Legal Lexikon

Normengesetz


Begriff und Rechtsnatur des Normengesetzes

Das Normengesetz ist ein Begriff aus dem öffentlichen Recht, der ein Gesetz bezeichnet, dessen Hauptzweck die Setzung abstrakt-genereller Rechtsnormen ist. Es steht damit im Gegensatz zum Einzelfallgesetz, das ausschließlich auf einen konkreten Sachverhalt oder eine bestimmte Person ausgerichtet ist. Das Normengesetz zeichnet sich insbesondere durch seine Allgemeinverbindlichkeit und den Regelungscharakter für eine Vielzahl von Fällen aus.

Normengesetze stellen einen fundamentalen Bestandteil des nationalen und internationalen Rechtssystems dar. Sie sind das hauptsächliche Mittel der Gesetzgebung und dienen als grundlegendes Instrument zur Steuerung und Ordnung des gesellschaftlichen Lebens durch das Recht. In der Praxis sind nahezu alle bedeutenden Gesetze, insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts, des Strafrechts sowie des öffentlichen Rechts, als Normengesetze ausgestaltet.

Abgrenzung zu anderen Gesetzestypen

Einzelfallgesetz

Im Unterschied zum Normengesetz bezieht sich ein Einzelfallgesetz ausschließlich auf einen individuellen Sachverhalt oder eine benannte Person. Die Verfassung, etwa das deutsche Grundgesetz (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG), verbietet im Grundsatz echte Einzelfallgesetze und gewährt damit den Vorrang des abstrakt-generellen Gesetzescharakters, um die Gleichheit vor dem Gesetz und die Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Individualgesetz und Sondergesetz

Das Individualgesetz ist ein Synonym für das Einzelfallgesetz, während das Sondergesetz zwar generell, aber nur für eine bestimmte Gruppe oder bestimmte Verhältnisse gilt. Auch hier wird deutlich, dass das Normengesetz im engeren rechtlichen Sinne immer abstrakt und generell wirken muss, um den Anforderungen eines allgemein geltenden Gesetzes zu entsprechen.

Merkmale eines Normengesetzes

Abstrakt-generelle Wirkung

Das zentrale Merkmal des Normengesetzes ist seine abstrakt-generelle Regelung. „Abstrakt“ bedeutet, dass das Gesetz auf einen unbestimmten Kreis von Sachverhalten Anwendung findet. „Generell“ bezeichnet die Anwendung auf eine unbestimmte Anzahl von Adressaten. Die Kombination dieser Merkmale garantiert die Allgemeinverbindlichkeit und die Gleichbehandlung durch das Gesetz.

Formelle und materielle Gesetzesbindung

Formell unterliegt das Normengesetz denselben Anforderungen wie andere Gesetze, insbesondere in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenz, das Gesetzgebungsverfahren sowie die Verkündung. Materiell muss das Normengesetz mit den übergeordneten normativen Vorgaben – insbesondere der Verfassung – in Einklang stehen.

Reichweite und Bindungswirkung

Ein Normengesetz bindet nicht nur die Bürger, sondern auch Behörden und Gerichte. Seine Geltung ist zeitlich und örtlich unbegrenzt, soweit keine speziellen Geltungsbeschränkungen normiert sind. Damit unterscheidet sich das Normengesetz von befristeten oder räumlich eingegrenzten Regelungen.

Funktionen und Bedeutung im Rechtssystem

Steuerungsinstrument des Gesetzgebers

Normengesetze ermöglichen es dem staatlichen Gesetzgeber, Grundsatzentscheidungen für die Gesellschaft in einheitlicher Weise verbindlich zu treffen. Sie schaffen Berechenbarkeit und Rechtssicherheit und bilden die Grundlage für das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat.

Sicherung der Rechtsstaatlichkeit

Das Prinzip der abstrakt-generellen Normgebung dient der Sicherung von Gleichheit und Rechtssicherheit. Es schützt vor Diskriminierung und Willkür, da individuelle oder diskriminierende Regelungen unzulässig sind. Insbesondere das Legalitätsprinzip und der Gesetzesvorbehalt im öffentlichen Recht setzen die Existenz von Normengesetzen voraus.

Bindung an höherrangiges Recht

Normengesetze stehen in der Normenhierarchie unter der Verfassung, müssen mit dieser vereinbar sein und stehen über Rechtsverordnungen und Satzungen. Sie sind Grundlage für Verwaltungshandeln und dienen als Maßstab für die Kontrolle durch Gerichte.

Typische Beispiele und Anwendungsbereiche

Beispiele für Normengesetze sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Strafgesetzbuch (StGB) oder das Grundgesetz (GG). Diese Gesetze bestehen überwiegend aus abstrakt-generellen Vorschriften, die für unbestimmte Fälle und Adressatengruppen gelten.

In den meisten Ländern stellt das Normengesetz den zentralen Typus erlassener Gesetze dar, sowohl im materiellen Recht als auch im Verfahrensrecht. Auch zahlreiche europäische Richtlinien und völkerrechtliche Verträge haben normgesetzhafte Struktur.

Gesetzgebung und Kontrolle

Verfahrenserfordernisse und Verfahrensgarantien

Zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Normengesetz sind im Gesetzgebungsverfahren bestimmte Formen und Beteiligungsrechte zu beachten. Dazu zählen etwa die Transparenz des Gesetzgebungsprozesses und die Veröffentlichung im Gesetzblatt.

Verfassungsgerichtliche Kontrolle

Normengesetze unterliegen der Kontrolle durch die Verfassungsgerichte. Wird etwa ein vermeintliches Normengesetz tatsächlich als Einzelfallgesetz eingestuft, kann es aufgrund des Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot oder die Anforderungen der Verfassung aufgehoben werden.

Verhältnis zu anderen Rechtsquellen

Normengesetze stehen in der Normenhierarchie über Rechtsverordnungen und Satzungen, da ihre Legitimität auf der unmittelbaren Willensbildung der gesetzgebenden Körperschaften beruht. Sie sind für die untergeordneten Rechtsquellen bindend (Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes).

Grenzen und Ausnahmen

Auch Normengesetze können Handlungsspielräume und Ausnahmen vorsehen. Sie bleiben aber stets an die wesentlichen Grundsätze des abstrakt-generellen Charakters sowie das Diskriminierungsverbot gebunden. Ein Überschreiten dieser Grenzen führt zur Verfassungswidrigkeit.

Bedeutung im internationalen und europäischen Recht

Im europäischen und internationalen Recht existieren ebenfalls Gesetze mit normgeprägtem Charakter, etwa EU-Verordnungen und -Richtlinien. Diese besitzen oft eine ähnliche abstrakt-generelle Wirkung, dienen der Angleichung der Rechtssysteme und sind damit funktional mit nationalen Normengesetzen vergleichbar.

Zusammenfassung

Das Normengesetz ist das zentrale Gesetzgebungsmittel moderner Rechtsstaaten. Es ist gekennzeichnet durch seine abstrakt-generelle Regelung und richtet sich an eine unbestimmte Anzahl von Fällen und Adressaten. Als Grundlage der Gesetzgebung sichert das Normengesetz Gleichheit, Rechtssicherheit und die Bindung staatlichen Handelns an demokratisch legitimierte Regeln. In der Rechtsordnung beansprucht das Normengesetz Vorrang vor nachgeordneten Rechtsquellen und gewährleistet den Schutz und die Berechenbarkeit des staatlichen Rechtssystems.

Häufig gestellte Fragen

Welche Verfahren sind vorgesehen, um gegen eine Norm gemäß dem Normengesetz rechtlich vorzugehen?

Das Normengesetz sieht mehrere rechtliche Möglichkeiten vor, gegen eine verbindliche Norm vorzugehen, wobei insbesondere das Normenprüfungsverfahren im Fokus steht. Wird eine Norm – beispielsweise eine Verordnung, Satzung oder Verfassungsbestimmung – von einer natürlichen oder juristischen Person als rechtswidrig oder verfassungswidrig angesehen, kann ein Antrag auf Überprüfung beim zuständigen Gericht oder Verfassungsgerichtshof gestellt werden. Die Zulässigkeit dieses Antrags hängt in der Regel davon ab, ob die betreffende Person durch die Norm in eigenen Rechten unmittelbar betroffen ist (Antragsbefugnis). Während des laufenden Verfahrens können Gerichte auch vorläufige Maßnahmen treffen (z. B. Außerkraftsetzung der Norm), wenn Gründe wie drohende erhebliche Schäden oder die Wahrung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten dies erfordern. Zu beachten ist dabei, dass das Gericht nicht die Opportunität, sondern ausschließlich die Rechtsmäßigkeit der Norm prüft (Legalitätskontrolle). Leidet die Norm an einem schwerwiegenden Mangel, wie zum Beispiel fehlender Gesetzgebungskompetenz, Verstoß gegen höherrangiges Recht, formelle Fehler im Erlassverfahren oder nicht ausreichende Bestimmtheit, kann sie ganz oder teilweise als nichtig erklärt werden. In bestimmten Fällen besteht auch die Möglichkeit, bei Unklarheiten eine Auslegung der Norm im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens durch das zuständige Gericht zu erwirken. Das genaue Verfahren sowie die Rechtsfolgen der Nichtigkeit sind in den jeweiligen nationalen und landesrechtlichen Vorschriften detailliert geregelt.

Wer ist berechtigt, einen Antrag auf Prüfung einer Norm einzubringen?

Die Antragsberechtigung ist im Normengesetz eng ausgelegt und von strengen Voraussetzungen abhängig. Grundsätzlich sind zur Antragstellung nur jene natürlichen oder juristischen Personen befugt, die durch die konkrete Anwendung der Norm in eigenen subjektiven Rechten betroffen sind. Diese persönliche Betroffenheit kann etwa darin bestehen, dass gegen den Antragsteller ein Verwaltungsakt auf Basis der beanstandeten Norm erlassen oder ein bestimmter Sachverhalt auf Grund dieser Norm geregelt wird. In manchen Rechtsordnungen besteht ein sogenanntes abstraktes Normenkontrollverfahren, das es auch staatsorganen (wie Regierungen, Landtage, parlamentarische Minderheiten) erlaubt, eine Norm unabhängig von individueller Betroffenheit prüfen zu lassen. Im konkreten Normenkontrollverfahren ist regelmäßig die vorherige Ausschöpfung des Rechtswegs (z.B. in Form einer Beschwerdeinstanz) Voraussetzung. Daneben sind spezielle Fristen und Formerfordernisse zu beachten, die je nach Art und Herkunft der Norm unterschiedlich ausgestaltet sein können.

Welche Rechtsfolgen hat die Feststellung der Nichtigkeit einer Norm durch das Gericht?

Wird im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens die Nichtigkeit einer Norm festgestellt, so ist diese Entscheidung grundsätzlich für alle Behörden und Gerichte bindend. Die nichtige Norm entfaltet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Rechtswirkung mehr (ex nunc-Wirkung); in Ausnahmefällen kann das Gericht die Wirkung seiner Entscheidung jedoch auch auf die Vergangenheit (ex tunc-Wirkung) erstrecken, beispielsweise bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen grundlegende Rechtsprinzipien. Jegliche auf der nichtigen Norm beruhende Verwaltungsakte oder Urteile verlieren damit ebenfalls ihre rechtliche Grundlage. Es liegt in der Verantwortung der Verwaltung und der Gerichte, bereits ergangene Entscheidungen auf Grundlage der für nichtig erklärten Norm zu überprüfen und gegebenenfalls rückgängig zu machen oder zu korrigieren. Entschädigungsansprüche wegen der Anwendung einer nichtigen Norm sind in der Regel nur unter engen Voraussetzungen, etwa bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln der exekutiven Organe, möglich. Die Wirkung der Entscheidung erstreckt sich auch auf gegenläufige Regelungen in untergeordnetem Recht, welche an die nichtige Norm anknüpfen.

In welchem Verhältnis steht das Normengesetz zur Verfassung und zu anderen Gesetzen?

Das Normengesetz positioniert sich im Rang unter der jeweiligen Verfassung, aber oberhalb der einfachen Rechtsverordnungen und Satzungen. Es ist damit für den ordnungsgemäßen Erlass, die Bekanntmachung sowie die Überprüfung von Rechtsnormen maßgeblich, kann aber niemals verfassungsrechtliche Vorgaben abändern oder aushebeln. Besteht zwischen Normengesetz und Verfassungsrecht ein Widerspruch, geht stets die Verfassung vor. Die im Normengesetz festgelegten Verfahren zur Überprüfung von Normen greifen oft ergänzend zu den in der Verfassung vorgesehenen Kontrollmechanismen wie dem abstrakten oder konkreten Normenkontrollverfahren. Im Verhältnis zu anderen Gesetzen ist das Normengesetz als Spezialgesetz anzuwenden, wenn es um Fragen der Rechtmäßigkeit, der Außerkraftsetzung sowie der Veröffentlichung von generellen Rechtsnormen geht.

Welche Anforderungen werden durch das Normengesetz an den Erlass einer Norm gestellt?

Das Normengesetz etabliert formelle und materielle Voraussetzungen für den Erlass einer Norm. Zu den formellen Anforderungen zählen insbesondere die Zuständigkeit des Normgebers, das vorgeschriebene Verfahren (einschließlich Anhörung, Beratung und Beschlussfassung), die korrekte Bekanntmachung sowie die Einhaltung etwaiger Fristen und Formerfordernisse. Materiell muss die Norm mit höherrangigem Recht (namentlich der Verfassung und den Gesetzen) vereinbar sein, das sogenannte Grundsatz der Normenhierarchie. Zudem verlangt das Normengesetz ausreichend bestimmte und klar formulierte Vorschriften, damit Rechtsunterworfene erkennen können, welche Rechtsfolgen das Verhalten auslöst (Bestimmtheitsgrundsatz). Verletzungen dieser Anforderungen führen häufig zur Nichtigkeit oder zumindest zur Anfechtbarkeit der Norm.

Gibt es eine Bindungswirkung der Entscheidungen aus dem Normenkontrollverfahren für andere Fälle?

Die Entscheidungen im Normenkontrollverfahren nach dem Normengesetz entfalten in der Regel eine allgemeine Bindungswirkung (inter omnes), das heißt, sie gelten nicht nur für die Parteien des konkreten Verfahrens, sondern sind für alle Gerichte und Behörden verbindlich. Diese Bindungswirkung sichert die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und gewährleistet Rechtssicherheit. Eine Ausnahme davon kann bestehen, wenn das Gericht die Wirkung der Entscheidung ausdrücklich beschränkt oder eine aufschiebende Wirkung anordnet. Die Wirkung der Entscheidung kann sich überdies auf gleichartige Normen oder ähnliche Sachverhalte erstrecken, sofern die Argumentation des Gerichts dies nahelegt. Ist die Nichtigkeit nur in Bezug auf einen Teil der Norm festgestellt worden, bleibt der rechtskonforme Rest in Kraft, sofern er für sich weiterhin sinnvoll anwendbar ist.

Welches Verhältnis besteht zwischen dem Normengesetz und europäischen Normen beziehungsweise Unionsrecht?

Das Verhältnis zwischen dem nationalen Normengesetz und Normen des Unionsrechts ist von der Grundregel der Vorrangwirkung des EU-Rechts geprägt. Nationale Normen, auch solche, die auf Grundlage des Normengesetzes erlassen werden, dürfen keine EU-Rechtsakte verletzen. Kommt es zu einem Konflikt zwischen einer nationalen Norm und einer verbindlichen europäischen Verordnung oder Richtlinie, so sind Gerichte und Behörden verpflichtet, die europarechtliche Vorgabe unmittelbar anzuwenden und die nationale Norm unangewendet zu lassen. Das Normengesetz kann daher nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, wenn die zu überprüfende Norm unmittelbar aufgrund von Unionsrecht zu beurteilen ist. Es bleibt jedoch relevant für alle Aspekte, die nicht unmittelbar von europarechtlichen Vorgaben bestimmt sind, beispielsweise Verfahren, Zuständigkeiten und Bekanntmachungen auf nationaler Ebene. Bei Unsicherheiten in Hinblick auf die Auslegung von Unionsrecht kann ein nationales Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anstoßen.