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Mittelbare Falschbeurkundung (intellektuelle Urkundenfälschung)


Mittelbare Falschbeurkundung (intellektuelle Urkundenfälschung)

Definition und Abgrenzung

Die mittelbare Falschbeurkundung, im Strafrecht auch als intellektuelle Urkundenfälschung bezeichnet, stellt eine besondere Ausprägung der Urkundendelikte dar. Sie unterscheidet sich von der unmittelbaren Urkundenfälschung dadurch, dass nicht die physische Manipulation einer Urkunde im Vordergrund steht, sondern das vorsätzliche Hervorrufen einer inhaltlich unrichtigen öffentlichen Urkunde durch eine zur Beurkundung befugte Person. Die mittelbare Falschbeurkundung ist in Deutschland insbesondere in § 271 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt.

Gesetzliche Grundlage

§ 271 StGB – Mittelbare Falschbeurkundung

Gemäß § 271 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer das entsprechend zuständige Organ oder den zuständigen Amtsträger dazu veranlasst, eine rechtlich erhebliche Tatsache in einer öffentlichen Urkunde falsch zu beurkunden oder zu bescheinigen, sofern dadurch die Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr bestimmt ist. Die Vorschrift wird häufig als Auffangtatbestand bezeichnet, der eingreift, wenn keine unmittelbare Tatbestandsverwirklichung der Urkundenfälschung nach § 267 StGB vorliegt.

Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung

Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung umfasst folgende Elemente:

  • Tathandlung: Das Veranlassen einer öffentlichen Beurkundung oder Bescheinigung einer rechtlich erheblichen Tatsache, obwohl diese Tatsache in Wirklichkeit nicht gegeben ist.
  • Urkundenqualität: Die Niederschrift muss als öffentliche Urkunde qualifiziert sein, d.h., sie muss durch eine zur Beurkundung befugte Person im Rahmen ihres Aufgabenbereichs erstellt worden sein.
  • Rechtlich erhebliche Tatsache: Es muss sich um eine Tatsache handeln, die Beweisfunktion für den Rechtsverkehr besitzt.
  • Täuschungsbestimmung: Die falsche Urkunde muss bestimmt sein, im Rechtsverkehr zur Täuschung zu dienen.

Subjektiver Tatbestand

Vorausgesetzt wird Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Das bedeutet, der Täter muss hinsichtlich der Veranlassung, der Falschheit der Tatsache, der öffentlichen Urkunde sowie der Täuschungsabsicht bewusst gehandelt haben.

Täterkreis

Täter der mittelbaren Falschbeurkundung ist regelmäßig derjenige, der den Amtsträger oder die zur Beurkundung befugte Person zur Ausstellung der inhaltlich unzutreffenden Urkunde veranlasst, also der mittelbare Täter. Täter der eigentlichen Falschbeurkundung ist der Amtsträger, während dessen Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Falschbeurkundung (§ 348 StGB) zu prüfen ist.

Materielles und prozessuales Recht

Öffentliche Urkunden

Als öffentliche Urkunden im Sinne der mittelbaren Falschbeurkundung gelten vor allem solche, die von Behörden oder Notaren aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften zum Zwecke des Nachweises rechtlich erheblicher Tatsachen erstellt werden. Hierzu zählen unter anderem Geburtsurkunden, Auszüge aus dem Handelsregister, notariell beurkundete Verträge und amtliche Bescheinigungen. Die Beweiskraft solcher Urkunden ist im Rechtsverkehr regelmäßig besonders hoch.

Rechtlich erhebliche Tatsachen

Unter rechtlich erheblichen Tatsachen versteht man Informationen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten in der Rechtsordnung zu begründen, aufzuheben oder zu verändern. Beispiele hierfür sind Angaben zur Identität von Personen, zur Existenz von Rechtsverhältnissen oder zur Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen.

Tatbestandsausschlüsse

Keine mittelbare Falschbeurkundung liegt vor, wenn es sich lediglich um die Bescheinigung von Wissen, Meinungen oder Werturteilen handelt, da dieses keine Tatsachen im Sinne des § 271 StGB sind. Ebenso fehlt der Tatbestand, wenn die Beurkundung durch eine zur Wahrheitsprüfung nicht verpflichtete Person erfolgt.

Strafmaß und Rechtsfolgen

Wer den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung verwirklicht, wird gemäß § 271 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen (Abs. 3, § 271 StGB) kann die Strafe auch höher ausfallen.

Systematische Einordnung und Zweck der Regelung

Die Strafbarkeit der mittelbaren Falschbeurkundung dient dem Schutz des öffentlichen Glaubens an die Wahrheit und Zuverlässigkeit öffentlicher Urkunden. Gerade weil diese Urkunden für das Rechtsleben eine zentrale Rolle spielen, kommt dem staatlichen Schutz gegen inhaltliche Verfälschungen eine herausgehobene Bedeutung zu.

Abgrenzungen zu anderen Delikten

Unterschied zu § 267 StGB (Urkundenfälschung)

Die klassische Urkundenfälschung des § 267 StGB betrifft die Herstellung einer unechten Urkunde, etwa durch Nachahmung oder Verfälschung eines bestehenden Dokuments. Im Unterschied dazu setzt die mittelbare Falschbeurkundung keine physische Manipulation, sondern das Herbeiführen einer inhaltlich unwahren öffentlichen Urkunde voraus.

Unterschied zu § 348 StGB (Falschbeurkundung im Amt)

Während § 271 StGB das Verhalten von Privatpersonen oder Dritten betrifft, die einen Amtsträger zur Ausstellung einer unrichtigen Urkunde veranlassen, adressiert § 348 StGB unmittelbar das Verhalten des Amtsträgers selbst. Die mittelbare Falschbeurkundung kann demnach vorrangig dann einschlägig sein, wenn der Amtsträger aufgrund Irrtums oder argloser Mitwirkung handelt.

Praktische Bedeutung und Beispiele

In der Praxis spielt die mittelbare Falschbeurkundung insbesondere im Zusammenhang mit notariellen Beurkundungen, Registereintragungen oder Ausstellung von amtlichen Bescheinigungen eine erhebliche Rolle. Typische Anwendungsfälle sind unrichtige Angaben gegenüber Standesämtern, Registern oder im Rahmen von öffentlich beglaubigten Verträgen.

Beispiel: Eine Person gibt gegenüber dem Standesbeamten bewusst falsche Angaben über den Familienstand, wodurch eine unzutreffende Heiratsurkunde beurkundet wird.

Rechtsprechung und Literatur

Die Rechtsprechung konkretisiert regelmäßig die Anforderungen an Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf den Umfang der wahrheitsprüfenden Verpflichtungen der beurkundenden Person und die Differenzierung zwischen Meinungen und Tatsachen. In der Literatur wird insbesondere die Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Falschbeurkundung ausführlich behandelt.

Zusammenfassung

Die mittelbare Falschbeurkundung, auch intellektuelle Urkundenfälschung genannt, schützt den öffentlichen Glauben an die Richtigkeit von Urkunden, indem sie das vorsätzliche Veranlassen einer inhaltlich unrichtigen Beurkundung durch eine zur Beurkundung befugte Person sanktioniert. Sie ergänzt das strafrechtliche System der Urkundendelikte und gewinnt in der Rechtspraxis insbesondere bei öffentlichen und notariellen Urkunden, Registereintragungen und amtlichen Bescheinigungen erhebliche Bedeutung. Die genaue Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen, der tatbestandlichen Voraussetzungen sowie der rechtlichen Abgrenzungen zu anderen Straftatbeständen ist für das Verständnis und die Anwendung dieser Vorschrift von essenzieller Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine mittelbare Falschbeurkundung vor und welches Schutzgut wird dadurch verletzt?

Die mittelbare Falschbeurkundung tritt ein, wenn jemand durch vorsätzliches Handeln bewirkt, dass ein Amtsträger oder eine zur öffentlichen Beurkundung besonders ermächtigte Person in Ausübung ihrer öffentlichen Beurkundungsbefugnis eine inhaltlich unrichtige Urkunde erstellt (§ 271 StGB). Im Unterschied zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB) begeht der Täter die Fälschung nicht selbst, sondern veranlasst einen anderen, meist den Amtsträger, zur Ausstellung einer fehlerhaften Urkunde. Das zentrale Schutzgut ist dabei das Vertrauen in die Rechtssicherheit und in die sachliche Richtigkeit öffentlicher Urkunden, also die Beweiskraft von Urkunden im Rechtsverkehr. Dadurch soll verhindert werden, dass Dritte aufgrund amtlicher Dokumente benachteiligt werden oder sich auf unwahre Tatsachen verlassen müssen.

Wie unterscheidet sich die mittelbare Falschbeurkundung von der echten Urkundenfälschung?

Der wesentliche Unterschied liegt in der Ausführung der Tat. Bei der echten Urkundenfälschung handelt der Täter unmittelbar selbst, entweder durch das Herstellen einer unechten Urkunde oder das Verfälschen einer echten Urkunde. Bei der mittelbaren Falschbeurkundung hingegen ist der Täter nur der geistige Urheber der unrichtigen Urkunde; er beeinflusst einen Amtsträger, der die Urkunde in seinem Namen und im Rahmen seiner Beurkundungsbefugnis erstellt. Der Täter benutzt den Amtsträger dabei als „Tatwerkzeug“. Der objektive Unterschied liegt außerdem darin, dass die Echtheit der Urkunde bei der mittelbaren Falschbeurkundung nicht bestritten wird, sondern mit dem Erscheinungsbild einer inhaltlich richtigen Urkunde eine inhaltliche Unrichtigkeit verbreitet wird.

Ist ein Erklärungsirrtum des Urkundspersonals Voraussetzung für die Strafbarkeit?

Nein, ein Erklärungsirrtum des Urkundspersonals ist keine zwingende Voraussetzung. Entscheidend ist, dass die urkundsausstellende Person aufgrund der vom Täter hervorgerufenen Täuschungshandlung eine objektiv unrichtige Urkunde ausstellt. Die Falschbeurkundung kann auch dann vorliegen, wenn der Amtsträger fahrlässig oder grob fahrlässig handelt, solange der Tatentschluss auf die Veranlassung durch den Täter zurückzuführen ist und der Aussteller sich der Unrichtigkeit der Beurkundung nicht bewusst ist. Die Strafbarkeit entfällt grundsätzlich nur, wenn der Amtsträger vorsätzlich die Unwahrheit verbrieft, weil dann die mittelbare Täterschaft ausscheidet.

Welche Personengruppen sind typische Täter und welche als „Tatwerkzeug“ Beteiligte?

Typische Täter der mittelbaren Falschbeurkundung sind Privatpersonen, Antragsteller oder Vertragspartner, die den Amtsträger (z.B. Notare, Standesbeamte, Registerführer, Behördenmitarbeiter) durch Täuschung, falsche Angaben oder Vorlagen bewusst zur Beurkundung falscher Tatsachen veranlassen. Das „Tatwerkzeug“ ist dabei stets der jeweilige Amtsträger oder die sonst öffentliche Urkunde ausstellende Person, die aufgrund ihrer besonderen Funktion Urkunden mit öffentlicher Glaubwürdigkeit herstellt. Nicht jeder Urkundenaussteller kann „Tatwerkzeug“ der mittelbaren Falschbeurkundung sein; erforderlich ist, dass das Gesetz für diese Urkunde einen erhöhten öffentlichen Glauben vorsieht.

Welche Urkunden sind von der Strafvorschrift erfasst?

Die Strafvorschrift des § 271 StGB erfasst ausschließlich Urkunden, die von einer dazu berufenen öffentlichen Stelle oder Person im Rahmen ihres Amts in Ausübung öffentlicher Beurkundungsbefugnis ausgestellt werden. Dazu zählen insbesondere Eintragungen ins Handels-, Vereins- oder Grundbuch, notarielle Beurkundungen, standesamtliche Registereinträge und amtliche Bescheinigungen. Private Urkunden oder solche, die keine besondere Beweiskraft für und gegen jedermann entfalten, fallen nicht unter die Vorschrift. Die inhaltliche Aussage der Urkunde muss rechtlich erheblich und von einer solchen öffentlichen Stelle bestätigt sein.

In welchen Fällen kann die mittelbare Falschbeurkundung straflos bleiben?

Straflos bleibt die mittelbare Falschbeurkundung in der Regel dann, wenn die unrichtig beurkundete Tatsache nach dem sogenannten „Beurkundungswillen“ der jeweiligen Urkundsvorschrift nicht unter den öffentlichen Glauben fällt, also die Beweiskraft der Urkunde auf andere Aspekte beschränkt ist. Außerdem kann die Straflosigkeit eintreten, wenn der Täter lediglich einen unbeachtlichen Nebenpunkt fälscht oder wenn die Unrichtigkeit keinen Einfluss auf den Rechtsverkehr entfalten kann. Auch eine eigenverantwortliche Beurkundung durch den Amtsträger trotz Kenntnis der Falschheit kann eine Strafbarkeit ausschließen, da der Täter dann nicht als mittelbarer Täter, sondern gegebenenfalls als Anstifter oder Gehilfe belangt werden könnte.

Welche Strafen drohen bei einer mittelbaren Falschbeurkundung?

Für die mittelbare Falschbeurkundung sieht § 271 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen – zum Beispiel bei gewerbsmäßigem oder bandenmäßigem Vorgehen – kann sich das Strafmaß erhöhen. Daneben sind auch strafmildernde oder strafschärfende Umstände zu berücksichtigen, etwa wenn die Tat mit weiteren Delikten wie Urkundenfälschung oder Betrug verknüpft ist. Nebenstrafen wie berufsrechtliche Konsequenzen für beteiligte Amtsträger oder Eintragungen ins Führungszeugnis sind ebenfalls möglich.