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Ratchet


Begriff und Definition: Ratchet

Der Begriff „Ratchet“ findet im rechtlichen Kontext, besonders im Bereich des Gesellschaftsrechts und der Unternehmensfinanzierung Anwendung. Er bezeichnet eine vertraglich vereinbarte Anpassungsmechanik, welche die Beteiligungs- oder Bezugsrechte bestimmter Investoren nach unten oder oben „nachzieht“ („ratchen“), meist als Reaktion auf zukünftige Kapitalmaßmaßnahmen, wie z.B. spätere Finanzierungsrunden. Mit einem Ratchet werden primär Eigenkapitalpositionen so gestaltet, dass der ursprüngliche Investor vor Verwässerung seines Anteils geschützt wird.

Erscheinungsformen des Ratchet im Recht

Down-Ratchet

Die am häufigsten eingesetzte Form ist das Down-Ratchet. Konkret bedeutet diese Klausel, dass im Falle einer Kapitalerhöhung zu einem niedrigeren Preis pro Anteil als dem vom Ratchet-Begünstigten gezahlten, dieser rückwirkend so gestellt wird, als hätte auch er zum niedrigeren Preis investiert. Dadurch erhält er zusätzliche Geschäftsanteile, um seinen Wertverlust auszugleichen.

Anwendung in Finanzierungsrunden

Kapitalgesellschaften, insbesondere Start-Ups und wachstumsorientierte Unternehmen, nutzen Down-Ratchets, um Anreize für frühe Investoren zu schaffen. Rechtlich wird hierfür meist im Rahmen von Beteiligungsverträgen, Gesellschaftervereinbarungen oder Wandeldarlehensverträgen eine Anpassungsformel integriert.

Up-Ratchet

Das Up-Ratchet ist das Gegenstück zum Down-Ratchet. Hier kommt es zur Reduktion oder sogar zum Entzug bevorzugter Beteiligungsrechte, etwa wenn sich in einer zukünftigen Finanzierungsrunde ein höherer Unternehmenswert realisiert. Diese Variante wird vergleichsweise selten verwendet, da sie bestehende Investoren benachteiligen kann.

Full Ratchet versus Weighted Average Ratchet

Im rechtlichen Gebrauch lassen sich zwei Hauptarten unterscheiden:

  • Full Ratchet: Der Begünstigte wird so gestellt, als hätte sein ursprünglicher Anteilserwerb vollständig zum niedrigsten Preis der neuen Runde stattgefunden.
  • Weighted Average Ratchet: Hierbei erfolgt die Anpassung nach einer mathematischen Durchschnittsformel unter Berücksichtigung der Höhe und Bedingungen der neuen Kapitalmaßnahme.

Beide Versionen werden explizit im Beteiligungsvertrag festgelegt.

Rechtliche Ausgestaltung eines Ratchet

Vertragstechnische Umsetzung

Die Ratchet-Regelung findet sich in Investment- und Beteiligungsverträgen sowie im Gesellschaftsvertrag. Ihre rechtssichere Gestaltung ist zentral, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Häufig werden dazu folgende zentralen Aspekte geregelt:

  • Konkretisierung der Auslöseereignisse: z.B. weitere Finanzierungsrunde unterhalb eines bestimmten Unternehmenswertes (Down-Ratchet)
  • Berechnungsmethode der Anpassung: exakte Formeln einschließlich Bezugsgrößen und Zeitrahmen
  • Begünstigtenkreis: Definition, welche Investoren unter die Klausel fallen
  • Begrenzung der Wirkung: z.B. zeitliche Befristung, anlassbezogen oder auf bestimmte Beträge limitiert
  • Nebenrechte und Pflichten: etwa Anpassungen von Stimmrechten oder Liquidationspräferenzen

Gesellschaftsrechtliche Bezüge

Die Implementierung eines Ratchets erfordert regelmäßig Satzungsänderungen bzw. entsprechende Absprachen unter den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder einer Aktiengesellschaft (AG). Je nach Rechtsform und nationaler Gesetzgebung sind dazu unterschiedliche Mehrheiten und Formalien notwendig, wie etwa Hauptversammlungsbeschlüsse, notarielle Beurkundung oder Eintragungen ins Handelsregister.

Auswirkungen auf bestehende Gesellschafter

Durch die Wirksamkeit einer Ratchet-Klausel kann es zur Verwässerung der Anteile nicht begünstigter Gesellschafter kommen. Dies kann sich nachteilig auf deren Mitsprache- und Vermögensrechte auswirken. Aus diesem Grund werden Ratchet-Klauseln im Rahmen von Gesellschafterversammlungen oft ausführlich verhandelt und bei Bedarf mit Zustimmungs- oder Vetorechten ausgestattet.

Grenzen und Beschränkungen des Ratchet im deutschen Recht

Gesetzliche Restriktionen

Im deutschen Gesellschaftsrecht ergeben sich insbesondere aus dem GmbH-Gesetz sowie dem AktG bestimmte Schranken. Beispielsweise darf eine Ratchet-Regelung nicht gegen das Verbot der Rückzahlung von Einlagen verstoßen (§ 30 GmbHG). Auch gesellschaftsvertragliche Gleichbehandlungsgebote und die Rechte von Minderheitsgesellschaftern sind bei der Vertragsgestaltung zwingend zu beachten.

Rechtsprechung und Schiedsverfahren

Deutsche Gerichte setzen hohe Anforderungen an die Transparenz und Fairness von Ratchet-Klauseln. Eine unangemessene Benachteiligung nicht-begünstigter Gesellschafter kann zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Regelung führen. Insbesondere die Offenlegung und Verständlichkeit im Gesellschaftsvertrag, die Ausgestaltung der Auslösemechanismen und die klare Begrenzung sind rechtlich empfehlenswert.

Steuerrechtliche Folgen

Ratchet-Klauseln können steuerliche Auswirkungen haben. Beispielsweise kann eine Zuteilung zusätzlicher Anteile an einen Investor als steuerbarer Vorgang (Schenkung oder verdeckte Einlage) eingestuft werden. Unternehmen und Investoren sollten daher die steuerlichen Konsequenzen bei der Gestaltung und Umsetzung einer Ratchet-Vereinbarung sorgfältig prüfen.

Ratchet in internationalen Transaktionen

Anwendung im internationalen Vergleich

Während Ratchet-Klauseln im US-amerikanischen Recht (bspw. Delaware Law) nahezu Standard bei Venture-Capital-Investitionen sind, setzt der deutsche Markt tendenziell restriktivere Maßstäbe. In grenzüberschreitenden Beteiligungen ist daher exakt zu klären, welchem Recht und Gerichtsstand die Ratchet-Regelung unterliegt.

Konflikte mit zwingendem Recht

Transnationale Beteiligungen können zu Kollisionen mit dem deutschen, europäischen oder anderen nationalen Gesellschafts-, Steuer- oder Kapitalmarktrecht führen. Eine umsichtig formulierte Rechtswahl- und Gerichtsstandklausel ist in solchen Fällen empfehlenswert, um Unsicherheiten zu vermeiden.

Zusammenfassung: Bedeutung und Rechtsfolgen des Ratchet

„Ratchet“ ist ein wesentliches Gestaltungsinstrument im Rahmen von Beteiligungsfinanzierungen und Unternehmenstransaktionen. Die rechtliche Umsetzung verlangt ein hohes Maß an Präzision und Sensibilität gegenüber gesellschafts-, steuer- sowie transaktionsrechtlichen Rahmenbedingungen. Die Interessenbalance zwischen Investoren und bestehenden Anteilseignern, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sowie die Vermeidung steuerlicher und regulativer Risiken sind zentrale Aspekte bei der vertraglichen Integration eines Ratchets. Eine sauber ausgearbeitete, dem Willen aller Parteien entsprechende Ratchet-Klausel ist ein wichtiger Baustein, um die Handlungs- und Planungssicherheit für Unternehmen und Kapitalgeber gleichermaßen zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Anwendung von Ratchet-Klauseln in Venture Capital Verträgen?

Die Anwendung von Ratchet-Klauseln in Venture Capital Verträgen birgt verschiedene rechtliche Risiken, die sowohl für Gründer als auch für Investoren von erheblicher Bedeutung sind. Ratchet-Klauseln führen dazu, dass sich die Beteiligungsverhältnisse der Gründer und frühen Investoren zum Teil drastisch verändern können, wenn bei nachfolgenden Finanzierungsrunden die Bewertung des Start-ups sinkt (Down Round). Aus rechtlicher Sicht besteht das zentrale Risiko darin, dass bestehende Gesellschafter durch Verwässerung ihrer Anteile benachteiligt werden können, was dazu führen kann, dass ihre Stimmrechte und Mitspracherechte erheblich eingeschränkt werden – insbesondere, wenn keine entsprechenden Schutzmechanismen (wie z.B. Verwässerungsschutz oder Zustimmungserfordernisse) im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben sind. Darüber hinaus müssen Ratchet-Klauseln transparent und eindeutig im Gesellschaftervertrag geregelt sein, da ansonsten bei Unklarheiten das Risiko von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien besteht. Weiterhin ist zu beachten, dass solche Klauseln unter Umständen einer AGB-rechtlichen Kontrolle nach § 307 BGB unterliegen können, wenn sie einseitig zu Lasten von Gründerinnen gehen und sie unangemessen benachteiligen.

Welche Grenzen setzt das deutsche Gesellschaftsrecht der Gestaltung von Ratchet-Klauseln?

Das deutsche Gesellschaftsrecht lässt in Bezug auf die Vertragsfreiheit weite Spielräume bei der Gestaltung von Beteiligungs- und Wandlungsklauseln. Allerdings dürfen Gestaltungsmöglichkeiten nicht gegen zwingende gesetzliche Vorgaben verstoßen. Insbesondere ist es nicht zulässig, dass Ratchet-Klauseln dazu genutzt werden, satzungsmäßige oder gesetzlich garantierte Minderheitenrechte auszuhebeln. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen Mehrheitsgesellschafter durch solche Regelungen Minderheitsgesellschafter nicht willkürlich oder treuwidrig benachteiligen (Grundsatz der Gleichbehandlung und Treuepflicht gemäß § 242 BGB). Zudem können Ratchet-Mechanismen, die faktisch wie eine Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen wirken, einer besonderen Rechtfertigung bedürfen und müssen mit den gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Einziehung von Anteilen (§ 34 GmbHG) übereinstimmen. Die Transparenz- und Klarheitsgebote sind zwingend zu beachten, um nachteilige Überraschungen für Handelnde und Gesellschafter zu vermeiden.

Muss eine Ratchet-Klausel im Handelsregister eingetragen werden?

Ratchet-Klauseln selbst müssen als schuldrechtliche Nebenabreden grundsätzlich nicht im Handelsregister eingetragen werden. Sie wirken primär im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern. Rechtlich verbindlich werden sie erst durch die Aufnahme in den Gesellschaftervertrag (bzw. Beteiligungsvertrag). Allerdings können bestimmte Veränderungen, die aus der Anwendung einer Ratchet-Klausel resultieren, wie z.B. eine Änderung der Beteiligungsquoten oder die Ausgabe neuer Geschäftsanteile, eintragungspflichtig werden, sofern sie Auswirkungen auf die Satzung (Gesellschaftsvertrag) haben. Insbesondere relevante Kapitalmaßnahmen – z.B. Kapitalerhöhungen oder Stimmrechtsänderungen – bedürfen der notariellen Beurkundung und können zur Eintragung im Handelsregister führen. Empfehlenswert ist die rechtzeitige rechtliche Prüfung, ob und wie die Ergebnisse einer Ratchet-Anwendung satzungsmäßig einzuarbeiten und ggf. beim Registergericht anzumelden sind.

Wie kann ein Missbrauch von Ratchet-Klauseln vertraglich ausgeschlossen werden?

Der Missbrauch von Ratchet-Klauseln lässt sich durch eine ausgewogene und detaillierte Vertragsgestaltung sowie durch Implementierung von Kontroll- und Schutzmechanismen begrenzen. Dies kann u.a. durch die Festlegung von Grenzen für die Wirksamkeit der Ratchet-Klausel (z.B. ein Cap für maximal gewährte Anteile), durch Klarstellung von Ausnahmetatbeständen (etwa bei Down Rounds aus externen, unverschuldeten Anlässen) und durch Aufnahme von Zustimmungserfordernissen für relevante Maßnahmen (wie bei Verwässerungsschutzklauseln oder Drag-Along/Tag-Along-Klauseln) erfolgen. Teilweise werden auch vetorechtliche Beteiligungen der Gründerinnen oder bestimmter Minderheitsgesellschafter vorgesehen. Rechtlich bedeutsam ist ferner, dass Ratchet-Klauseln klar, eindeutig und nachprüfbar formuliert werden, um Streitpotenzial bezüglich ihrer Anwendung und Reichweite zu minimieren. Eine unabhängige rechtliche Prüfung aller Klauseln im Vorfeld ist dringend zu empfehlen.

Welche steuerlichen Folgen können sich aus der Anwendung einer Ratchet-Klausel ergeben?

Neben den gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen können die Wirkungen einer Ratchet-Klausel auch steuerliche Implikationen für die beteiligten Gesellschafter haben. Wenn durch die Anwendung einer Ratchet-Klausel Anteile verschoben oder Wertzuweisungen geändert werden, kann dies als entgeltliches Geschäft oder als verdeckte Einlage/Entnahme angesehen werden. Insbesondere kann eine verdeckte Einlage gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung entstehen, falls die Umverteilung nicht dem Fremdvergleich standhält. Bei der Übertragung von Anteilen kann außerdem Grunderwerbsteuer oder Schenkungsteuer relevant werden, sofern es sich um eine unentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung handelt. Ebenfalls kommt es auf die steuerliche Qualifikation der Ratchet-Klausel in der jeweiligen Konstellation an – insb. im Hinblick auf Kapitalertragsteuer und Einkommensteuer. Es empfiehlt sich daher dringend, vor Einführung und Aktivierung einer Ratchet-Klausel steuerrechtlichen Rat einzuholen.

Welche Formvorschriften sind bei der Einführung einer Ratchet-Klausel in Gesellschaftsverträgen zu beachten?

Für die wirksame Einführung einer Ratchet-Klausel im Rahmen des Gesellschaftsvertrags einer GmbH bedarf es in der Regel einer notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG), da jede Satzungsänderung der notariellen Beurkundung bedarf. Enthält der Gesellschaftervertrag Bestimmungen zu Kapitalmaßnahmen oder Stimmrechten infolge einer Ratchet-Anwendung, sind diese entsprechend notariell zu beurkunden. Wurde die Ratchet-Klausel im Rahmen eines separaten Beteiligungsvertrags ausgestaltet, genügt aus rechtlicher Sicht grundsätzlich die Schriftform, sofern keine satzungsrelevanten Bestandteile betroffen sind. Dort, wo die Ratchet-Klausel praktisch zu einer Verschiebung von Gesellschaftsrechten (z.B. Ausgabe neuer Anteile) führt, ist gegebenenfalls zusätzlich eine Gesellschafterversammlung und eine entsprechende satzungsmäßige Mehrheit zur Änderung erforderlich.

Ist die Durchsetzung einer Ratchet-Klausel gerichtlich erzwingbar?

Die gerichtliche Durchsetzbarkeit einer Ratchet-Klausel hängt maßgeblich von deren inhaltlicher Ausgestaltung und der Einhaltung sämtlicher rechtlicher Voraussetzungen ab. Grundsätzlich sind Ratchet-Klauseln – sofern sie transparent und eindeutig geregelt sind und nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen – rechtsverbindlich und können gerichtlich durchgesetzt werden. Gleichwohl können individuelle gerichtliche Entscheidungen zur Unwirksamkeit einzelner Klauseln führen, wenn sie etwa eine unangemessene Benachteiligung einer Vertragspartei darstellen (§ 138 BGB, Sittenwidrigkeit, oder § 307 BGB, AGB-rechtliche Kontrolle). Relevant ist zudem, dass sämtliche gesellschaftsrechtlichen Verfahren eingehalten wurden (z.B. korrekte Einladung zur Gesellschafterversammlung, satzungsmäßige Mehrheiten). Liegt ein Verstoß gegen Formvorschriften, Beschlussfassung oder Minderheitenschutz vor, kann die gerichtliche Durchsetzung beeinträchtigt werden. Ein individueller Rechtsbeistand zur gerichtlichen Durchsetzung ist empfehlenswert, um die Wirksamkeit der Ratchet-Klausel im Einzelfall zu prüfen und zu gewährleisten.