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Schuldmitübernahme


Begriff und Wesen der Schuldmitübernahme

Die Schuldmitübernahme ist ein Institut des deutschen Schuldrechts und bezeichnet einen Vertrag, durch den ein Dritter zu einem bereits bestehenden Schuldverhältnis als weiterer Schuldner hinzutritt. Der Dritte übernimmt damit gemeinsam mit dem bisherigen Schuldner die Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger. Die Schuldmitübernahme findet insbesondere im Vertragsrecht und im Zusammenhang mit langfristigen Schuldverhältnissen (etwa Miet-, Dienst- oder Kreditverträgen) praktische Anwendung.

Im Unterschied zu anderen Formen des Schuldbeitritts – etwa der Schuldübernahme oder der Bürgschaft – zeichnet sich die Schuldmitübernahme durch den Beitritt eines neuen Schuldners aus, ohne dass die ursprüngliche Verpflichtung des ersten Schuldners entfällt. Der Gläubiger erhält durch die Schuldmitübernahme mehrere Schuldner, die im Innenverhältnis untereinander zurücktreten können, im Außenverhältnis aber gesamtschuldnerisch haften.


Rechtsgrundlagen der Schuldmitübernahme

Gesetzliche Regelung

Die Schuldmitübernahme ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht ausdrücklich normiert, wird jedoch als Unterfall des Schuldbeitritts in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Ihre Anerkennung und rechtlichen Konsequenzen ergeben sich vorrangig aus den Vorschriften der §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1, 421 ff. BGB (Gesamtschuldverhältnis).

Vertragsform und Wirksamkeit

Die Schuldmitübernahme kann formfrei erfolgen, soweit nicht für die zugrunde liegende Hauptschuld eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Ist beispielsweise die Übernahme einer Hypothekenschuld Vertragsgegenstand, bedarf der Vertrag nach § 311b Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung. Für Miet- und Darlehensverträge greift die gesetzliche Schriftform nach den jeweiligen Spezialvorschriften.

Wesentlich für die Wirksamkeit einer Schuldmitübernahme ist die Zustimmung aller Beteiligten – Gläubiger, Altschuldner und Neuschuldner. Fehlt es an der Zustimmung, entfaltet der Vertrag keine bindende Wirkung gegenüber dem Gläubiger.


Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten

Unterschied zur Schuldübernahme

Bei der Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) wird der ursprüngliche Schuldner durch einen neuen Schuldner ersetzt; der Gläubiger verfügt somit nur noch über einen Schuldner. Bei der Schuldmitübernahme hingegen bleibt der ursprüngliche Schuldner weiterhin verpflichtet.

Unterschied zur Bürgschaft

Die Bürgschaft (§ 765 BGB) ist ein Sicherungsvertrag, bei dem der Bürge im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners einsteht. Im Gegensatz dazu wird der Mitschuldner bei der Schuldmitübernahme unmittelbarer Schuldner und schuldet dem Gläubiger die Erfüllung der Verbindlichkeit, nicht erst im Falle des Verzugs oder der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners.


Rechtswirkungen der Schuldmitübernahme

Außenverhältnis: Beziehung zum Gläubiger

Durch die Schuldmitübernahme entsteht zwischen Gläubiger, Altschuldner und Neuschuldner regelmäßig ein Gesamtschuldverhältnis (§ 421 BGB). Der Gläubiger kann somit die Leistung wahlweise vom ursprünglichen oder vom neuen Schuldner fordern, bis die Schuld insgesamt beglichen ist. Die Zahlung eines Schuldners wirkt für und gegen alle Gesamtgläubiger (§ 422 BGB).

Innenverhältnis: Beziehung zwischen Mitschuldnern

Im Innenverhältnis regelt sich die Ausgleichspflicht zwischen den Mitschuldnern nach den Grundsätzen des § 426 BGB, es sei denn, die Parteien haben hiervon abweichende Absprachen getroffen. Der neue Schuldner kann etwa im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs einen Anteil vom ursprünglichen Schuldner erstattet verlangen, sofern er gegenüber dem Gläubiger allein leistet.


Rechte und Einwendungen der Beteiligten

Einwendungen des neuen Schuldners

Der Beitretende kann sämtliche Einwendungen geltend machen, die sich aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis ergeben (§ 417 BGB analog). Dies umfasst etwa die Möglichkeit, mit Gegenansprüchen aufzurechnen oder die Leistung zu verweigern, wenn diese durch einen Mangel gemindert oder ausgeschlossen ist.

Einwendungen aus dem eigenen Rechtsverhältnis

Gleichfalls kann der neue Schuldner Einwendungen aus dem konkreten Vertrag über die Schuldmitübernahme erheben, beispielsweise, wenn die Vereinbarung wegen eines Willensmangels (§§ 119 ff. BGB) nichtig wäre oder Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) vorliegt.


Anwendungsbereiche der Schuldmitübernahme

Die Schuldmitübernahme kommt in der Praxis vor allem in folgenden Bereichen zur Anwendung:

  • Mietrecht: Beim Eintritt eines neuen Mieters in einen bestehenden Mietvertrag kann dieser neben dem bisherigen Mieter gesamtschuldnerisch haften.
  • Darlehensrecht: Bei Umschuldungen oder bei Schuldenkonsolidierungen tritt ein zusätzlicher Darlehensnehmer dem Vertrag bei.
  • Familienrecht: Im Rahmen von Trennungen übernehmen Ehegatten unter Umständen gemeinsam Verbindlichkeiten.
  • Unternehmensrecht: Im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen oder Umstrukturierungen kann ein weiterer Schuldner für Unternehmensschulden beitreten.

Beendigung der Schuldmitübernahme

Die Schuldmitübernahme endet grundsätzlich mit Erlöschen der übernommenen Verbindlichkeit, etwa durch Erfüllung, Aufrechnung, Erlass oder durch Zeitablauf. Eine einseitige Entlassung eines Mitschuldners aus der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger ist nur bei ausdrücklicher Vereinbarung oder besonderer Rechtsgrundlage möglich.


Steuerliche und insolvenzrechtliche Aspekte

Die Übernahme einer Schuld im Wege der Schuldmitübernahme kann steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere im Bereich der Schenkungs- und Einkommensteuer, sofern Vermögenswerte unentgeltlich auf den Mitschuldner übergehen.

Im Falle der Insolvenz eines Mitschuldners besteht weiterhin ein gesamtschuldnerischer Anspruch gegenüber dem verbleibenden Schuldner, sodass der Gläubiger seine Forderung insgesamt geltend machen kann.


Zusammenfassung

Die Schuldmitübernahme ist ein zentraler Mechanismus im deutschen Zivilrecht, durch den ein Dritter in ein bestehendes Schuldverhältnis eintritt und die Verpflichtung gemeinsam mit dem ursprünglichen Schuldner übernimmt. Sie führt zur Schaffung eines Gesamtschuldverhältnisses, ist formfrei vereinbarbar und für zahlreiche Vertrags- und Lebensbereiche relevant. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Wirkungen sind sowohl im Außen- als auch Innenverhältnis detailliert ausgestaltet, und ihre praktische Bedeutung zeigt sich insbesondere im Miet-, Darlehens- und Unternehmensrecht.

Häufig gestellte Fragen

Kann die Schuldmitübernahme ohne Zustimmung des Gläubigers erfolgen?

Eine Schuldmitübernahme kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: als sogenannte „privative Schuldübernahme” (§ 414 BGB) oder als „kumulative Schuldübernahme” (Schuldbeitritt). Bei der privativen Schuldübernahme tritt der Übernehmer in die Schuldstellung des bisherigen Schuldners ein, sodass dieser aus der Haftung entlassen wird. Für die Wirksamkeit dieser Form ist die ausdrückliche Zustimmung des Gläubigers zwingend erforderlich, da der Gläubiger einen Wechsel seines Vertragspartners nicht ohne sein Einverständnis hinnehmen muss. Fehlt die Zustimmung, bleibt der ursprüngliche Schuldner weiterhin verpflichtet, und die Übernahmeabrede ist im Verhältnis zum Gläubiger unwirksam. Anders gestaltet sich die kumulative Schuldübernahme oder der Schuldbeitritt: Hier tritt der Übernehmer neben den ursprünglichen Schuldner in die gemeinsame Verpflichtung ein. Auch hierfür ist in der Regel die Zustimmung des Gläubigers erforderlich, da dieser durch die Erhöhung möglicher Schuldner betroffen ist. Ohne Zustimmung kann allenfalls ein internes Auftragsverhältnis zwischen altem und neuem Schuldner begründet werden, aus dem der Gläubiger jedoch keine Ansprüche herleiten kann.

Welche Formerfordernisse bestehen bei einer Schuldmitübernahme?

Im deutschen Recht bestehen für eine Schuldmitübernahme grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse, soweit nicht die zugrundeliegende Schuld selbst einer bestimmten Form unterliegt. Ist zum Beispiel der Schuldgrund – etwa bei Grundstücksgeschäften gemäß § 311b BGB – formbedürftig, gilt diese Formerfordernis auch für die Schuldmitübernahme. Im Regelfall kann die Schuldmitübernahme also formlos, auch mündlich, erfolgen. Es empfiehlt sich jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und Beweisbarkeit, die Schuldmitübernahme stets schriftlich zu fixieren. Vereinbaren die Parteien zur Gültigkeit der Übernahmeerklärung eine bestimmte Form (meistens schriftlich), so ist diese Vereinbarung bindend und bei Nichteinhaltung kann die Übernahme scheitern.

Welche Arten der Schuldmitübernahme gibt es und wie unterscheiden sie sich rechtlich?

Rechtlich ist insbesondere zwischen der sogenannten „privativen Schuldübernahme” und der „kumulativen Schuldübernahme” (Schuldbeitritt) zu differenzieren. Bei der privaten Schuldübernahme übernimmt der neue Schuldner die Verbindlichkeit vollständig und löst damit den bisherigen Schuldner aus der Schuld (Novation). Diese Befreiung erfordert zwingend die Zustimmung des Gläubigers. Demgegenüber entsteht beim Schuldbeitritt eine Gesamtschuld zwischen dem bisherigen und dem neuen Schuldner, sodass der Gläubiger nunmehr zwei Schuldner zur Verfügung hat und beide gesamtschuldnerisch haften (§ 421 BGB). Beim Schuldbeitritt bleibt der ursprüngliche Schuldner weiterhin haftbar; dies sichert dem Gläubiger eine größere Durchsetzbarkeit seines Anspruchs, insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit eines der Schuldner.

Welche Folgen hat eine Schuldmitübernahme für den Sicherungsbestand (z.B. Bürgschaften, Hypotheken)?

Durch eine Schuldmitübernahme kann sich die Sicherheitenlage ändern, und zwar abhängig von der übertragenden Konstruktion. Bei einer privativen Schuldübernahme – also dem vollständigen Austausch des Schuldners – haftet der neue Schuldner für die übernommene Schuld, und eventuelle akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaften, Hypotheken oder Pfandrechte bleiben in der Regel nur bestehen, wenn die Sicherungsgeber der Übernahme ausdrücklich zustimmen. Insbesondere Bürgschaften erlöschen gemäß § 776 BGB dann, wenn sich der Haftungsumfang des Hauptschuldners durch die Schuldübernahme erweitert hat, es sei denn, der Bürge hat der Übernahme zugestimmt. Bei einem Schuldbeitritt bleiben bestehende Sicherheiten grundsätzlich bestehen, da die ursprüngliche Schuld nicht erlischt, sondern lediglich ein weiterer Schuldner hinzukommt.

Kann eine Schuldmitübernahme widerrufen oder angefochten werden?

Wie bei anderen vertraglichen Verpflichtungen ist auch die Schuldmitübernahme nicht unwiderruflich: Sie kann – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen – unter bestimmten Umständen widerrufen (z.B. bei Fernabsatzverträgen durch Verbraucher im Rahmen des Widerrufsrechts) oder angefochten werden (§§ 119 ff. BGB). Eine Anfechtung ist etwa bei arglistiger Täuschung, Drohung oder Irrtum möglich. Erfolgt eine wirksame Anfechtung, wird die Schuldmitübernahme rückwirkend unwirksam und es tritt der Zustand ein, wie wenn die Übernahme nie erfolgt wäre. Etwaige Rückabwicklungsansprüche sind dann zwischen den Parteien zu regeln.

Wie wirkt sich eine Schuldmitübernahme auf Verjährungsfristen aus?

Mit der Schuldmitübernahme bleibt die ursprüngliche Forderung in ihrem Bestand erhalten – das gilt auch für laufende Verjährungsfristen. Weder beginnt die Verjährung mit der Übernahme aufgrund des Schuldbeitritts von Neuem, noch hemmt die Übernahme die Verjährung. Dagegen kann im Innenverhältnis zwischen altem und neuem Schuldner eine eigenständige Verjährungsfrist vereinbart werden, etwa hinsichtlich etwaiger Aufwendungsersatz- oder Freistellungsansprüche. Zu beachten ist jedoch: Schuldanerkenntnisse (§ 212 BGB) führen unter Umständen zu einer Hemmung oder zu einem Neubeginn der Verjährung.

Welche Rechte und Einreden kann der übernehmende Schuldner gegen den Gläubiger geltend machen?

Der Schuldübernehmer tritt gemäß § 417 BGB grundsätzlich in alle Rechte und Verpflichtungen des ursprünglichen Schuldners ein. Der neue Schuldner kann also sämtliche dem bisherigen Schuldner zustehenden Einwendungen und Einreden gegen den Gläubiger geltend machen. Dazu gehören beispielsweise Verjährungseinreden, Zurückbehaltungsrechte oder die Einrede der Anfechtbarkeit. Allerdings ist im Rahmen der Vereinbarung zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Übernehmer auf bestimmte Einwendungen verzichtet hat oder der Übernahmevertrag Ausschlüsse vorsieht. Einwendungen aus dem persönlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger können hingegen nicht übertragen werden.