Definition und rechtliche Grundlagen der Pflegekosten
Pflegekosten bezeichnen sämtliche finanziellen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der pflegerischen Versorgung einer Person entstehen. Sie umfassen sowohl die Kosten für häusliche und stationäre Pflegeleistungen als auch für Betreuung, Versorgung, Unterkunft und Verpflegung im Rahmen einer Pflegebedürftigkeit. Pflegekosten sind ein zentraler Begriff im Sozial- und Versicherungsrecht und spielen insbesondere im Zusammenhang mit der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung, den Sozialhilferegelungen sowie im Unterhaltsrecht eine bedeutende Rolle.
Rechtlicher Begriff und Abgrenzung
Im rechtlichen Sinne lassen sich Pflegekosten als alle notwendigen Ausgaben definieren, die durch die Hilfebedürftigkeit einer Person zur Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens entstehen. Dies beinhaltet sowohl Leistungen der Grundpflege (z.B. Körperpflege, Ernährung, Mobilität) als auch der hauswirtschaftlichen Versorgung sowie pflegerische Betreuung. Pflegekosten werden von anderen damit verwandten Kostenarten wie medizinischen Behandlungskosten (beispielsweise Kosten der ärztlichen Behandlung oder Rehabilitation) abgegrenzt.
Gesetzliche Grundlagen in Deutschland
Die Regelungen zu Pflegekosten finden sich in verschiedenen Rechtsquellen, namentlich:
- Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI): Regelungen zur sozialen Pflegeversicherung
- Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII): Regelungen zur Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelungen zum Unterhalt, auch hinsichtlich Pflegekosten
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Vorschriften zu privaten Pflegeversicherungen
Pflegeversicherung und Pflegekosten
Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)
Mit dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) wurde die soziale Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung etabliert. Ziel ist die finanzielle Absicherung des Pflegebedarfs. Die Pflegeversicherung erbringt bei Pflegebedürftigkeit Geld- oder Sachleistungen zur Deckung der Pflegekosten.
Leistungsumfang
Die soziale Pflegeversicherung unterscheidet bei der Erstattung von Pflegekosten insbesondere:
- Pflegegeld: Für selbstbeschaffte Pflegeleistungen, z.B. bei Pflege durch Angehörige
- Pflegesachleistungen: Für Inanspruchnahme professioneller Pflegekräfte
- Kombinationsleistungen: Kombination von Sach- und Geldleistungen
- Stationäre Pflegeleistungen: Zuschüsse zu den Kosten bei vollstationärer Pflege
Die Höhe der Kostenübernahme ist abhängig vom Pflegegrad (1-5) der betroffenen Person. Die Pflegekassen leisten jedoch nur einen festgelegten pauschalen Beitrag, die tatsächlichen Pflegekosten können über diesen Betrag hinausgehen („Teilkaskoprinzip“).
Private Pflegeversicherung
Personen, die privat krankenversichert sind, sind verpflichtet, eine private Pflegepflichtversicherung abzuschließen. Die Leistungsansprüche richten sich in Art und Umfang nach den Vorschriften des SGB XI, können aber im Detail variieren. Die privaten Pflegeversicherungen erstatten die im Versicherungsvertrag vereinbarten Pflegekosten, regelmäßig jedoch ebenfalls in Form pauschalierter Leistungen.
Pflegekosten und Sozialhilfe (SGB XII)
Reichen eigene Einkünfte und die Leistungen der Pflegeversicherung nicht zur Deckung der Pflegekosten aus, kann im Rahmen der Sozialhilfe ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach SGB XII bestehen. Die Sozialhilfe übernimmt grundsätzlich die ungedeckten notwendigen Pflegekosten, berücksichtigt dabei jedoch Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Person sowie deren Unterhaltspflichtige (§ 61 ff. SGB XII).
Unterhaltsrechtliche Bedeutung der Pflegekosten
Anspruch gegen Angehörige
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind unter bestimmten Voraussetzungen Verwandte in gerader Linie (insbesondere Kinder gegenüber ihren Eltern) verpflichtet, die Kosten der Pflege zu tragen, soweit deren eigenes Einkommen und Vermögen sowie die Sozialleistungen nicht ausreichen (§ 1601 ff. BGB). Im Rahmen des sogenannten Elternunterhalts müssen Kinder unter Umständen Pflegekosten für ihre pflegebedürftigen Eltern aufbringen.
Rückgriff auf Ehepartner und Kinder
Im Rahmen der Sozialhilfe kann der Sozialhilfeträger auf Ehepartner oder unterhaltspflichtige Kinder zurückgreifen. Die Unterhaltsheranziehung erfolgt unter strikter Berücksichtigung bestimmter Schonvermögensgrenzen und Einkommensfreibeträge, die regelmäßig durch Rechtsprechung und Verwaltung konkretisiert werden.
Arten und Umfang der Pflegekosten
Unterscheidung nach Leistungsarten
Pflegekosten lassen sich nach der Art der in Anspruch genommenen Leistungen differenzieren:
- Ambulante Pflegekosten: Kosten für Leistungen in der eigenen Häuslichkeit, einschließlich Hilfe durch ambulante Pflegedienste oder Alltagsbegleitende Betreuung
- Stationäre Pflegekosten: Kosten, die durch die Pflege in einer Einrichtung (Pflegeheim) entstehen, inkl. Investitionskosten, Unterkunft und Verpflegung
- Kurzzeit- und Verhinderungspflege: Vorübergehende Pflege bei Ausfall der Pflegeperson oder zur Überbrückung von Krisensituationen
- Teilstationäre Pflege: Tages- oder Nachtpflege in einer Einrichtung
- Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Kosten für Hilfsmittel (z.B. Pflegebetten) oder Umbauten (z.B. barrierefreier Badumbau)
Umfang und Eigenanteil
Die Höhe der tatsächlichen Pflegekosten richtet sich nach dem individuellen Bedarf, der Pflegestufe bzw. dem Pflegegrad sowie dem vereinbarten Umfang der Pflegeleistungen. In der Praxis übersteigen die tatsächlichen Pflegekosten häufig die Leistungen der Pflegeversicherung, so dass ein Eigenanteil verbleibt, welcher durch die pflegebedürftige Person bzw. deren Angehörige oder Sozialhilfeträger zu tragen ist.
Pflegekosten im Steuerrecht
Aufwendungen für die Pflege einer pflegebedürftigen Person können unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend gemacht werden. Hierzu zählen:
- Außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG): Pflegekosten, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen
- Steuerfreibetrag für Pflegepersonen (§ 33b Abs. 6 EStG)
Anrechnungsfähig sind dabei insbesondere nicht von der Pflegeversicherung erstattete Eigenleistungen.
Pfändbarkeit und Rangfolge der Pflegekosten
Pflegekosten werden im Rahmen der Zwangsvollstreckung als vorrangig pfändbare Forderung behandelt, wenn sie der Sicherung des Existenzminimums dienen. Im Insolvenzverfahren genießen Pflegekosten eine bevorzugte Behandlung zur Aufrechterhaltung der notwendigen Pflege und Versorgung.
Internationale Aspekte
Die Übernahme oder Erstattung von Pflegekosten im grenzüberschreitenden Kontext richtet sich nach europarechtlichen und ggf. bilateralen Abkommen. Insbesondere das Recht auf Mitnahme von Pflegeleistungen ins EU-Ausland ist im SGB XI eingeschränkt, es bestehen jedoch gewisse Ausnahmeregelungen bei kurzfristigem Auslandsaufenthalt oder Wohnsitz in EU-/EWR-Mitgliedsstaaten.
Übersicht der wichtigsten Rechtsprechungen
Mehrere Urteile des Bundessozialgerichts, Bundesgerichtshofs (BGH) sowie der Finanzgerichte konkretisieren die Auslegung und Handhabung von Pflegekosten im Einzelfall, insbesondere zu:
- Zumutbarkeit der Eigenleistung
- Angemessenheit der Pflegekosten
- Heranziehung von Angehörigen
- Steuerliche Absetzbarkeit
- Vertragsgestaltung mit Pflegediensten und Pflegeheimen
Zusammenfassung
Pflegekosten bilden einen zentralen Begriff im Sozialrecht, Unterhaltsrecht und Steuerrecht und umfassen sämtliche für die pflegerische Versorgung entstehenden Aufwendungen. Die Erstattung und Übernahme erfolgt je nach Einzelfall durch gesetzliche, private Versicherungen, Sozialhilfeträger oder unterhaltspflichtige Angehörige. Die Rechtslage ist komplex und unterliegt einer fortlaufenden Entwicklung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Anspruchsgrundlagen und Finanzierungsmöglichkeiten ist im Bereich der Pflegekosten stets erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist aus rechtlicher Sicht grundsätzlich zur Übernahme von Pflegekosten verpflichtet?
Pflegekosten werden in Deutschland grundsätzlich zunächst von der pflegebedürftigen Person selbst getragen. Reichen deren Einkommen und Vermögen nicht aus, kommt die gesetzliche Pflegeversicherung als Teilleistungsträger ins Spiel, da sie vorrangig keine Vollkostenübernahme vorsieht, sondern nur einen festgelegten Anteil übernimmt. Entsteht trotz der Leistungen der Pflegeversicherung eine finanzielle Lücke, so dass die Pflege nicht ausreichend finanziert werden kann, besteht die Möglichkeit, beim Sozialhilfeträger „Hilfe zur Pflege“ nach SGB XII zu beantragen. Ist auch nach Einbeziehung von Pflegeversicherung und eigener Leistungsfähigkeit der Bedarf noch nicht gedeckt, ist das Sozialamt gesetzlich dazu verpflichtet, die verbleibenden Pflegekosten im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen. Allerdings geht das Sozialamt in einem zweiten Schritt dazu über, sogenannte Unterhaltsverpflichtungen von Familienangehörigen zu überprüfen. Seit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz gilt hierbei, dass Kinder von Pflegebedürftigen erst ab einem Bruttojahreseinkommen von über 100.000 Euro zum Unterhalt herangezogen werden können.
Was zählt rechtlich zu den anerkennungsfähigen Pflegekosten?
Unter Pflegekosten werden im rechtlichen Kontext alle Kosten verstanden, die unmittelbar der Pflege und Betreuung dienen. Dazu zählen insbesondere die Aufwendungen für ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen, Kosten für zugelassene Pflegedienste sowie für Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach den §§ 36 ff. SGB XI. Zu den anerkennungsfähigen Kosten gehören auch Heimunterbringung, Aufwendungen für Unterbringung und Verpflegung (sog. Hotelkosten) sowie Investitionskosten der Pflegeheime, sofern diese nicht anderweitig abgedeckt werden. Nicht anerkannt werden jedoch Kosten für Leistungen, die nicht unmittelbar der Pflege dienen, z.B. Friseur, kosmetische Behandlungen oder individuelle Zusatzleistungen, sofern diese über die vertraglich vereinbarten Pflegeleistungen hinausgehen. Die exakte Abgrenzung ist regelmäßig gesetzlichen Vorgaben und vertraglichen Regelungen entnehmbar.
Wie wird das einzusetzende Einkommen und Vermögen bei der Übernahme von Pflegekosten rechtlich bewertet?
Nach den Vorschriften des Sozialrechts, insbesondere §§ 85 ff. SGB XII, muss die pflegebedürftige Person grundsätzlich ihr gesamtes verwertbares Einkommen und Vermögen zur Deckung der Pflegekosten verwenden, bevor staatliche Hilfe eingreift. Hierunter fallen Renten, Miet- und Pachteinnahmen, sowie sonstige Einkünfte. Von diesem Einkommen werden jedoch bestimmte Freibeträge, z.B. für notwendige Ausgaben des täglichen Lebens, gesetzlich garantiert. Auch beim Vermögen existieren sogenannte Schonvermögensgrenzen (z.B. ein Grundfreibetrag von 10.000 Euro für Alleinstehende), das nicht angetastet werden darf. Zum Schonvermögen zählen unter engen Voraussetzungen z.B. kleinere Barbeträge, angemessener Hausrat sowie eine bewohnte, nicht unangemessen große Eigentumswohnung. Besonders bei Eigentum gilt: Die selbstgenutzte Immobilie kann unter bestimmten Voraussetzungen geschützt bleiben, sofern der Lebenspartner oder unterhaltsberechtigte Angehörige dort weiter wohnen.
In welchem Umfang sind Kinder gesetzlich verpflichtet, Pflegekosten im Rahmen des Elternunterhalts zu übernehmen?
Kinder können im Rahmen der Unterhaltspflicht nach den §§ 1601 ff. BGB für die Pflegekosten ihrer Eltern herangezogen werden. Seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes im Jahr 2020 werden Kinder allerdings erst zur Zahlung verpflichtet, wenn ihr Bruttojahreseinkommen 100.000 Euro überschreitet. Liegt das Einkommen darunter, bleibt die Heranziehung nach § 94 Absatz 1a SGB XII ausgeschlossen. Auch bei Überschreiten dieser Grenze werden nur die finanziellen Mittel oberhalb des sogenannten Selbstbehalts angerechnet. Der Selbstbehalt berücksichtigt Lebenshaltungskosten und zum Teil Vorsorgeaufwendungen sowie Unterhaltsverpflichtungen gegenüber eigenen Kindern und Ehegatten. Zur Feststellung der genauen Haftungsquote prüft das Sozialamt die individuelle Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sehr sorgfältig.
Welche gesetzlichen Fristen und Verfahren gelten bei der Beantragung und Bewilligung von Pflegekostenübernahme durch das Sozialamt?
Für die Antragstellung auf Übernahme ungedeckter Pflegekosten sieht das SGB XII keine festen Fristen vor, es gilt jedoch das sogenannte sozialhilferechtliche Bedarfsdeckungsprinzip: Die Leistungen werden mit Wirkung ab Antragstellung, unter bestimmten Bedingungen auch rückwirkend, gewährt. Antragsteller müssen umfassende Angaben zu Einkommen, Vermögen und familiären Verhältnissen machen. Das Sozialamt prüft anschließend die Unterlagen, fordert gegebenenfalls weitere Nachweise an und hört Beteiligte an – insbesondere bei der Prüfung von Unterhaltspflichten Dritter. Die Bearbeitungsdauer variiert je nach Komplexität des Einzelfalls und nachgelagerter Prüfungen, sollte aber laut § 14 SGB IX (Zuständigkeitsklärung) grundsätzlich innerhalb von drei Wochen abgeschlossen sein; Fristüberschreitungen sind zu begründen und mit einem Zwischenbescheid zu versehen. Nach abschließender Prüfung ergeht ein schriftlicher Bescheid, gegen den binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden kann.
Unter welchen Voraussetzungen können Heimbetreiber oder Pflegedienste ausstehende Pflegekosten rechtlich geltend machen?
Pflegedienste und Heimbetreiber schließen in aller Regel zivilrechtliche Verträge mit den Pflegebedürftigen oder deren rechtlichen Betreuern ab. Wird die vereinbarte Vergütung ganz oder teilweise nicht gezahlt, können ausstehende Pflegekosten im Wege der zivilrechtlichen Forderung – inkl. Mahnung, Klageerhebung und notfalls Zwangsvollstreckung – geltend gemacht werden. Dabei ist entscheidend, dass ein wirksamer, schriftlich abgeschlossener Pflegevertrag vorliegt. Sofern Pflegeleistungen gegenüber gesetzlichen oder privaten Pflegekassen abgerechnet werden, erfolgt im Fall von Leistungsablehnung zunächst eine rechtliche Überprüfung (Widerspruch, Klage vor dem Sozialgericht). Gegenüber privat zahlenden Klienten müssen Heimbetreiber im Streitfall ihre Leistung und den Zahlungsanspruch konkret nachweisen (Rechnungslegung, Leistungsnachweis). Falls Dritte (z. B. Angehörige nach einer Bürgschaft) in den Vertrag eingebunden wurden, können sie ggf. in Anspruch genommen werden.
Bei welchen Pflegekosten besteht ein Anspruch auf staatliche Übernahme durch die Sozialhilfe trotz vorhandenem Immobilienvermögen?
Zwar ist nach den Grundsätzen des SGB XII grundsätzlich auch Immobilienvermögen zur Finanzierung der Pflegekosten einzusetzen, jedoch gibt es hiervon Ausnahmen. Die bewohnte Immobilie („Familienheim“) kann für die pflegebedürftige Person oder deren Ehe-/Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen als Schonvermögen erhalten bleiben, solange sie selbst oder unterhaltsberechtigte Angehörige darin wohnen (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII). Ein Verkauf oder die Verwertung der Immobilie ist nicht zu fordern, wenn dies für den Eigentümer oder andere Bewohner eine besondere Härte bedeuten würde. Kommt es dennoch zur Verwertung, prüft das Sozialamt, ob ein (Teil-)Erlös als Eigenleistung zu den Pflegekosten herangezogen werden kann. In jedem Fall sind Einzelfallprüfungen einschlägig, und es empfiehlt sich, frühzeitig anwaltlichen oder fachlichen Rat einzuholen.