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Nichtigkeit von Rechtsgeschäften


Begriff und Bedeutung der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften ist ein grundlegendes Konzept des Zivilrechts, insbesondere des Vertragsrechts. Sie bezeichnet den Umstand, dass ein Rechtsgeschäft von Anfang an („ex tunc“) keine rechtliche Wirkung entfaltet. Dies führt dazu, dass der betroffene Vertrag oder die betreffende Willenserklärung als von vornherein unwirksam gilt, so als ob sie nie abgeschlossen worden wäre. Die Nichtigkeit bildet somit einen bedeutsamen Gegensatz zur bloßen Anfechtbarkeit, bei der das Rechtsgeschäft zunächst wirksam bleibt und erst durch erfolgreiche Anfechtung rückwirkend beseitigt wird.

Abgrenzung zur Anfechtbarkeit

Im Unterschied zur Nichtigkeit ist bei der Anfechtbarkeit ein Rechtsgeschäft zunächst wirksam. Erst durch die erfolgreiche Ausübung eines Anfechtungsrechts wird es ex tunc unwirksam. Die Nichtigkeit hingegen setzt keine Willenserklärung Dritter oder eine gerichtliche Entscheidung voraus; sie tritt kraft Gesetzes ohne weiteres Zutun ein.

Gesetzliche Regelungen zur Nichtigkeit

Die wichtigsten Vorschriften zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hier sind insbesondere § 105, § 125, § 134, § 138 und § 139 BGB relevant.

Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit (§ 105 BGB)

Rechtsgeschäfte, die von einer person, die geschäftsunfähig ist (§ 104 BGB), vorgenommen werden, sind gemäß § 105 Abs. 1 BGB nichtig. Gleiches gilt für Willenserklärungen, die im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden (§ 105 Abs. 2 BGB).

Formmangel (§ 125 BGB)

Ein Rechtsgeschäft, das nicht die vom Gesetz vorgeschriebene Form einhält, ist nach § 125 Satz 1 BGB grundsätzlich nichtig. Formvorschriften dienen häufig dem Schutz der Vertragsparteien oder der Beweiserleichterung. Typische Beispiele sind Grundstückskaufverträge, die der notariellen Beurkundung bedürfen (§ 311b Abs. 1 BGB).

Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB)

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nach § 134 BGB nichtig. Voraussetzung ist das Bestehen eines Verbotsgesetzes, das ausdrücklich oder stillschweigend die Nichtigkeit anordnet. Verstöße gegen die guten Sitten führen ebenfalls zur Nichtigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein besonders prominentes Beispiel ist das wucherische Geschäft (§ 138 Abs. 2 BGB).

Teilnichtigkeit und Gesamtnichtigkeit (§ 139 BGB)

Enthält ein teilbares Rechtsgeschäft nichtige und wirksame Bestandteile, so bleibt das Geschäft im Zweifel im Übrigen wirksam. Ausnahmen bestehen, sofern anzunehmen ist, dass das Geschäft auch ohne den nichtigen Teil nicht vorgenommen worden wäre.

Weitere wichtige Fälle der Nichtigkeit

Scheingeschäfte (§ 117 BGB)

Gemäß § 117 BGB sind Scheingeschäfte, also Willenserklärungen, die nur zum Schein abgegeben werden, nichtig. Der Zweck solcher Geschäfte besteht in der Regel darin, Dritten oder Behörden einen rechtlichen Tatbestand vorzuspiegeln.

Scherzgeschäfte (§ 118 BGB)

Ein Scherzgeschäft liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft nur zum Scherz vornimmt, ohne einen Rechtsbindungswillen zu haben. Nach § 118 BGB sind auch diese Willenserklärungen nichtig.

Nichtigkeit bei Verstoß gegen Verbraucherschutzvorschriften

Spezielle Verbraucherschutzbestimmungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Fernabsatzverträgen oder Haustürgeschäften, führen in Einzelfällen zur Nichtigkeit bestimmter Klauseln oder Regelungen in Verbraucherverträgen, insbesondere bei Missachtung der gesetzlichen Informationspflichten.

Rechtsfolgen der Nichtigkeit

Der Hauptrechtsfolge der Nichtigkeit ist die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts. Somit können auf der Basis dieses Geschäfts keine vertraglichen Ansprüche und Pflichten entstehen. Bereits erbrachte Leistungen werden grundsätzlich nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückabgewickelt, soweit dies möglich und rechtlich zulässig ist.

Ausnahmen: Umdeutung und Heilung

In bestimmten Fällen kann ein nichtiges Rechtsgeschäft nach den Grundsätzen der Umdeutung (§ 140 BGB) in ein wirksames Rechtsgeschäft umgedeutet werden, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen. Daneben kann ein formnichtiges Geschäft nachträglich durch Heilung wirksam werden, wenn die gesetzlich geforderten Voraussetzungen dafür erfüllt werden.

Bedeutung in der Praxis

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften hat erhebliche praktische Bedeutung, da sie die Rechtssicherheit gewährleistet und den Rechtsverkehr vor unerwünschten oder gesetzeswidrigen Rechtsfolgen schützt. Sie wirkt auch im öffentlichen Interesse etwa durch die Verhinderung verbotener oder sittenwidriger Geschäfte. Bei Zweifeln über die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist daher stets zu prüfen, ob Nichtigkeitstatbestände einschlägig sind.

Zusammenfassung

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften ist ein zentraler Begriff im Zivilrecht, der zahlreiche Rechtsschutz- und Interessenschutzfunktionen erfüllt. Sie tritt kraft Gesetzes ein und führt dazu, dass das betreffende Geschäft keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet. Die gesetzlichen Nichtigkeitstatbestände sind vielfältig ausgestaltet und reichen von Formmängeln über gesetzes- oder sittenwidrige Inhalte bis hin zu Scheingeschäften. Die systematische und fallbezogene Prüfung der Nichtigkeit ist daher ein wesentliches Element jeder rechtlichen Auseinandersetzung mit Verträgen und Willenserklärungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsfolgen hat die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts?

Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts hat zur Folge, dass das betreffende Rechtsgeschäft von Anfang an (ex tunc) als ungültig gilt und somit keine rechtlichen Wirkungen entfalten kann. Das bedeutet, dass die angestrebten Rechtsfolgen, wie etwa Eigentumsübertragungen, Verpflichtungen oder Ansprüche, nicht entstehen. Bestehen bereits empfangene Leistungen, so sind diese nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln, das heißt, die Parteien müssen das jeweils Erlangte zurückgeben. Darüber hinaus sind Dritte, die auf das Zustandekommen des Geschäfts vertraut haben, grundsätzlich nicht geschützt, es sei denn, besondere gesetzliche Vorschriften greifen ausnahmsweise ein. Die Nichtigkeit kann außerdem dazu führen, dass eine Heilung des Geschäfts ausgeschlossen ist, außer das Gesetz lässt eine Umdeutung (§ 140 BGB) oder eine nachträgliche Genehmigung ausdrücklich zu.

Welche Arten der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften unterscheidet das Gesetz?

Das Gesetz unterscheidet zwischen der absoluten und der relativen Nichtigkeit. Absolute Nichtigkeit bedeutet, dass das Rechtsgeschäft ausnahmslos für jedermann und in jeder Hinsicht als unwirksam betrachtet wird. Typische Fälle betreffen insbesondere Verstöße gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Relative Nichtigkeit liegt vor, wenn der Mangel nur gegenüber bestimmten Personen geltend gemacht werden kann oder erst durch die Geltendmachung eines bestimmten Rechts (z.B. einer Anfechtung) zur Nichtigerklärung führt. Während die absolute Nichtigkeit automatisch und von Amts wegen zu beachten ist, setzt die relative Nichtigkeit häufig ein Tätigwerden einer Partei voraus, damit das Geschäft unwirksam wird.

Kann ein nichtiges Rechtsgeschäft durch Genehmigung wirksam werden?

Grundsätzlich bleibt ein nichtiges Rechtsgeschäft unwirksam und kann nicht durch eine bloße Genehmigung rückwirkend geheilt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen das Gesetz ausdrücklich eine Genehmigungsfähigkeit vorsieht, etwa bei Geschäften mit beschränkt Geschäftsfähigen gemäß § 108 BGB. Hier kann der gesetzliche Vertreter das Geschäft nachträglich genehmigen, wodurch es rückwirkend gültig wird. Liegt diese Möglichkeit im Einzelfall nicht vor, bleibt das Rechtsgeschäft trotz einer etwaigen Zustimmung oder nachträglichen Billigung nichtig. Eine Ausnahme stellt weiterhin die Umdeutung nach § 140 BGB dar, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Welche typischen Gründe führen zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften?

Zu den häufigsten Gründen für die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften zählen zunächst Formmängel, wenn das Gesetz eine bestimmte Form vorschreibt und diese nicht eingehalten wird (z.B. § 125 BGB). Weitere Gründe sind die Geschäftsunfähigkeit einer Partei (§ 105 BGB), die Sittenwidrigkeit des Inhalts oder des Zwecks des Geschäfts (§ 138 BGB), Verstöße gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und in besonderen Fällen Scheingeschäfte (§ 117 BGB). Auch eine fehlende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts kann zur Nichtigkeit führen, da ein Rechtsgeschäft grundsätzlich einen bestimmten oder bestimmbaren Inhalt haben muss.

Welche Bedeutung hat die Nichtigkeit für Dritte, die auf das Rechtsgeschäft vertraut haben?

Dritte, die auf die Wirksamkeit eines nichtigen Rechtsgeschäfts vertraut haben, genießen in der Regel keinen besonderen gesetzlichen Schutz, sodass Rechtsfolgen des unwirksamen Geschäfts auch ihnen gegenüber nicht eintreten. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Dritter kein Eigentum erwerben kann, wenn diesem das Eigentum aufgrund eines nichtigen Geschäfts übertragen wurde (Trennungs- und Abstraktionsprinzip des deutschen Rechts). Allerdings gibt es spezielle Schutzvorschriften, wie etwa den gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB), der unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einem nichtigen Grundgeschäft den Dritterwerb ermöglicht. Ansonsten bleibt der Dritte auf etwaige Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Vorschriften verwiesen.

Inwieweit kann ein nichtiges Rechtsgeschäft umgedeutet werden (Umdeutung nach § 140 BGB)?

Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann gemäß § 140 BGB umgedeutet werden, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien das Geschäft auch in der Form vorgenommen hätten, in der es wirksam wäre. Es wird dann das nichtige Geschäft in ein wirksames Rechtsgeschäft umgedeutet, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen und der Zweck des ursprünglich abgeschlossenen Geschäfts in der alternativen Gestaltung erreicht werden kann. Die Umdeutung ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Ersatzgeschäfts ebenfalls fehlen oder die Parteien nachweislich kein Interesse an einem abweichenden Geschäftsinhalt haben. Die Umdeutung bedarf keiner besonderen Form und kann von Amts wegen durch das Gericht vorgenommen werden.