Begriff und Definition der Produktions(Produktiv)genossenschaft
Eine Produktionsgenossenschaft, auch Produktivgenossenschaft genannt, ist eine besondere Form der Genossenschaft, bei der die gemeinsame Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch die Mitglieder im Vordergrund steht. Ziel der Genossenschaft ist die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels eines gemeinschaftlichen Unternehmens. Im Unterschied zu Konsumgenossenschaften steht hier nicht die Beschaffung und Verteilung von Waren, sondern die gemeinschaftliche Produktion oder Leistungserbringung im Fokus. Rechtsgrundlage für die Produktionsgenossenschaft bilden insbesondere die Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes (GenG).
Rechtsnatur und Abgrenzung
Genossenschaft als juristische Person
Produktionsgenossenschaften sind eingetragene Genossenschaften (eG) und gelten damit als juristische Personen des Privatrechts. Sie sind Träger eigener Rechte und Pflichten, können selbständig Verträge schließen, vor Gericht klagen und verklagt werden sowie Eigentum erwerben. Die Eintragung ins Genossenschaftsregister ist konstitutiv und macht die Genossenschaft rechtsfähig.
Abgrenzung zu anderen Unternehmensformen
Zu unterscheiden sind Produktionsgenossenschaften sowohl von Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH, AG), bei denen der Erwerbszweck über die Kapitalbeteiligung verwirklicht wird, als auch von Personengesellschaften, bei denen die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter im Vordergrund steht. Im Unterschied zur GbR oder OHG ist bei der Genossenschaft die Haftung der Mitglieder grundsätzlich auf ihre Geschäftsanteile beschränkt, es sei denn, die Satzung sieht eine Nachschusspflicht vor.
Auch zur Arbeitnehmer-Kooperative und zum Unternehmen in Arbeitnehmerhand bestehen Überschneidungen, allerdings ist die Produktionsgenossenschaft in erster Linie auf die gemeinsame Wirtschaftstätigkeit gleichberechtigter Mitglieder ausgerichtet und verfolgt meist nicht vorrangig „soziale“ oder selbstverwaltende Zwecke.
Gründung und Organisation der Produktionsgenossenschaft
Gründungsvoraussetzungen
Für die Gründung einer Produktionsgenossenschaft sind mindestens drei natürliche oder juristische Personen erforderlich (§ 4 GenG). Die Satzung ist schriftlich festzuhalten und muss bestimmte Mindestinhalte wie Firma, Sitz, Gegenstand des Unternehmens, Regelungen zu Mitgliedschaft und Beiträge sowie die Organe der Genossenschaft enthalten (§ 6 GenG). Nach Gründung erfolgt die Eintragung in das Genossenschaftsregister, womit die Genossenschaft als solche entsteht.
Organe der Produktionsgenossenschaft
- Generalversammlung: Die Generalversammlung ist das oberste Organ und entscheidet über grundlegende Angelegenheiten wie Satzungsänderungen, Jahresabschluss, Gewinnverwendung, Wahl des Aufsichtsrats sowie über die Bestellung des Vorstands.
- Vorstand: Der Vorstand leitet die Genossenschaft, führt die Geschäfte und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich (§ 27 GenG).
- Aufsichtsrat: In Genossenschaften mit mehr als 20 Mitgliedern ist zwingend ein Aufsichtsrat zu bilden, der die Geschäftsführung überwacht (§ 9 Abs. 1 GenG).
Mitgliedschaft und Rechte der Mitglieder
Mitglied der Genossenschaft können natürliche und juristische Personen werden. Die Mitgliedschaft ist durch den Erwerb eines Geschäftsanteils sowie die Einhaltung der Satzungsregelungen begründet. Mitglieder haben insbesondere das Recht auf Teilnahme und Stimmabgabe in der Generalversammlung, Anspruch auf Gewinnbeteiligung sowie Informationsrechte.
Im Gegenzug treffen die Mitglieder Mitwirkungs- und Treuepflichten. Sie tragen das Risiko einer Nachschusspflicht, sofern dies in der Satzung vorgesehen ist. Der Austritt und die Kündigung der Mitgliedschaft sind unter Einhaltung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Fristen möglich.
Zweck und Tätigkeitsbereiche
Der Zweck der Produktionsgenossenschaft ist üblicherweise die gemeinsame Ausübung einer wirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Produktion. Beispielsweise schließen sich Handwerker, Landwirte oder Kleingewerbetreibende zu einer Genossenschaft zusammen, um unternehmerische Synergien zu nutzen. Änderungen des Geschäftszwecks können durch Beschluss der Generalversammlung und Satzungsänderung herbeigeführt werden.
In der Rechtspraxis unterscheidet man häufig zwischen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (wie LPGs in der DDR), gewerblichen und dienstleistungsorientierten Produktivgenossenschaften. Die Kooperationsform dient typischerweise der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Betriebe durch Bündelung von Ressourcen, technische Zusammenarbeit oder gemeinsame Vermarktung.
Haftung und Nachschusspflicht
Eine wichtige rechtliche Besonderheit betrifft die Haftung. Grundsätzlich haften Produktionsgenossenschaften mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Nachschusspflicht der Mitglieder besteht nur, wenn sie ausdrücklich in der Satzung geregelt wurde (§ 22 Abs. 1 GenG).
Erfahrungsgemäß sind Produktiongenossenschaften mit beschränkter Nachschusspflicht für attraktivere Haftungsbegrenzung ausgestattet. Eine unbeschränkte Haftung kann, je nach Ausgestaltung der Satzung, eine wirtschaftliche Belastung für die Mitglieder bedeuten.
Rechnungslegung, Prüfung und Aufsicht
Genossenschaften unterliegen einer besonderen Rechnungslegungspflicht. Der Jahresabschluss ist gemäß den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) aufzustellen. Zusätzlich besteht die Pflicht zu einer regelmäßigen Prüfung durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband (§ 53 ff. GenG). Diese Prüfungen sollen wirtschaftliche Situation und Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung sicherstellen. Verstöße können zur zwangsweisen Auflösung oder zum Entzug der Rechtsfähigkeit führen.
Steuerliche Aspekte
Produktionsgenossenschaften unterliegen den allgemeinen steuerlichen Vorschriften des Körperschaftssteuer- und Gewerbesteuerrechts. Besonderheiten bestehen insbesondere bei der Behandlung von Rückvergütungen, Gewinnverteilung und Ausschüttungen an Mitglieder. Die steuerliche Behandlung richtet sich maßgeblich nach der konkreten Ausgestaltung und dem Tätigkeitsbereich der Genossenschaft.
Auflösung und Beendigung der Produktionsgenossenschaft
Die Auflösung einer Produktionsgenossenschaft kann durch Beschluss der Generalversammlung, durch Ablauf einer vereinbarten Zeit, durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder durch gerichtliche Entscheidung erfolgen (§ 77 GenG). Nach der Auflösung folgt die Liquidation entsprechend den gesetzlichen Vorgaben. Etwaiges verbleibendes Vermögen wird grundsätzlich an die Mitglieder verteilt, soweit dies mit den Satzungsbestimmungen im Einklang steht.
Historische Entwicklung und Bedeutung im internationalen Kontext
Produktionsgenossenschaften haben eine lange geschichtliche Tradition, insbesondere in Europa. Im deutschsprachigen Raum waren sie ein wichtiger Bestandteil der Genossenschaftsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert. In sozialistischen Staaten wie der DDR oder der Sowjetunion bestanden besondere Formen wie die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) mit abweichender rechtlicher Ausgestaltung.
International unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen wesentlich, etwa im Genossenschaftsrecht der Schweiz, Österreichs oder Frankreichs. Häufig orientieren sich die jeweiligen Regelungen am nationalen Genossenschaftsgesetz, wobei die jeweils landesspezifische Praxis und politische Einflüsse eine bedeutende Rolle spielen.
Fazit
Die Produktions(Produktiv)genossenschaft stellt eine eigenständige Rechtsform im Wirtschaftsleben dar. Sie bietet ihren Mitgliedern die Möglichkeit, gemeinsame wirtschaftliche Interessen in einer haftungsbegrenzten, demokratisch organisierten Unternehmensform zu verfolgen. Wesentliche rechtliche Grundlagen finden sich im Genossenschaftsgesetz, ergänzt durch steuer- und prüfungsrechtliche Vorschriften. Die genaue Ausgestaltung der Mitgliedschaft, Haftung, Organisation und Zielsetzung ergibt sich aus Satzungsrecht und gesetzlicher Regelung. Damit ist die Produktionsgenossenschaft ein vielseitiges Instrument zur Förderung gemeinschaftlicher Produktion und wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsform besitzt eine Produktionsgenossenschaft und wie wird sie gegründet?
Produktionsgenossenschaften, auch Produktivgenossenschaften genannt, sind in Deutschland in der Regel als eingetragene Genossenschaften (eG) gemäß dem Genossenschaftsgesetz (GenG) organisiert. Die Gründung erfolgt durch mindestens drei natürliche oder juristische Personen mittels einer notariell beurkundeten Satzung. In dieser müssen unter anderem Firma, Sitz, Gegenstand des Unternehmens, Mitgliedschaftsrechte und die Regeln zur Gewinn- sowie Verlustverteilung geregelt sein. Zusätzlich ist die Anmeldung zur Eintragung ins Genossenschaftsregister notwendig, welches beim zuständigen Amtsgericht geführt wird. Weiterhin ist die Beteiligung eines Prüfungsverbandes zur Gründungsprüfung gemäß § 11 GenG erforderlich, ohne deren positive Stellungnahme keine Eintragung erfolgen kann. Die Gründungskosten und formalen Anforderungen, wie z. B. die Offenlegung der Gründungsmitglieder, unterliegen strengen gesetzlichen Richtlinien zur Wahrung der Transparenz und der Sicherheit der Mitgliederinteressen.
Welche Haftungsregeln gelten für Mitglieder einer Produktionsgenossenschaft?
In Produktionsgenossenschaften haften die Mitglieder grundsätzlich nur mit ihrer Genossenschaftseinlage. Diese beschränkte Haftung unterscheidet die Genossenschaft von Personengesellschaften, in denen unter Umständen eine persönliche Haftung in Betracht kommt. Allerdings kann in der Satzung auch eine Nachschusspflicht vorgesehen sein (§ 22 GenG), wodurch Mitglieder im Bedarfsfall verpflichtet werden können, über ihre Einlage hinaus weitere finanzielle Mittel beizubringen. Die Höhe und Bedingungen einer solchen Nachschusspflicht müssen explizit in der Satzung geregelt sein. Ansonsten bleiben private Vermögenswerte der Mitglieder geschützt, und Gläubiger können nur auf das Genossenschaftsvermögen zugreifen.
Wie werden die Organe der Produktionsgenossenschaft rechtlich bestimmt und was sind deren Zuständigkeiten?
Die rechtlichen Organe einer Produktionsgenossenschaft sind die Generalversammlung, der Vorstand und der Aufsichtsrat. Die Generalversammlung stellt das höchste Organ dar und entscheidet unter anderem über Satzungsänderungen, die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates sowie die Verwendung des Jahresüberschusses. Der Vorstand wird in der Regel von der Generalversammlung gewählt und übernimmt die Geschäftsführung sowie die Vertretung der Genossenschaft nach außen (§ 24 GenG). Der Aufsichtsrat, der durch die Generalversammlung bestimmt wird, überwacht den Vorstand und hat Kontrollfunktionen, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung.
Welche besonderen Mitbestimmungsrechte haben Mitglieder einer Produktionsgenossenschaft?
Mitglieder einer Produktionsgenossenschaft verfügen über weitreichende Mitbestimmungsrechte, die über die übliche Aktionärsmitbestimmung hinausgehen. Jedes Mitglied hat grundsätzlich eine Stimme in der Generalversammlung, unabhängig von der Höhe der Kapitalbeteiligung (§ 43 GenG – „one man, one vote“-Prinzip). Durch dieses demokratische Grundprinzip wird sichergestellt, dass wirtschaftliche Entscheidungen nicht von Großinvestoren, sondern kollektiv getroffen werden. Zu den Mitbestimmungsrechten gehören unter anderem das Stimmrecht bei Wahlen, das Antragsrecht, Auskunfts- und Einsichtsrechte sowie das Recht, Maßnahmen der Genossenschaft anzufechten, sofern diese gegen Gesetz oder Satzung verstoßen.
Welche rechtlichen Besonderheiten bestehen bei der Gewinn- und Verlustverteilung?
Die Gewinn- und Verlustverteilung in einer Produktionsgenossenschaft erfolgt nach den Vorgaben der Satzung, wobei das Genossenschaftsgesetz als Auffangregelung die Verteilung grundsätzlich nach dem Anteil der Geschäftsbeziehungen bzw. nach dem Maß der Beteiligung vorsieht (§ 19 GenG). Es ist möglich, die Verteilung so zu gestalten, dass sie sich nicht (allein) nach Kapitaleinlage, sondern nach Mitarbeit oder Nutzung bemisst, was der Förderzweck der Genossenschaft ist. Verluste werden, soweit nicht durch Rücklagen gedeckt, nach einem in der Satzung festgelegten Schlüssel verteilt. Auch können beschlossene Rücklagenbildung und Pflichtdotierungen das Verteilungsvolumen reduzieren, um die wirtschaftliche Solidität der Genossenschaft zu sichern.
Inwiefern unterliegen Produktionsgenossenschaften besonderen Prüfungs- und Offenlegungspflichten?
Produktionsgenossenschaften sind nach § 53 GenG verpflichtet, sich regelmäßig einer genossenschaftlichen Pflichtprüfung durch einen anerkannten Prüfungsverband zu unterziehen. Dabei werden nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung geprüft. Die Prüfungsberichte sind der Generalversammlung vorzulegen und müssen mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Zusätzlich gelten, sofern im Handelsregister eingetragen und gewisse Schwellenwerte überschritten werden, die allgemeinen handelsrechtlichen Offenlegungspflichten, etwa hinsichtlich der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Die Verpflichtung zur laufenden Prüfung dient dem Schutz der Mitglieder und der Gläubiger vor Missmanagement und Insolvenzrisiken.
Welche gesetzlichen Bestimmungen regeln die Auflösung und Liquidation einer Produktionsgenossenschaft?
Die Auflösung einer Produktionsgenossenschaft kann gemäß § 77 GenG auf verschiedene Arten erfolgen: durch Beschluss der Generalversammlung, durch Ablauf einer in der Satzung bestimmten Zeit, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder durch Entscheidung des Gerichts. Nach Auflösung tritt die Genossenschaft in das Stadium der Liquidation ein, die nach gesetzlichen Vorschriften (§§ 82 ff. GenG) von Liquidatoren durchgeführt wird. Die Liquidatoren müssen das Vermögen verwerten, Gläubiger befriedigen und das verbleibende Vermögen entsprechend den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Regelungen an die Mitglieder verteilen. Die Liquidation sowie deren Ergebnisse müssen öffentlich bekannt gemacht und ins Genossenschaftsregister eingetragen werden.