Definition und Einordnung
Die mittelbare Falschbeurkundung, auch als intellektuelle Urkundenfälschung bezeichnet, beschreibt das Herbeiführen einer inhaltlich unwahren Beurkundung durch eine zur Beurkundung berufene Stelle. Kern ist also nicht die Herstellung eines gefälschten Dokuments (unechte Urkunde), sondern die Veranlassung einer echten Urkunde mit inhaltlich falscher, rechtlich bedeutsamer Aussage. Damit wird die besondere Beweiskraft amtlicher oder öffentlich beglaubigter Erklärungen missbraucht und das Vertrauen in die Verlässlichkeit solcher Dokumente beeinträchtigt.
Intellektuelle vs. körperliche Urkundenfälschung
Bei der intellektuellen Urkundenfälschung ist die Urkunde echt, ihr Aussteller hat sie tatsächlich erstellt. Der Fehler liegt in der Unwahrheit ihres Inhalts über rechtlich erhebliche Tatsachen. Bei der körperlichen Urkundenfälschung geht es dagegen um das Herstellen, Verfälschen oder Gebrauchen unechter oder verfälschter Dokumente.
Mittelbare Falschbeurkundung vs. Falschbeurkundung im Amt
Die Falschbeurkundung im Amt wird durch die beurkundende Stelle selbst begangen, wenn diese eine rechtlich erhebliche Tatsache in einer öffentlichen Urkunde oder einem Registereintrag inhaltlich falsch beurkundet. Die mittelbare Falschbeurkundung liegt vor, wenn eine andere Person diese falsche Beurkundung veranlasst, etwa durch Täuschung oder das Herstellen einer irreführenden Tatsachengrundlage. Beide Erscheinungsformen schützen den Vertrauensgrundsatz des Rechtsverkehrs in die Beweiskraft öffentlicher Dokumente.
Schutzgut und Bedeutung für den Rechtsverkehr
Geschützt wird die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs, insbesondere dort, wo Urkunden und Register einen erhöhten öffentlichen Glauben genießen. Die Allgemeinheit soll sich auf die Richtigkeit von Tatsachen verlassen können, die durch besondere Beurkundungsverfahren oder Registereinträge festgehalten werden. Eine inhaltlich unwahre Beurkundung gefährdet diese Funktionsfähigkeit und kann vielfältige Folgeentscheidungen in Verwaltung, Gerichten und im Wirtschaftsleben verfälschen.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Tathandlung: Veranlassen einer unrichtigen Beurkundung
Erforderlich ist das Herbeiführen einer inhaltlich falschen Beurkundung durch eine dafür zuständige Stelle, etwa Amtsträger, Notarinnen und Notare oder Registerführende. Das Veranlassen erfolgt typischerweise durch Täuschung über Tatsachen, das Vorlegen scheinbar beweiskräftiger, tatsächlich unzutreffender Unterlagen oder durch das gezielte Erzeugen eines Irrtums bei der beurkundenden Stelle.
Tatobjekt: Urkunden und Register mit erhöhter Beweiskraft
Erfasst werden öffentliche Urkunden, Registereintragungen und Beglaubigungen mit besonderer Beweiswirkung für die Richtigkeit bestimmter Tatsachen. Dazu zählen etwa Eintragungen in öffentlichen Registern, notarielle Beurkundungen und behördliche Zeugnisse, soweit ihnen kraft gesetzlicher Ordnung eine gesteigerte Beweisfunktion zukommt. Nicht erfasst sind gewöhnliche private Schriftstücke ohne besondere Beweisbestimmung.
Unrichtigkeit in rechtlich erheblicher Hinsicht
Die Beurkundung muss eine Tatsache betreffen, die für den Rechtsverkehr bedeutsam ist und über die das Dokument nach seiner Art gerade sicheren Beweis erbringen soll. Werturteile oder bloße Meinungsäußerungen fallen regelmäßig nicht darunter. Maßgeblich ist, ob die Beurkundung nach ihrer Zweckbestimmung den Eindruck verlässlicher Wahrheit in einem rechtlich relevanten Punkt vermittelt.
Subjektive Seite: Vorsatz
Erforderlich ist Vorsatz bezüglich aller objektiven Merkmale. Die handelnde Person muss wissen und wollen, dass durch die beurkundende Stelle eine inhaltlich unwahre, rechtlich bedeutsame Tatsache beurkundet wird. Motive wie Bereicherungsabsicht sind für die Tatbestandsverwirklichung nicht zwingend, können aber für die Gesamtbewertung Bedeutung gewinnen.
Kausalität und Zurechnung
Das Verhalten muss ursächlich dafür sein, dass die beurkundende Stelle zur falschen Beurkundung gelangt. Die Zurechnung setzt voraus, dass diese Stelle nicht selbst bewusst falsch beurkundet, sondern einem durch das Verhalten erzeugten Irrtum erliegt. Handelt die Beurkundende wissentlich falsch, kann eine andere Deliktskonstellation vorliegen.
Täterkreis und Beteiligungsformen
Täter: Jedermann
Die mittelbare Falschbeurkundung kann von jeder Person begangen werden. Besonders praxisrelevant sind Konstellationen im wirtschaftlichen und administrativen Umfeld, in denen Angaben oder Unterlagen für Beurkundungen vorgelegt werden.
Teilnahme und mittelbare Täterschaft
Auch eine Beteiligung durch Anstiftung oder Beihilfe ist möglich. In typischen Fällen steht die handelnde Person als mittelbare Täterin hinter der beurkundenden Stelle, die als „Werkzeug“ einem Irrtum erliegt. Wirken mehrere Personen zusammen, kommt Mittäterschaft in Betracht, wenn sie gemeinschaftlich die falsche Beurkundung herbeiführen.
Irrtum der beurkundenden Stelle
Voraussetzung ist, dass die beurkundende Stelle vom wahren Sachverhalt abweicht, weil sie getäuscht oder in die Irre geführt wurde. Fehlt ein Irrtum, etwa weil wissentlich falsch beurkundet wird, liegt keine mittelbare Falschbeurkundung vor; es kommen dann andere Delikte in Betracht.
Abgrenzungen
Unechte Urkunde vs. echte Urkunde mit falschem Inhalt
Bei der unechten Urkunde stammt das Dokument nicht von demjenigen, der als Aussteller erscheint, oder seine Erklärung wurde verfälscht. Bei der intellektuellen Urkundenfälschung ist das Dokument echt, aber die beurkundete Tatsache ist inhaltlich falsch. Diese Differenz ist für die rechtliche Einordnung entscheidend.
Private Schriftstücke ohne besondere Beweisbestimmung
Private Dokumente ohne besondere öffentliche Beweiskraft unterfallen regelmäßig nicht der mittelbaren Falschbeurkundung. Ihre inhaltliche Unrichtigkeit kann zwar zivil- oder strafrechtlich in anderer Weise relevant sein, erreicht aber nicht den Schutzbereich der spezifischen Beurkundungsdelikte.
Tatsachen vs. Werturteile
Gegenstand sind Tatsachenbehauptungen. Reine Bewertungen, Prognosen oder Meinungen sind nur erfasst, wenn die Beurkundung nach ihrer Funktion dennoch eine verlässliche Tatsachengrundlage suggeriert. Im Zweifel ist die Abgrenzung nach dem Verständnis des Rechtsverkehrs vorzunehmen.
Einfache Bescheinigungen ohne öffentlichen Glauben
Unrichtige Bescheinigungen, denen keine erhöhte öffentliche Glaubenswirkung zukommt, erfüllen den Tatbestand nicht. Entscheidend ist, ob das jeweilige Dokument kraft gesetzlicher Ausgestaltung als besonders verlässlicher Beweis für bestimmte Tatsachen dienen soll.
Typische Fallkonstellationen
Registerwesen
Unrichtige Angaben zur Eintragung in öffentliche Register (etwa zu Vertretungsverhältnissen, Kapitalangaben oder Unternehmenssitz) können die Beweiskraft solcher Register verfälschen.
Personenstands- und Identitätsangaben
Falsche Tatsachengrundlagen für Einträge oder Bescheinigungen zu Geburts-, Ehe- oder Identitätsdaten sind besonders sensibel, da sie vielfache Folgeentscheidungen nach sich ziehen.
Notarielle Beurkundungen und Beglaubigungen
Wer durch irreführende Unterlagen oder Erklärungen eine notarielle Urkunde mit unrichtigen Tatsachen herbeiführt, greift in die erhöhte Beweisfunktion dieser Dokumente ein.
Amtliche Zeugnisse und Bescheinigungen mit erhöhter Beweiswirkung
Dazu zählen Dokumente, denen der Rechtsverkehr eine besondere Richtigkeitsgewähr beimisst. Ihre inhaltliche Unwahrheit ist geeignet, die rechtliche Wirkungsordnung nachhaltig zu stören.
Fahrzeug- und Eigentumspapiere
Unrichtige Tatsachen in Dokumenten, die Eigentums- oder Zulassungsverhältnisse besonders verlässlich belegen sollen, sind einschlägig, wenn eine erhöhte Beweisfunktion vorgesehen ist.
Rechtsfolgen und weitere Rechtsfragen
Rechtsfolgen
Die Tat kann mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Maßgeblich sind Unrechtsgehalt, Intensität der Täuschung, Bedeutung des betroffenen Dokuments und etwaige Folgeschäden im Rechtsverkehr. Zusätzlich kommen Nebenfolgen in Betracht, etwa Einziehung von Tatmitteln.
Versuch und Rücktritt
Auch ein Versuch kann relevant sein, wenn bereits Handlungen vorgenommen wurden, die unmittelbar zur falschen Beurkundung ansetzen. Unter bestimmten Bedingungen kann ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht kommen, wenn der Eintritt des Erfolgs verhindert wird.
Konkurrenzen
Die Tat kann mit anderen Delikten zusammentreffen, etwa mit Betrug, wenn zusätzlich Vermögensverfügungen erschlichen werden, oder mit Urkundendelikten, wenn Dokumente hergestellt oder verfälscht werden. Die Abgrenzung erfolgt nach dem Schwerpunkt des Unrechts und dem konkreten Ablauf.
Verjährung
Die Verfolgungsverjährung richtet sich nach dem gesetzlichen Strafrahmen und beginnt in der Regel mit der Tatvollendung, also der inhaltlich falschen Beurkundung. Unterbrechungs- und Ruhensgründe können die Frist beeinflussen.
Grenzüberschreitende Bezüge
Bei Auslandsbezug können unterschiedliche Rechtsordnungen betroffen sein. Maßgeblich sind Zuständigkeits- und Anknüpfungsregeln, insbesondere wenn beurkundende Stellen oder Register in verschiedenen Staaten beteiligt sind.
Digitale Beurkundung und moderne Entwicklungen
Elektronische Register und Signaturen
Mit der Digitalisierung verlagern sich Beurkundungs- und Registerprozesse zunehmend in elektronische Systeme. Entscheidend bleibt die Beweisbestimmung: Haben elektronische Einträge oder signierte Dokumente eine besondere Beweiskraft, erfasst der Tatbestand auch digitale Formen.
Automatisierte Verfahren
Werden Beurkundungen technisch unterstützt oder automatisiert erstellt, hängt die Zurechnung weiterhin davon ab, ob der Prozess eine Stelle mit Beurkundungsfunktion ersetzt oder unterstützt und ob diese einer irreführenden Tatsachengrundlage unterliegt. Die inhaltliche Richtigkeit bleibt zentraler Bezugspunkt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet mittelbare Falschbeurkundung in einfachen Worten?
Eine Person bringt eine beurkundende Stelle dazu, eine echte Urkunde mit inhaltlich falschen, rechtlich wichtigen Tatsachen zu erstellen. Es geht also um Unwahrheit im Inhalt, nicht um eine materiell gefälschte Urkunde.
Worin unterscheidet sich die intellektuelle von der „klassischen“ Urkundenfälschung?
Bei der intellektuellen Urkundenfälschung ist die Urkunde echt, aber inhaltlich falsch. Bei der klassischen Urkundenfälschung wird eine unechte oder verfälschte Urkunde hergestellt oder gebraucht.
Welche Dokumente sind typischerweise betroffen?
Dokumente mit besonderer Beweisfunktion, etwa öffentliche Registereinträge, notarielle Urkunden oder amtliche Bescheinigungen, die der Rechtsverkehr als besonders verlässlich ansieht.
Reicht eine falsche Meinung oder ein Werturteil aus?
Nein. Erfasst werden Tatsachen, die rechtlich bedeutsam sind und über die das Dokument sicheren Beweis erbringen soll. Reine Bewertungen sind regelmäßig nicht tatbestandsrelevant.
Kann auch eine Privatperson Täter sein?
Ja. Der Tatbestand ist nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt. Maßgeblich ist das Veranlassen einer inhaltlich falschen Beurkundung durch eine zuständige Stelle.
Spielt die Absicht, sich zu bereichern, eine Rolle?
Für die Tatbestandsverwirklichung genügt Vorsatz hinsichtlich der falschen Beurkundung. Eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich, kann aber für die Gesamtbeurteilung bedeutsam sein.
Ist der Versuch strafbar?
Auch ein Versuch kann erfasst sein, wenn bereits Handlungen erfolgt sind, die unmittelbar auf die Herbeiführung einer falschen Beurkundung gerichtet sind. Die Bewertung richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben.