Begriff und rechtliche Einordnung der See-Krankenkasse
Die See-Krankenkasse ist eine besondere Form der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, die historisch speziell auf die Belange von Seeleuten ausgerichtet war. Ihr rechtlicher Status, die Zuständigkeiten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen sind im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Die See-Krankenkasse stellt demnach einen Teilbereich der sozialen Sicherung dar und unterscheidet sich in der Organisation, Beitragserhebung sowie im Leistungsumfang von den allgemeinen gesetzlichen Krankenkassen.
Historische Entwicklung und Rechtsgrundlagen
Geschichte der See-Krankenkasse
Die Anfänge der See-Krankenkasse lassen sich auf das 19. Jahrhundert zurückführen. Ursächlich für ihre Einrichtung war die besondere Schutzbedürftigkeit von Seeleuten, die auf Grund ihres riskanten Berufs und internationaler Fahrten nicht durch die im Inland geltenden Krankenkassen vollständig abgesichert waren. Mit dem Gesetz über die Krankenversicherung der Seeleute vom 13. Juli 1900 wurde dieser Schutz erstmals kodifiziert.
Rechtliche Grundlagen heute
Die See-Krankenkasse wurde nach der Gesundheitsreform 2008 vollständig in die Knappschaft-Bahn-See (KBS), eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, integriert. Heute werden die Rechte und Pflichten aus der früheren See-Krankenkasse in den §§ 165 ff. SGB V geregelt. Zusätzliche relevante Vorschriften finden sich im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) sowie im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) hinsichtlich Renten- und Unfallversicherung.
Zuständigkeit und Versicherungsbereich
Versicherter Personenkreis
Die See-Krankenkasse war traditionell für Personen zuständig, die in der deutschen Handelsschifffahrt als Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischiffen unter deutscher Flagge tätig waren. Bis zur Integration in die KBS umfasste der Versicherungsschutz:
- Seeleute (Deck-, Maschinen- und Stewardspersonal)
- Verwaltungspersonal auf Seeschiffen
- Auszubildende in seemännischen Berufen
- bestimmte sonstige Angestellte, sofern sie im Bereich der Seeschifffahrt tätig waren
Ausgeschlossen waren regelmäßig Binnenschiffer sowie Arbeitnehmer anderer Verkehrszweige.
Beitragserhebung und Bemessungsgrundlage
Die Beiträge zur See-Krankenkasse wurden gem. § 247 SGB V nach dem tatsächlichen Arbeitsentgelt berechnet. Ein Alleinstellungsmerkmal war, dass ein Teil der Beiträge für Seeleute auf Auslandsreisen durch den Arbeitgeber getragen wurde. Die Bemessungsgrundlage für die Beitragserhebung folgte dabei den allgemeinen Regelungen des SGB IV und V, beinhaltete jedoch abweichende Vorgaben für den Skipper sowie Mitarbeiter mit internationalen Beschäftigungsanteilen.
Rechtsstellung und Aufgaben der See-Krankenkasse
Rechtsform und Verwaltung
Vor ihrer Integration war die See-Krankenkasse eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Heute agiert sie im Rahmen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als rechtlich nicht verselbständigter Geschäftsbereich. Die Verwaltung erfolgte mittels einer eigenen Satzung, die von einem Verwaltungsausschuss beschlossen und durch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales genehmigt wurde.
Aufgaben und Leistungen
Die Aufgaben umfassten insbesondere:
- Organisation und Durchführung der Krankenversicherung für Seeleute
- Gewährleistung von Sach- und Geldleistungen als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
- Besondere Bereitstellung von Leistungen zur Prävention und Rehabilitation, angepasst auf seefahrtsbedingte Krankheiten und Verletzungen
- Durchführung von Auslandsleistungen nach § 18 SGB V bei Erkrankungen während der Reise ins Ausland
Besonderheiten betrafen die Versorgung bei Rückkehr in den Heimathafen, Überführung im Krankheitsfall sowie spezifische Regelungen für die Krankengeldzahlung und Heimtransport.
Abgrenzung zu anderen Sozialversicherungsträgern
Verhältnis zur Allgemeinen Krankenversicherung
Durch ihre spezielle Zweckrichtung war die See-Krankenkasse rein auf den maritimen Sektor beschränkt. Arbeitnehmer und Selbständige außerhalb der Seeschifffahrt fielen unter die allgemeinen gesetzlichen Krankenkassen (§ 4 SGB V).
Integration in die Knappschaft-Bahn-See
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) zum 1. Januar 2009 wurde die eigenständige See-Krankenkasse aufgelöst. Ihre Aufgaben und Versicherten wurden in die Knappschaft-Bahn-See überführt, wobei die besonderen Rechte und Pflichten sowie spezifische Versorgungskonzepte erhalten blieben und auf die neue Trägerstruktur übertragen wurden (§ 166 SGB V).
Besonderheiten und internationale Bezüge
Internationale Seefahrt und Entsendung
Ein Alleinstellungsmerkmal der See-Krankenkasse war die besondere Regelung internationaler Krankheits- und Versicherungsfälle. Seeleute auf international fahrenden Schiffen waren sowohl im In- als auch im Ausland durch die deutsche Sozialversicherung geschützt (§ 5 SGB IV). Dies umfasst spezifische Abkommen zur Sozialversicherung im Ausland und koordinierte Leistungsgewährungen auf See, etwa bei Hafenerkrankungen im Auslandshafen oder während des Auslandsaufenthaltes der Besatzung.
Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit
Die Versicherungspflicht erstreckte sich grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer im Sinne der gesetzlichen Vorschriften, wobei für bestimmte Freiberufler an Bord Ausnahmen galten. Die Bedingungen der Versicherungsfreiheit orientierten sich an den in § 6 SGB V genannten Tatbeständen, ergänzend um seemännische Besonderheiten, wie etwa Befreiungen bei paralleler Auslandsversicherung.
Auflösung und heutige Rechtslage
Mit der Integration der See-Krankenkasse in die Knappschaft-Bahn-See ist der Begriff institutionell nicht mehr existent, besteht aber im rechtlichen Kontext als historischer und funktionsbezogener Terminus fort. Die traditionsreichen Besonderheiten der Versicherung von Seeleuten werden weiterhin durch die Knappschaft-Bahn-See wahrgenommen und sind in spezifischen Rechtsgrundlagen des SGB V geregelt. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt diese Sonderstellung für Seeleute bestehen, um eine spezielle sozialrechtliche Absicherung bei beruflichen Risiken und im internationalen Kontext sicherzustellen.
Literatur und weiterführende Normen
- Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V): §§ 165 ff., 166 SGB V
- Gesetz über die Krankenversicherung der Seeleute vom 13.07.1900 (historisch)
- Knappschaft-Bahn-See: Satzung und Organisationsstatut
- Weitere einschlägige Normen im SGB IV (Sozialversicherung), VI (Rentenversicherung), VII (Unfallversicherung)
Dieser Lexikonartikel orientiert sich an der einschlägigen Gesetzeslage und den bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen zur See-Krankenkasse und deren Einbindung in die Sozialversicherungssystematik Deutschlands.
Häufig gestellte Fragen
Wann besteht eine Versicherungspflicht bei der See-Krankenkasse?
Die Versicherungspflicht bei der See-Krankenkasse besteht grundsätzlich für Seeleute, die zur Besatzung eines deutschen Seeschiffs gehören (§ 3 SGB V i.V.m. § 2 SGB VI). Voraussetzung ist hierbei, dass das Schiff in einem deutschen Seeschiffsregister eingetragen ist und der Beschäftigte unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit auf Grundlage eines deutschen Arbeitsvertrags eingesetzt wird. Die Versicherungspflicht gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch Auszubildende an Bord. Auch wer in Heimarbeit im Rahmen eines Seeschiffsunternehmens arbeitet, kann nach besonderen Regelungen pflichtversichert sein. Für bestimmte Personengruppen, wie beispielsweise Kapitäne, Schiffsoffiziere oder Seeleute im Rahmen sogenannter „Flaggenwechsel“ können Besonderheiten gelten, da hier das jeweilige Flaggenrecht sowie internationale Abkommen entscheidend sind. In wenigen Ausnahmefällen, etwa bei befristeten Einsätzen unter Fremdflagge oder bei Entsendung ins Ausland, kann es aufgrund von Sozialversicherungsabkommen zu Abweichungen von der deutschen Versicherungspflicht kommen, sodass eine gesonderte Prüfung der Sachlage erforderlich ist.
Welche Leistungen gewährt die See-Krankenkasse im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung?
Die See-Krankenkasse gewährt sämtliche Leistungen entsprechend der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), wobei spezielle Regelungen für Seeleute greifen können. Dazu zählen die Sachleistungen zur medizinischen Vorsorge und Behandlung, Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit, Maßnahmen der Rehabilitation sowie besondere Leistungen bei Erkrankungen oder Unfällen auf See. Aufgrund der besonderen Arbeitsbedingungen auf Seeschiffen und dem internationalen Einsatzgebiet der Seeleute ist die See-Krankenkasse verpflichtet, auch die Versorgung im Ausland zu gewährleisten, etwa im Rahmen von Auslandsvertretungen, Partnerärzten oder durch die Kostenübernahme bei medizinisch notwendigen Rücktransporte nach Deutschland. Zudem existieren spezielle Regelungen für Notfallbehandlungen an Bord sowie für die telemedizinische Beratung durch Schiffsärzte oder zentralen Beratungsstellen. Auch für die Zeit zwischen den Entsendeperioden und den Landgängen bestehen unter Umständen besondere Rechtsvorschriften zur Beitragsfortzahlung und Leistungserbringung.
Wie ist die Beitragspflicht bei der See-Krankenkasse geregelt und wer trägt die Beiträge?
Die Beitragspflicht zur See-Krankenkasse richtet sich im Grundsatz nach den allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung, wobei das beitragspflichtige Arbeitsentgelt den maßgeblichen Bemessungsfaktor bildet. Die Beiträge werden in der Regel paritätisch von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen (§ 249 SGB V), wobei bei Seeleuten auf deutschen Schiffen als Arbeitgeber das Schifffahrtsunternehmen gilt. Zu beachten ist, dass es für Seeleute unter Umständen Sonderregelungen hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrenzen und unterschiedlicher Beitragssätze geben kann, insbesondere wenn sie längere Zeit im Ausland eingesetzt werden. In diesen Fällen kann eine Anpassung der Beiträge an das ortsübliche Einkommen oder die Zahlung eines Mindestbeitrags erfolgen. Darüber hinaus existieren spezielle Vorschriften für die Beitragstragung während Erkrankungen, bei Arbeitsunfällen oder bei Bezug von Krankengeld, etwa dass während eines Bezugs von Leistungen nach dem Seearbeitsgesetz (SeeArbG) eine Beitragsbefreiung oder Beitragsübernahme durch den Versicherer in Betracht kommen kann.
Welche Meldepflichten haben Seeleute und Arbeitgeber gegenüber der See-Krankenkasse?
Seeleute und deren Arbeitgeber unterliegen spezifischen Meldepflichten gemäß § 28a SGB IV in Verbindung mit den speziellen Regelungen des Seeverkehrs. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, jede Neuanstellung, Entsendung ins Ausland, Wechsel des Beschäftigungsortes oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich und in der vorgeschriebenen Form der See-Krankenkasse zu melden. Dabei sind neben den Personaldaten auch Flagge, Schiffsnamen, Beschäftigungsdauer und Art der Tätigkeit anzugeben. Bei vorübergehenden Abweichungen – etwa bei Landgang, Weiterbildung an Land oder vorübergehender Krankenbehandlung außerhalb des Schiffes – können zusätzliche Meldepflichten bestehen. Der Versicherte selbst hat insbesondere bei Wechsel des Arbeitgebers, Statuswechsel (z.B. von pflicht- zu freiwillig versichert) oder bei längerer Erkrankung eine Mitteilungspflicht gegenüber der Kasse. Meldeverstöße können rechtliche Konsequenzen – etwa Nachforderungen von Beiträgen oder Ausschluss von Leistungsansprüchen – nach sich ziehen.
Welche Rechtsmittel stehen Versicherten bei Streitigkeiten mit der See-Krankenkasse zur Verfügung?
Bei Streitigkeiten über die Versicherungs- oder Beitragspflicht, Leistungsansprüche oder andere Entscheidungen der See-Krankenkasse können Versicherte Rechtsmittel einlegen. Nach Zugang eines belastenden Bescheides besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch bei der ausstellenden See-Krankenkasse einzulegen (§§ 83 ff. SGG). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, entscheidet der Widerspruchsausschuss der Krankenkasse. Im Anschluss kann Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Für den besonderen Bereich der See-Krankenkasse gelten hierbei die allgemeinen sozialgerichtlichen Vorschriften, wobei auf die Besonderheiten des internationalen Seeverkehrs Rücksicht genommen werden muss, etwa durch Zustellung an den letzten bekannten Aufenthalts- oder Heimathafen. In besonderen Fällen – etwa bei dringendem medizinischen Handlungsbedarf – kann zudem ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht gestellt werden.
Welche Besonderheiten gelten hinsichtlich der Mitversicherung von Familienangehörigen bei der See-Krankenkasse?
Die Mitversicherung von Familienangehörigen, insbesondere Ehegatten und Kindern, ist nach den Grundsätzen der Familienversicherung (§§ 10 ff. SGB V) möglich, wenn diese ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Im internationalen Kontext kann es jedoch zu Besonderheiten kommen, etwa bei ständigem Aufenthalt der Familie im Ausland oder auf dem Schiff. Hier beurteilt sich der Anspruch auf Familienversicherung unter anderem nach der konkreten Lebenssituation, dem sozialen Bezugspunkt und internationalen Abkommen, beispielsweise nach bilateralen Sozialversicherungsabkommen mit den jeweiligen Anliegerstaaten. Dabei sind Nachweise über den Wohnsitz und die familiären Verhältnisse zwingend zu erbringen. In Einzelfällen kann die Familienversicherung von Angehörigen abgelehnt werden, etwa wenn diese anderweitig krankenversichert sind oder die Voraussetzungen der Wohnsitzregelung nicht erfüllen. Bei Ablehnung besteht die Möglichkeit des Widerspruchs und ggf. einer sozialgerichtlichen Klärung.