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Nebentätigkeit


Definition und Abgrenzung der Nebentätigkeit

Eine Nebentätigkeit bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht jede berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, die neben einem Hauptarbeitsverhältnis ausgeübt wird. Der Begriff erfasst sowohl abhängige Beschäftigungen (Nebenjobs) als auch selbstständige oder freiberufliche Tätigkeiten außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses. Ziel der Regelungen ist der Schutz berechtigter Interessen des Hauptarbeitgebers sowie die Sicherstellung arbeitszeit- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen.

Die Abgrenzung zur Haupttätigkeit erfolgt anhand des zeitlichen Umfangs sowie der wirtschaftlichen Bedeutung. Entscheidend ist, ob das Arbeitsverhältnis zur Hauptbeschäftigung dominiert und die weitere Tätigkeit in Bezug auf Umfang, Zeit und Einkommen nachrangig ist.

Rechtliche Einordnung der Nebentätigkeit

Arbeitsrechtliche Aspekte

Grundsatz der Nebenbeschäftigungsfreiheit

Nach deutschem Recht besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Arbeitnehmer dürfen neben ihrer Hauptbeschäftigung weitere Tätigkeiten ausüben, sofern keine gesetzlichen oder vertraglichen Verbote entgegenstehen. Der Grundsatz der Nebentätigkeitsfreiheit ist jedoch durch verschiedene Schranken begrenzt.

Anzeige- und Genehmigungspflichten

In zahlreichen Arbeitsverträgen und Tarifverträgen finden sich Regelungen, wonach Nebentätigkeiten vor Aufnahme der Ausübung dem Arbeitgeber anzuzeigen oder von diesem genehmigen zu lassen sind. Auch ohne ausdrückliche Regelung kann eine Anzeigepflicht bestehen, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers betroffen sind.

  • Öffentlicher Dienst: Beschäftigte im öffentlichen Dienst unterliegen der Nebenbeschäftigungsverordnung (NebVO) und sind verpflichtet, sämtliche Nebentätigkeiten vorab anzeigen zu lassen und bedürfen oft der Genehmigung.
  • Privatwirtschaft: In der Privatwirtschaft kann der Arbeitgeber Nebentätigkeiten untersagen oder beschränken, wenn und soweit berechtigte Interessen verletzt werden (§ 241 Abs. 2 BGB).

Berechtigte Interessen des Arbeitgebers

Eine Nebentätigkeit kann aus bestimmten Gründen untersagt werden:

  • Verringerung der Arbeitsleistung: Soweit durch die Nebentätigkeit die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung beeinträchtigt wird, ist eine Untersagung zulässig.
  • Konkurrenztätigkeit: Eine Nebentätigkeit für einen Wettbewerber des Arbeitgebers ist regelmäßig unzulässig (§ 60 HGB für Handlungsgehilfen, nachwirkend § 110 GewO).
  • Rufschädigung: Tätigkeiten, die geeignet sind, dem Ruf des Arbeitgebers zu schaden, dürfen untersagt werden.

Weitere Beschränkungen

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) begrenzt die zulässige Gesamtarbeitszeit auf in der Regel 48 Stunden pro Woche. Die Zeiten aus Haupt- und Nebentätigkeit werden hierbei zusammengezählt.

Tarif- und Betriebsvereinbarungen

In vielen Branchen existieren spezielle tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen zur Nebentätigkeit, die insbesondere Anzeige-, Genehmigungs- und Untersagungsrechte näher ausgestalten.

  • Tarifverträge: Enthalten häufig Melde- und Genehmigungspflichten im Hinblick auf bestimmte Arten oder Umfänge von Nebentätigkeiten.
  • Betriebsvereinbarungen: Dienen der Konkretisierung auf betrieblicher Ebene und können nationale oder tarifliche Regelungen ergänzen.

Nebentätigkeiten im Beamtenrecht

Für Beamtinnen und Beamte gelten besondere Vorschriften. Die Nebentätigkeit ist grundsätzlich genehmigungspflichtig (§ 99 Bundesbeamtengesetz – BBG). Erlaubt werden Nebentätigkeiten nur, wenn dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden.

Genehmigte und genehmigungsfreie Tätigkeiten

  • Genehmigungsfrei: Wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische Tätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen.
  • Genehmigungspflichtig: Geschäftliche, gewerbliche und beratende Tätigkeiten.
  • Untersagung bei Interessenkollision: Besteht ein Interessenkonflikt mit den dienstlichen Aufgaben, ist keine Genehmigung möglich.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

Nebentätigkeiten können Auswirkungen auf die Versicherungspflicht in Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung haben. Ausschlaggebend sind hier insbesondere Arbeitszeit, Verdienstgrenze und Art der Tätigkeit.

  • Geringfügige Beschäftigung (Minijob): Sozialversicherungsfreie Beschäftigung unter bestimmten Einkommensgrenzen (520-Euro-Job).
  • Mehrfachversicherung: Bei Überschreiten bestimmter Grenzen entsteht Versicherungspflicht in weiteren Zweigen der Sozialversicherung.

Steuerrechtliche Behandlung

Einnahmen aus Nebentätigkeiten sind grundsätzlich zu versteuern. Es gelten besondere Regelungen bei bestimmten Tätigkeitsarten, z. B. der Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG) oder Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG).

Folgen von Verstößen gegen Nebentätigkeitsregelungen

Verletzungen der Anzeige-, Genehmigungs- oder Untersagungspflicht können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies umfasst Abmahnung, im Einzelfall auch eine verhaltensbedingte Kündigung. Im Beamtenrecht können Disziplinarmaßnahmen folgen.

Zusammenfassende Bewertung

Die Nebentätigkeit ist ein komplexer Bereich mit vielfältigen rechtlichen Implikationen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten im Vorfeld klären, ob und unter welchen Bedingungen eine Nebentätigkeit zulässig ist. Insbesondere im öffentlichen Dienst und bei Beamtinnen und Beamten bestehen weitergehende Pflichten und Beschränkungen als in der Privatwirtschaft. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die frühzeitige Klärung mit dem Arbeitgeber, um nachteilige Rechtsfolgen zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Muss ich meinem Arbeitgeber eine Nebentätigkeit melden oder sogar genehmigen lassen?

Ob eine Nebentätigkeit dem Arbeitgeber gemeldet oder sogar von ihm genehmigt werden muss, ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag sowie ergänzend aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder dem Gesetz. In vielen Arbeitsverträgen findet sich bereits eine sogenannte Nebentätigkeitsklausel, die regelt, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer verpflichtet ist, eine Nebentätigkeit zu melden oder deren Aufnahme zuvor genehmigen zu lassen. Nach § 60 HGB ist z.B. bei kaufmännischen Angestellten das Verbot, ohne Einwilligung des Arbeitgebers ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig des Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen, gesetzlich vorgegeben. Unabhängig davon sind auch ohne ausdrückliche Regelung Nebentätigkeiten zu melden, wenn sie berechtigte Interessen des Arbeitgebers tangieren könnten, etwa wenn Interessenskonflikte, Wettbewerbsverstöße oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsleistung drohen. Ohne eine solche Berührungspunkte besteht keine allgemeine Pflicht zur Offenlegung privater Tätigkeiten. Eine gänzliche Untersagung jeder Nebentätigkeit ist jedoch meistens unzulässig und muss durch erhebliche arbeitsrechtliche Gründe gerechtfertigt werden.

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Arbeitgeber eine Nebentätigkeit untersagen?

Ein Arbeitgeber darf eine Nebentätigkeit nur untersagen, wenn berechtigte betriebliche Interessen beeinträchtigt werden können. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB besteht eine Nebenpflicht zur Rücksichtnahme, sodass Nebentätigkeiten unzulässig sind, wenn sie gegen das Wettbewerbsverbot, gegen gesetzliche Arbeitszeitvorschriften, gegen das Arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsgebot, gegen Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz verstoßen oder die Arbeitsleistung im Hauptarbeitsverhältnis aufgrund von Erschöpfung oder Zeitmangel stark beeinträchtigen. Auch wenn durch die Nebentätigkeit ein konkreter Interessenkonflikt oder Gefahr von Know-how-Abfluss entsteht, ist eine Untersagung möglich. Liegen diese Punkte nicht vor, ist ein pauschales Verbot unwirksam. Die Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht (freie Entfaltung der Persönlichkeit) des Arbeitnehmers und den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers ist jeweils im Einzelfall vorzunehmen.

Welche arbeitszeitrechtlichen Vorgaben sind bei einer Nebentätigkeit zu beachten?

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) schreibt vor, dass die zulässige werktägliche Höchstarbeitszeit von grundsätzlich acht Stunden (maximal zehn Stunden mit Ausgleich) auch bei der Ausübung mehrerer Beschäftigungen für denselben Kalenderzeitraum gilt. Das bedeutet, dass die Arbeitszeiten aus Haupt- und Nebentätigkeit zusammenzurechnen sind. Verstöße gegen die Höchstarbeitszeiten sowie die Einhaltung der Ruhezeiten (mindestens 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen) sind auch bei Nebentätigkeiten zu vermeiden, andernfalls drohen sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber Bußgelder. Die Verantwortung zur Beachtung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften trifft grundsätzlich beide Seiten.

Gibt es Besonderheiten bei Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst?

Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst gelten teilweise spezielle beamten- oder tarifrechtliche Regelungen. Nach § 3 Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV) bzw. den Nebentätigkeitsverordnungen der Länder besteht z.B. grundsätzlich eine Anzeigepflicht jeder Nebentätigkeit; bestimmte Tätigkeiten sind sogar genehmigungspflichtig. Untersagungen sind im Beamtenrecht regelmäßig dann möglich, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt werden könnten. Damit wird die Pflicht zur Nebentätigkeitsanzeige im öffentlichen Dienst strenger gehandhabt als im privaten Arbeitsverhältnis.

Wie sieht es mit einer Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit aus?

Arbeitnehmer, die aufgrund Krankheit arbeitsunfähig geschrieben sind, müssen sich grundsätzlich so verhalten, dass ihre Genesung nicht verzögert oder verhindert wird. Wer während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit einer Nebentätigkeit nachgeht, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen, etwa eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung, wenn daraus auf eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann oder eine Verschlechterung des Gesundungsprozesses zu erwarten ist. Ob eine Nebentätigkeit im Einzelfall zulässig ist, hängt also maßgeblich vom konkreten Krankheitsbild ab. Eine Tätigkeit, die mit der Erkrankung vereinbar ist und den Heilungsverlauf nicht beeinflusst, kann im Ausnahmefall möglich sein, rechtfertigt aber immer eine genaue Prüfung.

Welche steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten entstehen bei Nebentätigkeiten?

Jede Nebentätigkeit kann zu steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen führen. Grundsätzlich sind die Einnahmen aus Nebentätigkeiten dem zuständigen Finanzamt anzugeben; sie müssen ggf. in der Einkommensteuererklärung aufgeführt werden. Eine Ausnahme besteht nur bei bestimmten, geringfügigen Nebentätigkeiten (z.B. Minijobs). In Bezug auf die Sozialversicherung muss geprüft werden, ob durch die Nebentätigkeit ggf. Versicherungspflicht eintritt, insbesondere wenn mehrere Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander ausgeübt werden. Eine Überschreitung geringfügiger Grenzen kann zu Abgabenpflichten führen. Die Prüfung erfolgt durch die Krankenversicherung bzw. durch die Minijob-Zentrale.

Kann eine Nebentätigkeit ein Kündigungsgrund sein?

Eine Nebentätigkeit kann grundsätzlich dann eine (verhaltensbedingte) Kündigung rechtfertigen, wenn sie gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen, gesetzliche Vorschriften oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers verstößt. Typische Fälle sind die Aufnahme einer Tätigkeit beim direkten Wettbewerber (Wettbewerbsverstoß), eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsleistung oder Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Vor einer Kündigung ist jedoch grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich, es sei denn, das Fehlverhalten ist so gravierend (z.B. schwere Pflichtverletzung, Betrug, Verrat von Geschäftsgeheimnissen), dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.