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Rücktritt vom Verlöbnis


Begriff und rechtliche Grundlagen des Rücktritts vom Verlöbnis

Der Rücktritt vom Verlöbnis bezeichnet im deutschen Zivilrecht das einseitige oder beiderseitige Lösen zweier Personen von einem gegenseitigen Heiratsversprechen, dem sogenannten Verlöbnis. Das Verlöbnis ist in den §§ 1297 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und stellt einen wichtigen Bereich des Familienrechts dar. Das Verlöbnis begründet noch keinen einklagbaren Anspruch auf die Eingehung der Ehe, hat jedoch eine Vielzahl von rechtlichen Konsequenzen, insbesondere für den Fall, dass von einem der Verlobten oder von beiden das Versprechen aufgehoben wird.


Rechtliche Einordnung des Verlöbnisses

Definition und Rechtsnatur des Verlöbnisses

Das Verlöbnis ist gemäß § 1297 Abs. 1 BGB das gegenseitige Versprechen zweier Personen, eine Ehe mit dem jeweils anderen einzugehen. Es handelt sich um ein familienrechtliches Rechtsverhältnis mit besonderen rechtlichen Folgen. Während das Verlöbnis einen moralischen und sozialen Charakter trägt, werden durch das Rücktrittsrecht und daraus resultierende Ansprüche auch zivilrechtliche Interessen geschützt.

Begründung und Voraussetzungen des Verlöbnisses

Voraussetzung eines Verlöbnisses sind die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten und ihr ernsthafter Wille, eine Ehe miteinander einzugehen. Ein Verlöbnis ist formlos möglich, es bedarf keiner bestimmten äußeren Form oder Mitteilung an Dritte. Minderjährige benötigen zur Verlobung nach § 1303 BGB die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.


Beendigung des Verlöbnisses

Möglichkeiten der Auflösung

Das Verlöbnis kann auf verschiedene Weise beendet werden:

  • Durch Eheschließung
  • Durch Tod eines Verlobten
  • Durch beiderseitigen Verzicht
  • Durch Rücktritt vom Verlöbnis

Der Rücktritt stellt die häufigste und rechtlich bedeutsamste Beendigungsform dar, da oft Ansprüche infolge der Auflösung geltend gemacht werden.

Rücktrittsrecht: Voraussetzungen und Ausübung

Ein Rücktritt vom Verlöbnis ist gemäß § 1297 Abs. 1 BGB jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich. Das Verlöbnis bindet rechtlich nicht in einem Maße, dass die Ehe erzwungen werden könnte; vielmehr schützt das Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit die Entscheidungsautonomie. Der Rücktritt muss dem anderen Teil gegenüber eindeutig erklärt werden; eine bestimmte Form ist nicht erforderlich. Auch ein konkludenter Rücktritt, etwa durch die Verlobung mit einer dritten Person, wird allgemein anerkannt.


Rechtsfolgen des Rücktritts vom Verlöbnis

Ausschluss des Anspruchs auf Eheschließung

Nach § 1297 Abs. 2 BGB ist der Anspruch auf Eingehung der Ehe explizit ausgeschlossen. Keine der Parteien kann also die Eheschließung gerichtlich erzwingen.

Ersatzpflicht für Verlobungsgaben und Aufwendungen

Rückgabe von Geschenken und Verlobungsgaben (§ 1301 BGB)

Geschenke, die im Vertrauen auf die Eheschließung gemacht wurden, können nach Rücktritt oder Auflösung des Verlöbnisses zurückgefordert werden, soweit nicht besondere Umstände entgegenstehen. Voraussetzung ist, dass die Zuwendung gerade im Hinblick auf das Verlöbnis erfolgt ist.

Ersatz von Aufwendungen (§ 1298 BGB)

Ein Verlobter, der schuldhaft vom Verlöbnis zurücktritt oder durch sein Verschulden dessen Auflösung herbeiführt, kann zum Ersatz des durch die Aufhebung verursachten Schadens verpflichtet sein. Dazu zählen beispielsweise Aufwendungen für Hochzeitsvorbereitungen, Ausstattungen oder getätigte Anschaffungen.

Voraussetzungen des Schadensersatzes
  • Verschulden: Schadensersatzpflicht besteht nur bei verschuldetem Rücktritt.
  • Kausalität: Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der Auflösung und dem Schaden bestehen.
  • Billigkeit: Die Schadensersatzpflicht ist auf das Billige zu beschränken, vgl. § 1298 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Schmerzensgeld

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht nur ausnahmsweise, etwa wenn durch besonders kränkendes Verhalten beim Rücktritt eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts verursacht wurde. Regelmäßig ist aber nur der materielle Schaden zu ersetzen.

Ausschluss der Ersatzpflicht (§ 1299 BGB)

Die Ersatzpflicht entfällt, wenn ein wichtiger Grund für den Rücktritt vorlag, den der andere Teil zu vertreten hat, etwa im Falle einer schweren Täuschung, arglistigen Verschweigens oder krimineller Handlungen.


Sonderfälle und Verjährung

Tod eines Verlobten

Im Falle des Todes eines der Verlobten vor Eheschließung oder Rücktritt erlöschen Ansprüche grundsätzlich. Für Erstattungsansprüche der Hinterbliebenen gelten Sonderregelungen (vgl. § 1302 BGB).

Verjährung von Ansprüchen

Ansprüche auf Rückgabe von Geschenken oder auf Ersatz von Aufwendungen und Schäden nach §§ 1298 ff. BGB verjähren gemäß § 1302 BGB binnen drei Jahren ab der Auflösung des Verlöbnisses.


Internationale Bezüge und Besonderheiten

Auch im internationale Privatrecht ist die Auflösung des Verlöbnisses relevant, insbesondere wenn Verlobte unterschiedlicher Staatsangehörigkeit beteiligt sind. Die Anknüpfung richtet sich nach Art. 13 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche), wonach das Recht maßgeblich ist, das auf die Ehe Anwendung findet.


Bedeutung und praktische Relevanz

Der Rücktritt vom Verlöbnis ist zwar in der gesellschaftlichen Praxis seltener geworden, spielt jedoch bei gescheiterten Eheversprechen und daraus folgenden offenen Fragen zu Schenkungen, gemeinsamen Anschaffungen und getätigten Vorbereitungen eine nicht unerhebliche Rolle. Er dient der rechtlichen Klärung, um die Interessen beider Parteien im Falle einer geplatzten Ehe aufzugreifen und Ausgleich zu schaffen.


Zusammenfassung

Der Rücktritt vom Verlöbnis ist ein gesetzlich ausdrücklich geregeltes Recht, das die Entscheidungsfreiheit der Beteiligten schützt und Ansprüche im Zusammenhang mit getätigten Versprechungen und Aufwendungen abwickelt. Die rechtliche Ausgestaltung verankert die Privatautonomie, belässt jedoch einen Schadens- und Aufwendungsersatz zum Ausgleich, sofern einer der Beteiligten schuldhaft die Eheverheißung aufgibt. Das Verlöbnis bleibt daher ein besonderer Bereich des Familienrechts, dessen rechtliche Tiefe und praktische Handhabung wesentliche Bedeutung für das partnerschaftliche Zusammenleben entfalten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen hat der Rücktritt vom Verlöbnis nach deutschem Recht?

Der Rücktritt vom Verlöbnis, auch als „Lösung des Verlöbnisses“ bezeichnet, ist gemäß § 1297 Absatz 1 BGB jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich, da niemand zur Eheschließung gezwungen werden kann. Rechtlich gesehen ist mit der Auflösung keine Verpflichtung zur Eheschließung mehr verbunden. Allerdings zieht ein Rücktritt ggf. sogenannte Ersatzansprüche nach sich. Hierzu zählen insbesondere Regressforderungen nach § 1298 und § 1299 BGB, etwa für Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Hochzeit entstanden sind (wie Kosten für geplante Feierlichkeiten oder Haushaltsanschaffungen). Es können jedoch keine Straf- oder Zwangsmaßnahmen zur Eheschließung oder zur Fortsetzung des Verlöbnisses geltend gemacht werden. Darüber hinaus können sich Schadenersatzpflichten ergeben, sofern der Rücktritt ohne „wichtigen Grund“ erfolgt.

Können beim Rücktritt vom Verlöbnis Schadensersatzansprüche entstehen?

Ja, Schadensersatzansprüche sind möglich. Gemäß §§ 1298 und 1299 BGB kann ein Verlobter, der ohne wichtigen Grund vom Verlöbnis zurücktritt, oder dessen Verhalten einen erheblichen Anlass für die Lösung bietet, zum Schadensersatz verpflichtet werden. Ersatzfähig sind sogenannte „Vertrauensschäden“, also nachweisbare Vermögenseinbußen, die durch Vorbereitungen auf die geplante Eheschließung entstanden sind (z.B. Reisebuchungen, Ausgaben für Bekleidung, Kündigung der Wohnung). Emotionaler Schaden oder entgangenes Heiratsglück sind jedoch nicht erstattungsfähig. Der Schadensersatz ist auf die durch das Verlöbnis verursachten Aufwendungen beschränkt.

Müssen beim Rücktritt vom Verlöbnis Geschenke zurückgegeben werden?

Ja, prinzipiell können Geschenke, die im Hinblick auf das erwartete Zustandekommen der Ehe gemacht wurden („Verlobungsgeschenke“), nach § 1301 BGB zurückgefordert werden. Das gilt auch für Geschenke, die von Dritten, beispielsweise Eltern oder Freunden, übergeben wurden. Die Rückgabe kann aber ausgeschlossen werden, wenn ein „wichtiger Grund“ für die Beendigung des Verlöbnisses bestand oder wenn die Rückgewähr unbillig wäre. Verbrauchte Geschenke (z. B. ein gemeinsamer Urlaub) müssen nicht ersetzt werden.

Welche Voraussetzungen gelten für einen „wichtigen Grund“ beim Rücktritt vom Verlöbnis?

Ein „wichtiger Grund“ liegt vor, wenn Umstände eintreten, die das Festhalten am Verlöbnis unzumutbar machen. Dazu zählen zum Beispiel schwere Straftaten gegen den Partner, erhebliche Täuschungen oder das Bekanntwerden gravierender persönlicher Umstände, wie etwa das Verschweigen einer schweren Erkrankung. Liegt ein solcher Grund vor, entfällt die Verpflichtung zum Schadensersatz oder zur Rückgabe bestimmter Geschenke (§ 1298 Absatz 1 BGB). Die Umstände werden im Streitfall durch die Gerichte individuell gewürdigt.

Können Dritte Ersatzansprüche nach einer Auflösung des Verlöbnisses geltend machen?

Ja, auch Dritte, insbesondere Eltern oder andere Verwandte, die im Vertrauen auf die bevorstehende Ehe Vermögensaufwendungen tätigten (z. B. Anzahlungen für eine Hochzeitsfeier oder Möbel), können Erstattungsansprüche nach § 1299 BGB verlangen. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen objektiv ersichtlich im Hinblick auf die Eheschließung getätigt wurden und deren Ersatz angemessen erscheint. Personen, die in dieser Eigenschaft Ansprüche erheben, müssen aber ihre genauen Aufwendungen und den ursächlichen Zusammenhang mit dem Verlöbnis darlegen.

Gibt es eine Verjährungsfrist für Ersatzansprüche beim Rücktritt vom Verlöbnis?

Ja, Ansprüche, die aus einer Lösung des Verlöbnisses entstehen, unterliegen der Verjährung. Gemäß § 1302 BGB müssen Rückforderungs- und Schadensersatzansprüche innerhalb eines Jahres nach der Auflösung des Verlöbnisses geltend gemacht werden. Werden die Ansprüche nicht rechtzeitig erhoben, sind sie verwirkt und können nicht mehr durchgesetzt werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem das Verlöbnis aufgelöst wurde.

Wie wirkt sich ein Rücktritt vom Verlöbnis auf gemeinsame Kinder aus?

Rechtlich betrachtet hat ein Rücktritt vom Verlöbnis keinerlei Auswirkungen auf die Abstammung, das Sorgerecht oder Unterhaltspflichten gegenüber gemeinsamen Kindern. Das Verlöbnis ist eine bloße Vorstufe zur Ehe und entfaltet im Hinblick auf Kinder keine Rechtswirkungen. Unterhalts- und Sorgerechtsfragen werden ausschließlich nach den allgemeinen familienrechtlichen Vorschriften beurteilt, unabhängig davon, ob zuvor ein Verlöbnis bestand oder nicht.

Welche Form muss die Rücktrittserklärung vom Verlöbnis haben?

Für den Rücktritt beziehungsweise die Auflösung des Verlöbnisses ist nach deutschem Recht keine besondere Form vorgeschrieben. Die Erklärung kann mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten (beispielsweise durch Abbruch jeglichen Kontaktes) erfolgen. Empfehlenswert – insbesondere aus Gründen der Nachweisbarkeit bei möglichen Ersatzansprüchen – ist jedoch eine dokumentierte, idealerweise schriftliche Mitteilung. Ein förmliches Verfahren oder eine gerichtliche Zustimmung ist nicht erforderlich.