Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Nichtigkeit von Rechtsgeschäften

Nichtigkeit von Rechtsgeschäften

Nichtigkeit von Rechtsgeschäften: Begriff, Bedeutung und Folgen

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften beschreibt den Zustand, in dem ein Vertrag oder eine sonstige rechtsgestaltende Erklärung von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet. Ein nichtiges Rechtsgeschäft gilt, als wäre es nie abgeschlossen worden. Die angestrebten Rechtsfolgen treten nicht ein; bereits bewirkte Leistungen sind grundsätzlich ohne Rechtsgrund erbracht und können rechtlich rückabgewickelt werden.

Was ist ein Rechtsgeschäft?

Ein Rechtsgeschäft beruht auf mindestens einer Willenserklärung, die auf das Herbeiführen einer rechtlichen Folge gerichtet ist. Typische Beispiele sind Kauf-, Miet- oder Schenkungsverträge. Die Nichtigkeit betrifft die Wirksamkeit dieser Erklärungen und damit die Entstehung der beabsichtigten Rechte und Pflichten.

Abgrenzung to anderer Unwirksamkeitsformen

Nichtigkeit

Die Nichtigkeit führt zur Unwirksamkeit von Anfang an. Das Rechtsgeschäft ist rechtlich unbeachtlich, unabhängig davon, ob sich Beteiligte darauf berufen.

Anfechtbarkeit

Bei der Anfechtbarkeit ist das Rechtsgeschäft zunächst wirksam. Es entfällt rückwirkend erst, wenn eine Anfechtung wirksam erklärt wird. Ohne Anfechtung bleibt es bestehen.

Schwebende Unwirksamkeit

Ein Rechtsgeschäft kann vorläufig unwirksam sein, wenn noch eine erforderliche Zustimmung fehlt. Mit nachträglicher Genehmigung kann es wirksam werden.

Teilunwirksamkeit

Ist nur ein Teilregelwerk (z. B. eine einzelne Vertragsklausel) unwirksam, kann der übrige Vertrag bestehen bleiben, wenn er ohne den betroffenen Teil sinnvoll aufrechterhalten werden kann.

Ursachen der Nichtigkeit

Fehlende Geschäftsfähigkeit

Rechtsgeschäfte können nichtig sein, wenn die handelnde Person aufgrund ihres persönlichen Status keine verbindlichen Erklärungen abgeben kann. Das betrifft insbesondere Fälle umfassend fehlender Fähigkeit, wirksam Verpflichtungen einzugehen.

Formmängel

Für bestimmte Rechtsgeschäfte ist eine besondere Form erforderlich (etwa Schriftform oder notarielle Beurkundung). Wird diese Form nicht eingehalten, kann das Rechtsgeschäft nichtig sein. Teilweise ist eine spätere Heilung möglich, etwa durch vollzogenen Vollzug oder Genehmigung, wenn das Gesetz dies zulässt.

Inhaltsmängel

Gesetzesverstoß

Verträge, die auf eine rechtswidrige Leistung gerichtet sind oder ein gesetzliches Verbot umgehen, können nichtig sein. Das gilt insbesondere, wenn der Zweck des Verbots die Nichtigkeit der Vereinbarung erfordert.

Sittenwidrigkeit

Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn sein Inhalt oder die Umstände seines Zustandekommens gegen das grundlegende Anstandsgefühl verstoßen, etwa bei krasser Übervorteilung, Ausnutzung besonderer Schwächesituationen oder sittenwidrigem Zweck.

Objektive Unmöglichkeit

Ist die versprochene Leistung von vornherein objektiv unmöglich, kann das Rechtsgeschäft nichtig sein, weil ein unerfüllbarer Vertragszweck verfolgt wird.

Scheinerklärungen und Scherz

Erklärungen, die nur zum Schein abgegeben werden, sind nichtig. Gleiches gilt regelmäßig für Erklärungen, denen erkennbar jeder ernstliche Wille fehlt (Scherzhandlungen), sofern der Mangel an Ernst für die Gegenseite erkennbar war.

Fehlende Bestimmtheit und wesentliche Vertragsbestandteile

Ein Vertrag erfordert Einigkeit über die wesentlichen Punkte. Fehlt es an Bestimmtheit oder sind zentrale Inhalte offen, kann der Vertrag nichtig sein. Offene Nebenfragen sind nur unschädlich, wenn der Vertrag auch ohne sie hinreichend konkret ist.

Verstöße in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Unangemessene oder überraschende Klauseln in vorformulierten Bedingungen sind unwirksam. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen, wenn er ohne die Klausel tragfähig bleibt. Unwirksame Klauseln werden nicht auf ein zulässiges Maß „zurechtgeschnitten“, sondern entfallen; an ihre Stelle treten die gesetzlichen Regelungen.

Rechtsfolgen der Nichtigkeit

Nichteintritt der beabsichtigten Wirkungen

Aus einem nichtigen Rechtsgeschäft entstehen keine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten. Sicherheitsleistungen, Gewährleistungsrechte oder Vertragsstrafen greifen nicht, weil es an der Grundlage fehlt.

Rückabwicklung

Bereits ausgetauschte Leistungen können im Wege der Rückabwicklung herausverlangt werden. Maßgeblich ist das Bereicherungsrecht: Empfangenes ist zurückzugeben, ersatzweise ist Wertersatz zu leisten, wenn eine Rückgabe nicht möglich ist.

Nutzungen und Wertersatz

Ist eine Sache genutzt oder verbraucht worden, kommt neben der Herausgabe ein Ausgleich für gezogene Nutzungen oder den Wert in Betracht. Der Umfang richtet sich nach den allgemeinen Regeln zur ungerechtfertigten Bereicherung und zum Schadensausgleich.

Schutz Dritter

Die Nichtigkeit wirkt grundsätzlich gegenüber allen. In bestimmten Konstellationen können Drittinteressen geschützt sein, etwa bei gutgläubigem Erwerb oder besonderem Verkehrsschutz. Ob und in welchem Umfang Dritte Rechte behalten, richtet sich nach den jeweiligen Schutzvorschriften.

Reichweite und Heilungsmöglichkeiten

Absolute und relative Nichtigkeit

Absolute Nichtigkeit wirkt gegenüber jedermann und wird regelmäßig von Amts wegen berücksichtigt. Relative Nichtigkeit kann nur von bestimmten Beteiligten geltend gemacht werden, typischerweise zum Schutz einer besonders schutzbedürftigen Partei.

Teilnichtigkeit und Vertragserhaltung

Ist nur ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, bleibt der Rest wirksam, wenn er ohne die nichtige Bestimmung sinnvoll Bestand hat. Fehlt eine tragfähige Restregelung, entfällt das Rechtsgeschäft insgesamt.

Heilung von Formmängeln und Genehmigungen

Einige Formmängel können durch spätere Genehmigung oder tatsächliche Durchführung geheilt werden, wenn das Gesetz dies vorsieht. Ohne eine solche Möglichkeit bleibt das Rechtsgeschäft nichtig.

Bestätigung eines nichtigen Geschäfts

Eine bloße Bestätigung lässt ein nichtiges Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht wirksam werden. Erforderlich ist in der Regel der erneute, form- und inhaltsrichtige Abschluss.

Prozessuale und praktische Aspekte

Berücksichtigung durch Gerichte

Die Nichtigkeit wird in der Regel von Gerichten eigenständig beachtet, sobald sie entscheidungserheblich ist. Beteiligte können sich auf die Nichtigkeit berufen; sie sind jedoch an die Darlegungs- und Beweislast gebunden.

Beweislast

Wer sich auf die Nichtigkeit stützt, muss die hierfür maßgeblichen Umstände darlegen und beweisen. Dies betrifft insbesondere Tatsachen zu Formmängeln, Inhaltsmängeln oder fehlender Geschäftsfähigkeit.

Verjährung von Folgeansprüchen

Die Nichtigkeit selbst unterliegt keiner Frist. Ansprüche aus Rückabwicklung und Ausgleich verjähren jedoch nach den allgemeinen Regeln. Der Beginn und die Dauer der Fristen hängen vom jeweiligen Anspruchstyp ab.

Typische Anwendungsfelder

Verbraucherverträge

In Verträgen mit vorformulierten Bedingungen sind Klauseln, die Verbraucher entgegen Treu und Glauben benachteiligen, unwirksam. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen, wenn er ohne die Klausel tragfähig ist.

Immobilien- und Unternehmensgeschäfte

Bei Verträgen mit besonderer Formbindung kann ein Formmangel zur Nichtigkeit führen. Eine spätere Genehmigung oder Heilung ist nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich.

Arbeits- und Mietverhältnisse

Regelungen, die gegen zwingende Schutzvorschriften verstoßen, sind unwirksam. In vielen Fällen bleiben die Rechtsverhältnisse im Übrigen bestehen; anstelle der unwirksamen Regelungen treten die gesetzlichen Vorgaben.

Familien- und Erbrecht

Bestimmte Erklärungen erfordern strengere Formen oder besondere Voraussetzungen. Bei Verstößen droht Nichtigkeit; im Einzelfall können Genehmigung, Heilung oder Teilwirksamkeit eine Rolle spielen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Nichtigkeit eines Vertrags konkret?

Nichtigkeit bedeutet, dass ein Vertrag von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet. Rechte und Pflichten entstehen nicht; bereits erbrachte Leistungen gelten als ohne Rechtsgrund erfolgt und werden nach den Regeln der Rückabwicklung behandelt.

Worin liegt der Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit?

Bei Nichtigkeit ist das Geschäft von Anfang an unwirksam. Bei Anfechtbarkeit ist es zunächst wirksam und wird erst durch eine wirksame Anfechtung rückwirkend beseitigt. Ohne Anfechtung bleibt das Geschäft bestehen.

Kann ein nichtiges Rechtsgeschäft nachträglich wirksam werden?

In der Regel nicht. Ausnahmen betreffen Konstellationen, in denen das Gesetz eine Heilung oder Genehmigung zulässt, etwa bei bestimmten Formmängeln oder Zustimmungsbedürfnissen. Andernfalls ist für Wirksamkeit ein erneuter, formgerechter Abschluss erforderlich.

Wer kann sich auf die Nichtigkeit berufen?

Grundsätzlich jede betroffene Person. Bei absoluter Nichtigkeit wird sie in der Regel auch ohne ausdrückliche Geltendmachung berücksichtigt. Bei relativer Nichtigkeit ist die Berufung darauf bestimmten Personen vorbehalten, deren Schutz die Regel dient.

Welche Folgen hat die Nichtigkeit für bereits ausgetauschte Leistungen?

Leistungen sind nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren oder in Geld auszugleichen, wenn eine Rückgabe nicht möglich ist. Nutzungen und Wertminderungen können zu berücksichtigen sein.

Verjähren Ansprüche im Zusammenhang mit nichtigen Rechtsgeschäften?

Ja. Zwar verjährt die Nichtigkeit als solche nicht, jedoch verjähren Rückgewähr- und Ausgleichsansprüche nach den allgemeinen Verjährungsregeln.

Bleibt ein Vertrag trotz unwirksamer Klausel bestehen?

Häufig ja. Ist nur eine Klausel unwirksam, bleibt der übrige Vertrag bestehen, wenn er ohne diese Klausel sinnvoll durchführbar ist. Die unwirksame Klausel entfällt; an ihre Stelle treten die gesetzlichen Regelungen.