Legal Lexikon

Schleppen


Schleppen im rechtlichen Kontext

Der Begriff Schleppen besitzt im deutschen Recht unterschiedliche Bedeutungen, abhängig von dem jeweiligen Rechtsgebiet und Anwendungsfall. Schleppen kann insbesondere im Straßenverkehr, im See- und Binnenschifffahrtsrecht sowie im Luftfahrtrecht eine Rolle spielen. Grundsätzlich beschreibt Schleppen das Ziehen eines Fahrzeugs, Schiffes oder Luftfahrzeuges durch ein anderes, wobei dies meist zur Fortbewegung eines nicht mehr fahrbereiten oder manövrierfähigen Transportmittels erfolgt. Die rechtlichen Regelungen zum Schleppen sind vielschichtig und in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verankert.


Definition und Abgrenzung zum Abschleppen

Begriffliche Eingrenzung

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird zwischen „Schleppen“ und „Abschleppen“ unterschieden. Beim Schleppen handelt es sich um das Ziehen eines Fahrzeugs mit Zustimmung des Halters oder Führers, typischerweise, um das Fahrzeug an einen sicheren Ort zu bringen oder in eine Werkstatt zu überführen. Das Abschleppen hingegen ist häufig eine behördlich veranlasste Maßnahme zum Entfernen eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs.

Abgrenzung im Straßenverkehrsrecht

Im Straßenverkehrsrecht ist das Schleppen insbesondere durch die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt. Es werden klare Kriterien definiert, wann ein Schleppen vorliegt und unter welchen Bedingungen dieses zulässig ist.


Rechtliche Vorschriften zum Schleppen von Kraftfahrzeugen

Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

Gemäß § 15a StVO ist das Schleppen eines gültig zugelassenen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ausnahmsweise erlaubt, unter folgenden besonderen Bedingungen:

  • Notfallmaßnahme: Schleppen ist ausschließlich gestattet, wenn das zu schleppende Fahrzeug aufgrund einer technischen Störung nicht mehr betriebsfähig ist, d.h. „liegengeblieben“ ist.
  • Zielort: Das geschleppte Fahrzeug darf lediglich bis zur nächsten geeigneten Stelle (meist Werkstatt oder gesicherter Abstellplatz) bewegt werden.
  • Verbindung: Die Verbindung zwischen den Fahrzeugen muss festen Halt gewährleisten, ein Abschleppseil oder eine Abschleppstange ist vorgeschrieben.
  • Fahrzeugführer: Beide Fahrzeuge müssen durch jeweils eigenständig fahrberechtigte Personen geführt werden, die im Besitz einer entsprechenden Fahrerlaubnis sind.

Zulässiges und unzulässiges Schleppen

Schleppen ist verboten, wenn das zu ziehende Fahrzeug nicht durch eine Panne fahruntüchtig ist (beispielsweise zum Zweck der Kraftstoffersparnis) oder wenn das Ziehen über eine längere Strecke oder mit nicht zugelassenen Mitteln erfolgt. Missachtung dieser Vorschriften kann ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Verkehrssicherheit und Versicherungsschutz

Während des Schleppvorgangs gelten erhöhte Sorgfaltspflichten. Beide Fahrer haften gemeinschaftlich für die Verkehrssicherheit des Schleppvorgangs. Die Haftung und der Versicherungsschutz richten sich nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und nach der Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 7 StVG).


Schleppen im Schifffahrtsrecht

See- und Binnenschifffahrtsrechtliche Regelungen

Im See- und Binnenschifffahrtsrecht versteht man unter Schleppen das Ziehen eines Wasserfahrzeugs (Schiff, Boot, Ponton) durch ein anderes. Hier gelten eigene Regelungen, etwa bezüglich der Sichtbarkeit, der Kennzeichnungspflichten des Schleppverbands und der Verantwortlichkeit des Schleppführers.

Vertragsrechtliche Besonderheiten

Das Schleppen im Bereich der Schifffahrt berührt unter anderem das Schifffahrtsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie das HGB (Handelsgesetzbuch). Hier kann ein eigenständiger Schleppvertrag vorliegen, mit speziellen Rechten und Pflichten beider Parteien, wie die Überlassung und ordnungsgemäße Rückgabe des geschleppten Fahrzeugs.

Haftung und Unfallregulierung

Die Haftung beim Schleppvorgang ist durch spezielle Vorschriften geregelt, beispielsweise hinsichtlich des Schadens an Dritten oder eigenen Gegenständen und zur Sicherung gegen Umweltgefahren, etwa bei Havarien.


Schleppen im Luftfahrtrecht

Im Luftfahrtrecht beschreibt das Schleppen das Ziehen eines Flugzeugs (zum Beispiel eines Segelflugzeugs) durch ein anderes (meist Motorflugzeug oder Seilwinde). Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich aus dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) sowie ergänzenden Verordnungen des Luftfahrt-Bundesamts.

Zulassung und Durchführung

Das durchführende Luftfahrzeug und dessen Führer müssen für das Schleppen zugelassen sein. Besondere Vorgaben bestehen hinsichtlich der Sichtzeichen, der Kommunikation zwischen den Flugzeugführern und der Sicherung der Schleppverbindung.


Haftungsrechtliche Aspekte des Schleppvorgangs

Haftungsverhältnisse und Schadensersatz

Beim Schleppen, sowohl auf der Straße als auch zu Wasser und in der Luft, können verschiedene Haftungsgrundlagen zum Tragen kommen. Grundsätzlich haftet der Halter des schleppenden und geschleppten Fahrzeugs für Schäden, die im Zusammenhang mit dem Schleppvorgang entstehen, sofern ein Verschulden oder eine Gefährdungshaftung vorliegt (§ 7, § 18 StVG, § 823 BGB).

Haftung gegenüber Dritten

Kommt es während eines Schleppvorgangs zu einem Unfall mit Beteiligung Dritter, greift in der Regel die Kfz-Haftpflichtversicherung, sofern der Schleppvorgang ordnungsgemäß und zweckgebunden erfolgte.


Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechtliche Aspekte

Bußgeldvorschriften

Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zum Schleppen können als Ordnungswidrigkeiten nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder der StVO mit Bußgeldern und Punkten im Fahreignungsregister geahndet werden. Hierzu zählen unzulässiges Abschleppen, unsachgemäße Sicherung des Schleppvorgangs oder das Führen von Fahrzeugen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis.

Strafrechtliche Bewertung

Kommt es infolge eines Schleppvorgangs zu einem Unfall mit Personenschaden oder erheblichem Fremdschaden, können strafrechtliche Vorschriften, beispielsweise fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) oder Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), zur Anwendung kommen.


Sonderregelungen und Ausnahmetatbestände

Schleppen von Anhängern und landwirtschaftlichen Fahrzeugen

Für das Ziehen von Anhängern oder das Schleppen im Rahmen landwirtschaftlicher oder betrieblicher Abläufe bestehen teilweise Ausnahmeregelungen, etwa bei der Zulassungspflicht oder der Verwendung von Kennzeichen.

Schleppen durch Abschleppunternehmen

Gewerblich tätige Unternehmen, die sich auf das Bergen und Schleppen von Fahrzeugen spezialisiert haben, unterliegen besonderen gewerberechtlichen Vorschriften, etwa im Hinblick auf Zulassung, Versicherung und Abrechnung.


Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
  • Straßenverkehrsgesetz (StVG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
  • See- und Binnenschifffahrtsgesetze

Zusammenfassung

Das Schleppen eines Fahrzeugs, Schiffs oder Luftfahrzeugs unterliegt in Deutschland detaillierten gesetzlichen Vorschriften, die die Sicherheit des Verkehrs, klare Haftungsverhältnisse sowie die Rechte und Pflichten aller Beteiligten gewährleisten. Die Missachtung dieser Vorgaben kann zu zivilrechtlichen, ordnungsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist daher von wesentlicher Bedeutung, um rechtliche Risiken zu minimieren.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum abzuschleppen?

Im öffentlichen Verkehrsraum ist das Abschleppen eines Fahrzeugs grundsätzlich nur durch dazu berechtigte Personen gestattet. Berechtigt sind in erster Linie die Ordnungsbehörden wie Polizei, Ordnungsamt oder Verkehrsüberwachungsdienste, wenn ein verkehrswidrig abgestelltes Fahrzeug eine Gefahr oder erhebliche Behinderung darstellt oder eine sonstige Rechtsgrundlage vorliegt. Daneben kann auch der Fahrzeugeigentümer oder Halter ein Abschleppunternehmen beauftragen, wenn ein fremdes Fahrzeug unbefugt auf privat genutztem Gelände abgestellt ist. Rechtsgrundlage hierfür ist meist das Eigentumsrecht (BGB §903) in Verbindung mit Selbsthilferechten aus §859 Abs. 3 BGB. Privatpersonen dürfen grundsätzlich keine Fahrzeuge anderer abschleppen, es sei denn, Notstand oder Notwehr liegen vor. Das „Abschleppen“ im Sinne von Fahrzeugbergung oder Hilfeleistung ist hingegen auch Privaten gestattet, sofern eine ausdrückliche Erlaubnis des Fahrzeughalters vorliegt oder Gefahr im Verzug ist.

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Fahrzeug zwangsweise abgeschleppt werden?

Ein Fahrzeug darf zwangsweise abgeschleppt werden, wenn es gegen geltende Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) oder anderer einschlägiger Gesetze verstößt und dadurch eine konkrete Gefahr oder erhebliche Behinderung für den Verkehr, Rettungswege, Zufahrten oder andere Rechtsgüter besteht. Voraussetzung ist eine Anordnung der zuständigen Behörde (z. B. der Polizei). Das Abschleppen ist als Maßnahme des Verwaltungszwangs zulässig (§§ 11 und 12 VwVfG sowie in Landesverwaltungsgesetzen geregelt). Ein Abschleppen ist in der Regel verhältnismäßig, wenn mildere Mittel wie Umsetzen oder Benachrichtigung des Halters fehlschlagen. Eine vorherige Androhung ist je nach Sachlage erforderlich, kann aber im Eilfall entfallen. Bei Abschleppmaßnahmen auf Privatgelände ist nach BGH-Rechtsprechung zunächst eine Ermittlung des Falschparkers zu versuchen, bevor abgeschleppt wird.

Wer trägt die Kosten für das Abschleppen eines Fahrzeugs?

Die Kosten für das Abschleppen trägt grundsätzlich der Verursacher, also derjenige, der das Fahrzeug verkehrswidrig oder unbefugt abgestellt hat. Die Rechtsgrundlage hierfür bildet das Verursacherprinzip nach § 25a StVG und § 15 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG). Auch auf Privatgrundstücken dürfen die Abschleppkosten auf den Falschparker abgewälzt werden, sofern das Abschleppen verhältnismäßig war und keine überhöhten Gebühren verlangt werden (vgl. BGH, Urteil v. 05.06.2009, V ZR 144/08). Der Berechtigte-meist das Abschleppunternehmen oder der Grundstückseigentümer-darf die Herausgabe des Fahrzeugs von der Zahlung der entstandenen Kosten („Zurückbehaltungsrecht“, § 273 BGB) abhängig machen. Eine Ausnahme bilden unverschuldete Notsituationen oder Irrtumstatbestände, in denen eine Übernahme der Abschleppkosten durch den Halter nicht geboten ist.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten beim Abschleppen auf Privatgrundstücken?

Beim Abschleppen von Fremdfahrzeugen auf Privatgrundstücken müssen Grundstückseigentümer besonders auf die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit achten. Vor dem Abschleppen hat der Grundstücksinhaber nachweisbar zu versuchen, den Halter des Fahrzeugs zu ermitteln und zu kontaktieren, sofern dies zumutbar ist. Die Kosten für das Abschleppen dürfen ausschließlich die tatsächlichen Aufwendungen wiederspiegeln und müssen ortsüblich sein (keine „Abschlepp-Abzocke“). Der Abschleppvorgang selbst sollte sachgemäß, ohne Beschädigung und unter Beachtung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten durchgeführt werden. Rechtsgrundlage für das Vorgehen ist das Selbsthilferecht nach § 859 Abs. 3 BGB in Verbindung mit §§ 903, 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch). Kommt es zu Streitigkeiten, liegt die Beweislast für die Berechtigung des Abschleppens und die Höhe der Kosten beim Grundstückseigentümer.

Gibt es Fristen, die nach einer Abschleppmaßnahme beachtet werden müssen?

Nach einer Abschleppmaßnahme ist die zuständige Behörde bzw. das beauftragte Abschleppunternehmen verpflichtet, das Verfahren sowie die Aufbewahrung des Fahrzeugs ordnungsgemäß zu dokumentieren. Der Halter hat einen Anspruch auf zeitnahe Benachrichtigung über den Verbleib seines Fahrzeugs (Mitteilungspflicht aus Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG sowie aus Verwaltungsgesetzen). Je nach Landesrecht können Fristen gelten, um einen abgeschleppten Wagen auszulösen-üblicherweise binnen weniger Tage. Wird das Fahrzeug nicht abgeholt, kann nach Ablauf angemessener Frist und erfolgloser Aufforderung eine Verwertung (Versteigerung oder Verschrottung) nach den Regelungen des Fundrechts (§§ 965 ff. BGB) bzw. des Polizeigesetzes erfolgen. Kosten für Standgebühren können dem Halter auferlegt werden.

Darf ein abgeschlepptes Fahrzeug ohne weiteres durchsucht werden?

Eine Durchsuchung des abgeschleppten Fahrzeugs ist grundsätzlich nur mit einer entsprechenden Rechtsgrundlage zulässig. Behörden dürfen ein Fahrzeug durchsuchen, wenn Gefahr im Verzug besteht, um Eigentümerdaten zur Kontaktaufnahme zu ermitteln, oder wenn ein Verdacht auf Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorliegt. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich im Polizeigesetz der Länder, § 94 ff. StPO (Strafprozessordnung) und ggf. spezialgesetzlichen Regelungen. Einfache Durchsuchungen durch das Abschleppunternehmen oder den Auftraggeber sind nicht zulässig, außer zur Sicherung fundierter Informationen über den Halter (z. B. Suche nach Fahrzeugpapieren zur Benachrichtigung). Eine systematische Durchsuchung ohne konkreten Anlass stellt eine Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG dar.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei unberechtigtem Abschleppen eines Fahrzeugs?

Wer ohne gerechte Grundlage oder in unverhältnismäßiger Weise ein Fahrzeug abschleppt, macht sich schadensersatzpflichtig (§ 823, § 249 BGB) und kann sich zudem strafrechtlich wegen unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248b StGB) sowie wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) verantworten müssen. Betroffene haben einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs sowie Ersatz entstandener Kosten und möglicher Schäden am Fahrzeug. Im Fall von Streitigkeiten über die Berechtigung der Maßnahme oder die Höhe der Abschleppkosten sind zivilrechtliche Klagen möglich; Gerichte prüfen dabei insbesondere das Vorliegen legitimer Abschleppgründe, das Einhalten der Verhältnismäßigkeit und die sachgerechte Durchführung der Maßnahme.