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Rechtsmittelrücknahme

Begriff und Bedeutung der Rechtsmittelrücknahme

Die Rechtsmittelrücknahme ist die ausdrückliche Erklärung einer Partei, ein bereits eingelegtes Rechtsmittel nicht weiter zu verfolgen. Mit der Rücknahme endet das Rechtsmittelverfahren ohne inhaltliche Entscheidung der höheren Instanz. Die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz wird damit grundsätzlich rechtskräftig oder bleibt es, wenn die Vollstreckbarkeit bereits bestand.

Rechtsmittel im weiteren Sinn sind unter anderem Berufung, Revision, Beschwerde und Einspruch. Die Rücknahme ist ein einseitiger, prozessualer Akt, der keiner Zustimmung der Gegenseite bedarf und grundsätzlich sofort wirksam wird, sobald er bei dem zuständigen Gericht eingeht.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Rechtsmittelverzicht versus Rechtsmittelrücknahme

Der Rechtsmittelverzicht ist die Erklärung, ein Rechtsmittel gar nicht erst einlegen zu wollen. Die Rechtsmittelrücknahme setzt demgegenüber voraus, dass ein Rechtsmittel bereits eingelegt wurde und nun zurückgenommen wird. Beide Erklärungen führen in der Regel zur Bestandskraft der angefochtenen Entscheidung, unterscheiden sich aber in Zeitpunkt und Voraussetzungen.

Erledigung durch Zeitablauf versus Rücknahme

Lässt eine Partei eine Rechtsmittelfrist verstreichen, wird die angefochtene Entscheidung ohne aktives Zutun bestandskräftig. Die Rücknahme ist dagegen eine bewusste und gestaltende Erklärung, die bereits laufende Rechtsmittelverfahren beendet.

Voraussetzungen und Form

Wer darf zurücknehmen?

  • Die Partei, die das Rechtsmittel eingelegt hat.
  • Prozessbevollmächtigte oder Verteidiger mit entsprechender Vertretungsmacht; in Instanzen mit Vertretungszwang nur durch zugelassene Vertretung.
  • In Verfahren mit mehreren Rechtsmittelführenden kann jede Partei nur ihr eigenes Rechtsmittel zurücknehmen, sofern es nicht untrennbar mit dem eines Mitbeteiligten verbunden ist.
  • Bei Minderjährigen oder betreuten Personen handeln die gesetzlichen Vertreter innerhalb ihrer Befugnisse.

Form der Erklärung

Die Rücknahme muss eindeutig gegenüber dem Gericht erklärt werden, bei dem das Rechtsmittel anhängig ist. Üblich sind schriftliche Erklärungen oder Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle; in vielen Verfahren sind auch elektronisch übermittelte Erklärungen zugelassen. Die Erklärung muss klar erkennen lassen, welches Rechtsmittel in welchem Verfahren zurückgenommen wird. Eine Rücknahme gegenüber der Gegenseite genügt nicht.

Zeitpunkt der Rücknahme

Die Rücknahme ist grundsätzlich bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel möglich. Mit Eingang der Rücknahmeerklärung beim zuständigen Gericht tritt die Beendigung des Rechtsmittelverfahrens ein. Nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens ist eine Rücknahme gegenstandslos.

Teilrücknahme und bedingte Rücknahme

  • Teils: Es ist möglich, ein Rechtsmittel nur in bestimmtem Umfang oder zu einzelnen Punkten zurückzunehmen. Der nicht zurückgenommene Teil bleibt anhängig.
  • Bedingungen: Eine Rücknahme unter Bedingungen oder Vorbehalten ist regelmäßig unwirksam, weil die Erklärung eindeutig und vorbehaltlos sein muss.

Wirkungen der Rücknahme

Verfahrensrechtliche Folgen

  • Das Rechtsmittelverfahren endet ohne Sachentscheidung der höheren Instanz.
  • Die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz wird bestandskräftig, soweit sie angegriffen war.
  • Bereits angesetzte Termine werden aufgehoben; das Gericht kann nur noch über Nebenfolgen, insbesondere Kosten, entscheiden.

Kostenfolgen

Im Regelfall trägt die zurücknehmende Partei die Kosten des Rechtsmittels. Dazu zählen Gerichtsgebühren des Rechtsmittelzugs und eigene außergerichtliche Aufwendungen; in vielen Verfahren kommen auch die notwendigen Auslagen der Gegenseite hinzu. Abweichungen sind je nach Verfahrensart möglich, etwa wenn besondere Billigkeitserwägungen gelten oder gesetzliche Kostenregeln differenzieren.

Auswirkungen auf Vollstreckung und vorläufige Maßnahmen

  • Mit der Bestandskraft der angefochtenen Entscheidung können vorläufige Maßnahmen entfallen oder enden, sofern sie nur für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens angeordnet waren.
  • Aufschiebende Wirkungen eines Rechtsmittels entfallen mit der Rücknahme; die Entscheidung kann regelmäßig vollstreckt werden, soweit keine anderen Hemmnisse bestehen.

Wirkung bei mehreren Beteiligten und Anschlussrechtsmitteln

  • Mehrere Rechtsmittelführende: Die Rücknahme durch eine Partei berührt die Rechtsmittel der anderen grundsätzlich nicht.
  • Anschlussrechtsmittel: Ist ein Rechtsmittel von der Existenz eines Hauptrechtsmittels abhängig, kann dessen Rücknahme die Wirkung des Anschlussrechtsmittels entfallen lassen. Je nach Verfahrensart bestehen hierzu besondere Regeln.

Besonderheiten nach Verfahrensarten

Zivil- und Familiensachen

In Zivil- und Familiensachen ist eine eindeutige, formgerechte Erklärung erforderlich. Bei Vertretungszwang erfolgt die Rücknahme durch die bevollmächtigte Vertretung. Teilrücknahmen sind häufig möglich, etwa hinsichtlich einzelner Anträge oder Teilbeträge. Die Kostenfolge knüpft regelmäßig an die Rücknahme an.

Strafsachen

In Strafsachen können Angeklagte, Staatsanwaltschaft und in bestimmten Konstellationen weitere Beteiligte Rechtsmittel einlegen und zurücknehmen. Eine Rücknahme ist bis zur Entscheidung der höheren Instanz möglich und wirkt regelmäßig sofort. Die Kosten- und Auslagenfolgen orientieren sich an der Rolle des Rechtsmittelführers und der Art des Rechtsmittels.

Verwaltungs-, Sozial- und Finanzverfahren

In diesen Verfahren kann die Rücknahme auch mit Besonderheiten der aufschiebenden Wirkung und der Vollziehbarkeit verknüpft sein. Teilrücknahmen sind verbreitet. Die Kostenfolgen richten sich nach den jeweiligen Ordnungsvorschriften, die häufig eigenständige Regelungen enthalten.

Arbeitsrechtliche Verfahren

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten teils abweichende Grundsätze zu Kosten und Vertretung. Die Rücknahme beendet den anhängigen Rechtszug; in der ersten Instanz kann die Kostentragung von den allgemeinen Zivilregeln abweichen, während im Rechtsmittelzug eigene Kostenregeln gelten.

Unwirksamkeit, Anfechtung und Widerruf

Unklare oder bedingte Erklärungen

Ist die Rücknahmeerklärung unbestimmt, widersprüchlich oder an Bedingungen geknüpft, kann sie unwirksam sein. Gerichte verlangen eine klare, vorbehaltlose Erklärung, die das betroffene Rechtsmittel und das Verfahren zweifelsfrei bezeichnet.

Irrtum, Drohung, Täuschung

Eine einmal wirksam erklärte Rücknahme ist grundsätzlich nicht frei widerruflich. Unter engen Voraussetzungen kann jedoch eine Anfechtung der Rücknahmeerklärung in Betracht kommen, wenn sie etwa durch erhebliche Irrtümer, Drohung oder Täuschung zustande kam. Ob und mit welchen Folgen eine solche Anfechtung greift, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts.

Unwiderruflichkeit und Grenzen

Nach wirksamer Rücknahme gilt das Rechtsmittel als nicht weiter betrieben. Ein späterer Umschwenk ist regelmäßig ausgeschlossen. Nur wenn die Rücknahme unwirksam war oder erfolgreich angefochten wird, kommt eine Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens in Betracht.

Praxisrelevante Konstellationen

Rücknahme nach Vergleich

Schließen die Parteien einen Vergleich, wird das Rechtsmittel oft im Anschluss zurückgenommen, um das Verfahren formell zu beenden. Die Kostenverteilung folgt dann entweder der getroffenen Einigung oder den allgemeinen Regeln für Rücknahmen.

Rücknahme bei teilweiser Abhilfe durch die Vorinstanz

Hat die Vorinstanz der Beschwer teilweise abgeholfen, kann eine Teilrücknahme in Betracht kommen, um nur noch die verbliebenen Streitpunkte im Rechtsmittelzug zu klären. Die Reichweite der Rücknahme bestimmt den Umfang der Rechtskraft.

Rücknahme durch Bevollmächtigte

Erfolgt die Rücknahme durch Bevollmächtigte, kommt es auf eine ausreichende Vertretungsmacht an. In Instanzen mit Vertretungszwang ist die Rücknahme durch entsprechend zugelassene Vertretung zu erklären. Überschreitungen der Vollmacht können je nach Konstellation Auswirkungen auf die Wirksamkeit haben.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Rechtsmittelrücknahme?

Die Rechtsmittelrücknahme ist die Erklärung, ein bereits eingelegtes Rechtsmittel nicht weiterzuverfolgen. Das Rechtsmittelverfahren endet dadurch ohne inhaltliche Entscheidung der höheren Instanz, und die angefochtene Entscheidung wird in der Regel bestandskräftig.

Bis wann kann ein Rechtsmittel zurückgenommen werden?

Die Rücknahme ist grundsätzlich bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel möglich. Wirksam wird sie mit Eingang der Erklärung beim zuständigen Gericht. Nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens ist eine Rücknahme gegenstandslos.

Welche Form muss die Rücknahme haben?

Erforderlich ist eine eindeutige, gegenüber dem zuständigen Gericht abgegebene Erklärung. Üblich sind schriftliche, zu Protokoll gegebene oder zugelassene elektronische Erklärungen. Sie muss das betroffene Rechtsmittel und das Verfahren klar bezeichnen.

Kann eine einmal erklärte Rechtsmittelrücknahme widerrufen werden?

Ein freier Widerruf ist regelmäßig ausgeschlossen. Nur wenn die Rücknahme unwirksam war oder unter besonderen, eng begrenzten Voraussetzungen erfolgreich angefochten wird, kommt eine Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens in Betracht.

Wer trägt die Kosten nach einer Rücknahme?

Im Regelfall trägt die zurücknehmende Partei die Kosten des Rechtsmittelzugs. Je nach Verfahrensart können daneben die notwendigen Auslagen der Gegenseite oder besondere Kostenregeln gelten.

Ist eine teilweise Rücknahme möglich?

Ja. Ein Rechtsmittel kann auf einzelne Punkte beschränkt oder teilweise zurückgenommen werden. Der nicht zurückgenommene Teil bleibt anhängig; nur der zurückgenommene Teil wird bestandskräftig.

Welche Folgen hat die Rücknahme für ein Anschlussrechtsmittel?

Ist ein Anschlussrechtsmittel von einem Hauptrechtsmittel abhängig, kann die Rücknahme des Hauptrechtsmittels dazu führen, dass das Anschlussrechtsmittel seine Wirkung verliert. Die genaue Rechtsfolge richtet sich nach der jeweiligen Verfahrensart.