Mittelbare Stellvertretung: Begriff, Struktur und rechtliche Einordnung
Die mittelbare Stellvertretung bezeichnet das Handeln einer Person in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung. Der Handelnde schließt den Vertrag äußerlich als Vertragspartei ab; die wirtschaftlichen Folgen sind jedoch im Innenverhältnis einem anderen zugeordnet. Rechtswirkungen im Verhältnis zum Vertragspartner treffen zunächst ausschließlich den Handelnden. Erst durch weitere Rechtsakte oder Abwicklungen werden die Vorteile oder Belastungen dem Hintermann zugeführt.
Kernmerkmale
Prägend ist die Trennung zwischen Außen- und Innenverhältnis. Nach außen ist der Handelnde selbst Vertragspartner mit eigenen Rechten und Pflichten. Nach innen besteht eine Bindung zum Hintermann, die den Zweck verfolgt, die wirtschaftlichen Ergebnisse des Geschäfts dem Hintermann zukommen zu lassen und diesen die Kosten tragen zu lassen. Eine Offenlegung des Hintermanns gegenüber dem Vertragspartner findet nicht statt oder ist rechtlich ohne Bedeutung.
Abgrenzung zur unmittelbaren Stellvertretung
Die unmittelbare Stellvertretung bewirkt, dass Rechtsfolgen unmittelbar beim Vertretenen entstehen. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Handelnde im Namen des Vertretenen auftritt und seine Vertretungsmacht erkennbar macht. Bei der mittelbaren Stellvertretung fehlt diese Offenlegung oder sie bleibt rechtlich ohne Wirkung, weshalb die Rechtsfolgen zunächst den Handelnden binden.
Offenkundigkeitsprinzip
Das Offenkundigkeitsprinzip verlangt bei unmittelbarer Stellvertretung grundsätzlich die erkennbar fremdnützig vorgenommene Erklärung im Namen des Vertretenen. Wird dies nicht erfüllt, entsteht typischerweise keine unmittelbare Bindung des Hintermanns gegenüber dem Vertragspartner. Die mittelbare Stellvertretung ist damit das Gegenmodell: Der Handelnde bleibt im Außenverhältnis Vertragspartner.
Abgrenzung zu Ausnahmen der Offenkundigkeit
In bestimmten, eng umgrenzten Konstellationen kann ein Geschäft auch ohne Offenlegung ausnahmsweise unmittelbar dem Hintermann zugutekommen. Solche Ausnahmen betreffen vor allem alltägliche Bargeschäfte, bei denen die Person des Vertragspartners für den anderen Teil erkennbar keine Rolle spielt. Diese Fallgruppen gehören nicht zur mittelbaren Stellvertretung, sondern stellen Ausnahmen vom Grundsatz der Offenkundigkeit dar.
Innen- und Außenverhältnis
Außenverhältnis
Im Verhältnis zum Vertragspartner ist der Handelnde alleiniger Vertragspartner mit sämtlichen Rechten und Pflichten. Er kann Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen und wird aus dem Vertrag in Anspruch genommen. Gewährleistungsrechte, Rücktritts- oder Widerrufsrechte sowie Kündigungsrechte stehen zunächst ihm zu oder treffen ihn.
Innenverhältnis
Zwischen Handelndem und Hintermann besteht eine interne Vereinbarung über die Durchführung des Geschäfts. Diese regelt insbesondere, wer die wirtschaftliche Verantwortung trägt, wie Gewinne und Verluste zugeordnet werden und wie die Weiterleitung der erlangten Rechte oder Gegenstände erfolgt. Weisungen, Berichtspflichten, Vergütungsfragen und Ausgleich für Aufwendungen sind typische Inhalte dieses Innenverhältnisses.
Weiterleitungs- und Herausgabepflichten
Kern des Innenverhältnisses sind Pflichten des Handelnden, die Vorteile des Geschäfts an den Hintermann weiterzugeben und erhaltene Gegenstände zu übereignen oder Forderungen abzutreten. Umgekehrt schuldet der Hintermann regelmäßig die Übernahme der wirtschaftlichen Lasten, etwa die Zahlung des Kaufpreises oder die Erstattung von Aufwendungen.
Rechtsfolgen und Risikoverteilung
Ansprüche und Haftung gegenüber Dritten
Der Vertragspartner kann seine Ansprüche grundsätzlich nur gegen den Handelnden richten. Der Hintermann ist nicht direkt gebunden. Entsprechend trägt der Handelnde auch das Risiko der Inanspruchnahme. Umgekehrt stehen dem Handelnden die vertraglichen Rechte gegen den Vertragspartner zu, etwa auf Lieferung, Zahlung oder Nacherfüllung.
Übertragung der erworbenen Rechte
Damit der Hintermann wirtschaftlich profitiert, muss der Handelnde die aus dem Geschäft resultierenden Rechte und Gegenstände weiterleiten. Dies geschieht durch gesonderte rechtliche Schritte:
Abtretung von Forderungen
Erworbene Zahlungs- oder Leistungsansprüche gegen den Vertragspartner werden an den Hintermann abgetreten. Erst dadurch wird der Hintermann Inhaber dieser Ansprüche und kann sie selbst geltend machen.
Übereignung von Sachen
Erworbene bewegliche Sachen oder Rechte werden übertragen, damit der Hintermann Eigentümer oder Rechtsinhaber wird. Bis zur Übertragung verbleiben sie rechtlich beim Handelnden.
Insolvenz- und Durchgriffssituationen
Besondere Bedeutung hat die Zuordnung im Falle einer Insolvenz. Da der Handelnde Vertragspartner bleibt, gehören die von ihm erworbenen Rechte grundsätzlich zu seiner Vermögensmasse, solange keine wirksame Trennung zugunsten des Hintermanns erfolgt ist. Gestaltungen, die eine insolvenzfeste Zuordnung ermöglichen sollen, bedürfen daher regelmäßig klarer vertraglicher Einbindung und konsequenter Abwicklung. Ein unmittelbarer Durchgriff des Hintermanns gegen den Vertragspartner findet im Regelfall nicht statt.
Anwendungsfelder in der Praxis
Kommissionsgeschäft
Beim Kommissionsgeschäft kauft oder verkauft der Handelnde in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung. Die rechtliche Außenwirkung trifft den Handelnden; die wirtschaftliche Zuordnung erfolgt intern.
Treuhandgestaltungen
In Treuhandstrukturen werden Vermögenswerte vom Treuhänder im eigenen Namen gehalten oder erworben, während die wirtschaftliche Zuordnung zum Treugeber gehört. Der Treuhänder tritt nach außen auf, der Treugeber bleibt im Hintergrund.
Beschaffungs- und Einkaufsmodelle
Einkaufsagenturen oder Beschaffungsdienstleister erwerben Güter im eigenen Namen und geben sie an den Auftraggeber weiter. Preissetzung, Lieferbedingungen und Abwicklungsrisiken werden intern verteilt.
Vermittlung und Absatzorganisation
Auch in Absatzketten kann es sinnvoll sein, dass Zwischenhändler im eigenen Namen einkaufen oder verkaufen, während die wirtschaftliche Verantwortung bei einem anderen liegt. Die Weiterleitung erfolgt über separate Übertragungsakte.
Wirksamkeitsvoraussetzungen und Grenzen
Die mittelbare Stellvertretung setzt die volle Wirksamkeit des vom Handelnden abgeschlossenen Geschäfts im Außenverhältnis voraus. Die Person des Handelnden muss das Geschäft selbst wirksam eingehen können. Im Innenverhältnis ist maßgeblich, dass eine klare Abrede über Zweck, Risiko- und Gewinnzuordnung, Weisungsrechte und die Weiterleitung der erworbenen Rechtspositionen besteht. Grenzen ergeben sich aus allgemeinen Verboten, Schutzvorschriften zugunsten schutzwürdiger Personen und aus Treuepflichten im Innenverhältnis.
Unterschiede zu verwandten Gestaltungen
Bote, unmittelbarer Vertreter, mittelbarer Vertreter
Der Bote übermittelt nur eine fremde Erklärung, ohne eigene Bindung zu begründen. Der unmittelbare Vertreter handelt im Namen eines anderen mit unmittelbarer Rechtswirkung für diesen. Der mittelbare Vertreter bindet zunächst sich selbst und leitet die Rechtsfolgen erst nachgelagert weiter.
Vertrag zugunsten Dritter
Bei einem Vertrag zugunsten Dritter wird bereits bei Vertragsschluss festgelegt, dass eine Leistung an einen Dritten erfolgen soll. Dieser kann unter Umständen ein eigenes Forderungsrecht erhalten. Anders als bei der mittelbaren Stellvertretung bleibt der Handelnde hier nicht notwendigerweise alleiniger Inhaber der Rechte bis zur Übertragung.
Treuhand und Sicherungsmodelle
Treuhandgestaltungen dienen häufig der Sicherung oder Verwaltung fremden Vermögens. Obwohl der Treuhänder nach außen auftritt, ist seine Bindung, die Vermögenswerte nur in einem festgelegten Zweckzusammenhang zu nutzen, besonders ausgeprägt. Die mittelbare Stellvertretung kann Teil einer Treuhand sein, ist jedoch nicht mit ihr gleichzusetzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur mittelbaren Stellvertretung
Was bedeutet mittelbare Stellvertretung in einfachen Worten?
Eine Person schließt den Vertrag im eigenen Namen ab, tut dies aber wirtschaftlich für jemand anderen. Nach außen ist sie selbst Vertragspartner, intern soll der andere die Vorteile und Lasten erhalten.
Worin unterscheidet sich die mittelbare von der unmittelbaren Stellvertretung?
Bei der unmittelbaren Stellvertretung entstehen Rechte und Pflichten direkt beim Vertretenen. Bei der mittelbaren Stellvertretung entstehen sie zunächst beim Handelnden und werden erst danach intern weitergeleitet.
Wer haftet gegenüber dem Vertragspartner?
Gegenüber dem Vertragspartner haftet grundsätzlich der Handelnde, weil er die Vertragspartei ist. Der Hintermann ist nicht unmittelbar gebunden und kann aus dem Vertrag weder direkt in Anspruch genommen werden noch unmittelbar Rechte herleiten.
Wie gelangen die erworbenen Rechte zum Hintermann?
Durch gesonderte Übertragungsakte, insbesondere die Abtretung von Forderungen und die Übereignung von Gegenständen. Erst diese Schritte verschaffen dem Hintermann die rechtliche Stellung, die der Handelnde zuvor erworben hat.
Welche Risiken bestehen bei einer Insolvenz des Handelnden?
Solange Rechte oder Gegenstände nicht wirksam auf den Hintermann übertragen sind, gehören sie grundsätzlich zum Vermögen des Handelnden. Das kann dazu führen, dass der Hintermann auf die ordnungsgemäße Abwicklung angewiesen bleibt und seine Position gefährdet ist.
In welchen Situationen kommt mittelbare Stellvertretung häufig vor?
Typisch sind Kommissionsgeschäfte, Treuhandmodelle sowie Beschaffungs- und Absatzgestaltungen, in denen aus organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung gehandelt wird.
Führt fehlende Offenlegung immer zur mittelbaren Stellvertretung?
Nein. Es gibt Ausnahmefälle, in denen trotz fehlender Offenlegung die Rechtswirkungen unmittelbar beim Hintermann eintreten können. Diese Ausnahmen sind eng begrenzt und betreffen vor allem Geschäfte, bei denen die Person des Vertragspartners erkennbar keine Rolle spielt.