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Nachlasspfleger


Nachlasspfleger – Definition, Aufgaben und rechtliche Grundlagen

Begriff und Definition

Ein Nachlasspfleger ist eine vom zuständigen Nachlassgericht bestellte Person, die die Aufgabe hat, einen Nachlass im Interesse unbekannter oder abwesender Erben zu verwalten und zu sichern. Das Amt des Nachlasspflegers ist in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Die Nachlasspflegschaft dient in erster Linie dem Schutz des Nachlasses und der Klärung von Erbenpositionen.

Gesetzliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die zentrale gesetzliche Grundlage für die Bestellung und Tätigkeit eines Nachlasspflegers ist § 1960 BGB. Nach § 1960 Absatz 1 BGB hat das Nachlassgericht dem Nachlass einen Pfleger zu bestellen, wenn das Bedürfnis einer Pflegschaft besteht, insbesondere wenn die Erben unbekannt oder ungewiss sind.

Ein weiterer relevanter Paragraf ist § 1961 BGB, der die Verpflichtung des Nachlasspflegers zur Abgabe eines Nachlassverzeichnisses regelt.

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

Die Verfahrensregeln für die Bestellung und Überwachung des Nachlasspflegers trifft das FamFG, insbesondere in den §§ 342 ff. FamFG. Diese Vorschriften normieren das Verfahren der Nachlasspflegschaft, Einsichtsrechte, Berichts- und Überwachungspflichten.

Aufgaben und Pflichten des Nachlasspflegers

Sicherung und Verwaltung des Nachlasses

Eine wesentliche Aufgabe des Nachlasspflegers nach § 1960 BGB ist die Sicherung und sachgerechte Verwaltung des Nachlasses. Hierzu zählt die Sichtung, Aufnahme und ggf. Bewertung der Nachlassgegenstände sowie die Ermittlung und Abwehr von Nachlassverbindlichkeiten. Dies beinhaltet typischerweise die:

  • Sicherung werthaltiger Gegenstände
  • Durchführung von Inventuren
  • Verwaltung von Konten und Grundstücken
  • Regelung laufender Verträge und Verpflichtungen des Erblassers

Vertretung unbestimmter oder abwesender Erben

Bestehen Unsicherheiten über die Person der Erben oder ist deren Aufenthalt unbekannt, vertritt der Nachlasspfleger die Erben in allen Angelegenheiten, die mit dem Nachlass verbunden sind. Dazu zählen auch die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen oder die Abwehr von Forderungen Dritter.

Ermittlung der Erben (Erbenfeststellung)

Eine zentrale Aufgabe ist außerdem die Feststellung und Ermittlung der Erben. Der Nachlasspfleger kann dazu Nachforschungen bei öffentlichen Stellen, Standesämtern oder sonstigen Behörden anstellen. Auch die Beauftragung privater Ermittlungsdienste ist im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit möglich.

Erstellung eines Nachlassverzeichnisses

Nach § 1960 Abs. 2 BGB ist der Nachlasspfleger verpflichtet, dem Nachlassgericht ein vollständiges Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses zu erstellen und vorzulegen. Dieses Verzeichnis dient sowohl der Sicherung des Nachlasses als auch der Übersichtlichkeit für etwaige Erben.

Abwicklung laufender Geschäfte

Soweit der Nachlass aus laufenden Geschäftsbeziehungen besteht (z. B. Mietverhältnisse, Arbeitsverhältnisse), ist auch deren Abwicklung Aufgabe des Nachlasspflegers. Hierzu zählt die Kündigung, Fortführung oder anderweitige Regelung solcher Verträge im Interesse des Nachlasses.

Bestellung und Auswahl des Nachlasspflegers

Die Bestellung erfolgt durch das Nachlassgericht von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten, zum Beispiel von Gläubigern des Nachlasses. Die Auswahl des Nachlasspflegers steht im Ermessen des Gerichts. Es können Einzelpersonen, Rechtsanwälte oder geeignete Organisationen bestellt werden. Persönliche Vertrauenswürdigkeit und Sachkunde spielen eine wesentliche Rolle bei der Auswahl.

Rechte und Pflichten gegenüber dem Nachlassgericht

Der Nachlasspfleger steht unter der Aufsicht des Nachlassgerichts und hat diesem regelmäßig Bericht zu erstatten. Verfügungen über Grundstücke oder andere Geschäfte, die über die laufende Verwaltung hinausgehen, bedürfen der Genehmigung durch das Nachlassgericht (§ 1962 BGB). Darüber hinaus bestehen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten; der Nachlasspfleger hat jederzeit auf Verlangen des Gerichts Einblick in seine Tätigkeit zu gewähren.

Haftung und Vergütung des Nachlasspflegers

Haftung

Der Nachlasspfleger haftet im Rahmen seiner Amtstätigkeit für eine pflichtwidrige Schädigung des Nachlasses nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 1833, 1915 BGB. Er hat die Sorgfalt eines ordentlichen Verwalters anzuwenden und kann sich bei grob fahrlässigem Verhalten persönlich schadenersatzpflichtig machen.

Vergütung

Die Vergütung richtet sich nach den Vorschriften des § 1915 BGB in Verbindung mit dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Die Bemessung erfolgt nach dem Zeitaufwand und der Schwierigkeit des Einzelfalls; die Vergütung ist grundsätzlich dem Nachlass zu entnehmen.

Beendigung der Nachlasspflegschaft

Die Nachlasspflegschaft endet mit Wegfall des Grundes für die Pflegschaft, insbesondere wenn die Erben feststehen oder das Gericht die Notwendigkeit zur weiteren Verwaltung des Nachlasses nicht mehr sieht. Die Beendigung bedarf einer ausdrücklichen gerichtlichen Verfügung. Nach Beendigung ist der Nachlasspfleger verpflichtet, eine abschließende Abrechnung zu erstellen und an die Erben oder deren Vertreter zu übergeben.

Abgrenzung zu verwandten Funktionen

Die Nachlasspflegschaft unterscheidet sich von der Nachlassverwaltung (§ 1981 BGB) und der Nachlassinsolvenz. Während der Nachlassverwalter im Interesse aller Erben zur Verwaltung und Auseinandersetzung eingesetzt wird und der Nachlassinsolvenzverwalter für die Abwicklung überschuldeter Nachlässe zuständig ist, dient die Nachlasspflegschaft vorrangig dem Schutz unbekannter oder abwesender Erben.

Bedeutung in der Praxis

In der Praxis kommt der Nachlasspflegschaft vor allem dann Bedeutung zu, wenn nach dem Tod einer Person die Erben nicht feststehen, Erbfolge ungeklärt ist oder der Erbe seinen Aufenthalt unbekannt oder nicht erreichbar ist. Die Tätigkeit des Nachlasspflegers gewährleistet eine geordnete Nachlasssicherung und schützt Gläubiger sowie potentielle Erben vor Wertverlusten.


Quellenhinweis (ohne Verlinkung) für weiterführende Informationen:
BGB §§ 1960 ff., 1981; FamFG §§ 342 ff.; VBVG; Literatur und Kommentierungen zum Nachlassrecht.


Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht zu Rechtslage, Aufgaben und Bedeutung des Nachlasspflegers und stellt ein zentrales Nachschlagewerk für rechtliche Fragestellungen im Bereich Erbrecht dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben übernimmt ein Nachlasspfleger im Rahmen der Nachlassabwicklung?

Ein Nachlasspfleger wird vom Nachlassgericht bestellt, um die Rechte und Ansprüche des unbekannten oder entfernten Erben zu sichern und die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zu gewährleisten. Zu seinen Hauptaufgaben zählt die Ermittlung und Sicherstellung des gesamten Nachlassvermögens, einschließlich aller Vermögenspositionen wie Immobilien, Konten, Wertpapiere und beweglicher Gegenstände. Er ist zudem verpflichtet, sämtliche Nachlassverbindlichkeiten zu ermitteln, zu prüfen und zu begleichen, soweit diese aus dem Nachlass gedeckt werden können. Parallel dazu gehört die Einleitung nötiger Maßnahmen zum Schutz des Nachlasses zu seinen Pflichten, etwa das Veranlassen von Sicherungsmaßnahmen bei Immobilien oder das Einziehen von Forderungen. Des Weiteren hat der Nachlasspfleger Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gegenüber dem Nachlassgericht und den Erben. Im Rahmen seiner Tätigkeit kann er auch Rechtsgeschäfte tätigen, wie beispielsweise Verträge abschließen oder kündigen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung erforderlich ist. Vor allem bei unklarer Erbenlage ist er verpflichtet, die Erben zu ermitteln, soweit dies zu seinem Aufgabenkreis zählt, und das Nachlassgericht laufend über Stand und Entwicklung der Nachlassangelegenheiten zu informieren.

Unter welchen Voraussetzungen wird ein Nachlasspfleger vom Gericht bestellt?

Ein Nachlasspfleger wird grundsätzlich vom Nachlassgericht bestellt, wenn das Erbrecht einer oder mehrerer Personen ungewiss ist – etwa wenn die Erben unbekannt sind oder sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht zuverlässig ermitteln lassen. Gleiches gilt, wenn unklar ist, ob der lediglich bekannte Erbe die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Auch im Fall widerstreitender Erbrechtspositionen kann das Gericht einen Nachlasspfleger einsetzen, um die Interessen der potenziellen Erben zu sichern. Darüber hinaus kann die Nachlasspflegschaft angeordnet werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Notwendigkeit besteht, Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses bis zur Klärung der Erbenstellung zu treffen. Die gesetzlichen Grundlagen ergeben sich insbesondere aus § 1960 und § 1961 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Bestellung erfolgt entweder von Amts wegen durch das Nachlassgericht oder auf Antrag eines Beteiligten, zum Beispiel eines Gläubigers, der sein Interesse an einer geordneten Nachlassabwicklung glaubhaft machen muss. Die Pflegschaft endet, sobald das Erbrecht geklärt ist oder kein Sicherungsbedürfnis mehr besteht.

Welche Rechte und Pflichten hat der Nachlasspfleger gegenüber Gläubigern des Nachlasses?

Der Nachlasspfleger ist verpflichtet, die Gläubiger des Nachlasses zu ermitteln, ihre Forderungen zu prüfen und diese – soweit berechtigt – aus der Masse zu befriedigen. Hierzu zählen beispielsweise offene Rechnungen, laufende Verträge, Steuerschulden sowie sonstige Verpflichtungen des Erblassers. Die Erfüllung der Verbindlichkeiten erfolgt, soweit der Nachlass hierzu ausreicht, da persönliche Haftung des Nachlasspflegers ausgeschlossen ist. Der Nachlasspfleger tritt in dieser Funktion nicht als Gesamtrechtsnachfolger wie ein Erbe auf, sondern als Vertreter der unbekannten oder abwesenden Erben. Er ist verpflichtet, den Gläubigern Auskunft über den Bestand des Nachlasses und die beabsichtigte Verteilung zu geben. Sollte die Masse zur Deckung aller Verbindlichkeiten nicht ausreichen, so ist er gehalten, das sogenannte Nachlassinsolvenzverfahren (§ 1975 BGB) zu beantragen. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, kann er grundsätzlich persönlich haftbar gemacht werden. Außerdem muss der Nachlasspfleger darauf achten, keine ungesicherten Zahlungen zu leisten und die Gleichbehandlung der Gläubiger zu gewährleisten.

Wie wird der Nachlasspfleger rechtlich überwacht und kontrolliert?

Die Tätigkeit des Nachlasspflegers unterliegt einer strengen Überwachung durch das Nachlassgericht. Er ist dazu verpflichtet, dem Gericht regelmäßig, spätestens jedoch bei Beendigung seiner Tätigkeit, über die Verwaltung des Nachlasses Rechnung zu legen und auf Anforderung Einblick in seine Geschäftsführung zu geben (§ 1890 BGB). Darüber hinaus kann das Nachlassgericht jederzeit Berichte und Belege anfordern sowie Anordnungen zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses treffen. Die Bestallung des Nachlasspflegers erfolgt durch einen gerichtlichen Beschluss, und das Gericht kann ihn jederzeit aus wichtigem Grund entlassen. Im Fall von Pflichtverletzungen, grober Nachlässigkeit oder Unredlichkeit kann das Gericht eingreifen und nötigenfalls Schadensersatzansprüche prüfen. Die laufende Überwachung stellt somit sicher, dass der Nachlass in dem Zeitraum, in dem die Erbsituation ungeklärt ist, ordnungsgemäß und im Interesse aller Beteiligten behandelt wird.

Welche Vergütung steht dem Nachlasspfleger zu, und wie wird diese festgelegt?

Der Nachlasspfleger hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung sowie auf Ersatz seiner Aufwendungen (§ 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 1836ff. BGB). Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit seiner Tätigkeit. Meist werden die Sätze der Nachlasspfleger-Vergütungsverordnung (NPflegeVV) herangezogen, welche je nach Qualifikation für juristische oder nicht-juristische Nachlasspfleger unterschiedliche Regelsätze vorgibt. Konkret erfolgt die Festsetzung durch das Nachlassgericht, in der Regel auf Antrag des Nachlasspflegers und nach Prüfung des von diesem eingereichten Tätigkeits- und Zeitnachweises. Die Vergütung sowie die Kosten für notwendige Auslagen und Sachaufwendungen sind grundsätzlich aus dem Nachlass zu zahlen. Führt die Tätigkeit zu einer Überziehung des Nachlasses, haftet der Nachlasspfleger – außer bei Pflichtverletzungen – nicht persönlich für offenen Vergütungsforderungen.

Was ist der Unterschied zwischen Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung?

Während die Nachlasspflegschaft vorrangig zum Zweck der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bei unklarer Erbenlage angeordnet wird, dient die Nachlassverwaltung der ordnungsgemäßen Abwicklung eines überschuldeten Nachlasses zum Schutz des Erben vor einer persönlichen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten. Die Nachlasspflegschaft ist also regelmäßig ein Sicherungsinstrument bis zur Feststellung des Erben, während die Nachlassverwaltung – auf Antrag des Erben oder eines Gläubigers – auf die Befriedigung der Nachlassgläubiger beschränkt ist und den Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben verhindert. Die Nachlassverwaltung ist zudem im Regelfall mit weitergehenden Rechten und Pflichten für den Nachlassverwalter verbunden, etwa im Hinblick auf die Verwertung und Verteilung des Nachlasses nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen. Beide Institutionen sind im BGB geregelt, erfüllen aber unterschiedliche rechtliche Schutzfunktionen innerhalb des Nachlassverfahrens.

Wann und wie endet die Nachlasspflegschaft?

Die Nachlasspflegschaft endet grundsätzlich mit dem Wegfall ihres Zwecks, also sobald die Erben ermittelt und ihre Erbenstellung festgestellt werden konnte oder kein Sicherungsbedürfnis mehr besteht (§ 1922 BGB). Das Nachlassgericht hebt in diesem Fall die Nachlasspflegschaft durch einen förmlichen Beschluss auf. Die Beendigung ist dem Nachlasspfleger und, sofern bekannt, den Erben mitzuteilen. Die Rechnungslegung über die Nachlassverwaltung und die Herausgabe aller noch vorhandenen Nachlassgegenstände oder relevanten Unterlagen an die ermittelten Erben ist Voraussetzung für das formelle Ende der Pflegschaft. In besonderen Fällen, etwa bei Tod oder Amtsniederlegung des Nachlasspflegers, wird ein Nachfolger bestellt oder die Nachlasspflegschaft bis zur Übernahme durch eine andere Person fortgeführt.