Begriff und rechtlicher Rahmen der Schuldverschreibung
Eine Schuldverschreibung bezeichnet im deutschen und internationalen Recht ein Wertpapier, mit dem sich der Aussteller (Emittent) verpflichtet, dem Inhaber (Gläubiger) einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen und gegebenenfalls regelmäßig Zinsen zu entrichten. Die Schuldverschreibung stellt eine Form der Fremdfinanzierung dar und wird häufig von Staaten, Banken oder Unternehmen zur Aufnahme von Kapital eingesetzt. Im weiteren Sinne wird unter dem Begriff Schuldverschreibung jede Urkunde verstanden, mit der eine Forderung verbrieft wird. Besonders relevant ist die rechtliche Ausgestaltung, die je nach Art der Schuldverschreibung variiert und die Interessen von Emittent und Gläubiger ausbalanciert.
Einordnung im deutschen Recht
Rechtlich ist die Schuldverschreibung vorrangig im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 793 ff. BGB („Schuldverschreibungen auf den Inhaber“) und §§ 807 ff. BGB („Schuldverschreibungen auf Namen“) geregelt. Darüber hinaus gelten weitere Rechtsgrundlagen, wie das Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamt emissionen (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) sowie einschlägige kapitalmarktrechtliche Vorschriften, etwa das Wertpapierprospektgesetz.
Rechtliche Grundlagen
Schuldverschreibungen auf den Inhaber und auf Namen
Im Gesetz wird zwischen Inhaberschuldverschreibung (§ 793 BGB) und Namensschuldverschreibung (§ 807 BGB) unterschieden:
- Inhaberschuldverschreibung: Bei dieser Form ist derjenige berechtigt, der die Urkunde im Besitz hat. Die Rechte aus der Inhaberschuldverschreibung können durch Einigung und Übergabe, ähnlich wie beim Eigentum an beweglichen Sachen, übertragen werden. Sie haben einen sachenrechtlichen Charakter und sind besonders für den Handel an Börsen geeignet.
- Namensschuldverschreibung: Hier ist der Berechtigte namentlich auf der Urkunde vermerkt. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch Abtretung (Zession) unter Mitwirkung des Ausstellers oder nach den Vorgaben des jeweiligen Emittenten.
Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG)
Das Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) regelt die besonderen rechtlichen Verhältnisse bei Emissionen von Teilschuldverschreibungen. Es sieht insbesondere die Möglichkeit vor, Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger zu ordnen, z. B. durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oder die Durchführung von Gläubigerversammlungen.
Bestandteile und Inhalte der Schuldverschreibung
Hauptverpflichtungen des Emittenten
Zu den typischen vertraglichen Hauptpflichten des Ausstellers gehören:
- Zahlung eines bestimmten Betrags am Ende der Laufzeit (Rückzahlung/Nennwert)
- Zahlung periodischer Zinsen während der Laufzeit (Kuponzahlungen), sofern es sich nicht um Nullkuponanleihen handelt
- Erfüllung sonstiger vereinbarter Rechte, etwa vorzeitige Rückzahlungsoptionen
Rechte und Pflichten der Gläubiger
Gläubiger einer Schuldverschreibung haben Anspruch auf fristgerechte Zahlung der Zinsen und Rückzahlung des Nominalbetrags. Zusätzlich können sie Rechte auf vorzeitige Kündigung, Teilnahme an Gläubigerversammlungen sowie Auskunftsrechte gegenüber dem Emittenten haben.
Übertragbarkeit und Handel
Die Übertragbarkeit richtet sich nach der Art der Schuldverschreibung. Inhaberschuldverschreibungen sind typischerweise leicht übertragbar und werden häufig an Börsen gehandelt. Namensschuldverschreibungen sind in ihrer Übertragbarkeit eingeschränkter und bedürfen gegebenenfalls der Zustimmung des Emittenten.
Arten von Schuldverschreibungen
Einteilung nach Emittenten
- Staatliche Schuldverschreibungen: Emission durch Bund, Länder oder Kommunen zur Finanzierung öffentlicher Haushalte
- Banken und Finanzinstitute: Zur Refinanzierung ihrer Geschäfte
- Unternehmen (Industrieanleihen): Zur Kapitalaufnahme für betriebliche Investitionen
Einteilung nach Ausstattung
- Anleihen mit festem Zinssatz (Straight Bonds)
- Wandelanleihen (Convertible Bonds)
- Optionsanleihen
- Nachrangige Schuldverschreibungen
Rechtliche Besonderheiten bei Schuldverschreibungen
Basisschutz und Gläubigerrechte
Schuldverschreibungen sind mit bestimmten Schutzmechanismen für Gläubiger ausgestattet. Diese können etwa Covenants (Verpflichtungen des Emittenten), Sicherheiten (beispielsweise Grundpfandrechte) oder die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters umfassen. Im Insolvenzfall nehmen Inhaber von Schuldverschreibungen regelmäßig die Stellung einfacher Insolvenzgläubiger ein, es sei denn, es handelt sich um nachrangige oder besonders besicherte Anleihen.
Prospektpflicht und Zulassung zum Börsenhandel
Nach dem Wertpapierprospektgesetz muss bei öffentlichen Angeboten oder Zulassung zum regulierten Markt ein Wertpapierprospekt erstellt werden. Dieser Prospekt muss umfassende Angaben über die Schuldverschreibung, den Emittenten und die mit dem Wertpapier verbundenen Risiken enthalten.
Steuerliche Behandlung
Die aus einer Schuldverschreibung erzielten Zinsen unterliegen grundsätzlich der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Für Inlands- und Auslandsanleihen können unterschiedliche Quellensteuerregelungen gelten. Zudem sind bei bestimmten Schuldverschreibungen Besonderheiten in der Verlustverrechnung (§ 20 EStG) zu beachten.
Internationale Perspektiven
Vergleich mit internationalen Rechtsordnungen
Im internationalen Kontext sind Schuldverschreibungen weit verbreitet. So existieren vergleichbare Regelungen in vielen Ländern, etwa die „Bonds“ im US-amerikanischen Recht oder „Obligations“ im französischen Recht. Internationale Emissionen unterliegen regelmäßig dem jeweiligen Kapitalmarktrecht des Emissionslandes sowie den Regeln internationaler Handelsplätze.
Bedeutung für den Kapitalmarkt
Die Begebung von Schuldverschreibungen trägt maßgeblich zur Liquidität und Funktionsfähigkeit internationaler Finanzmärkte bei. Sie erlauben die effiziente Geldaufnahme für Staaten und Unternehmen und stellen ein zentrales Anlageinstrument für Investoren dar.
Zusammenfassung
Schuldverschreibungen sind unverzichtbare Finanzierungsinstrumente, die rechtlich detailliert ausgeprägt sind. Sie unterliegen einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen, die das Verhältnis zwischen Emittent und Gläubiger klar ausgestalten. Wesentliche Aspekte betreffen die Ausgestaltung der Schuldverschreibung, die Gläubigerrechte, die Regelungen zur Übertragbarkeit, Prospektpflicht, Besicherung und gegebenenfalls Vertreterstrukturen. Ihre rechtliche Verankerung schafft Vertrauen und Rechtssicherheit für nationale wie internationale Kapitalmarktteilnehmer.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Ausgabe von Schuldverschreibungen in Deutschland?
Die rechtlichen Grundlagen für die Ausgabe von Schuldverschreibungen in Deutschland finden sich im Wesentlichen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 793 ff. BGB, welche die Inhaberschuldverschreibung regeln. Daneben gelten das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) sowie einschlägige europäische Vorschriften, etwa die Prospektverordnung (EU) 2017/1129. Darüber hinaus sind je nach Ausgestaltung der Schuldverschreibung (insbesondere bei öffentlich gehandelten Papieren) weitere Vorschriften, wie etwa das Börsengesetz (BörsG), das Depotgesetz (DepotG) und aufsichtsrechtliche Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu beachten. Die Emission von Schuldverschreibungen unterliegt zudem spezifischen vertraglichen Bedingungen, wie den sogenannten Anleihebedingungen, die schuldrechtlichen Charakter haben und das Verhältnis zwischen Emittent und Gläubiger regeln.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus einer Schuldverschreibung für den Gläubiger?
Aus rechtlicher Sicht resultieren für den Gläubiger einer Schuldverschreibung vor allem Ansprüche auf Rückzahlung des Nennbetrags am Ende der Laufzeit sowie gegebenenfalls auf die Zahlung von Zinsen (Kupons) innerhalb der vereinbarten Zeiträume. Diese Rechte sind im Schuldverschreibungsvertrag (den Anleihebedingungen) spezifiziert. Der Gläubiger hat zudem das Recht, bei bestimmten Vertragsverstößen des Emittenten, wie etwa bei einem Zahlungsverzug (sog. „default“), unter Umständen eine vorzeitige Kündigung bzw. vorzeitige Fälligkeit der Schuldverschreibung zu erklären. Zu den Pflichten des Gläubigers gehört im Wesentlichen die Zahlung des Erwerbspreises; darüber hinaus bestehen regelmäßig keine weiteren rechtlichen Handlungspflichten.
Was ist bei der Übertragung von Schuldverschreibungen aus rechtlicher Sicht zu beachten?
Die Übertragung von Schuldverschreibungen ist im BGB, insbesondere in §§ 793 und 398 ff., geregelt. Inhaberschuldverschreibungen werden grundsätzlich durch Einigung und Übergabe des Wertpapiers übertragen. Bei effektiven Stücken vollzieht sich die Übertragung durch Übergabe der Urkunde, bei Girosammelverwahrung erfolgt die Übertragung durch einen entsprechenden Buchungsvorgang bei der depotführenden Stelle. Namens- und Orderschuldverschreibungen erfordern zum Teil zusätzliche Formerfordernisse, beispielsweise Indossament oder Umschreibung im Register. Mit der Übertragung gehen alle Rechte und Pflichten aus der Schuldverschreibung kraft Gesetzes auf den neuen Inhaber über.
Welche Schutzmechanismen existieren für Gläubiger von Schuldverschreibungen bei Insolvenz des Emittenten?
Im Falle der Insolvenz des Emittenten haben Gläubiger den Status eines regulären Insolvenzgläubigers gemäß §§ 38 ff. Insolvenzordnung (InsO) und müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Es besteht kein bevorrechtigter Schutz, wenn die Schuldverschreibung nicht ausdrücklich besichert ist (z.B. durch Grundpfandrechte oder Treuhandkonstruktionen). In einigen Fällen können Gläubigerrechte durch sogenannte Anleihetreuhänder gebündelt und gegenüber dem Insolvenzverwalter gemeinschaftlich vertreten werden (§§ 5 ff. SchVG – Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen). Die Durchsetzung der Forderungen erfolgt also grundsätzlich wie bei anderen unbesicherten Gläubigern: Die Stellung in der Rangfolge entscheidet über die Quote etwaiger Rückzahlungen.
Welche Rolle spielen die Anleihebedingungen (Emissionsbedingungen) aus rechtlicher Sicht?
Die Anleihebedingungen (auch Emissionsbedingungen oder Terms and Conditions) sind die maßgeblichen schuldrechtlichen Regelungen zwischen Emittent und Gläubigern. Sie legen sämtliche Rechte und Pflichten (wie Fälligkeit, Verzinsung, Kündigungsrechte, Covenants, Rangfolge etc.) verbindlich fest und sind bei börsennotierten Papieren regelmäßig Bestandteil des Wertpapierprospekts. Nach deutschem Recht (§ 793 BGB) ist eine schuldrechtliche Bindung an die Anleihebedingungen Voraussetzung für die Wirksamkeit der Schuldverschreibung. Änderungen der Anleihebedingungen während der Laufzeit sind grundsätzlich nur unter Einhaltung des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG), das Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ermöglicht, zulässig.
Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Prospektpflicht bei der Emission von Schuldverschreibungen?
Die Prospektpflicht ist im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) sowie der EU-Prospektverordnung geregelt. Danach besteht grundsätzlich die Verpflichtung, vor öffentlicher Angebotsaufnahme oder Einführung zum Handel an einem organisierten Markt einen Wertpapierprospekt zu veröffentlichen, der von der BaFin gebilligt wird. Ausnahmen gelten etwa bei sehr kleinen Emissionsvolumina, bestimmten kurzfristigen Schuldverschreibungen sowie bei Angeboten, die sich ausschließlich an professionelle Anleger richten. Der Prospekt muss sämtliche für die Beurteilung der Schuldverschreibung wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Informationen enthalten; fehlerhafte oder unvollständige Prospekte können zu Schadenersatzansprüchen der Erwerber führen.
Welche rechtlichen Risiken bestehen für Emittenten bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen?
Emittenten gehen bei der Begebung von Schuldverschreibungen verschiedene rechtliche Risiken ein. Zunächst können sie bei Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen (insbesondere der Zahlungsansprüche) haftbar gemacht werden. Verletzungen der Prospektpflicht oder fehlerhafte Prospekte können zu zivilrechtlichen Schadenersatzpflichten, aber auch zu aufsichtsrechtlichen Sanktionen durch die BaFin führen. Bei der Nichteinhaltung von Anleihebedingungen (z.B. Verletzung von Covenants) drohen Beschleunigungsrechte der Gläubiger und eine vorzeitige Fälligstellung der Schuldverschreibung. Ferner besteht das Risiko von Anfechtungen und Rückabwicklungen, etwa bei Verstoß gegen Kapitalmarktvorschriften oder bei Unwirksamkeitserklärungen durch Gerichte. Auch die regulatorische Beaufsichtigung kann Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere bei Verstößen gegen das Wertpapierhandelsrecht oder das Bankaufsichtsrecht.