Begriff und rechtliche Einordnung des Naturalunterhalts
Der Begriff Naturalunterhalt bezeichnet im deutschen Recht eine besondere Form der Erfüllung der Unterhaltspflicht, bei der der oder die Unterhaltsverpflichtete die gesetzlichen Unterhaltsleistungen nicht in Form von Geld (Barunterhalt), sondern durch Sach- und Dienstleistungen (in natura) erbringt. Naturalunterhalt findet insbesondere im Kontext familiärer Verhältnisse Bedeutung, vor allem im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern.
Gemäß § 1612 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Unterhalt entweder durch die Gewährung von Lebensbedarfsleistungen in Form von Kost, Wohnung, Kleidung, Taschengeld, Erziehung, Pflege, Betreuung und weiteren persönlich erbrachten Leistungen geleistet werden. Im Gegensatz dazu steht der Barunterhalt, der typischerweise durch Zahlung eines monatlichen Geldbetrags erbracht wird.
Formen und Inhalte des Naturalunterhalts
Umfang der Naturalunterhaltsleistungen
Der Umfang des Naturalunterhalts richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften zu den Unterhaltspflichten (§§ 1601 ff. BGB). Zu den typischen Bestandteilen des Naturalunterhalts zählen:
- Unterbringung: Gewährung von Wohnraum oder Mitbenutzung der Wohnung
- Verpflegung: Bereitstellung von angemessener Nahrung und Getränken
- Kleidung: Versorgung mit notwendiger und den Lebensverhältnissen entsprechender Bekleidung
- Erziehung und Betreuung: Persönliche Zuwendung, Unterstützung bei schulischen oder altersgerechten Belangen, Freizeitgestaltung
- Gesundheitspflege: Betreuung im Krankheitsfall, Beschaffung von Medikamenten, Begleitung zu Ärztinnen oder Ärzten
- Taschengeld: Soweit erforderlich, Gewährung eines maßvollen Taschengelds zur persönlichen Verfügung
Die Verpflichtungen orientieren sich stets am konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten sowie an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.
Abgrenzung zum Barunterhalt
Der Naturalunterhalt unterscheidet sich vom Barunterhalt in der Form der Erbringung. Während beim Barunterhalt Geldmittel zur eigenständigen Verfügung bereitgestellt werden, erfolgen die Leistungen beim Naturalunterhalt durch unmittelbare Versorgung und persönliche Betreuung. Im Familienrecht ist es üblich, dass der betreuende Elternteil den Naturalunterhalt durch die alltägliche Versorgung des Kindes sicherstellt, während der nicht betreuende Elternteil Barunterhalt zahlt.
Anwendungsbereiche des Naturalunterhalts
Unterhalt von minderjährigen Kindern
Der Naturalunterhalt ist vor allem im Rahmen der elterlichen Sorge bedeutsam. Nach deutschem Recht erbringen Eltern, bei denen das Kind lebt (betreuender Elternteil), ihren Unterhaltsbeitrag in der Regel durch Naturalunterhalt. Dazu gehören insbesondere die tägliche Betreuung, Nahrungsversorgung und Erziehung. Der andere Elternteil erbringt meist Barunterhalt.
Unterhalt von volljährigen Kindern
Bei volljährigen Kindern (ab 18 Jahren) kann Naturalunterhalt weiterhin eine Rolle spielen, etwa wenn das Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt und dort weiterhin verpflegt und betreut wird. In diesen Fällen kann die Unterhaltspflicht auch nach Eintritt der Volljährigkeit teilweise durch Naturalunterhalt erfüllt werden, sofern das Kind noch keine wirtschaftliche Selbstständigkeit erreicht hat und eine Bedarfslage nach § 1610 BGB besteht.
Ehegattenunterhalt und weitere familiäre Konstellationen
Im Zusammenhang mit Ehegattenunterhalt kann Naturalunterhalt bei bestehender häuslicher Gemeinschaft anstelle von Geldleistungen erbracht werden (§ 1360 BGB). Trennen sich jedoch die Eheleute, ist der Unterhalt in aller Regel als Barunterhalt zu leisten. Ähnlich verhält es sich bei anderen Unterhaltsverhältnissen, beispielsweise bei Elternunterhalt oder Großelternunterhalt, wobei hier der Naturalunterhalt in den Hintergrund tritt.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Besonderheiten
Rechtsgrundlagen
Die Gewährung von Naturalunterhalt basiert im Wesentlichen auf folgenden gesetzlichen Grundlagen:
- § 1612 BGB (Form des Unterhalts): Legt fest, in welcher Form Unterhalt zu leisten ist und gibt dem Unterhaltsschuldner einen gewissen Gestaltungsspielraum.
- § 1601 ff. BGB (Unterhaltspflichten): Definieren die allgemeinen Voraussetzungen und den Personenkreis der Unterhaltspflichtigen und -berechtigten.
- § 1360 BGB (Unterhalt der Ehegatten): Regelt die gemeinschaftliche Verantwortung der Ehegatten für den Familienunterhalt; Leistungen können in Form von Geld oder als Naturalunterhalt erfolgen.
Vorrang, Wahlrecht und Vereinbarungen
Grundsätzlich besteht ein Wahlrecht hinsichtlich der Form der Unterhaltsleistung, soweit keine anderslautende gerichtliche Entscheidung, Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung besteht. Das Gesetz räumt dem Unterhaltsverpflichteten nach § 1612 Abs. 2 BGB das Recht ein, die Art der Unterhaltsleistung innerhalb eines bestimmten Rahmens zu bestimmen. Allerdings muss die Wahl der Unterhaltsform stets dem Wohl und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten Rechnung tragen.
Anrechnung und Bewertung des Naturalunterhalts
Naturalunterhalt kann auf bestehende Unterhaltspflichten angerechnet werden. Bei der Ermittlung des Bedarfs und der Höhe des geschuldeten Unterhalts wird der Wert der tatsächlich erbrachten Sach- und Dienstleistungen berücksichtigt. Als Maßstab dient hierbei der objektive Marktwert für vergleichbare Leistungen (z. B. Miete, Lebenshaltungskosten, Verpflegungssätze).
Bedeutung in der Praxis
Der Naturalunterhalt hat vor allem im Alltag von Familien große Bedeutung, da er die Versorgung und Betreuung im häuslichen Umfeld sicherstellt. In bestimmten Konstellationen, etwa bei getrennt lebenden Eltern oder bei besonderem Bedarf des Unterhaltsberechtigten, kann jedoch auch eine Umstellung auf Barunterhalt notwendig werden. Die Praxis der Unterhaltsverwirklichung erfordert daher stets eine sorgfältige Bedarfsprüfung und eine Bewertung der jeweiligen Lebensumstände.
In gerichtlichen Auseinandersetzungen spielt die korrekte Bewertung und Anrechnung von Naturalunterhalt eine zentrale Rolle, da sie unmittelbar die Höhe von etwaig noch geschuldetem Barunterhalt berührt.
Fazit
Naturalunterhalt stellt eine im deutschen Zivilrecht fest verankerte Form der Unterhaltsleistung dar. Seine rechtliche Ausgestaltung ermöglicht eine flexible Anpassung an die Lebensverhältnisse und Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten, insbesondere bei gemeinsamer Haushaltsführung und Betreuung von Kindern. Die genaue Ermittlung, Bewertung und Anrechnung des Naturalunterhalts ist wesentlich, um eine sachgerechte Bemessung des Unterhalts sicherzustellen und den Zwecken des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs Rechnung zu tragen.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Anrechnung des Naturalunterhalts bei minderjährigen Kindern und welche Bedeutung hat dieser für die Berechnung des Barunterhalts?
Der Naturalunterhalt wird insbesondere dann relevant, wenn ein Elternteil das minderjährige Kind in seinem Haushalt betreut und versorgt. Hierbei erfüllt der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht primär durch die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Gesundheitsfürsorge, Betreuung und Erziehung. Dieser sogenannte Naturalunterhalt wirkt sich unmittelbar auf die Unterhaltsberechnung aus: Im Rahmen der Berechnung des Barunterhalts – der in der Regel vom anderen Elternteil zu leisten ist – wird der Naturalunterhalt bereits als Erfüllung der Unterhaltspflicht durch den betreuenden Elternteil berücksichtigt. Das bedeutet, dass der auf das Kind entfallende Unterhaltsanspruch zu gleichen Teilen auf beide Eltern aufgeteilt wird, wobei der betreuende Elternteil seinen Teil bereits durch die tatsächliche Betreuung und Versorgung erbringt. In der Praxis ist dies von erheblicher Bedeutung, da im Regelfall der betreuende Elternteil keinen weiteren Barunterhalt schuldet, sondern der nicht betreuende Elternteil alleine zur Barunterhaltszahlung herangezogen wird. Maßgeblich hierfür sind die rechtlichen Grundlagen in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sowie die Düsseldorfer Tabelle als Berechnungshilfe.
Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen Naturalunterhalt und Barunterhalt im Verhältnis der Eltern zu volljährigen Kindern?
Sobald ein Kind die Volljährigkeit erreicht hat, ändern sich die rechtlichen Grundlagen zur Erfüllung der Unterhaltspflicht erheblich. Der Naturalunterhalt, wie er bei minderjährigen Kindern durch Betreuung und Versorgung im elterlichen Haushalt erbracht wird, verliert an Bedeutung. Grundsätzlich sind beide Eltern gegenüber einem volljährigen Kind zum Barunterhalt verpflichtet, unabhängig davon, ob das Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt oder bereits eine eigene Wohnung bewohnt. Der Anspruch auf Naturalunterhalt beschränkt sich dann nur noch auf besondere Ausnahmefälle, etwa bei behinderten Kindern, die weiter auf Betreuung und Pflege angewiesen sind und im Haushalt der Eltern verbleiben. In den meisten Fällen bestimmt jedoch der Barunterhalt die gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern volljähriger Kinder. Die anteilige Verpflichtung der Eltern zum Barunterhalt richtet sich nach ihren jeweiligen Einkommen und wird nach Maßgabe des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB sowie der Düsseldorfer Tabelle berechnet.
Können Aufwendungen für Sachleistungen, wie etwa Kleidungskauf oder Freizeitgestaltungen, als Naturalunterhalt geltend gemacht werden?
Sachleistungen, die der Versorgung und Betreuung des Kindes dienen, zählen grundsätzlich zum Naturalunterhalt, sofern sie im Rahmen der tatsächlichen Betreuung und Erziehung erbracht werden. Dazu gehören Ausgaben für Nahrung, Bekleidung, Schulmaterial, Freizeitgestaltung, Gesundheitsvorsorge sowie die Bereitstellung eines eigenen Wohnraumes. Wichtig ist jedoch, dass diese Sachleistungen nur dann als Erfüllung der Unterhaltspflicht im Rahmen des Naturalunterhalts anerkannt werden, wenn das Kind im Haushalt des betreffenden Elternteils lebt, betreut und versorgt wird. Eigenständige Zahlungen von Sachleistungen des nicht betreuenden Elternteils, wie etwa der gelegentliche Kauf von Kleidung oder Spielzeug, können die Barunterhaltspflicht grundsätzlich nicht ersetzen und werden in der Regel auch nicht auf die zu zahlenden Beträge angerechnet. Maßgebend ist stets, dass die Leistung dem laufenden, regelmäßigen Unterhaltsbedarf des Kindes entspricht und zur Deckung der Grundbedürfnisse beiträgt.
Welche rechtlichen Vorgaben bestehen für den Nachweis der Erfüllung des Naturalunterhalts gegenüber Behörden oder dem anderen Elternteil?
Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen ist bei minderjährigen Kindern die tatsächliche Betreuung und Versorgung üblicherweise kein gesondert nachzuweisender Umstand, wenn das Kind dauerhaft im Haushalt desjenigen Elternteils lebt. Die Lebensgemeinschaft und die damit verbundene Alltagsfürsorge werden rechtlich als Erfüllung des Naturalunterhalts vermutet. Sofern der andere Elternteil oder eine Unterhaltsvorschusskasse jedoch Zweifel an der tatsächlichen Betreuung und Versorgung anmeldet, kann der Nachweis durch Meldebescheinigungen, Schulbescheinigungen oder Auskünfte von Jugendämtern erbracht werden. Besondere Berichts- oder Nachweispflichten bestehen jedoch regelmäßig nicht; vielmehr wird im Verfahren vor Gericht oder Behörden auf die tatsächlichen Wohn- und Betreuungsverhältnisse abgestellt. Wird eine wechselnde Betreuung (Wechselmodell) vereinbart, ist insbesondere zu dokumentieren, in welchem Umfang und in welchen Zeiträumen die Betreuung jeweils von den Eltern übernommen wird.
Inwiefern ist der Naturalunterhalt im sogenannten Wechselmodell zu berücksichtigen und wie wirkt sich dies auf die Unterhaltszahlungen aus?
Beim Wechselmodell, also der nahezu gleichwertigen Betreuung eines Kindes durch beide Elternteile, wird der Naturalunterhalt durch beide Eltern aufgeteilt. Das bedeutet, dass jeder Elternteil während seiner Betreuungszeiten für die Versorgung und Erziehung des Kindes aufkommt und dadurch den Naturalunterhalt anteilig erfüllt. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass dennoch ein Barunterhaltsbedarf verbleibt, nämlich die Kosten, die nicht unmittelbar im Rahmen der Betreuung abgedeckt werden (z.B. Schulgeld, Versicherungen, Fahrtkosten etc.). Die Höhe dieses Barunterhalts wird dann nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern anteilig berechnet und die bereits durch Naturalunterhalt erbrachten Leistungen in Abzug gebracht. Das Wechselmodell erfordert deshalb eine besonders differenzierte Betrachtung hinsichtlich der tatsächlichen Aufwendungen und kann im Einzelfall zu einer (gegenseitigen) Barunterhaltsverpflichtung beider Eltern führen.
Besteht eine Möglichkeit, zwischen Barunterhalt und Naturalunterhalt zu wählen, oder besteht eine gesetzliche Vorschrift zur Form der Erfüllung der Unterhaltspflicht?
Grundsätzlich schreibt das Gesetz vor, dass minderjährige und privilegiert volljährige Kinder – das sind volljährige Kinder, die sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden und nicht älter als 21 Jahre sind – im Haushalt eines Elternteils einen Anspruch auf Naturalunterhalt und gegenüber dem anderen Elternteil einen Anspruch auf Barunterhalt haben. Ein Wahlrecht, die Unterhaltspflicht alternativ durch Naturalunterhalt oder Barunterhalt zu erfüllen, besteht daher nicht. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt ausdrücklich, dass der Elternteil, der das Kind betreut, durch die tatsächliche Sach- und Betreuungsleistung seiner Unterhaltspflicht genügt, während der andere Elternteil zur Barunterhaltsleistung verpflichtet ist. Nur bei abweichender Betreuungssituation (z.B. Wechselmodell) oder bei volljährigen Kindern kann hiervon im Einzelfall abgewichen werden.
In welchen Fällen kann der Naturalunterhalt auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden und wie erfolgt die ggf. notwendige Prüfung durch das Jugendamt?
Beim Bezug von Unterhaltsvorschuss durch das Jugendamt ist entscheidend, dass natürliche Unterhaltsleistungen des betreuenden Elternteils für die Berechnung des Vorschusses nicht als anrechenbarer Barunterhalt betrachtet werden. Der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss entsteht genau dann, wenn der nicht betreuende Elternteil den geschuldeten Barunterhalt ganz oder teilweise nicht zahlt. Naturalunterhalt, der durch den betreuenden Elternteil erbracht wird, ist bereits als Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht anzusehen und wirkt sich insoweit nicht mindernd auf den Vorschussanspruch aus. Das Jugendamt prüft im Rahmen der Antragsbearbeitung, bei welchem Elternteil das Kind tatsächlich lebt und ob der nicht betreuende Elternteil seiner Barunterhaltspflicht nachkommt. Hierzu können Meldebescheinigungen, Schulnachweise oder Sorgerechtsentscheidungen herangezogen werden.