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Schiedsrichtervertrag


Schiedsrichtervertrag

Der Schiedsrichtervertrag ist eine spezielle Vertragsform im deutschen Zivilrecht, die das Rechtsverhältnis zwischen einem Schiedsrichter und den Konfliktparteien eines Schiedsverfahrens regelt. Dieser Vertrag ist von zentraler Bedeutung für die Durchführung privater Streitbeilegungsverfahren außerhalb staatlicher Gerichte, insbesondere im Rahmen von Schiedsgerichtsverfahren. Im Folgenden werden Struktur, rechtliche Einordnung, Zustandekommen, Inhalte sowie die Pflichten und Rechte der Beteiligten umfassend erläutert.


Rechtliche Einordnung des Schiedsrichtervertrags

Begriff und Abgrenzung

Ein Schiedsrichtervertrag bildet die persönliche und inhaltliche Grundlage dafür, dass eine natürliche Person als Schiedsrichter in einem konkreten Schiedsverfahren tätig wird. Dabei stellt der Schiedsrichtervertrag eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Schiedsrichter und den Parteien des Schiedsverfahrens dar. Zu unterscheiden ist der Schiedsrichtervertrag von der Schiedsvereinbarung: Die Schiedsvereinbarung verpflichtet die Parteien, ihre Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterwerfen, während sich der Schiedsrichtervertrag unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und dem Schiedsrichter bezieht.

Rechtsnatur des Schiedsrichtervertrags

Nach herrschender Auffassung handelt es sich beim Schiedsrichtervertrag meist um einen Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB, da der Schiedsrichter eine geistige, weisungsfreie Dienstleistung als unabhängiges und neutrales Organ erbringt – die Entscheidungsfindung im Schiedsverfahren. Teilweise werden auch werkvertragliche Elemente oder eine eigenständige Vertragsart diskutiert, jedoch unterliegt der Schiedsrichtervertrag grundsätzlich den Vorschriften des Dienstvertragsrechts.


Zustandekommen des Schiedsrichtervertrags

Abschluss

Der Schiedsrichtervertrag entsteht regelmäßig durch Annahme des benannten Schiedsrichters gegenüber den Parteien oder einer Schiedsinstitution. Die bloße Ernennung genügt nicht; der Schiedsrichter muss die Ernennung ausdrücklich oder konkludent akzeptieren. Der Vertrag kann formlos geschlossen werden, in der Praxis sind jedoch schriftliche Vereinbarungen üblich, insbesondere bei institutionalisierten Schiedsverfahren.

Besonderheiten im Mehrpersonenverhältnis

In Verfahren mit mehreren Schiedsrichtern (z. B. Dreierschiedsgericht) kommt der Schiedsrichtervertrag zwischen jedem einzelnen Schiedsrichter und den Parteien zustande („mehrgliedriger Vertrag“). Das Verhältnis zwischen den Schiedsrichtern untereinander (internes Verhältnis) wird ergänzend durch Geschäftsordnungen oder Verfahrensregeln bestimmt.


Inhalt des Schiedsrichtervertrags

Hauptpflichten

  • Tätigkeitspflicht: Der Schiedsrichter ist verpflichtet, das Verfahren unparteiisch, unabhängig und mit der gebotenen Sorgfalt zu führen sowie eine Entscheidung zu treffen (Schiedsspruch).
  • Verfahrensordnung: Grundlage ist häufig die vereinbarte oder satzungsmäßige Schiedsordnung (etwa der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)) oder eine individuell vereinbarte Verfahrensordnung.
  • Verschwiegenheitsverpflichtung: Schiedsrichter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, sowohl hinsichtlich der Verfahrensinhalte als auch bezüglich sonstiger vertraulicher Informationen.

Nebenpflichten

  • Unvereinbarkeits- und Ablehnungspflicht: Schiedsrichter müssen jegliche Umstände, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit begründen könnten, offenlegen; bei Vorliegen konkreter Befangenheitsgründe sind sie verpflichtet, das Amt niederzulegen.
  • Dokumentationspflicht: Sorgfältige Dokumentation und Aktenführung über den Verfahrensablauf und die relevanten Entscheidungen.

Vergütung und Auslagen

Die Vergütung des Schiedsrichters, einschließlich Auslagenersatz, ist regelmäßig Bestandteil des Vertrags. Die Parteien haften für die Vergütung gesamtschuldnerisch, sofern verschuldensunabhängig keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde. Die Höhe bemisst sich nach Parteivereinbarung, Schiedsordnung oder einer Schiedsrichtervergütungstabelle. Ohne ausdrückliche Vereinbarung gilt die übliche Vergütung als vereinbart (§ 612 BGB).


Rechte und Pflichten der Beteiligten

Rechte und Pflichten der Parteien

  • Recht auf ordnungsgemäßes Verfahren: Die Parteien haben Anspruch auf ein ordnungsgemäßes, neutrales und rechtliches Verfahren sowie auf Entscheidung durch ausgebildete und unabhängige Schiedsrichter.
  • Pflicht zur Mitwirkung: Den Parteien obliegt die Pflicht zur Mitwirkung im Verfahren, etwa zur Benennung von Beweismitteln und Zahlung der Vergütung.

Rechte und Pflichten des Schiedsrichters

  • Recht auf Vergütung: Der Schiedsrichter kann für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung sowie Ersatz notwendiger Auslagen verlangen.
  • Rücktritts- und Niederlegungsrecht: Der Schiedsrichter kann das Amt aus wichtigem Grund, beispielsweise bei Interessenkonflikten oder nachhaltiger Vereitelung der Tätigkeit durch die Parteien, niederlegen. Ein grundloser Rücktritt kann zu Schadensersatzpflichten führen.
  • Haftung: Die Haftung des Schiedsrichters ist regelmäßig auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Für den Schiedsspruch gelten die staatlichen Rechtsschutzmechanismen, etwa die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Verfahrensfehlern.

Beendigung des Schiedsrichtervertrags

Vertragliche und gesetzliche Beendigungstatbestände

  • Reguläre Beendigung: Mit Verkündung des Schiedsspruchs endet der Schiedsrichtervertrag grundsätzlich automatisch, es sei denn, Folgeaufgaben (z. B. Berichtigung oder Auslegung des Schiedsspruchs) sind vertraglich vereinbart.
  • Außerordentliche Beendigung: Der Vertrag kann aus wichtigem Grund von jeder Partei oder dem Schiedsrichter fristlos gekündigt werden, etwa bei Interessenkonflikten, andauernder Verfahrensverhinderung oder Krankheit des Schiedsrichters.
  • Tod oder dauernde Verhinderung: Bei Tod oder dauerhafter Verhinderung des Schiedsrichters endet der Vertrag von selbst.

Folgen der Beendigung

  • Erfüllung offener Pflichten: Ausstehende Vergütungs- oder Dokumentationspflichten bestehen ggf. fort.
  • Neuer Schiedsrichter: Die Parteien bzw. das zuständige Schiedsgericht bestimmen nach Beendigung einen Ersatzschiedsrichter nach den Regelungen der Schiedsordnung oder gemäß §§ 1034, 1035 ZPO.

Gesetzliche Grundlagen des Schiedsrichtervertrags

Die gesetzlichen Regelungen zum Schiedsrichtervertrag sind nicht kodifiziert, sondern ergeben sich aus verschiedenen Vorschriften:

  • Dienstvertragsrecht: §§ 611 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
  • Schiedsverfahrensrecht: §§ 1025 ff. ZPO (Zivilprozessordnung)
  • Institutionelle Regelungen: Geschäftsordnungen und Regelwerke diverser Schiedsinstitutionen (z. B. DIS, ICC, etc.)
  • Allgemeine Grundsätze: BGB, insbesondere §§ 125, 134, 138 betreffend Form, Gesetzeskonformität und Sittenwidrigkeit von Verträgen.

Besonderheiten und Abgrenzungsfragen

Unterschied zum Mediatorvertrag

Der Schiedsrichtervertrag regelt die Rechtspflichten bei verbindlicher Streitentscheidung, während der Mediatorvertrag die Vermittlung einer einvernehmlichen Lösung zum Gegenstand hat. Der Schiedsrichter ist zur Entscheidung berechtigt, der Mediator hingegen nicht.

Anwendung im nationalen und internationalen Kontext

Im internationalen Schiedsverfahren richten sich die Rechte und Pflichten der Schiedsrichter neben nationalem Recht häufig nach institutionellen oder internationalen Regelwerken wie der UNCITRAL-Schiedsordnung oder den ICC Rules. Die Grundprinzipien des Schiedsrichtervertrags gelten dabei sinngemäß.


Zusammenfassung

Der Schiedsrichtervertrag stellt das rechtliche Fundament für die Tätigkeit von Schiedsrichtern in zivilrechtlichen Streitigkeiten dar und regelt die Anforderungen an Unabhängigkeit, Verfahrensführung, Vergütung sowie Rechte und Pflichten aller Beteiligten. Die Besonderheiten dieses Vertrages resultieren aus der besonderen Funktion des Schiedsrichters als privater Entscheidungsträger und dem Spannungsfeld zwischen Dienstleistungsvertrag und unabhängiger Entscheidungsbefugnis. Die rechtlichen Grundlagen setzen sich aus Dienstvertragsrecht, Schiedsverfahrensrecht und den jeweiligen Verfahrensordnungen der Schiedsinstitutionen zusammen. Die umfassende Beachtung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben ist für ein rechtsstaatliches und faires Schiedsverfahren unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird ein Schiedsrichtervertrag rechtlich eingeordnet?

Ein Schiedsrichtervertrag wird rechtlich weder als reiner Arbeitsvertrag noch als typischer Dienstleistungsvertrag gewertet. Juristisch handelt es sich meist um einen sogenannten „atypischen Dienstvertrag“. Das bedeutet, der Schiedsrichter verpflichtet sich gegenüber einem Verband oder Veranstalter, eine sportliche Leitung oder Aufsichtstätigkeit auszuüben, ohne sich in eine persönliche Abhängigkeit zu begeben, wie sie für das Arbeitsverhältnis charakteristisch ist. Entscheidendes Merkmal ist, dass keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers erfolgt, sondern der Schiedsrichter im Wesentlichen eigenverantwortlich und nach sportrechtlichen Vorschriften handelt. Dennoch bestehen vertragliche Rechte und Pflichten, etwa die ordnungsgemäße Spielleitung, Neutralitätspflicht oder auch Geheimhaltungspflichten hinsichtlich vertraulicher Informationen.

Welche Pflichten ergeben sich für den Schiedsrichter aus dem Vertrag?

Durch den Schiedsrichtervertrag verpflichtet sich der Schiedsrichter, ein Spiel unparteiisch, sachlich und nach den geltenden Regelwerken zu leiten. Er muss die jeweils einschlägigen Sportregeln sowie die Vorgaben der ausschreibenden Organisationen beachten. Weiterhin fallen Sorgfalts- und Treuepflichten an, etwa das Sicherstellen des eigenen körperlichen und geistigen Zustands zur ordnungsgemäßen Spielleitung, die Einhaltung von Fristen zur Anreise, aber auch Pflichten im Umgang mit Spielern und Offiziellen. Zudem sind Nebentätigkeiten anzeigepflichtig, sofern sie zu einem Interessenkonflikt führen könnten. Auch für die ordnungsgemäße Dokumentation des Spielverlaufs (z.B. Spielbericht) ist der Schiedsrichter verantwortlich.

Welche Rechte stehen dem Schiedsrichter zu?

Auf Grundlage des Schiedsrichtervertrags kann der Schiedsrichter insbesondere die vereinbarte Vergütung sowie den Ersatz von Auslagen und Aufwendungen (etwa Reisekosten, Verpflegungsmehraufwand) verlangen. Diese Ansprüche richten sich regelmäßig gegen den Veranstalter, Verband oder die zuweisende Institution. Neben der Vergütungsschutz besteht ein Anspruch auf Unterstützung und Schutz durch den Veranstalter, etwa bei Streitigkeiten, Disziplinarverfahren oder drohenden Repressalien durch Dritte (z.B. Zuschauer, beteiligte Vereine). Rechtlich relevant ist ebenfalls der Anspruch auf rechtliches Gehör im Falle von Beschwerden oder sportgerichtlichen Verfahren.

Welche Haftungsfragen sind bei Schiedsrichterverträgen zu beachten?

Der Schiedsrichter haftet grundsätzlich nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit. Fehlerhafte Entscheidungen, die im Rahmen der normalen Spielleitung getroffen werden, lösen in der Regel keine zivilrechtliche Haftung aus, da sie Teil des sportlichen Risikos sind und nach den sportrechtlichen Grundsätzen behandelt werden. Eine abweichende Haftung kann sich jedoch ergeben, wenn ein Schiedsrichter offenkundig gegen Vorschriften oder Sicherheitsvorgaben verstößt und dadurch ein Schaden eintritt. Verletzungen der Sportler infolge unterlassener Spielfeldkontrolle oder Nicht-Einhaltung medizinischer Mindeststandards können im Einzelfall eine Haftung begründen. Es empfiehlt sich die Überprüfung vorhandener Versicherungen, da viele Verbände entsprechende Haftpflichtversicherungen für ihre Schiedsrichter abgeschlossen haben.

Kann ein Schiedsrichtervertrag jederzeit gekündigt werden?

Der Schiedsrichtervertrag ist in der Regel auf die Leitung eines oder mehrerer konkreter Spiele oder Veranstaltungen befristet und endet automatisch mit Abschluss des jeweiligen Spiels oder Turniers. Eine ordentliche Kündigung während einer laufenden Veranstaltung ist rechtlich nur in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise bei schwerwiegenden Vertragsverstößen oder aus wichtigem Grund, wie gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Schiedsrichters. Andernfalls besteht lediglich das Recht auf eine außerordentliche Kündigung, wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist. Eine vorzeitige Absage durch den Schiedsrichter bedarf in der Regel der rechtzeitigen Mitteilung, insbesondere, wenn durch die Absage organisatorische Probleme entstehen könnten.

Welche besonderen Datenschutzpflichten gelten für Schiedsrichter?

Im Rahmen eines Schiedsrichtervertrags werden personenbezogene Daten (z.B. Name, Geburtsdatum, Kontaktdaten des Schiedsrichters, aber auch Spieldaten und Sanktionen) verarbeitet. Schiedsrichter unterliegen den datenschutzrechtlichen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie sind verpflichtet, die ihnen im Rahmen der Spielleitung zugänglich gemachten personenbezogenen Informationen (etwa über Spieler, Trainer oder Offizielle) vertraulich zu behandeln und diese nicht unbefugt an Dritte weiterzugeben. Verbände und Veranstalter müssen den Schiedsrichter über die Art, den Umfang und den Zweck der Datenverarbeitung aufklären. Bei Verstößen gegen Datenschutzpflichten drohen arbeits- und sportrechtliche Konsequenzen sowie mögliche Bußgelder.