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Schiffsbesatzung


Begriffsbestimmung der Schiffsbesatzung

Die Schiffsbesatzung bezeichnet im rechtlichen Kontext die Gesamtheit der an Bord eines Seeschiffs oder Binnenschiffs beschäftigten Personen, die für den sicheren Betrieb, die Navigation, Wartung sowie die Wahrung der Ordnung und Sicherheit an Bord verantwortlich sind. Die genaue Zusammensetzung, Aufgabenverteilung und arbeitsrechtliche Stellung der Schiffsbesatzung werden durch internationale Übereinkommen, nationale Gesetze und Verordnungen sowie durch arbeitsvertragliche Regelungen bestimmt.


Rechtliche Grundlagen der Schiffsbesatzung

Internationale Regelungen

Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO)

Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) als Sonderorganisation der Vereinten Nationen gibt maßgebliche Standards für die Besatzung von Schiffen vor. Besonders hervorzuheben sind das Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungsnachweisen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen) sowie das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS).

Übereinkommen über Seearbeitsnormen (MLC)

Das Maritime Labour Convention (MLC 2006) setzt rechtsverbindliche Mindeststandards für Sicherheit, Unterkunft, Beschäftigung, Arbeits- und Ruhezeiten sowie soziale Absicherung der Schiffsbesatzungen fest.

Nationale Regelungen

Deutschland

Handelsgesetzbuch (HGB)

Das HGB, insbesondere § 484 ff., enthält grundlegende Bestimmungen zum Rechtsverhältnis zwischen dem Reeder und der Schiffsbesatzung, insbesondere über Pflichten, Rechte und die Haftung der Mannschaftsmitglieder.

Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Das Seearbeitsgesetz regelt Arbeitsverträge, Beschäftigungsbedingungen, Arbeitszeiten, Erholungszeiten, Urlaubsregelungen und sonstige arbeitsrechtliche Aspekte für Seeleute auf deutschen Schiffen.

Schiffspersonalverordnung (SchiffspV)

Die Schiffspersonalverordnung schreibt vor, welche Qualifikationen und Befähigungsnachweise Mitglieder der Besatzung für verschiedene Aufgabenbereiche besitzen müssen.

Europäische Union

Die EU erlässt Richtlinien zur Arbeitszeitgestaltung, Mindeststandards für Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie zur gegenseitigen Anerkennung von Zertifikaten innerhalb der Mitgliedsstaaten.


Zusammensetzung der Schiffsbesatzung

Musterrolle und Mindestbesatzung

Die Musterrolle ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Dokument, das die Zusammenstellung und qualifikatorische Mindestanforderungen der Besatzung für ein bestimmtes Schiff festlegt. Die zuständigen Behörden, etwa das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), prüfen und genehmigen die Musterrolle unter Berücksichtigung der Schiffsklasse, der gefahrenen Strecken und der technischen Ausrüstung.

Hierarchische Gliederung

Schiffsführung

Kapitän (Schiffskapitän, Schiffsführer): Der Kapitän trägt die Gesamtverantwortung für das Schiff, die Besatzung und die Ladung.
Offiziere (z. B. Nautischer, Technischer Offizier): Sie unterstützen den Kapitän und führen spezifische Aufgaben in Navigation, Maschinenführung und Technik aus.

Weitere Besatzungsmitglieder

Deck- und Maschinenpersonal: Einschließlich Matrosen, Bootsmänner, Maschinisten, Heizer, Elektriker und weiteres technisches Personal.
Bordservice und Versorgung: Köche, Stewardessen sowie medizinisches Personal (bei größeren Einheiten).


Rechtsstellung und Pflichten der Schiffsbesatzung

Arbeitsrechtlicher Status

Mitglieder der Schiffsbesatzung stehen in einem Arbeitsverhältnis zum Reeder oder zum Betreiber des Schiffes. Die übrigen arbeitsrechtlichen Regelungen (Arbeitsvertrag, Vergütung, Kündigung etc.) richten sich nach dem Seearbeitsrecht, international geltenden Abkommen und dem jeweiligen nationalen Recht.

Besondere Pflichten

Gehorsamspflicht: Die Besatzungsmitglieder sind zur Befolgung der Schiffsbefehle des Kapitäns verpflichtet.
Pflicht zur Erhaltung der Fahrtüchtigkeit: Jede Person an Bord hat zur Sicherstellung der Seetüchtigkeit und Betriebssicherheit ihren Anteil entsprechend der jeweiligen Funktion zu leisten.
* Verhalten in Notfällen: Besatzungsmitglieder unterliegen der Pflicht zur Mitwirkung bei Gefahrenabwehr und Notfallmaßnahmen.

Haftung

Für Schäden, die durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichterfüllung oder Pflichtverletzung entstehen, kann ein Besatzungsmitglied haftbar gemacht werden. Die Haftungsgrenzen können je nach Funktion und Schwere der Verfehlung variieren.


Sozial- und Fürsorgepflichten für die Schiffsbesatzung

Arbeitszeit- und Ruhezeiten

Nach den Vorschriften des Seearbeitsrechts sind Arbeits- und Ruhezeiten festgelegt, die die maritime Tätigkeit reglementieren und die Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit der Besatzung schützen sollen. Das MLC und nationale Gesetze geben Mindeststandards für maximale Arbeits- und Mindestruhezeiten vor.

Unterbringung und Versorgung

Die Schiffsbesatzung hat Anspruch auf angemessene Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung und Zugang zu Erholungsräumen entsprechend internationaler und nationaler Vorgaben.

Versicherungsschutz

Für Seeleute muss eine Kranken-, Unfall- sowie Rentenversicherung bestehen; entsprechende Pflichten treffen den Schiffsbetreiber. Im Fall von Arbeitsunfällen und bei Krankheit sieht das Seearbeitsrecht besonders ausgestaltete Schutzmechanismen vor.


Beendigung des Dienstverhältnisses

Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kann regelmäßig durch Zeitablauf, Rückkehr zum Heimathafen oder außerordentliche Umstände (Krankheit, Havarie, Tod) erfolgen. Die Abwicklung erfolgt entsprechend den Vorschriften des HGB und des SeeArbG.


Zusammenfassende Bewertung

Die Schiffsbesatzung ist ein rechtlich klar umrissener Begriff mit weitreichender Bedeutung für die Sicherheit und den geordneten Betrieb von Seeschiffen und Binnenschiffen. Die rechtlichen Vorschriften dienen dem Schutz der Crew, der Durchsetzung von Mindeststandards sowie der Sicherstellung eines reibungslos funktionierenden Schiffs- und Schiffsführungsbetriebs. Internationale Übereinkommen, nationale Gesetze und ergänzende Verordnungen bilden hierbei ein engmaschiges Regelwerk für alle Facetten der Schiffsbesatzung.

Häufig gestellte Fragen

Welche arbeitsrechtlichen Vorschriften gelten für Mitglieder der Schiffsbesatzung?

Die arbeitsrechtlichen Vorschriften für Mitglieder der Schiffsbesatzung sind sowohl durch internationale Übereinkommen, wie das Maritime Labour Convention (MLC) sowie durch nationale Gesetze geregelt. In Deutschland setzt zum Beispiel das Seearbeitsgesetz (SeeArbG) die europäischen und internationalen Vorgaben um. Zentrale Regelungsbereiche betreffen Arbeits- und Ruhezeiten, Entlohnung, Arbeitsschutz, Fürsorgepflichten des Reeders und besondere Anforderungen hinsichtlich der Unterbringung, Verpflegung und medizinischen Versorgung an Bord. Arbeitsverhältnisse müssen grundsätzlich schriftlich fixiert und dem Besatzungsmitglied ausgehändigt werden. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt Behörden wie der Berufsgenossenschaft Verkehr oder Flaggenstaaten-Vertretungen im Ausland. Darüber hinaus haben Seeleute besonderen Kündigungsschutz, und bestimmte Vertragsklauseln bedürfen ergänzender Zustimmung oder Prüfung, etwa bei befristetem Einsatz oder Ausstiegsmöglichkeiten in ausländischen Häfen. Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften können zu empfindlichen Bußgeldern und zur Untersagung des weiteren Betriebs des Schiffes führen.

Wie ist die Haftung eines Besatzungsmitglieds bei einem Schiffsunfall geregelt?

Die Haftung von Besatzungsmitgliedern bei einem Schiffsunfall ist differenziert zu betrachten. Grundsätzlich haften sie im Rahmen der arbeitsvertraglichen Pflichten nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Für einfache Fahrlässigkeit besteht in der Regel keine persönliche Haftung, vielmehr haftet der Reeder als Arbeitgeber. Sollten allerdings das Verhalten oder Unterlassen eines Besatzungsmitglieds direkt zu Schäden an Personen, Fracht oder Umwelt führen, greifen zusätzliche Regelungen aus dem Seehandelsrecht und dem internationalen Haftungsregime (z.B. Londoner Haftungsübereinkommen). In gravierenden Fällen, etwa bei vorsätzlichem Fehlverhalten, grober Verletzung internationaler Sicherheitsstandards oder Fahrlässigkeit, kann eine direkte und persönliche Haftung – auch strafrechtlich – entstehen. Außerdem können etwaige Ansprüche gegen Besatzungsmitglieder durch Lohnrückbehalt oder Regress eingefordert werden, wobei der Schutz des Seearbeitsrechts eine überspannte Inanspruchnahme verhindern soll.

Welche besonderen Schutzvorschriften gelten für minderjährige Mitglieder der Schiffsbesatzung?

Für minderjährige Mitglieder der Schiffsbesatzung gelten neben den allgemeinen Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) zusätzliche Sondervorschriften nach dem Seearbeitsgesetz. Demnach dürfen Jugendliche nur unter bestimmten Voraussetzungen an Bord beschäftigt werden: Sie müssen voll arbeitsfähig sein, und bestimmte gefährliche oder psychisch belastende Arbeiten sind untersagt. Hinsichtlich der Arbeitszeiten gelten strengere Vorgaben (z.B. keine Nacht- oder Sonntagsarbeit, ausgenommen unter besonderen, durch das Gesetz geregelten, Umständen). Der Reeder ist verpflichtet, eine regelmäßige medizinische Überwachung und speziell angepasste Ruhe- und Erholungspausen sicherzustellen. Zudem ist der Nachweis über das Alter und ein aktueller Gesundheitszustand vor Antritt des Dienstes erforderlich. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird durch Bergungs- und Aufsichtsbehörden kontrolliert und Verstöße werden mit Bußgeldern geahndet.

Welche internationalen Übereinkommen beeinflussen die Rechtsstellung von Schiffsbesatzungen?

Die Rechtsstellung der Schiffsbesatzung wird maßgeblich durch verschiedene internationale Übereinkommen geprägt. Am wichtigsten ist das Maritime Labour Convention (MLC) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das Mindeststandards für Arbeits- und Lebensbedingungen bindend festlegt. Daneben sind das Internationale Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen), die anwendbaren Vorschriften des Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) und der Internationale Code of Safety for Ships (ISM Code) relevant. Auf den Schutz vor Diskriminierung, den Zugang zur Rechtsdurchsetzung, soziale Sicherheit, Ausgleich von Arbeits- und Unfallrisiken und medizinische Versorgung beziehen sich ebenfalls völkerrechtliche Verträge. Durch die Ratifizierung werden diese Normen in nationales Recht umgesetzt und sind für Reeder und Besatzung verbindlich.

Was ist bei der Anheuerung (Einstellung) von Schiffsbesatzungsmitgliedern aus Drittstaaten rechtlich zu beachten?

Die Anheuerung von Besatzungsmitgliedern aus Staaten außerhalb der Europäischen Union unterliegt besonderen rechtlichen Anforderungen. Hierzu zählen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, Visa- und Arbeitserlaubnispflichten sowie sozialversicherungsrechtliche Aspekte. Schiffsbetreiber müssen insbesondere sicherstellen, dass für die Dauer des Aufenthalts an Bord alle arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erfüllt sind, was die Vorlage geeigneter Arbeitsverträge, Versicherungsnachweise und medizinischer Atteste einschließt. Zusätzlich greifen Kontrollmechanismen auf Grundlage der sogenannten „Flagge des Schiffes“, d.h. jedoch, dass das Recht des Flaggenstaates zu beachten ist, das auch Vorgaben zur Beschäftigung ausländischer Seeleute macht. Die Einhaltung der Regeln wird behördlich überwacht; bei Verstößen drohen empfindliche Sanktionen bis hin zur Festsetzung von Schiff und Besatzung.

Welche rechtlichen Vorschriften gelten bezüglich der Arbeitszeit und Ruhezeiten auf Schiffen?

Für Schiffsbesatzungen greifen spezifische rechtliche Regelungen zu Arbeits- und Ruhezeiten, insbesondere festgelegt im MLC sowie durch das Seearbeitsgesetz. Demnach darf die Höchstarbeitszeit 14 Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum und 72 Stunden pro Siebentagezeitraum nicht überschreiten. Die Mindestruhezeit beträgt 10 Stunden innerhalb der 24-Stunden-Periode sowie mindestens 77 Stunden in jedem Zeitraum von sieben Tagen. Die Ruhezeiten dürfen nur in bestimmten Notsituationen unterbrochen werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein Arbeitszeitregister für jedes Besatzungsmitglied zu führen, das regelmäßig durch Aufsichtsbehörden – beispielsweise im Rahmen einer Hafenstaatkontrolle – überprüft wird. Verstöße gegen diese Vorschriften haben nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch sicherheitsrechtliche Konsequenzen für den Betrieb des Schiffes.

Wie sind Streitigkeiten zwischen Besatzungsmitglied und Reeder rechtlich zu klären?

Rechtsstreitigkeiten zwischen Besatzungsmitgliedern und Reedern werden in der Regel nach dem anzuwendenden nationalen Recht am Heimathafen oder nach den Vorgaben des Flaggenstaates entschieden. In Deutschland sind die Arbeitsgerichte zuständig, bei internationalen Besatzungen jedoch können auch Schiedsgerichtsklauseln greifen, wie sie in vielen Anstellungsverträgen enthalten sind. Insbesondere bei Problemen mit Entlohnung, Entlassung, Arbeitsbedingungen oder Schadensersatzansprüchen stehen auch die internationalen Regelwerke des MLC zur Verfügung. Für dringende Fälle gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, über Gewerkschaften und internationale Seeleuteverbände Unterstützung zu erhalten. Nicht selten werden internationale Streitigkeiten unter Beteiligung konsularischer Vertretungen ausgetragen, die Vermittlungsdienste anbieten. Gerichtliche Verfahren werden nach den Zivilprozessordnungen des zuständigen Gerichts abgewickelt; schnelle vorläufige Rechtsschutzmaßnahmen sind in besonderen Notlagen möglich.

Welche Rolle spielt die sogenannte Flaggenstaatkontrolle im rechtlichen Kontext der Schiffsbesatzung?

Die Flaggenstaatkontrolle ist ein zentrales rechtliches Instrument zur Durchsetzung der gesetzlichen und völkerrechtlichen Vorschriften an Bord eines Handelsschiffes. Der Flaggenstaat – also das Land, unter dessen Flagge das Schiff fährt – ist verpflichtet, regelmäßig die Einhaltung aller relevanten arbeits-, sozial- und sicherheitsrechtlichen Bestimmungen durch Kontrollen zu überprüfen. Hierzu zählen auch Arbeitsbedingungen der Besatzung, Einhaltung von Ruhezeiten, Zustand der Unterkünfte, Entlohnung und soziale Absicherung. Schiffe, die gegen diese Regeln verstoßen, können aus dem Verkehr gezogen, mit Bußgeldern belegt oder im Extremfall zwangsverkauft werden. Die Flaggenstaatskontrolle wird regelmäßig mit ergänzenden Hafenstaatkontrollen (Port State Control) kombiniert, die von den Behörden des Hafenlandes durchgeführt werden. Dadurch wird eine lückenlose Überwachung über den gesamten Lebenszyklus eines Schiffes gewährleistet.