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Retentionsrecht


Retentionsrecht – Begriff, Bedeutung und rechtliche Ausgestaltung

Definition und Allgemeine Bedeutung des Retentionsrechts

Das Retentionsrecht bezeichnet ein gesetzlich geregeltes Recht zur Zurückbehaltung einer beweglichen Sache, um dadurch die Erfüllung einer fälligen Forderung zu sichern. Durch Ausübung des Retentionsrechts kann ein Gläubiger – in den meisten deutschen Rechtsordnungen im Sinne des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – die Herausgabe einer im Besitz befindlichen Sache solange verweigern, bis seine Ansprüche durch den Schuldner beglichen wurden. Dieses Sicherungsrecht stellt ein absolutes Recht dar und dient primär der Durchsetzung eigener Leistungsansprüche.

Gesetzliche Grundlagen des Retentionsrechts

Retentionsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Im deutschen Zivilrecht ist das Retentionsrecht überwiegend in den §§ 273 und 369 ff. BGB geregelt. Während § 273 BGB das allgemeine Zurückbehaltungsrecht normiert, finden sich spezielle Regelungen zu einzelnen Vertragstypen – wie etwa dem Werkvertrag (§ 647 BGB) und der Verwahrung (§ 690 BGB). Das Retentionsrecht ist dabei akzessorisch, das heißt, es besteht nur solange, wie die zugrunde liegende Forderung besteht und erlischt mit deren Erfüllung.

Retentionsrecht im Handelsgesetzbuch (HGB)

Für den kaufmännischen Geschäftsverkehr regelt das Handelsgesetzbuch (HGB) spezielle Retentionsrechte, beispielsweise für den Frachtführer (§ 440 HGB), Spediteur (§ 464 HGB), Lagerhalter (§ 475b HGB) und Kommissionär (§ 397 HGB). Diese Rechte sichern Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche durch die Möglichkeit der Zurückbehaltung transportierter oder eingelagerter Waren.

Retentionsrecht in weiteren Rechtsgebieten

Neben dem Zivilrecht wird das Retentionsrecht auch im Sachenrecht, Insolvenzrecht sowie im internationalen Handelsverkehr relevant. Im Pfandrecht (§ 1204 BGB ff.) bestehen Berührungspunkte, da ähnliche Sicherungszwecke verfolgt werden.

Voraussetzungen und Ausübung des Retentionsrechts

Besitz der Sache

Grundvoraussetzung für das Bestehen des Retentionsrechts ist, dass der Gläubiger den Besitz an der betreffenden Sache hat und dieser Besitz nicht unberechtigterweise erlangt wurde. Der Besitz muss im Zusammenhang mit der Forderung stehen (sog. Konnexität).

Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Forderung

Das Retentionsrecht setzt ferner voraus, dass eine fällige und durchsetzbare Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner besteht. Das können beispielsweise Zahlungsansprüche, Werklohnforderungen oder Aufwendungsersatzansprüche sein.

Konnexität der Forderung

Ein wesentliches Merkmal ist die enge tatsächliche Verbindung zwischen Forderung und zurückbehaltener Sache (Konnexitätserfordernis). Diese liegt vor, wenn die Forderung aus demselben rechtlichen Verhältnis stammt, auf dessen Grundlage der Gläubiger den Besitz an der Sache erworben hat.

Rechtsfolgen und Umfang des Retentionsrechts

Umfang und Grenzen

Der Inhaber des Retentionsrechts ist berechtigt, die Herausgabe der Sache bis zur vollständigen Befriedigung der offenen Forderung zu verweigern, § 273 Abs. 1 BGB. Die Ausübung des Retentionsrechts muss dem Schuldner angezeigt werden. Bei drohender Gefährdung kann unter bestimmten Voraussetzungen die Verwertung der Sache erfolgen – ähnlich der Pfandverwertung.

Grenzen des Rechts ergeben sich durch gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen. Insbesondere darf das Retentionsrecht nicht zulasten Dritter ausgeübt werden, sofern diese ein besseres Recht an der Sache haben.

Ausschlussgründe

Das Retentionsrecht ist ausgeschlossen, wenn die Sache nur zum vorübergehenden Gebrauch überlassen wurde (z. B. bei Leihe) oder wenn der Gläubiger den Besitz unrechtmäßig erworben hat. Auch ist es ausgeschlossen, sobald die Forderung erlischt – etwa durch Zahlung, Aufrechnung oder Erlass.

Besonderheiten des Retentionsrechts nach Vertragstypen

Werkvertrag

Gemäß § 647 BGB hat der Werkunternehmer ein besonderes Retentionsrecht an dem hergestellten Werk zur Sicherung der Werklohnforderung. Die Sache kann bis zur vollständigen Bezahlung zurückbehalten werden.

Verwahrung und Beherbergung

Im Verwahrungsverhältnis (§ 690 BGB) sowie im Zusammenhang mit Hotel- und Beherbergungsverträgen ist ein gesetzliches Retentionsrecht vorgesehen. Hier darf die aufbewahrte oder eingebachte Sache des Gastes bis zur Begleichung der Forderungen zurückbehalten werden.

Transportrechtliche Retentionsrechte

Im Handelsrecht sichern Frachtführer, Spediteure und Lagerhalter ihre Ansprüche mittels spezieller Retentionsrechte nach HGB ab. Die zurückbehaltene Ware oder das Gepäck kann bei Nichtzahlung verwertet werden, sofern dies dem Schuldner angekündigt wurde.

Verwertung des Retentionsguts

Voraussetzungen der Verwertung

Kommt der Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht nach, kann das zurückbehaltene Gut nach den Vorschriften der Pfandverwertung (§ 1233 BGB ff.) verwertet werden. Hierbei sind besondere Anforderungen an Fristsetzung, Benachrichtigung und öffentliche Versteigerung zu beachten.

Erlösverteilung

Der Verwertungserlös ist nach Begleichung der offenen Forderungen, einschließlich eventueller Kosten, an den Schuldner herauszugeben. Ist das Retentionsrecht nur an einem Teil der Forderung eingeräumt, kann lediglich der entsprechende Anteil des Erlöses einbehalten werden.

Retentionsrecht und Insolvenzverfahren

Im Insolvenzverfahren des Schuldners behält der Gläubiger grundsätzlich das Recht zur Ausübung des Retentionsrechts. Allerdings unterliegt dieses Recht Einschränkungen, da Gläubigerinteressen der Gesamtmasse gegen Einzelbefriedigung abzuwägen sind. Das Insolvenzausfallgesetz kann das Recht in bestimmten Fallkonstellationen modifizieren.

Unterschiede zum Pfandrecht

Obwohl das Retentions- und das Pfandrecht vergleichbare Sicherungsfunktionen haben, unterscheiden sie sich konzeptionell und in der Entstehung. Das Pfandrecht erfordert eine ausdrückliche Vereinbarung und Einigung, während das Retentionsrecht kraft Gesetzes entsteht. Im Gegensatz zum Pfandrecht ist das Retentionsrecht zudem nicht übertragbar und kann nur solange bestehen, wie der Gläubiger den Besitz hat.

Internationales Retentionsrecht

International bestehen vergleichbare Institute in zahlreichen Rechtsordnungen, etwa das „lien“ im anglo-amerikanischen Recht. Die inhaltliche Ausgestaltung kann je nach Land und Vertragstyp variieren, der Sicherungszweck bleibt jedoch erhalten.


Durch seine umfassende Bedeutung bei der Durchsetzung zivil- und handelsrechtlicher Ansprüche ist das Retentionsrecht ein wesentliches Element zur Absicherung von Forderungen in zahlreichen Vertragskonstellationen. Es trägt zur fairen und ausgewogenen Interessenwahrung zwischen Gläubiger und Schuldner in rechtlichen Geschäftsbeziehungen bei.

Häufig gestellte Fragen

Wann kann ein Gläubiger sein Retentionsrecht geltend machen?

Ein Gläubiger kann sein Retentionsrecht grundsätzlich geltend machen, wenn sich eine dem Schuldner zugehörige bewegliche Sache oder ein Wertpapier mit seinem Willen im Besitz des Gläubigers befindet und eine fällige Forderung gegen den Schuldner besteht, die mit der zurückbehaltenen Sache in einem rechtlichen Zusammenhang (z. B. Konnexität) steht. In der Praxis ist hierbei entscheidend, dass sich die Sache nicht nur zufällig, sondern im Rahmen einer geschäftlichen Transaktion im Besitz des Gläubigers befindet. Das Retentionsrecht besteht häufig bei Werkverträgen, Mietverträgen oder auch im Frachtrecht. Es kann nicht geltend gemacht werden, wenn eine Sache durch eine strafbare Handlung erlangt wurde oder wenn vertraglich ein Retentionsverbot vereinbart wurde. Die Ausübung des Retentionsrechts muss zudem unverzüglich angezeigt werden, und der Gläubiger haftet währenddessen für jede Verschlechterung der Sache durch Fahrlässigkeit.

Welche Forderungen werden durch das Retentionsrecht gesichert?

Das Retentionsrecht sichert ausschließlich fällige Forderungen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Besitzverhältnis zur Sache stehen. Juristisch spricht man hierbei vom sogenannten Konnexitätserfordernis. Beispielsweise kann ein Kfz-Mechaniker das Fahrzeug eines Kunden zurückhalten, solange die Rechnung für die durchgeführten Reparaturarbeiten noch offen ist, jedoch nicht wegen einer vollkommen anderen, nicht im Zusammenhang stehenden Forderung. Typischerweise werden durch das Retentionsrecht auf Werklohn, Mietzins oder Frachtlohn gesichert, sofern diese Forderungen unmittelbar aus dem Verhältnis entstehen, das zum Besitz der Sache geführt hat.

Welche Beschränkungen bestehen für das Retentionsrecht?

Das Retentionsrecht unterliegt mehreren gesetzlichen Beschränkungen. Gemäß § 273 BGB (Deutschland) ist es nicht möglich, Dinge in Zurückbehaltung zu nehmen, wenn dies im Gesetz oder durch vertragliche Absprache ausgeschlossen wurde. Weiterhin besteht das Recht nicht an Gegenständen, die unpfändbar sind, etwa notwendigen Haushaltsgegenständen oder Werkzeugen, die der Ausübung des Erwerbs dienen. Darüber hinaus darf das Retentionsrecht nicht zur Sicherung von Ansprüchen genutzt werden, die keinen Zusammenhang mit dem Grund des Besitzes haben. Auch im Insolvenzfall bestehen bestimmte Einschränkungen: Nach Insolvenzeröffnung kann das Retentionsrecht gegebenenfalls nur noch zur Sicherung von Insolvenzforderungen ausgeübt werden.

Welche Pflichten hat der Gläubiger während der Ausübung des Retentionsrechts?

Während der Ausübung des Retentionsrechts trifft den Gläubiger insbesondere die sogenannte Sorgfaltspflicht. Er muss die zurückbehaltene Sache sorgfältig verwahren und etwaige Schäden vermeiden. Wird die Sache beschädigt oder geht sie durch Fahrlässigkeit des Gläubigers verloren, haftet er hierfür grundsätzlich nach den Bestimmungen des Schuldrechts. Hinsichtlich etwaiger Nutzungen oder gezogener Früchte ist er verpflichtet, diese gegebenenfalls an den Schuldner herauszugeben oder zu verrechnen. Es wird zudem vom Gläubiger verlangt, dem Schuldner unverzüglich mitzuteilen, dass er das Retentionsrecht ausübt, da andernfalls Rechte und Interessen des Schuldners unangemessen beeinträchtigt werden könnten.

Wie kann das Retentionsrecht beendet werden?

Das Retentionsrecht endet mit der vollständigen Begleichung der gesicherten Forderung durch den Schuldner. Darüber hinaus kann das Retentionsrecht durch eine Vereinbarung der Vertragsparteien aufgehoben oder beschränkt werden. Gibt der Gläubiger die zurückbehaltene Sache freiwillig heraus, ohne sich das Recht vorzubehalten, so erlischt das Retentionsrecht ebenfalls. Im Falle einer Insolvenz des Schuldners kann das Recht in bestimmten Konstellationen durch die Masse oder den Insolvenzverwalter gelöst werden, dann jedoch unter der Voraussetzung der Befriedigung oder Sicherstellung des gesicherten Anspruchs. Eine gerichtliche Durchsetzung ist nicht erforderlich, um das Recht erlöschen zu lassen – es besteht lediglich faktisch nicht mehr, sobald die Forderung befriedigt oder der Besitz an der Sache aufgegeben wurde.

Kann das Retentionsrecht auch gegenüber Dritten ausgeübt werden?

Das Retentionsrecht wirkt grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner. Gegenüber Dritten kann es nur insoweit Wirkung entfalten, als diese Partei in die rechtliche Stellung des Schuldners eintritt, beispielsweise im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge (wie bei Veräußerung der Sache unter Fortbestand des Anspruchs). Im Falle des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nach § 1000 BGB entsteht jedoch ein spezielles Zurückbehaltungsrecht, das auch gegenüber dem Eigentümer durchgesetzt werden kann, selbst wenn dieser nicht ursprünglicher Vertragspartner war, sofern der Anspruch in direktem Zusammenhang mit der Sache steht. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, das Retentionsrecht auch im Rang dem Sicherungsinteresse von Pfandrechten gegenüberzustellen, was jeweils im Einzelfall abzuwägen ist.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Retentionsrecht und Pfandrecht?

Das Retentionsrecht und das Pfandrecht sind in vielerlei Hinsicht ähnlich, insbesondere da beide die Möglichkeit zur Sicherung von Forderungen durch den Besitz einer Sache eröffnen. Allerdings bestehen zentrale Unterschiede: Das Pfandrecht entsteht regelmäßig durch vertragliche Vereinbarung und bedarf meist der Übergabe der Sache, während das Retentionsrecht kraft Gesetzes entsteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber hinaus bietet das Pfandrecht dem Gläubiger ein Verwertungsrecht, d. h., er darf die Sache im Falle der Leistungsvereitelung verwerten. Beim Retentionsrecht ist die Verwertung nur unter bestimmten Bedingungen und nicht automatisch zulässig; vielfach muss hierzu ein Pfandrecht nachträglich begründet oder die gerichtliche Verwertung beantragt werden. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal besteht darin, dass das Retentionsrecht jeweils nur auf die aktuelle, konnexe Forderung Bezug nimmt, während ein Pfandrecht auch zukünftige oder mehrfach wechselnde Forderungen absichern kann, sofern dies vereinbart wurde.