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Montrealer Übereinkommen


Allgemeines zum Montrealer Übereinkommen

Das Montrealer Übereinkommen, offiziell als Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr bekannt (Montreal Convention, MC99), ist ein multilateraler Vertrag, der am 28. Mai 1999 in Montreal, Kanada, verabschiedet wurde. Es bildet die rechtliche Grundlage für die Haftung im internationalen Luftverkehr und regelt Rechte und Pflichten von Fluggesellschaften und Passagieren bei grenzüberschreitenden Beförderungen. Das Abkommen löste für seine Vertragsstaaten das frühere Warschauer Abkommen sowie verschiedene Zusatzprotokolle ab und ist ein zentraler Bestandteil des internationalen Luftfahrtrechts.

Anwendungsbereich und Zielsetzung

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Das Montrealer Übereinkommen findet auf sämtliche internationale Beförderungen von Personen, Gepäck und Gütern durch Luftfahrtunternehmen Anwendung, sofern die Abflug- und Ankunftspunkte im Hoheitsgebiet zweier verschiedener Vertragsstaaten liegen oder innerhalb eines einzelnen Vertragsstaates mit einer geplanten Landung in einem anderen Staat. Maßgeblich ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Beförderungsvertrag.

Zielsetzung

Ziel des Übereinkommens ist eine Standardisierung und Modernisierung der Haftungsregelungen im internationalen Luftverkehr. Es gewährleistet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz der Passagiere und der wirtschaftlichen Belastung der Luftfahrtunternehmen und trägt zur Schaffung fairer Haftungsbedingungen im globalen Luftverkehr bei.

Wesentliche Regelungsinhalte

Haftung für Personenschäden

Voraussetzungen und Umfang der Haftung

Das Montrealer Übereinkommen sieht eine gestufte Haftung für Tod oder Körperverletzung von Passagieren vor. Nach Artikel 17 haften Luftfahrtunternehmen für Unfälle, die sich an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignen. Die Haftung ist bis zu einem bestimmten Betrag verschuldensunabhängig (derzeit 128.821 Sonderziehungsrechte, SZR, pro Passagier; Betrag stand 2024). Darüber hinaus besteht eine verschuldensabhängige Haftung.

Ausschluss und Begrenzung der Haftung

Die verschuldensunabhängige Haftung ist nur ausgeschlossen, wenn die Fluggesellschaft nachweist, dass der Schaden durch das Verschulden des Geschädigten verursacht oder mitverursacht wurde. Bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann die Haftung nicht ausgeschlossen oder begrenzt werden.

Haftung für Verspätung

Nach Artikel 19 haftet das Luftfahrtunternehmen für Schäden, die durch Verspätung bei der Beförderung von Personen, Gepäck oder Gütern entstehen, es sei denn, dass alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Verspätung getroffen wurden oder dass der Eintritt der Verspätung unvermeidbar war. Die Haftung für Verspätungsschäden ist der Höhe nach beschränkt.

Haftung für beschädigtes, verlorenes oder verspätetes Gepäck

Gemäß Artikel 17 Absatz 2 haftet das Luftfahrtunternehmen auch für die Zerstörung, den Verlust oder die Beschädigung aufgegebenen Gepäcks, sofern der Schaden im Zeitraum zwischen Übernahme und Auslieferung eintritt. Bei nicht aufgegebenem Gepäck ist eine Haftung nur gegeben, wenn das Luftfahrtunternehmen ein Verschulden trifft.

Die Haftung ist auf 1.288 SZR pro Passagier beschränkt, es sei denn, der Passagier hat bei Übernahme des Gepäcks einen höheren Wert deklariert und einen etwaigen Zuschlag bezahlt.

Haftung für Güterschäden

Die Regelungen zur Haftung für Güterschäden, insbesondere bei Zerstörung, Verlust oder Beschädigung, finden sich in Artikel 18. Die Höchsthaftung beträgt 22 SZR pro Kilogramm, sofern kein höheres Interesse deklariert wurde.

Verfahren und Fristen

Anzeigepflichten und Schadensanzeige

Im Montrealer Übereinkommen sind feste Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen geregelt. Für Gepäckschäden gilt zum Beispiel eine schriftliche Anzeigefrist von sieben Tagen ab Auslieferung, bei verspätetem Gepäck von 21 Tagen.

Verjährung

Schadensersatzansprüche aus dem Montrealer Übereinkommen verjähren gemäß Artikel 35 innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab dem Tag der Ankunft, dem Tag, an dem das Luftfahrzeug hätte ankommen sollen, oder dem Tag, an dem die Beförderung abgebrochen wurde.

Gerichtsstand und Klagemöglichkeiten

Das Montrealer Übereinkommen regelt in Artikel 33 die zuständigen Gerichte. Passagiere können ihre Ansprüche an fünf verschiedenen Orten geltend machen:

  • Am Sitz des Luftfahrtunternehmens,
  • an dessen Hauptniederlassung,
  • am abgeschlossenen Beförderungsvertrag,
  • am Zielort,
  • am „Wohnsitzgerichtsstand“ (Wohnsitz des Passagiers, sofern vom Luftfahrtunternehmen Dienstleistungen angeboten wurden).

Diese Regelung stärkt die Position der Geschädigten und erleichtert die Rechtsdurchsetzung.

Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften

Das Montrealer Übereinkommen hat in den Vertragsstaaten vorrangige Geltung gegenüber nationalen Regelungen, sofern diese abweichende Haftungsgrundsätze vorsehen. Ebenfalls überlagert das Übereinkommen das Warschauer Abkommen sowie dessen Zusätze für die beteiligten Vertragsstaaten. Soweit nationale oder internationale Rechtsakte weitergehende Rechte gewähren (z.B. EU-Fluggastrechteverordnung), bleibt das Übereinkommen hiervon grundsätzlich unberührt; eine Kumulation von Ansprüchen ist jedoch ausgeschlossen.

Bedeutung für die Luftfahrtpraxis

Das Montrealer Übereinkommen schafft ein weltweit weitgehend einheitliches Haftungsregime für internationale Flüge. Für Fluggesellschaften bedeutet dies größere Rechtssicherheit, für Passagiere einen verbesserten Schutz und klare Ansprüche im Schadensfall. Die stete Anpassung der Haftungshöchstbeträge stellt zudem sicher, dass der Schutz an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst bleibt.

Vertragsstaaten und Geltungsbereich

Mehr als 135 Staaten haben das Montrealer Übereinkommen bislang ratifiziert (Stand 2024). Es gilt für nahezu sämtliche internationale Luftbeförderungen, sofern Ausgangs- und Zielstaat Vertragsparteien sind.

Literaturhinweise und Quellen

Die rechtliche Ausgestaltung und Auslegungspraxis des Montrealer Übereinkommens ist Gegenstand umfangreicher Kommentierung und wissenschaftlicher Literatur. Wichtige Referenzen hierzu sind u.a. die offiziellen Vertragstexte, nationale Umsetzungsgesetze sowie Urteile nationaler und internationaler Gerichte.


Weblinks:


Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die wesentlichen rechtlichen Aspekte und Implikationen des Montrealer Übereinkommens und dient als Referenz für weiterführende Auseinandersetzungen im Bereich des internationalen Luftverkehrsrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche Haftungsbegrenzungen sieht das Montrealer Übereinkommen für Luftfahrtunternehmen vor?

Das Montrealer Übereinkommen legt im Rahmen des internationalen Flugverkehrs klare Haftungsgrenzen für Luftfahrtunternehmen fest. Im Falle von Tod oder Körperverletzung eines Passagiers ist das Luftfahrtunternehmen grundsätzlich bis zu einem Betrag von 128.821 Sonderziehungsrechten (SZR) (Stand 2024) haftbar, unabhängig von einem Verschulden. Liegt der Schaden darüber, haftet das Luftfahrtunternehmen nur dann nicht, wenn es nachweist, dass der Schaden nicht auf ein Verschulden oder eine andere unzulässige Handlung oder Unterlassung seinerseits zurückzuführen ist oder ausschließlich durch das Verschulden Dritter verursacht wurde. Für Gepäck und Verspätungen gelten ebenfalls spezifische Haftungsobergrenzen: Bei aufgegebenem Gepäck beträgt die Haftungsgrenze 1.288 SZR pro Passagier, für Handgepäck 1.288 SZR je Passagier, und für Verspätungsschäden liegt die Grenze bei 5.346 SZR. Diese Begrenzungen können durch ausdrückliche Erklärung gegen Zahlung eines Aufpreises vom Passagier erhöht werden. Die Haftungsgrenzen werden regelmäßig durch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) überprüft und angepasst.

Welche Fristen gelten für die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Montrealer Übereinkommen?

Das Montrealer Übereinkommen sieht für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Luftfahrtunternehmen strenge Fristen vor. Grundsätzlich müssen Ansprüche wegen Tod, Körperverletzung, Verspätung, Beschädigung, Verlust oder Zerstörung von Gepäck innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag der Ankunft am Bestimmungsort, dem Tag, an dem das Luftfahrzeug hätte ankommen sollen, oder der Einstellung des Transports erhoben werden (Art. 35 MÜ). Für die Anzeige von Gepäckschäden müssen Passagiere Beschädigungen an aufgegebenem Gepäck innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt schriftlich anzeigen, während für Verspätungsschäden an Gepäck eine Frist von einundzwanzig Tagen ab dem Tag der Auslieferung gilt. Werden diese Fristen nicht eingehalten, sind Ansprüche in der Regel ausgeschlossen.

Wie regelt das Montrealer Übereinkommen die Beweislast im Haftungsfall?

Das Montrealer Übereinkommen differenziert die Beweislast je nach Art des Schadens. Im Falle von Tod oder Körperverletzung eines Passagiers bis zu den festgelegten Haftungsgrenzen ist eine Haftung des Luftfahrtunternehmens verschuldensunabhängig, d.h. der Geschädigte muss kein Verschulden des Unternehmens nachweisen. Überschreitet der Schaden die Haftungsgrenze, muss das Luftfahrtunternehmen nachweisen, dass es nicht fahrlässig gehandelt hat oder dass der Schaden ausschließlich durch einen Dritten entstanden ist, um einer weitergehenden Haftung zu entgehen. Bei Gepäckschäden muss der Passagier nachweisen, dass der Schaden während des im Übereinkommen definierten Zeitraums eingetreten ist, in dem das Luftfahrtunternehmen für das Gepäck verantwortlich war.

Welche Sonderregelungen bestehen für Reisegepäck nach dem Montrealer Übereinkommen?

Für Reisegepäck sieht das Montrealer Übereinkommen eine besondere Regelung zur Haftungshöchstsumme und zur Schadensmeldung vor. Die Haftungsobergrenze für Verlust, Beschädigung oder Zerstörung von aufgegebenem und nicht aufgegebenem Gepäck liegt derzeit bei 1.288 SZR pro Passagier. Ein Passagier kann durch ausdrückliche Vereinbarung und Zahlung eines Zuschlags eine höhere Haftungsgrenze erklären. Schäden an aufgegebenem Gepäck sind dem Luftfahrtunternehmen innerhalb von sieben Tagen nach der Aushändigung schriftlich anzuzeigen. Bei Verspätung von Gepäck muss eine Meldung innerhalb von einundzwanzig Tagen nach der Auslieferung schriftlich erfolgen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, kann das Unternehmen die Regulierung des Schadens ablehnen.

Welche Gerichtsstände sieht das Montrealer Übereinkommen für Klagen gegen Luftfahrtunternehmen vor?

Das Montrealer Übereinkommen räumt dem Geschädigten bei der Wahl des Gerichtsstandes im Haftungsfall eine gewisse Flexibilität ein. Klagen können nach Art. 33 MÜ grundsätzlich an folgenden Orten erhoben werden: am Sitz des Luftfahrtunternehmens, an dem Ort der Hauptniederlassung, am Ort, an dem das Luftfahrtunternehmen eine Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde, oder am Bestimmungsort des Fluges. Speziell bei Ansprüchen wegen Tod oder Körperverletzung besteht zudem die Möglichkeit, im Wohnsitzland des berechtigten Passagiers zu klagen, vorausgesetzt das Luftfahrtunternehmen unterhält dort Niederlassungen und ist dort geschäftlich tätig. Diese Gerichtsstandsregelungen wurden geschaffen, um dem Schutzinteresse des Verbrauchers stärker Rechnung zu tragen.

Inwiefern kann das Montrealer Übereinkommen durch nationale Gesetze ergänzt oder eingeschränkt werden?

Das Montrealer Übereinkommen ist vorrangiges internationales Recht und hat Vorrang vor entgegenstehenden nationalen Regelungen in den Vertragsstaaten. Allerdings erlaubt das Übereinkommen den Vertragsstaaten, durch eigene Gesetze strengere Regelungen zum Schutz der Passagiere zu erlassen, sofern diese nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Montrealer Übereinkommens stehen (Art. 37 MÜ). Eine Einschränkung der Haftung des Luftfahrtunternehmens unter das im Montrealer Übereinkommen festgelegte Niveau ist jedoch nicht zulässig. Gleichzeitig können örtlich unterschiedliche Verfahren zur Klagseinreichung oder zur Schadensabwicklung bestehen, die mit dem Montrealer Übereinkommen konform sein müssen.

In welchen Fällen haftet das Luftfahrtunternehmen nach dem Montrealer Übereinkommen nicht oder nur eingeschränkt?

Eine (teilweise) Haftungsbefreiung des Luftfahrtunternehmens sieht das Montrealer Übereinkommen in folgenden Fällen vor: Wenn der Schaden ganz oder teilweise auf das Verschulden oder eine andere unzulässige Handlung oder Unterlassung des Anspruchstellers (z.B. des Passagiers selbst) zurückzuführen ist, kann eine Minderung oder der Ausschluss des Schadensersatzanspruchs erfolgen. Ebenso ist eine Haftungsbefreiung möglich, wenn das Luftfahrtunternehmen beweisen kann, dass der Schaden ausschließlich durch eine Drittpartei verursacht wurde. Für Gepäck haftet das Unternehmen nicht, wenn eine Eigentumsanzeige oder Schadensmeldung nicht rechtzeitig eingereicht wurde, oder wenn das Gepäck aus seiner Natur heraus besonderen Gefahren unterliegt (z.B. zerbrechliche oder verderbliche Waren).