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Schädlingsbekämpfung


Begriff und Grundlagen der Schädlingsbekämpfung

Die Schädlingsbekämpfung stellt ein zentrales Handlungsfeld im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Lebensmittelindustrie, in Landwirtschaft und im Immobiliensektor dar. Der Begriff bezeichnet sämtliche Maßnahmen und Verfahren zur Verhinderung, Eindämmung oder Beseitigung von als Schädlingen eingestuften Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen, die nach rechtlicher Definition Schäden an Mensch, Tier, Pflanzen, Materialien oder Umwelt verursachen. Die rechtliche Bedeutung der Schädlingsbekämpfung ergibt sich aus einem Zusammenspiel von öffentlichen Vorschriften, Umweltrecht, Arbeitsrecht, Verbraucherschutz sowie spezialgesetzlichen Vorgaben und Normen.

Rechtliche Grundlagen der Schädlingsbekämpfung

Europäische Regelungen

Maßgeblich für die Schädlingsbekämpfung ist das europäische Chemikalienrecht, insbesondere die Biozid-Verordnung (VO (EU) Nr. 528/2012), die das Inverkehrbringen und die Verwendung von Biozidprodukten im Binnenmarkt regelt. Biozide sind Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, Schädlinge zu zerstören, unschädlich zu machen, abzuwehren oder sie in anderer Weise zu kontrollieren.

Die Verordnung verpflichtet Hersteller und Anwender zur Einhaltung umfangreicher Dokumentationspflichten und Sicherheitsvorkehrungen, einschließlich Zulassungsanforderungen und Kennzeichnungspflichten. Die Zulassung eines Biozidproduktes erfordert den Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt.

Bundesrechtliche Vorschriften in Deutschland

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet Betreiber von Gemeinschaftseinrichtungen, wie Schulen, Kindergärten, Gaststätten oder Gesundheitseinrichtungen (§ 36 IfSG), zur vorbeugenden und nachhaltigen Schädlingsbekämpfung. Ziel ist der Schutz vor übertragbaren Krankheiten. Bei Verstößen drohen Bußgelder oder Anordnungen der zuständigen Gesundheitsämter.

Pflanzenschutzgesetz (PflSchG)

Im Bereich Landwirtschaft und Gartenbau regelt das Pflanzenschutzgesetz die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gegen Schadorganismen. Es schreibt die Beachtung des integrierten Pflanzenschutzes vor, d. h. die Bekämpfung von Schädlingen hat möglichst umweltschonend und unter Vorrang nicht-chemischer Verfahren zu erfolgen.

Tierschutzrecht

Das Tierschutzgesetz verpflichtet zur Vermeidung unnötigen Leidens von Wirbeltieren, auch wenn diese als Schädlinge gelten. Bekämpfungsmaßnahmen dürfen daher ausschließlich soweit erfolgen und in einer Art, dass ein unverhältnismäßiges Leiden der Tiere ausgeschlossen wird.

Gefahrstoffrecht und Chemikaliengesetz

Das Gefahrstoffrecht (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) und das Chemikaliengesetz (ChemG) enthalten spezielle Vorgaben für Lagerung, Anwendung, Kennzeichnung und Entsorgung von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Sie verpflichten zu Gefahrenbeurteilung, Schutzmaßnahmen und Information der Anwender, unter Berücksichtigung der Stoffeigenschaften und Gefährdungspotenziale.

Arbeitsschutzrecht

Im Rahmen gewerblicher Tätigkeit kommt das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zur Anwendung. Es verlangt vom Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch den Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln, einschließlich Unterweisung, Schutzausrüstung und Überwachung der Arbeitsbedingungen.

Landesrechtliche Bestimmungen

Ergänzend zu den bundesrechtlichen Vorschriften existieren landesrechtliche Regelungen, insbesondere in Bereich Abfallrecht und Umweltschutz, die die Durchführung der Schädlingsbekämpfung weiter konkretisieren und kommunale Anordnungen zur Gefahrenabwehr ermöglichen.

Ausführung der Schädlingsbekämpfung: Zulassung, Qualifikation, Überwachung

Gewerbeanzeige und Erlaubnis

Schädlingsbekämpfung im gewerblichen Rahmen ist als überwachungsbedürftiges Gewerbe gemäß § 34 Gewerbeordnung (GewO) anzeigepflichtig. Unternehmen und deren verantwortliche Personen müssen Zuverlässigkeit und gegebenenfalls Sachkunde nachweisen.

Sachkunde und Schulungspflichten

Der rechtmäßige Umgang mit Bioziden und Pflanzenschutzmitteln setzt die sogenannte Sachkunde gemäß der Biozid-Verordnung, des Chemikaliengesetzes und des Pflanzenschutzgesetzes voraus. Die sachkundige Person muss regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen und Kenntnisse im Hinblick auf die Wirkprinzipien, Gefährdungen und Schutzmaßnahmen nachweisen.

Dokumentations- und Informationspflichten

Die eingesetzten Stoffe und Maßnahmen sind umfassend zu dokumentieren und insbesondere gegenüber Behörden und Betroffenen (z. B. bei Mieterwohnungen oder in Hotels) transparent zu machen. Die Dokumentationspflicht dient sowohl dem Risiko- als auch dem Nachweismanagement bei Schadensfällen.

Überwachungsbehörden

Die Einhaltung der rechtlichen Pflichten kontrollieren Gesundheitsämter, Gewerbeaufsichtsämter, Umweltbehörden und gegebenenfalls die Lebensmittelüberwachung. Verstöße können mit Bußgeldern, Betriebsuntersagungen oder strafrechtlichen Konsequenzen geahndet werden.

Verbraucherschutz, Haftung und Schadensersatz

Verbraucherschutz

Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen unterliegen einer Vielzahl von Schutzbestimmungen zum Wohle des Verbrauchers, etwa Transparenz hinsichtlich eingesetzter Mittel, Zugangsbeschränkungen während und nach Behandlungsmaßnahmen oder Nachweisverfahren zur Wirksamkeit. Im Lebensmittelrecht sind spezielle Anforderungen im Hinblick auf Rückstände und Kontaminationen einzuhalten.

Umwelt- und Anrainerschutz

Schutzauflagen nach dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz verhindern, dass Maßnahmen der Schädlingsbekämpfung zu erheblichen Beeinträchtigungen von Ökosystemen, geschützten Arten oder des Grundwassers führen.

Haftungsfragen

Bei fehlerhafter Durchführung von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen können Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Haftungstatbestände ergeben sich insbesondere aus dem Vertragsrecht (z. B. im Rahmen von Dienstleistungsverträgen), Deliktrecht (unerlaubte Handlung, § 823 BGB), Produkthaftung und Umwelthaftung (UmweltHG).

Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Verstöße gegen Vorschriften zur Schädlingsbekämpfung können mit Bußgeldern (z. B. nach IfSG, PflSchG, ChemG, NatSchG) oder strafrechtlich nach § 324 StGB (Gewässerverunreinigung), § 329 StGB (gefährliche Eingriffe in Natur und Umwelt) sowie wegen Körperverletzung (§ 223 ff. StGB) bei gefährdender Anwendung geahndet werden.

Zusammenfassung

Schädlingsbekämpfung ist eine rechtlich umfassend geregelte Tätigkeit mit weitreichenden Schutz-, Dokumentations- und Haftungspflichten. Die Einhaltung der einschlägigen europäischen und nationalen Vorschriften, insbesondere zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt, ist zwingend erforderlich. Rechtliche Vorgaben wirken sich auf die Auswahl der Methoden, den Einsatz der Bekämpfungsmittel, die Aus- und Fortbildung des Personals sowie die Überwachung und Haftung bei Maßnahmen aus. Die vielschichtige Rechtslage macht eine sorgfältige Beachtung aller relevanten Vorschriften im praktischen Vollzug der Schädlingsbekämpfung unabdingbar.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Vorschriften gelten für die Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Wohnräumen?

Für die Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln (Biozid-Produkte und Pflanzenschutzmittel) in Wohnräumen gelten in Deutschland umfangreiche rechtliche Vorgaben. Maßgeblich sind insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung), das Chemikaliengesetz (ChemG) sowie das Infektionsschutzgesetz (IfSG), sofern beispielsweise Bettwanzen oder Kakerlaken bekämpft werden, die ein gesundheitliches Risiko darstellen können. Schädlingsbekämpfungsmittel dürfen nur verwendet werden, wenn sie in Deutschland zugelassen sind und den speziellen Anwendungsbereich ausweisen. Weiterhin ist nach Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sicherzustellen, dass Anwender – insbesondere gewerbliche Schädlingsbekämpfer – über notwendige Sachkunde verfügen und die Verwendung, Lagerung und Entsorgung vorschriftsgemäß erfolgt. Besonders wichtig ist die Einhaltung der Kennzeichnungsvorgaben und der Sicherheitsdatenblätter; private Anwender dürfen keine Mittel mit beruflicher oder gewerblicher Zulassung verwenden. Darüber hinaus können Landes- oder kommunale Vorschriften weitergehende Pflichten begründen, beispielsweise zur Information von Mietern oder Nebenbewohnern.

Wann muss ein professioneller Schädlingsbekämpfer hinzugezogen werden?

Ein professioneller Schädlingsbekämpfer muss hinzugezogen werden, wenn die Bekämpfung mit frei verkäuflichen Mitteln nicht erfolgreich ist oder eine akute Gesundheitsgefährdung besteht. Gesetzlich verpflichtend ist die Beauftragung eines Fachbetriebs insbesondere dann, wenn Mittel verwendet werden, deren Anwendung ausschließlich sachkundigen Personen gestattet ist (vgl. Gefahrstoffverordnung, § 11 Abs. 2). Dies betrifft zum Beispiel den Einsatz von Begasungsmitteln, die nur mit behördlicher Erlaubnis durch zertifizierte Betriebe verwendet werden dürfen. Auch das Infektionsschutzgesetz kann unter bestimmten Umständen, wie bei Ausbruch meldepflichtiger Krankheiten durch Schädlinge, die Einbindung von Fachpersonal vorschreiben. Weiterhin verlangen viele Mietverträge, Wohnungsbaugesellschaften oder Versicherungspolicen ausdrücklich den Einsatz von anerkannten Schädlingsbekämpfern, um im Schadensfall Ansprüche zu wahren.

Welche Informationspflichten bestehen gegenüber Mietern bei einer Schädlingsbekämpfung?

Vermieter sind rechtlich verpflichtet, Mieter über geplante und durchgeführte Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen umfassend zu informieren. Nach § 535 BGB besteht eine Instandhaltungspflicht, was auch die Schädlingsfreiheit einschließt. Sobald eine Schädlingsbekämpfung notwendig ist, muss der Mieter über Art, Zeitpunkt, voraussichtliche Dauer sowie die verwendeten Präparate schriftlich informiert werden. Dabei sind Hinweise zu Schutzmaßnahmen (z. B. Belüftung, vorübergehendes Verlassen der Wohnung, Abdecken von Lebensmitteln) zwingend mitzuteilen. Enthalten die eingesetzten Mittel gesundheitsgefährdende Stoffe oder besteht die Notwendigkeit, Wohnräume zeitweise zu verlassen, ist dies vorab detailliert zu erklären. Bei behördlich angeordneten Bekämpfungen sind die Bescheide ebenfalls auszuhändigen.

Welche rechtlichen Grenzen gibt es bei der Selbsthilfe gegen Schädlinge in der Mietwohnung?

Grundsätzlich ist der Mieter gemäß § 536c BGB verpflichtet, einen Schädlingsbefall dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Die eigenständige Bekämpfung ohne Wissen und Zustimmung des Vermieters ist rechtlich riskant: Wird der Befall nicht sachgemäß beseitigt, kann ein Verstoß gegen mietvertragliche Sorgfaltspflichten vorliegen. Des Weiteren kann unsachgemäßer Umgang mit Chemikalien zu Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen des Vermieters führen. Der Einsatz nicht zugelassener Mittel oder unsachgemäßer Methoden kann sogar Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten nach ChemG oder GefStoffV begründen. Lediglich geringfügiger Schädlingsbefall (z. B. einzelne Ameisen) darf selbst beseitigt werden, kann aber im Streitfall als „Bagatellfall“ eingeordnet werden.

Wie ist die Kostentragung für Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen rechtlich geregelt?

Die Verteilung der Kosten für Schädlingsbekämpfungen richtet sich nach der Verantwortlichkeit für den Befall. Ist der Schädlingsbefall durch vertragswidriges Verhalten des Mieters verursacht (z.B. unsachgemäße Lagerung von Lebensmitteln), trägt dieser die Kosten. Liegt hingegen ein baulicher Mangel oder allgemein üblicher Befall vor, muss der Vermieter gemäß § 536 BGB die dafür anfallenden Kosten übernehmen. Sind regelmäßige Präventionsmaßnahmen (etwa im Rahmen der Betriebskostenabrechnung) im Mietvertrag explizit als umlagefähig benannt, können diese anteilig auf den Mieter umgelegt werden (§ 2 Nr. 10 BetrKV). Einzelfallentscheidungen der Gerichte betonen die Bedeutung eindeutiger Beweise und vertraglicher Regelungen.

Gibt es Meldepflichten bei bestimmten Schädlingsarten?

Einige Schädlingsarten unterliegen bundes- oder landesrechtlichen Meldepflichten. Beispielsweise schreibt das Infektionsschutzgesetz in § 17 ausdrücklich vor, dass der Befall mit bestimmten gesundheitsgefährdenden Schädlingen (wie Ratten oder Bettwanzen) den zuständigen Behörden unverzüglich zu melden ist, sofern ein Risiko für die öffentliche Gesundheit besteht. Das jeweilige Landesgesundheitsamt oder das örtliche Ordnungsamt muss informiert werden, insbesondere wenn Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, gastronomische Betriebe) betroffen sind. Bei Verletzung dieser Meldepflichten drohen Bußgelder oder andere behördliche Maßnahmen.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei unsachgemäßer Schädlingsbekämpfung?

Werden Schädlingsbekämpfungen unsachgemäß durchgeführt, können erhebliche Haftungsrisiken entstehen. Verursacht die Anwendung von Chemikalien gesundheitliche Schäden bei Menschen oder Haustieren, etwa durch fehlerhafte Dosierung oder fehlender Hinweis auf Rückstände, besteht eine zivilrechtliche Haftung nach § 823 BGB. Hinzu kommen mögliche Ordnungswidrigkeiten oder sogar strafrechtliche Konsequenzen bei Verstößen gegen das Chemikalienrecht oder das Umweltrecht. Auch die Beeinträchtigung von Nachbarwohnungen durch Schadstoffe kann Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Professionelle Schädlingsbekämpfer haften zudem, sofern ihre Arbeit nicht fachgerecht oder entgegen den geltenden Vorschriften erbracht wird.