Begriff und Grundlagen der Schwarmfinanzierung
Die Schwarmfinanzierung, auch als Crowdfunding oder Crowdinvesting bezeichnet, ist eine Finanzierungsform, bei der Kapital durch zahlreiche Geldgeber (einen „Schwarm“) über spezialisierte Internetplattformen bereitgestellt wird. Dabei treten in der Regel eine Vielzahl an Kapitalgebern mit kleinem bis mittlerem Investitionsvolumen auf, die gemeinschaftlich Projekte, Unternehmen oder Vorhaben durch finanzielle Beiträge unterstützen. Charakteristisch für die Schwarmfinanzierung ist die digitale Vermittlung sowie der unmittelbare Kontakt zwischen Projektinitiatoren und Investoren.
Erscheinungsformen der Schwarmfinanzierung
Schwarmfinanzierung tritt in verschiedenen Ausprägungen auf, die sich nach Art der Gegenleistung für die Kapitalgeber unterscheiden:
- Donation-Based Crowdfunding: Die Kapitalgeber leisten Zuwendungen, ohne Gegenleistung zu erwarten.
- Reward-Based Crowdfunding: Kapitalgeber erhalten Sachleistungen oder Dienstleistungen (z.B. Produkte, Eintrittskarten).
- Equity-Based Crowdfunding (Crowdinvesting): Investoren erhalten Anteile am Erfolg, etwa in Form von Gewinnbeteiligungen.
- Lending-Based Crowdfunding (Crowdlending): Kapitalgeber gewähren Kredite und erhalten Rückzahlungen mit oder ohne Zinsertrag.
Rechtlicher Rahmen der Schwarmfinanzierung in Deutschland
Die Durchführung von Schwarmfinanzierung ist rechtlich vielseitig geregelt und berührt unterschiedliche Rechtsgebiete, insbesondere das Kapitalmarkt-, Aufsichts- und Verbraucherrecht.
Gesetzliche Grundlagen
Vermögensanlagegesetz (VermAnlG)
Im Rahmen des Crowdinvestings werden häufig Finanzinstrumente im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) angeboten, beispielsweise Nachrangdarlehen oder partiarische Darlehen. Projektinitiatoren müssen bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte ein Verkaufsprospekt erstellen und veröffentlichen. Für Angebote bis 6 Millionen Euro ist unter bestimmten Bedingungen ein vereinfachtes Informationsblatt (VIB) ausreichend.
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
Werden Wertpapiere oder verbriefte Finanzinstrumente angeboten, sind die Vorgaben des Wertpapierhandelsgesetzes und gegebenenfalls der EU-Prospektverordnung zu beachten. Dies umfasst Prospektpflichten, Transparenzvorschriften und Anzeigepflichten.
Kreditwesengesetz (KWG)
Die Vermittlung von Schwarmfinanzierungen kann als erlaubnispflichtige Tätigkeit nach dem Kreditwesengesetz gelten, insbesondere wenn im Rahmen der Plattform Kredit- oder Bankgeschäfte angeboten werden. Viele Crowdfunding-Plattformen agieren deshalb unter einem Haftungsdach eines lizenzierten Finanzdienstleisters.
Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
Bei der Einziehung und Weiterleitung von Geldern zwischen Investoren und Projektträgern kann das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz einschlägig werden. Eine Regulierung als Zahlungsinstitut kann erforderlich werden.
Verbraucherschutzrecht
Plattformen, Projektträger und Vermittler müssen umfangreiche Informations- und Dokumentationspflichten gegenüber den Anlegern erfüllen. Verbraucherschutzvorschriften betreffen insbesondere die Widerrufsrechte, Informationsblätter und eine klare Kostenstruktur.
Europäischer Rechtsrahmen
EU-Crowdfunding-Verordnung (ECSPR)
Seit dem 10. November 2021 gilt die Verordnung (EU) 2020/1503 zur europäischen Schwarmfinanzierungsdienstleister, kurz ECSPR. Sie legt einheitliche Regeln für Crowdfunding-Plattformen innerhalb der Europäischen Union fest, insbesondere für Lending- und Investment-Crowdfunding bis zu einer Kapitalschwelle von 5 Millionen Euro pro Projekt pro Jahr. Die Verordnung sieht eine Zulassungspflicht für Plattformbetreiber, Vorgaben zu Anlegerinformationen, Offenlegungspflichten und einheitliche Aufsichtsstandards vor.
Verhältnis zu anderen europäischen Vorschriften
Die EU-Crowdfunding-Verordnung differenziert klar zwischen Crowdfunding-Angeboten mit Finanzinstrumenten und anderen Finanzierungsformen. Für letztere bleiben nationale Regelungen relevant. Die Verordnung ergänzt bestehende Regelungen insbesondere aus dem EU-Kapitalmarktrecht, etwa die Prospektverordnung, und schafft kohärente Regelungsmechanismen für grenzüberschreitendes Crowdfunding.
Vertragsrechtliche Ausgestaltung der Schwarmfinanzierung
Vertragstypen und Vertragsparteien
Die vertraglichen Beziehungen im Rahmen der Schwarmfinanzierung sind durch eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen geprägt:
- Vermittlungsverträge: Zwischen Plattform und Projektinitiator sowie zwischen Plattform und Investor.
- Finanzierungsverträge: Zwischen Projektinitiator und Investoren (z.B. Darlehensvertrag, stille Beteiligung, partiarisches Darlehen).
- Nebenabreden: Datenschutz, AGB, Gebührenregelungen.
Die vertragliche Ausgestaltung orientiert sich maßgeblich an dem gewählten Crowdfunding-Modell (Equity, Lending etc.) und den gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Widerrufs- und Kündigungsrechte
Anlegern können – abhängig vom jeweiligen Vertragstyp – gesetzliche Widerrufsrechte zustehen, insbesondere wenn es sich um fernabsatzrechtliche Verträge handelt. Bei langfristigen Beteiligungen ist zudem das Kündigungsrecht oder ein Rücktrittsrecht von Bedeutung.
Aufsicht und Kontrolle
Zuständige Aufsichtsbehörden
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Überwacht die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen, darunter Erlaubnispflichten nach dem KWG, Prospektpflichten sowie die Einhaltung der EU-Crowdfunding-Verordnung.
- Bundeskartellamt und Verbraucherzentralen: Übernehmen Aufgaben im Bereich des Verbraucherschutzrechts und der Marktaufsicht.
Melde- und Veröffentlichungspflichten
Plattformen und Anbieter unterliegen – je nach gewählter Finanzierungsstruktur – einer Vielzahl von Melde-, Anzeige- und Veröffentlichungspflichten. Dies umfasst insbesondere die Meldung an die BaFin, die Offenlegung von Finanzdaten sowie die Veröffentlichung von Informationsblättern.
Haftungs- und Risikoverteilung
Haftung der Plattformbetreiber
Plattformbetreiber haften grundsätzlich für Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften, fehlerhafte Informationen oder die Verletzung von Vertrags- und Sorgfaltspflichten. Haftungsausschlüsse sind, soweit gesetzlich erlaubt, oftmals in den AGB geregelt.
Haftung der Projektinitiatoren
Projektinitiatoren sind verpflichtet, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Verstöße können zu Schadensersatzansprüchen, Rückabwicklungen oder aufsichtsrechtlichen Sanktionen führen.
Anlegerrechte und Risiken
Anleger tragen das volle Risiko eines teilweisen oder vollständigen Kapitalverlusts. Sie haben Anspruch auf die im Vertrag zugesicherten Leistungen, können jedoch in Insolvenzfällen oder Vertragsverletzungen nur eingeschränkt Ansprüche geltend machen. Eine Einlagensicherung besteht im Regelfall nicht.
Steuerrechtliche Behandlung
Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte aus Schwarmfinanzierungen erfolgt in Abhängigkeit von der gewählten Anlageform. Erträge aus Crowdlending und Crowdinvesting unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Abgeltungssteuer. Verlustverrechnung, Werbungskostenabzug und Meldepflichten sind entsprechend der individuellen Verhältnisse und nach Maßgabe der steuerrechtlichen Regelungen zu beachten.
Zusammenfassung
Die Schwarmfinanzierung ist ein innovatives Finanzierungsinstrument mit hoher rechtlicher Komplexität. Plattformbetreiber, Projektinitiatoren und Investoren unterliegen umfassenden aufsichts-, zivil- und steuerrechtlichen Vorgaben. Die rechtliche Ausgestaltung richtet sich maßgeblich nach der Anlageform, dem Geschäftsmodell und dem Standort der Plattform. Zentrale Aufgaben übernehmen nationale und europäische Aufsichtsbehörden, wobei insbesondere die Vorschriften des Vermögensanlagegesetzes, des Wertpapierhandelsgesetzes und der EU-Crowdfunding-Verordnung Anwendung finden. Die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleistet den Schutz aller Beteiligten und unterstützt die nachhaltige Entwicklung dieser Finanzierungsform.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen bei der Durchführung einer Schwarmfinanzierung beachtet werden?
Für die Durchführung einer Schwarmfinanzierung, auch als Crowdfunding bekannt, ist in Deutschland das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) sowie das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) maßgeblich. Vor Beginn einer Kampagne muss der Emittent prüfen, ob das geplante Funding als Angebot von Vermögensanlagen oder Wertpapieren einzuordnen ist. Abhängig vom Gesamtinvestitionsvolumen und der Ausgestaltung besteht häufig die Verpflichtung zur Erstellung eines Verkaufsprospekts oder zumindest eines vereinfachten Wertpapierinformationsblatts (WIB). Daneben gelten Informationspflichten hinsichtlich Risiken und Kosten. Schwarmfinanzierungsdienstleister sind seit dem Inkrafttreten der EU-Crowdfunding-Verordnung (VO (EU) 2020/1503) verpflichtet, eine Genehmigung der nationalen Aufsichtsbehörde (in Deutschland: BaFin) einzuholen und bestimmte organisatorische, technische und rechtliche Anforderungen zu erfüllen. Des Weiteren sind etwaige Beschränkungen hinsichtlich der maximalen Anlagebeträge pro Anleger und Projekt zu beachten.
Unterliegt Schwarmfinanzierung der Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG)?
Grundsätzlich kann die Vermittlung von Finanzinstrumenten, also das Betreiben einer Schwarmfinanzierungsplattform, eine erlaubnispflichtige Tätigkeit im Sinne des § 32 KWG darstellen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn über die Plattform Wertpapiere, Vermögensanlagen oder Anteile an Investmentvermögen vermittelt werden, oder wenn eine bankenähnliche Tätigkeit – wie beispielsweise das Einlagengeschäft – ausgeübt wird. Die genaue Zulässigkeit hängt von der konkreten Ausgestaltung der Plattform, des Geschäftsmodells sowie der vermittelten Anlageprodukte ab. Alternativ kommt eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung (§ 34f GewO) in Betracht. Mit Einführung der EU-Crowdfunding-Verordnung ist für viele Plattformen nun auch die Beantragung einer sog. ECSP-Lizenz bei der BaFin erforderlich.
Welche Pflichten im Bereich Verbraucherschutz sind bei Schwarmfinanzierungen zu beachten?
Der Verbraucherschutz nimmt bei Schwarmfinanzierungen eine Schlüsselrolle ein. Anbieter und Vermittler sind verpflichtet, umfassende und verständliche Angaben über das Investitionsobjekt, die Risiken, die Kostenstruktur und die Rechte der Anleger bereitzustellen. Speziell verpflichten sich Plattformen nach der EU-Crowdfunding-Verordnung, Anleger über ihr Anlegerprofil, die Funktionsweise und Risiken der angebotenen Finanzprodukte, die Ausfallwahrscheinlichkeit sowie etwaige Interessenkonflikte zu informieren. Darüber hinaus muss jeder Anleger eine Angemessenheitsprüfung absolvieren, um sicherzustellen, dass er die Tragweite der Investition versteht. Informationsblätter und Prospekte müssen gut sichtbar, verständlich und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden.
Welche Haftungsrisiken bestehen für Plattformbetreiber und Emittenten?
Sowohl Plattformbetreiber als auch Emittenten unterliegen umfassenden Haftungsregelungen. Betreiber haften bei fehlerhaften, unvollständigen oder irreführenden Angaben im Rahmen ihrer Plattformpräsentation gegenüber Anlegern. Für Emittenten drohen Prospekthaftungstatbestände, sollten falsche oder irreführende Angaben im Wertpapier- oder Vermögensanlagenprospekt gemacht werden (§§ 20 ff. VermAnlG, §§ 9 ff. WpPG). Auch eine Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach §§ 280 ff. BGB, kommt bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten in Betracht. Zusätzlich finden sich im Kapitalmarktrecht strafrechtliche Sanktionen bei Missachtung der gesetzlichen Anforderungen, insbesondere bei Verstößen gegen die Prospektpflichten.
Sind Anleger bei einer Schwarmfinanzierung ausreichend geschützt und wie sieht die Einlagensicherung aus?
Im Rahmen der Schwarmfinanzierung besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine Einlagensicherung im Sinne des Einlagensicherungsgesetzes (EinSiG), da es sich nicht um Bankeinlagen, sondern um unternehmerische Beteiligungen oder Nachrangdarlehen handelt. Anleger tragen das volle wirtschaftliche Risiko eines Ausfalls, im Falle der Insolvenz des Emittenten droht der vollständige Verlust des eingesetzten Kapitals. Plattformen sind jedoch verpflichtet, potenzielle Investoren umfassend über diese Risiken aufzuklären. Bestimmte Schutzmechanismen, wie Warnhinweise, Risikobelehrungen und Cap-Beträge, sollen das Verlustrisiko begrenzen, ersetzen aber keine staatliche Sicherung.
Welche aufsichtsrechtlichen Melde- und Dokumentationspflichten sind einzuhalten?
Sowohl Emittenten als auch die Plattformen unterliegen je nach Geschäftsmodell und gehandeltem Produkt verschiedenen Meldepflichten. Im Rahmen der EU-Crowdfunding-Verordnung müssen Betreiber von Schwarmfinanzierungsplattformen laufend Berichte an die Aufsichtsbehörde (BaFin) übermitteln, insbesondere zu Geschäftsentwicklung, Risikoübernahmen und etwaigen Vorfällen. Bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte greifen zudem die Pflichten aus dem Geldwäschegesetz (GwG), wonach entsprechende Know-Your-Customer (KYC)-Verfahren und Verdachtsmeldungen abzuführen sind. Die Dokumentation sämtlicher Vorgänge und der Schutz personenbezogener Daten nach DSGVO sind unerlässlich.
Ist die Schwarmfinanzierung steuerlich relevant und welche Pflichten bestehen für Emittenten und Anleger?
Die Durchführung einer Schwarmfinanzierung ist mit verschiedenen steuerrechtlichen Fragestellungen verbunden. Für Emittenten können die eingeworbenen Mittel je nach Ausgestaltung als Eigen- oder Fremdkapital behandelt werden, was unterschiedliche ertragsteuerliche und ggf. umsatzsteuerliche Konsequenzen nach sich zieht. Anleger müssen auf etwaige Zins- oder Gewinnbeteiligungen Abgeltungsteuer sowie ggf. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer entrichten. Plattformen sind häufig verpflichtet, Anleger und Zahlungen zu dokumentieren und mit steuerrelevanten Informationen zu versehen. Die steuerliche Behandlung sollte frühzeitig mit Steuerberatern abgestimmt werden, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext.