Legal Lexikon

Sehhilfe


Definition und rechtliche Einordnung der Sehhilfe

Eine Sehhilfe ist ein medizinisches Hilfsmittel, das dazu dient, Fehlfunktionen des Sehvermögens auszugleichen oder zu verbessern. Im rechtlichen Kontext umfasst der Begriff Sehhilfe verschiedene Hilfsmittel wie Brillen, Kontaktlinsen und vergrößernde Sehhilfen (z.B. Lupen). Die rechtliche Behandlung und Einordnung der Sehhilfe betrifft insbesondere das Sozialrecht, das Medizinprodukterecht und weitere angrenzende Rechtsgebiete.


Sehhilfe im Sozialrecht

Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen

Gemäß dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben gesetzlich Versicherte in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen (§ 33 SGB V). Hierbei gilt:

  • Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhalten eine Versorgung mit Sehhilfen, sofern diese medizinisch notwendig ist.
  • Für Personen ab dem 18. Lebensjahr beschränkt sich der Leistungsanspruch in der GKV grundsätzlich auf schwerwiegende Sehbeeinträchtigungen. Ausnahmen bestehen bei bestimmten Diagnosen oder gravierenden Sehfehlern.
  • Für Minderjährige besteht ein weitergehender Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Heil- und Hilfsmittelverzeichnis

Das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 139 SGB V dient zur Konkretisierung erstattungsfähiger Sehhilfen und führt Hilfsmittel mit ihren jeweiligen Leistungsbeschreibungen und Abrechnungsmodalitäten auf. Hier werden Sehhilfen in Produktgruppen systematisiert und mit Qualitätsanforderungen hinterlegt.

Kostenübernahme und Zuzahlung

Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen unterliegt spezifischen Regelungen:

  • Im Regelfall übernehmen die Krankenkassen nur die Kosten für die Grundversorgung, zum Beispiel für Standardgläser in einfacher Ausführung.
  • Patienten leisten eine gesetzliche Zuzahlung (§ 61 SGB V), die in den allermeisten Fällen 10 % des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 und höchstens 10 Euro beträgt.
  • Darüber hinausgehende Mehrkosten (z.B. gewisse Beschichtungen oder spezielle Materialien) sind von den Versicherten selbst zu tragen.

Sehhilfe und Medizinprodukterecht

Definition als Medizinprodukt

Sehhilfen fallen unter den Begriff des Medizinprodukts gemäß Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) und der EU-Verordnung (EU) 2017/745 (MDR). Sie dienen dazu, eine physiologische Funktion (Sehvermögen) auszugleichen oder zu ersetzen.

Anforderungen an Inverkehrbringen und Sicherheit

  • Hersteller und Vertreiber von Sehhilfen haben umfangreiche Pflichten hinsichtlich der Produktsicherheit, Kennzeichnung und Konformitätserklärung.
  • Brillen und Kontaktlinsen müssen mit dem CE-Kennzeichen versehen sein und dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen.

Sehhilfe im Straßenverkehrsrecht

Fahrerlaubnisrecht

Das Tragen einer Sehhilfe kann im Führerschein dokumentiert werden, falls die Sehhilfe nach Anlage 6 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr erforderlich ist. Wird eine Sehhilfe vorgeschrieben, ist das Fahren ohne Sehhilfe eine Ordnungswidrigkeit und kann im Schadensfall haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Haftungsrechtliche Aspekte

Im Falle eines Verkehrsunfalls infolge fehlender Nutzung einer vorgeschriebenen Sehhilfe kann der Versicherungsschutz entfallen oder eingeschränkt sein. Dies betrifft sowohl Ansprüche aus der Kraftfahrthaftpflichtversicherung als auch eigene Schadensersatzansprüche.


Sehhilfe im Steuerrecht

Steuerliche Absetzbarkeit

Aufwendungen für Sehhilfen stellen grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) dar, sofern die medizinische Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen wird. Die steuerliche Berücksichtigung erfolgt im Rahmen der zumutbaren Eigenbelastung.


Sehhilfen im Arbeitsrecht und Arbeitsschutz

Sehhilfen am Arbeitsplatz

Gemäß § 3 Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bereitstellung einer speziellen Bildschirmarbeitsbrille durch den Arbeitgeber erforderlich sein, sofern die gewöhnliche Sehhilfe für Bildschirmarbeit nicht ausreichend ist. Die Kostenübernahme ist hierbei klar geregelt.


Datenschutz und Sehhilfe

Umgang mit Gesundheitsdaten

Die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) klassifiziert Daten zum Gesundheitszustand, wie z.B. zum Sehvermögen und die Verordnung einer Sehhilfe, als besonders schützenswert. Bei der Verarbeitung dieser Daten durch Optiker, Augenärzte oder Krankenkassen sind erhöhte Datenschutzanforderungen einzuhalten.


Sehhilfenrechtliche Streitigkeiten und Rechtsschutz

Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kostenübernahme, der Qualität oder der Notwendigkeit einer Sehhilfe sind nicht ungewöhnlich. Die Entscheidungshoheit liegt im Regelfall bei den Sozialgerichten, die im Streitfall über Ansprüche auf Versorgung oder Kostenerstattung entscheiden.


Literaturverzeichnis

  • Sozialgesetzbuch (SGB V)
  • Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG)
  • Medizinprodukteverordnung (MDR, EU 2017/745)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
  • Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV)

Zusammenfassung:
Die Sehhilfe ist rechtlich ein komplexes Hilfsmittel, das in verschiedenen Rechtsgebieten (Sozialrecht, Medizinprodukterecht, Arbeitsrecht, Verkehrsrecht sowie Steuerrecht) relevanten Regelungen unterliegt. Wesentliche Aspekte sind die Voraussetzungen und der Umfang der Kostenübernahme, Produktsicherheit, Pflichten beim Gebrauch im Straßenverkehr sowie Fragen der steuerlichen Absetzbarkeit und des Datenschutzes. Die rechtliche Würdigung der Sehhilfe erfordert die Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Grundlagen und Verordnungen.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat in Deutschland einen rechtlichen Anspruch auf die Kostenübernahme für eine Sehhilfe durch die gesetzliche Krankenversicherung?

In Deutschland regeln das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Sehhilfe durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Grundsätzlich besteht für Versicherte ein Anspruch auf eine Sehhilfe, sobald sie zur Behandlung einer Sehschwäche medizinisch notwendig ist. Allerdings wurde dieser Anspruch für Erwachsene im Zuge von Gesundheitsreformen stark eingeschränkt. Seit 2004 werden die Kosten für Brillen und Kontaktlinsen für Erwachsene in der Regel nur noch übernommen, wenn eine erhebliche Sehbeeinträchtigung vorliegt (z.B. Sehschärfe beider Augen unter 30 Prozent oder bestimmte Augenerkrankungen). Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie bei schwer sehbehinderten Erwachsenen trägt die Kasse die Kosten für Brillengläser und Kontaktlinsen, nicht jedoch für die Fassung, für die meist eine preisliche Obergrenze gilt. Der Anspruch besteht ausschließlich für Standardausführungen; besondere Ausführungen wie entspiegelte oder gehärtete Gläser sowie modische Fassungen müssen in der Regel selbst gezahlt werden. Die rechtliche Grundlage für die Anspruchsprüfung bildet § 33 SGB V, ergänzt durch die Hilfsmittelrichtlinie und die Produktgruppe 25 des Hilfsmittelverzeichnisses.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Ausstellung einer ärztlichen Verordnung (Rezept) für Sehhilfen?

Eine Sehhilfe darf nur dann zulasten der GKV verordnet werden, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht. Die Ausstellung eines Rezepts erfolgt in der Regel durch einen Augenarzt, in manchen Fällen in Zusammenarbeit mit einem Optiker mit nachgewiesener Qualifikation. Die rechtlichen Vorgaben verlangen, dass die Verordnung alle für die Herstellung der Sehhilfe notwendigen Daten enthält, also insbesondere Glasstärken, Achsenlagen, Pupillendistanz und ggf. besondere Anweisungen bei speziellen Krankheitsbildern. Weiterhin muss die Verordnung innerhalb von 28 Tagen nach Ausstellung beim Optiker eingelöst werden, da sie sonst ihre Gültigkeit verliert. Die Krankenkassen haben das Recht, das medizinische Erfordernis zu prüfen und ggf. eine Begutachtung anzuordnen. Grundlage ist § 92 SGB V und die Hilfsmittelrichtlinie.

Was ist bei der Zuzahlungspflicht für Sehhilfen nach deutschem Recht zu beachten?

Nach § 33 Abs. 8 in Verbindung mit § 61 SGB V müssen Versicherte für Sehhilfen grundsätzlich eine gesetzliche Zuzahlung leisten. Diese beträgt zehn Prozent des von der Kasse erstatteten Preises, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro pro Sehhilfe. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren entfällt diese Zuzahlungspflicht. Bei Versicherten mit einer Zuzahlungsbefreiung (z.B. aufgrund von Überschreiten der Belastungsgrenze im Kalenderjahr) entfällt die Zuzahlung ebenfalls. Zuzahlungen gelten nur für die von der Kasse übernommenen Standardmodelle, nicht für Zusatz- oder Sonderleistungen wie besonders leichte oder biegsame Gläser, die immer vollständig selbst gezahlt werden müssen.

Wie wirkt sich eine private Zusatzversicherung auf die rechtliche Kostenerstattung von Sehhilfen aus?

Private Zusatzversicherungen bieten Leistungen, die über die der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen. Im rechtlichen Kontext erhalten Versicherte dann (zusätzlich zur ggf. beschränkten Kostenübernahme durch die GKV) eine Erstattung für Zuzahlungen oder für Leistungen, die die GKV generell nicht abdeckt, wie spezielle Brillengläser, hochwertige Fassungen oder Kontaktlinsen bei schwächerer Fehlsichtigkeit. Die Erstattungshöhe und die Voraussetzungen richten sich nach dem jeweiligen Versicherungsvertrag und können stark variieren. Rechtlich steht die Zusatzversicherung als privatrechtlicher Vertrag neben dem Sozialrecht der GKV und kann unabhängig davon abgeschlossen und geltend gemacht werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung der Kostenübernahme für eine Sehhilfe durch die Krankenkasse?

Wird der Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt, so steht dem Versicherten das Recht auf Widerspruch zu. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids schriftlich bei der Kasse eingelegt werden (§ 84 SGG). Im Widerspruchsverfahren wird die Sachlage erneut geprüft. Wird der Widerspruch wiederum abgelehnt, kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe die Klage beim Sozialgericht eingelegt werden (§ 87 SGG). Während des Verfahrens prüft das Gericht die Sach- und Rechtslage umfassend, ggf. unter Einbeziehung von Sachverständigengutachten über die medizinische Notwendigkeit der beantragten Sehhilfe.

Unterliegen Optiker rechtlichen Vorgaben bei der Abgabe von Sehhilfen zulasten der GKV?

Optiker dürfen medizinisch notwendige Sehhilfen nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften abgeben. Sie müssen dabei ausdrücklich auf Grundlage einer gültigen ärztlichen Verordnung handeln, sofern keine Ausnahme vorliegt (Normbedarf wie Fertiglesebrillen). Die Abgabe muss sich an den Vorgaben der Hilfsmittel-Richtlinie, der Vertragsinhalte des jeweiligen Versorgungsvertrags (z.B. Verträge zwischen Kassen und Optikerinnung), dem Hilfsmittelverzeichnis und ggf. der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) orientieren. Die Einhaltung von Aufklärungs-, Dokumentations- und Informationspflichten ist ebenso vorgeschrieben wie die Beachtung der Qualitätsstandards bei Herstellung, Anpassung und Abgabe.

Wann ist die Kostenübernahme für Kontaktlinsen rechtlich zulässig?

Die Kostenübernahme für Kontaktlinsen durch die GKV ist nach § 33 SGB V und der Hilfsmittel-Richtlinie nur dann zulässig, wenn Brillengläser nicht oder nicht ausreichend zur Verbesserung der Sehschärfe führen oder aus medizinischen Gründen (beispielsweise bei starker Verkrümmung der Hornhaut/Keratokonus oder Anisometropie) nicht getragen werden können. In sogenannten medizinisch zwingenden Ausnahmefällen können Kontaktlinsen auch bei Kindern und Jugendlichen erstattet werden, etwa bei sehr hoher Fehlsichtigkeit oder bei drohendem Sehverlust. Die Verordnung durch den Augenarzt ist zwingend erforderlich. Die Erstattung erfolgt wiederum nur für den medizinisch notwendigen Basisbedarf; Komfortkontaktlinsen oder Lösungen für den erweiterten Freizeitgebrauch sind von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen.