See-Berufsgenossenschaft – Begriff und rechtliche Einordnung
Die See-Berufsgenossenschaft bezeichnet den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Betriebe und Beschäftigte der Seeschifffahrt und Seefischerei. Historisch eigenständig, ist sie heute im Verbund der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung innerhalb der BG Verkehr organisiert. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Neben der Absicherung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten im maritimen Bereich erfüllt sie hoheitliche Aufgaben der Schiffs- und Arbeitssicherheit unter deutscher Flagge.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Gesetzliche Unfallversicherung für die Seeschifffahrt
Als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung schützt die See-Berufsgenossenschaft Beschäftigte in der Seeschifffahrt und Seefischerei vor den Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten. Versichert sind insbesondere Seeleute auf seegehenden Schiffen unter deutscher Flagge, Besatzungsmitglieder in der Seefischerei sowie Auszubildende und weitere Personen, die kraft Gesetzes dem Versicherungsschutz zugeordnet sind. Arbeitgeber sind zur Mitgliedschaft und Beitragszahlung verpflichtet; der Schutz der Beschäftigten besteht kraft Gesetzes und ist nicht von individuellen Beiträgen abhängig.
Prävention und Arbeitsschutz
Ein zentrales Aufgabenfeld ist die Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsgefahren an Bord. Dazu gehören branchenspezifische Regeln und Informationen, Aufsichtstätigkeiten, sicherheitstechnische Bewertungen, Schulungen sowie die Mitwirkung an Normen und Standards. Ziel ist, betriebliche Prozesse so zu gestalten, dass Gefährdungen an Bord reduziert werden und die sichere Arbeit auf See gewährleistet bleibt.
Schiffssicherheit und hoheitliche Aufgaben
In ihrer Funktion als Dienststelle Schiffssicherheit innerhalb der BG Verkehr nimmt die See-Berufsgenossenschaft staatlich übertragene Aufgaben wahr. Dazu zählen Flaggenstaataufgaben für Schiffe unter deutscher Flagge, Prüfungen und Zertifizierungen im Bereich der Schiffs- und Betriebssicherheit, die Aufsicht über anerkannte Organisationen (z. B. Klassifikationsgesellschaften) sowie Kontrollen im Rahmen internationaler Übereinkommen. Sie wirkt bei der Festlegung sicherheitsrelevanter Bemannung mit, erteilt entsprechende Dokumente und ist in Deutschland Teil des Systems der Hafenstaatkontrolle.
Maritime Medizin und Seediensttauglichkeit
Zum Mandat gehören Aufgaben der maritimen Medizin. Dazu zählen die fachliche Steuerung des Seediensttauglichkeitswesens, die Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten für Seediensttauglichkeitsuntersuchungen, die Qualitätssicherung der Untersuchungen sowie die Organisation telemedizinischer Beratung für Schiffe auf See. Ziel ist der Schutz der Gesundheit der Besatzungen und die Aufrechterhaltung eines sicheren Schiffsbetriebs.
Mitgliedschaft, Beitrag und Finanzierung
Wer ist Mitglied?
Mitglied sind Unternehmen der Seeschifffahrt und Seefischerei, sofern sie in Deutschland ansässig sind oder Schiffe unter deutscher Flagge betreiben. Der Kreis der versicherten Personen erfasst den überwiegenden Teil der an Bord beschäftigten Personen, einschließlich Auszubildender und bestimmter mitarbeitender Angehöriger, soweit gesetzlich zugeordnet.
Beitragserhebung
Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren über Beiträge der Unternehmen. Die Beitragshöhe richtet sich nach der Lohnsumme und den Gefährdungsmerkmalen der Betriebe. Beschäftigte leisten keine eigenen Beiträge. Durch den Solidarausgleich werden die Leistungen der Unfallversicherung für Versicherte gewährleistet.
Leistungen im Überblick
Die See-Berufsgenossenschaft erbringt medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation sowie Geldleistungen. Dazu gehören Heilbehandlung, Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Verletztengeld, Renten bei Minderung der Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenleistungen. Prävention und Rehabilitation stehen unter dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“.
Organisation und Aufsicht
Selbstverwaltung
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts arbeitet die See-Berufsgenossenschaft in Selbstverwaltung. Organe sind insbesondere Vertreterversammlung und Vorstand, die paritätisch aus Arbeitgeber- und Versichertenvertretern besetzt sind. Die Selbstverwaltung beschließt Satzung, Gefahrtarife und wesentliche Grundsätze der Aufgabenerfüllung.
Aufsichtsstruktur
Die gesetzliche Unfallversicherung unterliegt der staatlichen Rechtsaufsicht auf Bundesebene. Die hoheitlichen Aufgaben der Schiffssicherheit werden im Auftrag des zuständigen Bundesressorts wahrgenommen. Daneben besteht eine enge Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Institutionen der Schifffahrtssicherheit. Die Zuständigkeiten für nautische Sicherheit, Hydrographie und Unfalluntersuchung liegen bei jeweils eigenen Behörden und sind von den Aufgaben der See-Berufsgenossenschaft abzugrenzen.
Sitz und Aufbau
Sitz der maritimen Organisationseinheiten ist Hamburg. Die Struktur umfasst Präventionsdienste, die Dienststelle Schiffssicherheit, den maritimen medizinischen Dienst sowie Leistungsabteilungen für die Fallbearbeitung. Regionale und fachliche Zuständigkeiten sind intern geregelt, um die Besonderheiten der Seeschifffahrt und Seefischerei abzubilden.
Verfahren und Rechtsschutz
Feststellung von Versicherungsfällen
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten werden im Verwaltungsverfahren festgestellt. Die See-Berufsgenossenschaft ermittelt den Sachverhalt, holt medizinische und organisatorische Auskünfte ein und trifft eine Entscheidung über Leistungsansprüche. Untersuchungen zur Ursachenaufklärung von Seeunfällen mit dem Ziel der Sicherheitsverbesserung erfolgen unabhängig davon durch die dafür zuständige Unfalluntersuchungsstelle; beide Verfahren sind voneinander zu trennen.
Verwaltungsakte und Widerspruch
Entscheidungen werden durch Verwaltungsakte erlassen und den Beteiligten bekanntgegeben. Gegen belastende Entscheidungen besteht ein zweistufiger Rechtschutzweg über Widerspruch und Klage vor der Sozialgerichtsbarkeit. Fristen und Formerfordernisse richten sich nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungs- und Sozialverfahrensrechts.
Historische Entwicklung und heutige Bezeichnung
Die See-Berufsgenossenschaft entstand im Zuge der Entwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung für die gewerbliche Wirtschaft und war über Jahrzehnte eigenständiger Versicherungsträger für Seeschifffahrt und Seefischerei. Im Rahmen struktureller Reformen wurden die maritimen Unfallversicherungsaufgaben in die BG Verkehr integriert. Der Begriff „See-Berufsgenossenschaft“ wird weiterhin verwendet, wenn es um die maritimen Zuständigkeiten innerhalb dieser Organisation geht.
Abgrenzung zu anderen Institutionen
Die See-Berufsgenossenschaft ist Teil der sozialen Sicherung und keine private Versicherung. Aufgaben der nautischen Sicherheit, der hydrographischen Dienste oder der sicherheitspolitischen Gefahrenabwehr liegen bei anderen Bundesbehörden. Die technische Klassifizierung von Schiffen durch private Organisationen erfolgt unter staatlicher Aufsicht; die Verantwortung für den gesetzlichen Arbeitsschutz und die Unfallversicherung im maritimen Bereich liegt bei der See-Berufsgenossenschaft.
Häufig gestellte Fragen
Was unterscheidet die See-Berufsgenossenschaft von der BG Verkehr?
Die See-Berufsgenossenschaft ist der maritime Zuständigkeitsbereich innerhalb der BG Verkehr. Historisch eigenständig, bildet sie heute die maritimen Sparten der gesetzlichen Unfallversicherung sowie die Dienststelle Schiffssicherheit in der BG Verkehr.
Wer ist im maritimen Bereich gesetzlich versichert?
Versichert sind insbesondere Besatzungsmitglieder auf seegehenden Schiffen unter deutscher Flagge, Beschäftigte in der Seefischerei sowie Auszubildende und weitere Personen, die gesetzlich einbezogen sind. Der Versicherungsschutz besteht kraft Gesetzes unabhängig von individuellen Beiträgen.
Gilt der Schutz auch auf ausländischen Schiffen?
Maßgeblich sind Flagge, Unternehmenssitz und der konkrete Einsatz. Für Schiffe unter deutscher Flagge besteht die Zuständigkeit regelmäßig. In weiteren Konstellationen kann Schutz bestehen, wenn eine ausreichende Inlandsanbindung gegeben ist. Die konkrete Zuordnung richtet sich nach den allgemein geltenden Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung.
Welche Rolle spielt die See-Berufsgenossenschaft bei der Seediensttauglichkeit?
Sie verantwortet das Seediensttauglichkeitswesen organisatorisch, erkennt Ärztinnen und Ärzte für entsprechende Untersuchungen an und sichert die Qualität der Begutachtung. Ziel ist die gesundheitliche Eignung von Besatzungsmitgliedern für den Dienst an Bord.
Welche hoheitlichen Zertifikate stellt die See-Berufsgenossenschaft aus?
Sie erteilt im Rahmen der Schiffssicherheit Zertifikate und Dokumente, die den Nachweis über die Einhaltung sicherheitsrelevanter Anforderungen erbringen, einschließlich Bemannungsdokumenten und Bescheinigungen nach maßgeblichen internationalen Standards für Schiffe unter deutscher Flagge.
Wie wird die See-Berufsgenossenschaft finanziert?
Die Finanzierung erfolgt durch Beiträge der Unternehmen im Umlageverfahren. Die Beitragshöhe richtet sich nach Lohnsumme und Gefährdungsmerkmalen des Betriebs. Beschäftigte leisten keine Beiträge.
Ist die See-Berufsgenossenschaft für Seeunfalluntersuchungen zuständig?
Nein. Die Untersuchung von Seeunfällen zur Sicherheitsaufklärung obliegt einer unabhängigen staatlichen Stelle. Die See-Berufsgenossenschaft entscheidet über Leistungsansprüche in der Unfallversicherung und führt Präventionsmaßnahmen durch.
Welcher Rechtsweg ist bei Streitigkeiten eröffnet?
Streitigkeiten aus der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen der Sozialgerichtsbarkeit. Entscheidungen der See-Berufsgenossenschaft können nach den allgemeinen Verfahrensregeln angefochten werden.