Schlusserbe: Begriff, Bedeutung und Einordnung
Als Schlusserbe wird die Person bezeichnet, die nach dem Tod des länger lebenden Partners in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag als Erbe eingesetzt ist. Häufig betrifft dies Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, die sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und für den zweiten Todesfall gemeinsame Kinder oder andere Personen als Schlusserben bestimmen. Der Schlusserbe erhält in diesem Modell den Nachlass erst nach dem Tod des länger lebenden Partners und nicht bereits nach dem ersten Todesfall.
Einordnung in gemeinschaftliche Verfügungen von Todes wegen
Gemeinschaftliches Testament und Berliner Testament
Im sogenannten Berliner Testament setzen sich Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner zunächst gegenseitig als Erben ein. Zugleich bestimmen sie eine oder mehrere Personen als Schlusserben für den zweiten Todesfall. Der länger lebende Partner wird dabei in der Regel Vollerbe und kann über den Nachlass zunächst frei verfügen, soweit keine abweichenden Bindungen oder Klauseln vereinbart sind. Die Schlusserbeneinsetzung wirkt typischerweise als gemeinsame, wechselseitig abgestimmte Verfügung.
Erbvertrag
Die Bestimmung eines Schlusserben ist auch im Erbvertrag möglich. Anders als beim gemeinschaftlichen Testament werden dort Bindungen bereits durch vertragliche Vereinbarung begründet. Die konkrete Bindungsintensität ergibt sich aus dem Vertragsinhalt, insbesondere dazu, welche Verfügungen bindend sein sollen und welche Spielräume verbleiben.
Rechtsstellung des Schlusserben
Vor dem Tod des länger lebenden Partners
Vor Eintritt des zweiten Erbfalls hat der Schlusserbe grundsätzlich keine Erbenstellung. Er verfügt regelmäßig nur über eine durch die Verfügung von Todes wegen begründete Aussicht, Erbe zu werden. Laufende Mitwirkungs-, Verwaltungs- oder Kontrollrechte gegenüber dem länger lebenden Partner bestehen typischerweise nicht. Die Bindungswirkung wechselseitiger Verfügungen kann jedoch verhindern, dass der länger lebende Partner die Schlusserbeneinsetzung nachträglich einseitig aufhebt, soweit die Verfügung bindend ist.
Mit dem Tod des länger lebenden Partners
Die Erbenstellung des Schlusserben entsteht erst mit dem zweiten Todesfall. Der Schlusserbe erbt dann den vorhandenen Nachlass des zuletzt Verstorbenen. Dieser umfasst das Vermögen, das beim zweiten Todesfall noch vorhanden ist; vor dem ersten Todesfall bestehendes Vermögen des zuerst Verstorbenen ist in der Regel mit dessen Tod auf den länger lebenden Partner übergegangen.
Rechte und Pflichten im Überblick
Der Schlusserbe erlangt Rechte und Pflichten eines Erben erst im zweiten Erbfall. Dazu gehören regelmäßig die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft sowie die Verantwortung für Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen der gesetzlichen Rangfolge. Vorherige Gestaltungen können durch Vermächtnisse, Teilungsanordnungen oder Auflagen ergänzt werden, die beim zweiten Erbfall zu beachten sind.
Bindungswirkung und Änderungsmöglichkeiten
Wechselbezügliche Verfügungen und Bindungswirkung
Werden Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament wechselseitig getroffen, sind sie nach dem ersten Todesfall vielfach bindend. Der länger lebende Partner ist dann an die gemeinsam bestimmte Schlusserbeneinsetzung gebunden, soweit keine abweichenden Gestaltungen vereinbart sind. Aus der Bindung folgt regelmäßig, dass eine spätere einseitige Änderung der Schlusserbeneinsetzung nicht mehr ohne Weiteres möglich ist.
Widerruf zu Lebzeiten beider Partner
Solange beide Partner leben, ist der Widerruf wechselseitiger Verfügungen grundsätzlich möglich, sofern die hierfür vorgesehenen Formvoraussetzungen eingehalten werden. Nach dem ersten Todesfall greift in der Regel die Bindungswirkung, wenn die Verfügungen wechselseitig getroffen wurden.
Änderungsklauseln
Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge enthalten häufig Klauseln, die dem länger lebenden Partner gewisse Anpassungsspielräume eröffnen. Dazu zählen beispielhaft Abänderungs- oder Anpassungsklauseln für den Fall geänderter Lebensverhältnisse, für Vermögensverschiebungen oder zur Berücksichtigung besonderer Bedarfe einzelner Abkömmlinge. Inhalt und Reichweite solcher Klauseln ergeben sich aus dem Wortlaut der Verfügung.
Verhältnis zum Pflichtteilsrecht
Pflichtteilsansprüche nach dem ersten Todesfall
Nach dem ersten Todesfall können pflichtteilsberechtigte Personen ihren Pflichtteil verlangen. Häufig führen gemeinschaftliche Testamente daher sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln, um die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem ersten Todesfall unattraktiver zu machen. Solche Klauseln sehen typischerweise vor, dass ein Pflichtteilsverlangen beim ersten Erbfall Auswirkungen auf die Stellung beim zweiten Erbfall hat.
Pflichtteilsstrafklauseln und ihre Wirkung
Pflichtteilsstrafklauseln sind Gestaltungselemente, die die Erbfolge beim zweiten Todesfall beeinflussen können, etwa durch Reduzierung oder Ausschluss der Schlusserbenstellung desjenigen, der beim ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt hat. Der genaue Inhalt hängt von der jeweiligen Formulierung ab.
Auswirkungen auf die Schlusserbschaft
Die Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen beim ersten Erbfall kann den späteren Nachlass des länger lebenden Partners reduzieren und damit den Umfang der Schlusserbschaft mindern. Der Schlusserbe erhält daher im zweiten Erbfall nur das Vermögen, das zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden ist.
Abgrenzung zur Vor- und Nacherbfolge
Vollerbe gegenüber Vorerbe
Beim klassischen Schlusserbenmodell wird der länger lebende Partner Vollerbe und ist in seiner Verfügungsmacht über das ererbte Vermögen grundsätzlich nicht beschränkt, soweit keine Einschränkungen vereinbart wurden. Bei einer Vor- und Nacherbfolge ist der zuerst erbberechtigte Partner Vorerbe und unterliegt typischen Beschränkungen. Der Nacherbe erhält das Vermögen des Vorerben erst mit Eintritt der Nacherbfolge.
Rechtliche Sicherungen
Die Vor- und Nacherbfolge ist durch besondere Sicherungen geprägt, die die Rechte des Nacherben strukturell absichern können. Die Schlusserbeneinsetzung im Berliner Testament sieht derartige dingliche Sicherungen in der Regel nicht vor. Der Schutz des Schlusserben beruht vor allem auf der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrags.
Gründe für die Wahl der Schlusserbeneinsetzung
Die Schlusserbeneinsetzung wird häufig gewählt, um dem länger lebenden Partner eine weitgehende Handlungsfreiheit zu ermöglichen und zugleich eine familienbezogene Nachfolge für den zweiten Todesfall festzulegen. Die Entscheidung für oder gegen eine Vor- und Nacherbfolge hängt von den gewollten Verfügungsbefugnissen, Sicherungsbedürfnissen und familiären Zielen ab.
Besonderheiten und typische Klauseln
Ersatzschlusserben
Für den Fall, dass ein Schlusserbe vorversterben sollte oder aus anderen Gründen wegfällt, werden häufig Ersatzschlusserben benannt. Ohne eine solche Regelung greifen allgemeine Auslegungsgrundsätze, um die Nachfolgeregelung zu füllen.
Patchwork-Konstellationen
In Familien mit Kindern aus verschiedenen Beziehungen werden Schlusserben häufig quotenmäßig bestimmt oder mit Vermächtnissen kombiniert, um eine ausgewogene Verteilung zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung richtet sich nach den familiären Verhältnissen und dem Willen der Beteiligten.
Vermächtnisse und Teilungsanordnungen
Zusätzlich zur Schlusserbeneinsetzung können Vermächtnisse und Teilungsanordnungen vorgesehen werden. Sie regeln, welche Gegenstände oder Quoten einzelnen Personen zugewiesen werden und wie die spätere Auseinandersetzung des Nachlasses erfolgen soll.
Bedingungen und Auflagen
Schlusserbeneinsetzungen können an Bedingungen geknüpft oder mit Auflagen verbunden sein, etwa hinsichtlich Ausbildung, Pflege oder sonstiger Lebensumstände. Maßgeblich ist der klare, verständliche Wortlaut, damit der Wille im zweiten Erbfall umgesetzt werden kann.
Steuerliche Einordnung
Schlusserben sind beim zweiten Todesfall grundsätzlich erbschaftsteuerpflichtig, sofern die steuerlichen Freibeträge überschritten werden. Die Freibeträge und Steuerklassen knüpfen an das Verhältnis zum Erblasser an und werden je Erbfall betrachtet. Bei gemeinschaftlichen Testamenten entstehen typischerweise zwei Erbfälle, sodass auch zweimalige steuerliche Betrachtungen anfallen.
Form und Wirksamkeit
Errichtung
Das gemeinschaftliche Testament wird in der Praxis meist eigenhändig errichtet, wobei besondere Formvoraussetzungen einzuhalten sind. Ein Erbvertrag wird regelmäßig notariell beurkundet. Die Wirksamkeit der Schlusserbeneinsetzung hängt von der Einhaltung der jeweils erforderlichen Form und einem eindeutigen Inhalt ab.
Auslegung und Anfechtung
Unklare Formulierungen werden anhand des erkennbaren Willens der Beteiligten ausgelegt. Anfechtungstatbestände können bestehen, etwa bei Irrtümern oder Drohung. Die Folgen einer Anfechtung betreffen die gesamte Verfügung oder einzelne Bestandteile, je nach Regelungszusammenhang.
Scheidung und Wegfall der Grundlage
Kommt es zur Trennung oder Scheidung, kann dies auf die Wirksamkeit oder Bindung gemeinschaftlicher Verfügungen Einfluss haben. Entscheidend ist, ob und inwieweit die Grundlage der gemeinsamen Nachlassplanung fortbesteht und welche Erklärungen oder Regelungen im Testament oder Erbvertrag hierzu getroffen wurden.
Häufig gestellte Fragen zum Schlusserben
Ist der Schlusserbe automatisch auch Nacherbe?
Nein. Schlusserbe bezeichnet im Regelfall die Person, die beim zweiten Todesfall erbt, während die Vor- und Nacherbfolge ein eigenes rechtliches Modell mit typischen Verfügungsbeschränkungen des Vorerben darstellt. Schlusserbe und Nacherbe sind daher unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen.
Welche Rechte hat der Schlusserbe zu Lebzeiten des länger lebenden Ehegatten?
Der Schlusserbe hat vor dem zweiten Erbfall regelmäßig keine Erbenrechte und keine umfassenden Auskunfts- oder Kontrollbefugnisse. Seine Stellung beruht auf der testamentarischen oder erbvertraglichen Einsetzung und der gegebenenfalls bestehenden Bindungswirkung wechselseitiger Verfügungen.
Kann der überlebende Ehegatte den Schlusserben noch ändern?
Nach dem ersten Todesfall ist eine Änderung häufig durch die Bindungswirkung wechselseitiger Verfügungen eingeschränkt. Ob und in welchem Umfang eine Änderung möglich ist, ergibt sich aus dem konkreten Testament oder Erbvertrag, insbesondere aus dort enthaltenen Änderungsklauseln.
Was passiert, wenn ein als Schlusserbe eingesetztes Kind vorversterbt?
Ohne besondere Regelung treten je nach Auslegung häufig die Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes an dessen Stelle. Viele Verfügungen enthalten ausdrücklich Ersatzschlusserben, um den Wegfall eines Schlusserben verbindlich zu regeln.
Muss der Schlusserbe Erbschaftsteuer zahlen?
Ja, soweit die maßgeblichen Freibeträge beim zweiten Erbfall überschritten werden. Die steuerliche Einordnung richtet sich nach dem Verhältnis zum Erblasser beim zweiten Erbfall und den zum Zeitpunkt des Erbfalls geltenden steuerlichen Maßstäben.
Kann der Schlusserbe das Erbe ausschlagen?
Ja. Der Schlusserbe kann nach dem zweiten Todesfall die Erbschaft annehmen oder ausschlagen. Die Ausschlagung wirkt auf den zweiten Erbfall bezogen und richtet sich nach den dafür vorgesehenen formalen Anforderungen und Fristen.
Welche Auswirkungen hat die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem ersten Todesfall?
Die Geltendmachung des Pflichtteils kann den Nachlass des länger lebenden Partners mindern und damit den späteren Umfang der Schlusserbschaft reduzieren. Zudem können Pflichtteilsstrafklauseln die Stellung beim zweiten Erbfall beeinflussen.
Besteht ein Auskunftsanspruch des Schlusserben vor dem zweiten Erbfall?
Allein aus der Einsetzung als Schlusserbe ergibt sich regelmäßig kein allgemeiner Anspruch auf umfassende Auskunft gegenüber dem länger lebenden Partner. Abweichungen können sich aus ausdrücklichen Vereinbarungen, besonderen Klauseln oder aus der Abwicklung des ersten Nachlasses ergeben.