Notarielle Urkunde
Die notarielle Urkunde ist ein rechtlich beglaubigtes Dokument, das von einem Notar erstellt, beurkundet und mit der öffentlichen Glaubwürdigkeit versehen wird. Sie stellt ein zentrales Instrument der vorsorgenden Rechtspflege dar und spielt eine bedeutende Rolle im deutschen und europäischen Rechtsverkehr. Die Errichtung notarieller Urkunden ist in zahlreichen Rechtsbereichen gesetzlich vorgeschrieben und bietet weitgehende Rechtssicherheit für die Beteiligten.
Definition und Wesen der notariellen Urkunde
Eine notarielle Urkunde ist ein Dokument, das nach den Anforderungen des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) vom Notar aufgenommen und mit besonderen formellen und inhaltlichen Anforderungen versehen wird. Der Notar bekundet darin die Erklärungen und den Willen der Beteiligten und versieht das Dokument mit seiner Unterschrift sowie dem Amtssiegel. Die Urkunde besitzt erhöhte Beweiskraft und besondere Vollstreckungswirkung.
Formelle Voraussetzungen
Das Beurkundungsgesetz regelt die Formerfordernisse für notarielle Urkunden. Hierzu zählen insbesondere:
- Persönliche Anwesenheit der Beteiligten zur Abgabe der Erklärung vor dem Notar
- Identitätsprüfung der Beteiligten durch den Notar
- Vorlesen der Urkunde durch den Notar
- Genehmigung und Unterzeichnung der Urkunde durch alle Beteiligten und den Notar
- Beifügen von Anlage(n) zur Urkunde, sofern erforderlich
- Verkehrung der Urkunde in den sicheren Verwahrungsprozess beim Notariat
Gesetzliche Grundlagen
Die Errichtung und Wirkung notarieller Urkunden ist insbesondere im Beurkundungsgesetz (BeurkG), der Bundesnotarordnung (BNotO) sowie in diversen spezialgesetzlichen Vorschriften geregelt.
Relevante Vorschriften
- Beurkundungsgesetz (BeurkG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
– Gestaltung und Beurkundung von Verträgen (z. B. Grundstücksgeschäfte, Eheverträge)
- Handelsgesetzbuch (HGB)
– Handelsrechtliche Vorgänge (z. B. Gründung einer GmbH)
- Grundbuchordnung (GBO)
– Eintragungen im Grundbuch (z. B. Eigentumsübertragungen)
- Gerichtskostengesetz (GNotKG)
– Regelung der Kosten für notarielle Amtshandlungen
Typische Anwendungsbereiche
Die notarielle Urkunde ist in vielen Bereichen des Privatrechts Voraussetzung für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften. Zu den häufigsten Anwendungsgebieten zählen:
Immobilienrecht
- Kaufverträge über Grundstücke und Immobilien
Der Erwerb und die Übertragung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten erfordern zwingend eine notarielle Beurkundung (§ 311b BGB).
Familienrecht
- Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen
Eheverträge, Vereinbarungen zu Versorgungsausgleich oder nachehelicher Unterhalt bedürfen regelmäßig der notariellen Urkunde.
Gesellschaftsrecht
- Gründung, Änderung und Auflösung von Kapitalgesellschaften
Gesellschaftsverträge, Satzungsänderungen und Übertragungen von Geschäftsanteilen bei GmbH oder AG sowie viele weitere gesellschaftsrechtliche Vorgänge müssen notariell beurkundet werden.
Erbrecht
- Erbverträge, Testamente
Die Errichtung eines Erbvertrages sowie bestimmte Testamentsformen erfolgen durch notarielle Beurkundung.
Rechtliche Wirkungen der notariellen Urkunde
Beweisfunktion
Die notarielle Urkunde besitzt gemäß § 415 Zivilprozessordnung (ZPO) die volle Beweiskraft hinsichtlich der beurkundeten Tatsachen und der abgegebenen Erklärungen. Der Inhalt der Urkunde gilt damit als beweisrechtlich feststehend, solange nicht das Gegenteil nachgewiesen ist.
Vollstreckbare Urkunde
Notarielle Urkunden können gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit einer Zwangsvollstreckungsklausel versehen und unmittelbar vollstreckbar gemacht werden, wenn sich eine Partei in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
Öffentliche Glaubwürdigkeit
Notarielle Urkunden genießen öffentliche Glaubwürdigkeit (§ 415 ZPO). Dies bedeutet, dass Gerichte und Behörden auf den Inhalt der Urkunde vertrauen und diesen als richtig ansehen, solange kein Gegenbeweis erbracht ist.
Ablauf der notariellen Beurkundung
Vorbereitung
Der Notar bereitet die Urkunde nach den Wünschen der Beteiligten vor, prüft die rechtlichen Rahmenbedingungen und informiert über die rechtlichen Folgen der angestrebten Erklärung.
Beurkundungsverhandlung
Vor der Unterzeichnung liest der Notar die Urkunde vollständig vor, erläutert den Beteiligten deren Inhalt und überprüft die Ernsthaftigkeit sowie die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten. Die Beteiligten genehmigen die Urkunde, indem sie diese unterzeichnen.
Sicherung und Verwahrung
Der Notar verwahrt die Urschrift der Urkunde und gibt Abschriften an die Beteiligten oder Behörden weiter. In bestimmten Fällen erfolgt die Registrierung im zentralen Urkundenregister.
Fälschungsschutz und Beweiskraft
Die notarielle Form gewährleistet einen besonders hohen Schutz vor Manipulationen oder Fälschungen. Die für die Erstellung erforderlichen Identitätsfeststellungen und die Aufbewahrung der Urschrift stellen sicher, dass die Urkunde jederzeit überprüfbar bleibt.
Unterschiede zu anderen Urkundenformen
Privatschriftliche Urkunde
Im Unterschied zur notariellen Urkunde genügt bei der privatschriftlichen Urkunde die eigenhändige Unterschrift der Beteiligten. Diese besitzt jedoch keine öffentliche Glaubwürdigkeit und keine besondere Beweiskraft.
Öffentliche Beglaubigung
Bei einer öffentlichen Beglaubigung bestätigt der Notar lediglich die Echtheit einer Unterschrift oder Abschrift, nimmt jedoch keine inhaltliche Prüfung oder Beurkundung der Erklärung vor.
Kosten der notariellen Urkunde
Die Gebühren für die Erstellung und Beurkundung richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Die Höhe bemisst sich regelmäßig nach dem Geschäftswert des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts und sind bundesweit einheitlich geregelt.
Internationale Relevanz
Deutsche notarielle Urkunden werden in vielen Staaten aufgrund internationaler Abkommen, wie der Haager Apostille, anerkannt. Sie spielen daher auch im internationalen Rechtsverkehr eine bedeutende Rolle.
Zusammenfassung
Die notarielle Urkunde stellt ein zentrales Instrument der Rechtssicherheit, Beweiskraft und Vollstreckbarkeit im deutschen Rechtswesen dar. Sie gewährleistet, dass wesentliche Erklärungen und Verträge unter Einhaltung strenger Form- und Prüfungsanforderungen dokumentiert werden. Aufgrund ihrer gesetzlichen Verankerung und ihrer besonderen Wirkungen ist die notarielle Urkunde in vielen Rechtsbereichen unerlässlich und garantiert einen hohen Schutz für alle Beteiligten.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist die Beurkundung durch einen Notar gesetzlich vorgeschrieben?
Die notarielle Beurkundung ist immer dann gesetzlich vorgeschrieben, wenn es das Gesetz ausdrücklich verlangt. Dies betrifft zahlreiche Rechtsgeschäfte, insbesondere im Immobilienrecht (§ 311b BGB, etwa beim Kauf eines Grundstücks), Ehe- und Erbverträgen (§ 1410 BGB, § 2276 BGB), Gesellschaftsgründungen bestimmter Rechtsformen (z. B. GmbH-Gründung nach § 2 GmbHG), sowie bei bestimmten unternehmensrechtlichen Vorgängen und bei Schenkungsversprechen (§ 518 BGB). Ziel der gesetzlichen Beurkundungspflicht ist der Schutz der Beteiligten vor vorschnellen, übereilten oder übereinflussenden Entschlüssen (Warnfunktion), die fachkundige Beratung und Belehrung über die rechtliche Tragweite des Geschäfts (Beratungs- und Belehrungsfunktion) sowie die Beweissicherung. Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form führt in aller Regel zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 BGB).
Welche rechtlichen Wirkungen hat eine notarielle Urkunde im Hinblick auf die Beweisführung?
Notarielle Urkunden genießen einen sogenannten öffentlichen Glauben gemäß § 415 ZPO (Zivilprozessordnung). Dies bedeutet, dass der beurkundete Inhalt bis zum Beweis des Gegenteils als richtig und vollständig gilt. Im Prozess dient die notarielle Urkunde daher als besonders starker Beweis, insbesondere für die Tatsache, dass die jeweilige Erklärung so und zu diesem Zeitpunkt vor dem Notar abgegeben wurde, wie in der Urkunde dokumentiert. Lediglich gravierende Gründe wie Fälschung oder widerrechtlicher Druck könnten die Beweiskraft erschüttern. Zudem bestätigt die notarielle Urkunde, dass die Person, die unterzeichnet hat, tatsächlich identifiziert und zur Abgabe der Erklärung berechtigt war, was Missbrauchsmöglichkeiten zusätzlich minimiert.
Welche rechtlichen Folgen ergeben sich, wenn eine Formvorschrift für die notarielle Beurkundung missachtet wurde?
Wenn eine Formvorschrift für die notarielle Beurkundung missachtet wird, ist das betreffende Rechtsgeschäft in der Regel gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Das bedeutet, dass das Geschäft als von Anfang an unwirksam anzusehen ist. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn das Gesetz für bestimmte Fälle eine Heilung der Formnichtigkeit vorsieht (z.B. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB: Einigen sich die Parteien über die Auflassung und Eintragung im Grundbuch, kann die Formmangel in bestimmten Fällen geheilt werden). In anderen Fällen führt ein Formverstoß zu Rückabwicklungsansprüchen oder Schadensersatz, insbesondere dann, wenn eine Partei auf die Wirksamkeit des Geschäfts vertraut und deshalb Vermögensdispositionen getroffen hat.
Welche Informationspflichten und Prüfpflichten treffen den Notar bei der Erstellung einer notariellen Urkunde?
Der Notar hat umfassende Informations-, Beratungs- und Prüfpflichten. Er muss sich zunächst vergewissern, dass die Beteiligten geschäftsfähig und zur Vornahme des Geschäfts berechtigt sind. Der Notar prüft die Identität der Beteiligten, klärt sie über die rechtliche Tragweite ihres Handelns auf, erläutert die Konsequenzen der zu beurkundenden Erklärungen und stellt sicher, dass der Wille der Beteiligten ordnungsgemäß und unmissverständlich dokumentiert wird. Ist eine Partei offensichtlich nicht in der Lage, die Bedeutung und Tragweite des Geschäfts zu überblicken, muss der Notar aufklären und – falls erforderlich – von der Beurkundung absehen (§ 17 BeurkG). Der Notar ist zur Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet und darf keine Partei bevorzugen.
Kann eine notarielle Urkunde nachträglich geändert oder ergänzt werden?
Grundsätzlich ist eine notarielle Urkunde bindend, nachdem sie erstellt und von den Parteien unterzeichnet wurde. Eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung ist nur möglich, wenn alle an dem ursprünglichen Geschäft Beteiligten übereinstimmen und eine sogenannte Nachtragsurkunde oder Berichtigungsurkunde beim Notar erstellen lassen. Hierbei sind erneut die gesetzlichen Formerfordernisse zu beachten – die Änderung selbst muss wiederum notariell beurkundet werden, wenn das ursprüngliche Geschäft dies erforderte. Solche Nachträge müssen eindeutig als Ergänzung oder Korrektur zur Ursprungsurkunde gekennzeichnet sein und werden zusammen mit dieser verwahrt. Fehlerhafte Urkunden dürfen nicht einfach handschriftlich korrigiert werden, sondern müssen korrekt durch eine neue Urkunde oder einen Nachtrag berichtigt werden.
Inwieweit besteht Anfechtungsmöglichkeit bei Willensmängeln einer notariellen Urkunde?
Eine notarielle Urkunde unterliegt wie jedes Rechtsgeschäft den Grundsätzen des Anfechtungsrechts (§§ 119 ff. BGB). Liegt ein Willensmangel vor (z. B. Irrtum, arglistige Täuschung oder Drohung), kann die abgegebene Erklärung angefochten werden. Die Anfechtung ist gegenüber den übrigen Beteiligten und im Regelfall auch gegenüber dem Notar zu erklären. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtung wird das beurkundete Geschäft rückwirkend als von Anfang an nichtig angesehen (§ 142 BGB). Besteht ein Anfechtungsrecht, so kann die notarielle Urkunde ihre volle rechtliche Wirkung verlieren. Es gelten jedoch die besonderen Formalia und Fristen für Anfechtungserklärungen; gerade bei beurkundeten Immobiliengeschäften ist besondere Sorgfalt geboten.
Welche Aufbewahrungspflichten und Einsichtnahme- bzw. Auskunftsrechte bestehen bei notariellen Urkunden?
Notarielle Urkunden müssen vom Notar über einen gesetzlich festgelegten Zeitraum (zum Beispiel 30 Jahre bei Urkunden über Grundstücksgeschäfte) sicher und vertraulich aufbewahrt werden (§ 50 BeurkG). Die Originalurkunde verbleibt grundsätzlich in der Urkundenrolle des Notars. Beteiligte haben das Recht, auf Anforderung Abschriften oder Ausfertigungen der Urkunde zu erhalten, diese dienen insbesondere als Nachweis für Behörden, Gerichte oder zur Vorlage bei anderen Institutionen. Dritten kann Einsicht, Auskunft oder eine Abschrift nur dann gewährt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und keine schutzwürdigen Interessen der Beteiligten entgegenstehen. Nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist werden die Urkunden in der Regel vernichtet, wenn kein öffentliches oder privates Interesse an deren weiterer Aufbewahrung besteht.