Legal Lexikon

Prämienanleihe


Begriff und Rechtsnatur der Prämienanleihe

Eine Prämienanleihe ist eine besondere Form von Schuldverschreibung, bei der die Rückzahlung des Kapitals ganz oder teilweise durch das Losprinzip erfolgt und die Anleihe mit einer Gewinnchance (Prämie) anstelle einer oder daneben mit einer festen Verzinsung ausgestattet ist. Die Prämienanleihe wird in der Finanzwirtschaft sowohl von staatlichen Emittenten wie auch von Unternehmen als Mittel zur Kapitalbeschaffung genutzt. Sie verbindet Elemente der klassischen Anleihe mit Glücksspielelementen, wobei der rechtliche Rahmen durch einschlägige Wertpapiergesetze sowie zivil- und aufsichtsrechtliche Bestimmungen definiert wird.

Rechtliche Grundlagen

Emissionsrecht und Aufsichtsrecht

Prämienanleihen unterliegen den allgemeinen Regeln für Wertpapiere, insbesondere nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und gegebenenfalls des Kreditwesengesetzes (KWG). Die Emission einer Prämienanleihe setzt regelmäßig die Erstellung eines Wertpapierprospekts gemäß Art. 3 der EU-Prospektverordnung (ProspektVO) voraus, sofern keine Ausnahme greift. Darin sind alle wesentlichen Informationen über die Ausgestaltung und Funktionsweise der Prämienanleihe offen zu legen, was insbesondere für die Bedingungen der Prämienziehung und die Verlust- und Gewinnchancen gilt.

Vertragsrechtliche Einordnung

Aus obligationsrechtlicher Sicht handelt es sich bei der Prämienanleihe um einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen Emittent (Schuldner) und Gläubiger (Inhaber der Urkunde). Die konkrete Ausgestaltung der Rechte und Pflichten ergibt sich aus den jeweiligen Emissionsbedingungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB der Inhaltskontrolle unterliegen können.

Abgrenzung zum Glücksspielrecht

Ein zentrales rechtliches Merkmal der Prämienanleihe ist die Verbindung von Wertpapier und Gewinnspiel. Nach allgemeiner Rechtsauffassung und ständiger Rechtsprechung gelten Prämienanleihen nicht als Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB oder der landesrechtlichen Glücksspielgesetze, da sie eine Kapitalinvestition darstellen und die Rückzahlung der Schuld unabhängig vom Losverfahren gewährleistet ist. Die gewinnbezogenen Zusatzzahlungen fallen damit nicht unter das entsprechende Glücksspielmonopol.

Aufbau und Vertragsbedingungen der Prämienanleihe

Grundstruktur und Funktionsweise

Die Prämienanleihe ist in der Regel als Inhaber- oder Namensschuldverschreibung konzipiert (§§ 793 ff. BGB). Der Käufer erwirbt durch Zeichnung der Anleihe einen festgelegten Nennbetrag, zumeist mit niedriger bis keiner Verzinsung. Anstelle oder zusätzlich zur Verzinsung wird die Vergabe von Geldprämien auf Basis eines Losverfahrens vorgesehen. Die Modalitäten für die Ziehung, Häufigkeit, Gewinnausschüttung und Rückzahlungsbedingungen sind im Anleihebedingungen detailliert festgelegt.

Übertragbarkeit und Handelbarkeit

Prämienanleihen sind in der Regel an Börsen oder geregelten Märkten handelbar. Die Übertragung setzt die Aussagen der jeweiligen Urkunde voraus und richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Sachenrechts über Inhaberpapiere (§ 793 BGB) beziehungsweise Namenspapieren. Die Handelbarkeit unterliegt den Börsengesetzen und -ordnungen sowie den Bestimmungen der Zentralverwahrer.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Rechte des Gläubigers

  • Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrags bei Endfälligkeit der Anleihe
  • Anspruch auf Teilnahme an den Prämienziehungen
  • Anspruch auf Auszahlung von Gewinnprämien bei Ziehung
  • Ggf. Anspruch auf Zinszahlungen, falls vorgesehen
  • Übertragbarkeit der Anleihe – Anspruch aus dem Wertpapier geht regelmäßig mit der Übertragung über

Pflichten des Emittenten

  • Rechtzeitige und ordnungsgemäße Durchführung der Prämienziehungen entsprechend den Anleihebedingungen
  • Sicherstellung der Auszahlung etwaiger Prämien
  • Rückzahlung des Nennbetrags am Laufzeitende gemäß vertraglicher Vereinbarung
  • Erfüllung von Informationspflichten nach Wertpapierprospektrecht

Insolvenzrechtliche Aspekte

Wird der Emittent insolvent, so sind die Inhaber von Prämienanleihen einfache Insolvenzgläubiger, deren Ansprüche aus Rückzahlung und Prämienzahlung zur Tabelle anzumelden sind (§ 38 InsO). Die Losgewinne stehen unter der aufschiebenden Bedingung der jeweiligen Ziehung und werden erst mit Gewinnausschüttung fällig. Bei Insolvenz vor der Ziehung können lediglich die allgemeinen Rückzahlungsansprüche geltend gemacht werden.

Steuerrechtliche Behandlung

Für natürliche Personen mit Wohnsitz in Deutschland werden mögliche Prämiengewinne, Zinsen oder Kursgewinne im Rahmen der Abgeltungsteuer nach § 20 EStG berücksichtigt. Die steuerliche Behandlung im Einzelnen richtet sich nach der Struktur der Prämienanleihe und etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen. Kapitalerträge aus Anleihen sind abgeltungsmindernd im Rahmen des Sparerpauschbetrags zu berücksichtigen.

Verbraucherschutzrechtliche Aspekte

Im Rahmen der Zeichnung von Prämienanleihen durch Privatpersonen findet insbesondere das Wertpapierdienstleistungsrecht nach MiFID II sowie das Fernabsatzrecht nach §§ 312c ff. BGB Anwendung. Dies beinhaltet umfassende Informations-, Beratungs- und Widerrufsrechte für Anleger.

Besonderheiten bei staatlichen Prämienanleihen

Staatliche Prämienanleihen, zum Beispiel von der Republik Österreich oder früher auch von einzelnen Bundesländern ausgegeben, unterliegen regelmäßig zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Vorgaben und genießen mitunter privilegierte Behandlung bezüglich Insolvenzschutz und Einlagensicherung. Unterschiedliche Länder regeln die Ausgestaltung, Ziehung und Bekanntgabe der Prämiengewinne durch spezifische Gesetze oder Verordnungen.

Literaturhinweise und Quellen

  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §§ 793 ff.
  • Insolvenzordnung (InsO)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • VO (EU) 2017/1129 (ProspektVO)
  • KWG, MiFID II, BaFin-Leitlinien
  • Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der BaFin zu Prämienanleihen

Zusammenfassung:
Die Prämienanleihe kombiniert die klassische Anleihe mit einer Gewinnchance und ist rechtlich umfassend geregelt. Sie ist kein Glücksspiel, sondern eine besondere Form der Kapitalanlage mit elementaren Merkmalen des Wertpapierrechts, Aufsichtsrechts, Schuldrechts und Insolvenzrechts. Die detaillierte Ausgestaltung ist den jeweiligen Emissionsbedingungen zu entnehmen und wird durch die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen für Wertpapiere flankiert.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Emittenten bei der Ausgabe von Prämienanleihen beachten?

Die Ausgabe von Prämienanleihen unterliegt in Deutschland den umfangreichen gesetzlichen Regularien des Kapitalmarktrechts, insbesondere dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie relevanten Bestimmungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und weiteren handelsrechtlichen Normen. Emittenten müssen für die öffentliche Platzierung grundsätzlich einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Wertpapierprospekt veröffentlichen, der detaillierte Angaben zu den Prämienkonditionen, der Rückzahlungsstruktur, den Risiken sowie den Mechanismen zur Prämienauslosung enthält. Die Einhaltung der Prospektpflicht soll die Transparenz für Anleger erhöhen und eine möglichst umfassende Risikoaufklärung gewährleisten. Zudem sind insbesondere die Vorgaben zur Gleichbehandlung der Gläubiger und zur ordnungsgemäßen Mittelverwendung einzuhalten. Im Hinblick auf die Prämienziehung bestehen strenge Anforderungen an die Unabhängigkeit und Nachvollziehbarkeit des Auswahlverfahrens.

Unterliegen Prämienanleihen besonderen aufsichtsrechtlichen Vorgaben?

Ja, Prämienanleihen sind als Wertpapiere den Regelungen des Kapitalanlage- und Aufsichtsrechts unterstellt. Die BaFin überwacht sowohl die Prospekterstellung als auch die ordnungsgemäße Abwicklung und Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Schutzvorschriften, etwa zur Marktmanipulation oder Insiderhandel. Werden Prämienanleihen im Rahmen eines organisierten Marktes zum Handel zugelassen, greifen zusätzlich die Vorschriften des Börsengesetzes sowie die jeweiligen börsenrechtlichen Anzeigepflichten. In Einzelfällen können besondere Anforderungen, etwa zur Geldwäscheprävention oder Sanktionen gegen potenzielle Betrugsfälle, schlagend werden.

Wie ist die Prämienziehung aus rechtlicher Sicht zu gestalten?

Die Auslosung der Prämien muss aus rechtlicher Sicht transparent, nachvollziehbar und manipulationssicher ausgestaltet sein. Emittenten müssen daher klare Regelungen im Anleihebedingungen verankern, wie und durch wen die Ziehung erfolgt. Die Ziehung sollte idealerweise öffentlich oder unter Aufsicht eines Notariats oder einer unabhängigen Instanz durchgeführt werden, um Interessenskonflikte und Manipulationsgelegenheiten auszuschließen. Die Ergebnisse der Ziehungen sind dokumentationspflichtig und müssen den Gläubigern in geeigneter Weise zugänglich gemacht werden. Etwaige Streitigkeiten aus der Prämienziehung richten sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts.

Welche Informationspflichten bestehen gegenüber Anlegern?

Anleger einer Prämienanleihe haben umfassende Informationsrechte, die sich insbesondere aus dem Wertpapierprospektgesetz ergeben. Neben der ausführlichen Darstellung aller Modalitäten zur Prämienauslosung, zu Rückzahlungsmodalitäten und Zinshöhen sind auch alle mit der Anlage verbundenen Risiken detailliert zu erläutern. Prospektergänzungen müssen veröffentlicht werden, sollte es während der Laufzeit zu wesentlichen Änderungen kommen. Laufende Berichtspflichten bestehen zudem, sofern die Anleihe an einem regulierten Markt gehandelt wird, woraus sich weitere Informationen etwa im Hinblick auf Insiderinformationen ergeben (§ 15 WpHG).

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei Prospektfehlern oder Falschinformationen?

Werden Anlegern unvollständige, fehlerhafte oder irreführende Informationen im Prospekt oder während der Vermarktung zur Verfügung gestellt, bestehen weitreichende zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen den Emittenten, die Prospektverantwortlichen und weitere Beteiligte (Direkthaftung nach § 9 WpPG). Dies umfasst insbesondere Schadensersatzansprüche der Anleger, die durch eine fehlerhafte Prospektgestaltung einen Vermögensnachteil erlitten haben. Ergänzend können aufsichtsrechtliche Maßnahmen von der BaFin verhängt werden, die bis zur Rücknahme der Produkte vom Markt reichen können. In gravierenden Einzelfällen drohen strafrechtliche Konsequenzen – insbesondere bei vorsätzlicher Täuschung (§ 264a StGB).

Was müssen Anleger im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Prämiengewinnen beachten?

Aus rechtlicher Sicht ist bei Prämienanleihen zu differenzieren, ob Prämien als Erträge aus Kapitalvermögen oder als Lotteriegewinn gewertet werden. In der Praxis werden Prämiengewinne rechtlich regelmäßig als Zinsen aus Wertpapieren klassifiziert und unterliegen damit der Kapitalertragsteuer (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Der Emittent ist grundsätzlich verpflichtet, die Steuer automatisch (abgeltend) einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Zu beachten ist, dass auch außerhalb des Börsenhandels erzielte Prämienerträge steuerpflichtig sind. Soweit Besonderheiten etwa durch Auslandsbezug oder Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, sind diese individuell zu prüfen.

Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes bestehen für Anleger von Prämienanleihen?

Anleger, die sich durch die Ausgestaltung oder Abwicklung einer Prämienanleihe in ihren Rechten verletzt sehen, können grundsätzlich den Zivilrechtsweg beschreiten und unter anderem auf Schadensersatz oder Rückabwicklung klagen. Oftmals sind in den Emissionsbedingungen Gerichtsstandvereinbarungen oder Schiedsgerichtsklauseln enthalten. Zudem besteht die Möglichkeit, sich im Rahmen von Sammelklagen (Musterfeststellungsklage nach § 606 ZPO) gegen den Emittenten zu wehren. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann zudem bei schwerwiegenden Verstößen aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Sicherung der Anlegerinteressen ergreifen.