeiten. Bestimmte Verträge (z. B. Grundstückskauf, Darlehen über 500 Euro, Arbeitsverträge in besonderen Ausprägungen) unterliegen Formvorschriften. Ein Vertrag ist rechtlich erst verbindlich, wenn eine Einigung über die Hauptleistungspflichten vorgenommen wurde (Angebot und Annahme nach §§ 145ff BGB). Der Selbständige muss sicherstellen, dass Vertragsinhalte klar und eindeutig sind, insbesondere hinsichtlich Leistungsbeschreibung, Vergütung, Kündigungsmodalitäten und Haftungsausschlüssen. Im Rahmen von AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) ist darauf zu achten, dass diese wirksam einbezogen und nicht gegen geltendes Recht oder die §§ 305 ff. BGB verstoßen. Branchenspezifische Vorschriften (zum Beispiel Heilmittelwerbegesetz, HWG, oder das Urheberrecht) sind bei der Gestaltung einzelner Vertragsklauseln zu beachten.
Welche Haftungsrisiken bestehen bei der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit?
Die Haftung des Selbständigen richtet sich nach der gewählten Rechtsform. Einzelunternehmer und Gesellschafter einer GbR haften grundsätzlich unbeschränkt mit ihrem gesamten Privatvermögen (§§ 705 ff. BGB). Bei juristischen Personen (z. B. GmbH, UG) ist die Haftung auf das Gesellschaftskapital beschränkt (§ 13 Abs. 2 GmbHG), jedoch existieren auch hier Ausnahmen, etwa bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten sowie Durchgriffshaftung bei Missbrauch der Rechtsform. Verschuldensunabhängige Haftung kann in bestimmten Bereichen durch gesetzliche Vorschriften entstehen (zum Beispiel Produkthaftungsgesetz oder Umweltschadensgesetz). Es besteht die Verpflichtung, die berufsspezifischen Sorgfaltspflichten einzuhalten; bei Verstoß drohen Schadensersatzansprüche von Kunden oder Dritten (§§ 280 ff. BGB). Selbständige sollten daher den Abschluss einer passenden Berufshaftpflicht- bzw. Betriebshaftpflichtversicherung prüfen, um sich vor hohen finanziellen Schäden zu schützen. Zudem ist bei bestimmten Tätigkeiten der Abschluss einer entsprechenden Versicherung gesetzlich vorgeschrieben.
Was muss ich bezüglich der Aufbewahrungspflichten beachten?
Für selbständig Erwerbstätige gelten umfangreiche gesetzliche Aufbewahrungspflichten. Grundsätzlich sind geschäftliche Unterlagen, wie Buchungsbelege, Rechnungen, Verträge sowie Handels- und Geschäftsbriefe, für zehn Jahre (für Buchungsbelege, Bilanzen etc.) beziehungsweise sechs Jahre (für empfangene Handels- und Geschäftsbriefe) aufzubewahren (§§ 238, 257 HGB, § 147 AO). Die Frist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung erfolgte bzw. das Dokument entstand. Die Aufbewahrungspflicht gilt sowohl für papiergebundene als auch elektronische Unterlagen. Bei Verstoß drohen empfindliche Bußgelder und steuerliche Schätzungen durch das Finanzamt. Die Dokumentationspflichten betreffen auch private Steuerunterlagen, soweit sie für die Besteuerung relevant sind. Eine ordnungsgemäße und nachvollziehbare Buchführung ist daher absolute Voraussetzung für die Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit aller Geschäftsvorfälle.
Wie kann ich meine Tätigkeit rechtssicher beenden oder unterbrechen?
Die Beendigung einer selbständigen Tätigkeit verlangt die formale Abmeldung bei den zuständigen Behörden: Das Gewerbe ist bei der Gewerbemeldestelle abzumelden; das Finanzamt muss über die Aufgabe der Tätigkeit schriftlich informiert werden. Es kann eine sogenannte Schlussbesteuerung durch das Finanzamt erforderlich werden, bei der alle bis zum Zeitpunkt der Beendigung erzielten Einnahmen und entstandenen Ausgaben zu dokumentieren sind. Entsprechende Abschlussrechnungen, eventuell das Erstellen einer sogenannten Aufgabebilanz sowie die Berücksichtigung etwaiger stiller Reserven sind rechtlich zu prüfen. Falls Arbeitsverhältnisse bestanden, sind Kündigungsfristen zu beachten und bestehende Verträge ordentlich abzuwickeln. Im Falle einer geplanten Unterbrechung (zum Beispiel Mutterschutz, Krankheit) empfiehlt sich die Klärung der Auswirkungen auf Versicherungen und steuerliche Pflichten (etwa hinsichtlich der Umsatzsteuer-Voranmeldung oder Gewinnermittlung). Außerdem muss bedacht werden, ob bestimmte gewerberechtliche Pflichten, wie die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zur IHK, weiterhin bestehen.
Welche branchenspezifischen Genehmigungen können erforderlich sein?
Je nach Art der selbständigen Tätigkeit gelten zahlreiche spezielle Erlaubnispflichten, etwa eine Gaststättenerlaubnis nach § 2 GastG, eine Maklererlaubnis nach § 34c GewO oder eine Handwerkskarte nach § 1 HwO. Für Tätigkeiten im Gesundheits- und Sozialwesen kommen weitere berufsrechtliche Nachweise, Hygienezertifikate oder Approbationsurkunden hinzu. Die Aufnahme mancher Tätigkeiten setzt die Eintragung ins Handelsregister, die Mitgliedschaft in Kammern (z. B. Handwerkskammer) oder die Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit durch ein Führungszeugnis voraus. Bestimmte Branchen unterliegen zudem europa- oder bundesrechtlichen Zulassungsverfahren. Das Unterlassen der vorgeschriebenen Genehmigung kann zur Untersagung der Tätigkeit und strafrechtlichen Konsequenzen führen. Vor Aufnahme der Tätigkeit sollten alle erforderlichen Erlaubnisse umfassend geprüft und eingeholt werden.