Legal Lexikon

Mitfahrer


Begriffsbestimmung Mitfahrer

Der Begriff Mitfahrer bezeichnet im rechtlichen Sinne eine Person, die sich mit dem Einverständnis des Fahrzeugführers (bzw. Halters) in einem Kraftfahrzeug aufhält, ohne selbst das Fahrzeug zu führen oder für dessen Betrieb verantwortlich zu sein. Häufig wird der Begriff im Kontext von Pkw verwendet, doch kann er grundsätzlich auf jede Art von motorisiertem Straßenfahrzeug Anwendung finden. Die Rechte und Pflichten des Mitfahrers, insbesondere in Bezug auf Haftung, Versicherungsschutz sowie Schadensersatzansprüche, sind zentraler Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Bestimmungen und richterlicher Entscheidungen.

Rechtliche Stellung von Mitfahrern im Straßenverkehr

Rechtsverhältnis zwischen Fahrer und Mitfahrer

Das Verhältnis zwischen Fahrer und Mitfahrer kann rechtlich unterschiedlich ausgestaltet sein. Grundsätzlich entsteht durch das Einsteigen des Mitfahrers in das Fahrzeug meist ein sogenannter Gefälligkeitsvertrag oder eine stillschweigende Vereinbarung über eine unentgeltliche Beförderung. Im privaten Bereich ist diese üblicherweise nicht als klassischer Beförderungsvertrag nach § 631 BGB anzusehen, wenn keine Entgeltvereinbarung vorliegt.

Allerdings kann auch ein entgeltlicher Beförderungsvertrag zustande kommen – beispielsweise im Rahmen von Mitfahrzentralen, Fahrgemeinschaften mit Kostenbeteiligung oder gewerblichen Fahrdiensten – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten der Beteiligten.

Haftungsrechtliche Aspekte

Im Falle eines Verkehrsunfalls oder anderer Schadensereignisse ergeben sich verschiedene haftungsrechtliche Fragestellungen.

Haftung des Fahrers gegenüber dem Mitfahrer

Der Fahrzeugführer haftet gegenüber dem Mitfahrer grundsätzlich gemäß den allgemeinen deliktischen Vorschriften (§ 823 BGB ff.) und nach Maßgabe des Straßenverkehrsgesetzes (§ 7, § 18 StVG). Wird der Mitfahrer bei einem Unfall verletzt oder kommt zu Schaden, bestehen gegen den Fahrer Schadenersatzansprüche, sofern diesen ein Verschulden trifft oder er als Betriebsinhaber für den Unfall haftet.

Mithaftung des Mitfahrers (Mitverschulden)

Nach § 254 BGB kommt bei der Anspruchsdurchsetzung das Mitverschulden des Mitfahrers in Betracht. Dies kann relevant werden, wenn der Mitfahrer zum Beispiel entgegen der Pflicht auf das Anlegen des Sicherheitsgurtes verzichtet oder die zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt. Das nicht angeschnallte Fahren kann zu einer Anspruchskürzung führen.

AGB und Haftungsbeschränkungen

In Fahrgemeinschaften oder im Umfeld privater Mitfahrmöglichkeiten werden gelegentlich Haftungsbeschränkungen oder Haftungsausschlüsse vereinbart. Solche Vereinbarungen sind rechtlich möglich, unterliegen jedoch engen Grenzen. Sie dürfen insbesondere nicht gegen § 309 Nr. 7 und 8 BGB (Ausschluss oder Begrenzung der Haftung für Verletzungen von Leben, Körper oder Gesundheit) verstoßen.

Versicherungsrechtliche Besonderheiten

Die Haftpflichtversicherung des Kfz schützt grundsätzlich auch den Mitfahrer. Kommt der Mitfahrer während der Fahrt zu Schaden, kann er direkt Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung geltend machen (§ 115 VVG). Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes zu Ungunsten des Mitfahrers ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen zulässig, z.B. bei vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch § 8a StVG, der einen Haftungsausschluss gegenüber dem Halter oder Fahrer bei unentgeltlicher Beförderung vorsah, jedoch inzwischen aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben aufgehoben wurde. Zudem kann ein Mitfahrer als Insasse über eine freiwillige Insassenunfallversicherung abgesichert sein, sofern eine solche abgeschlossen wurde.

Vertragsrechtliche Aspekte des Mitfahrens

Beförderungsvertrag

Sofern Fahrten gegen Entgelt erfolgen, liegt regelmäßig ein Beförderungsvertrag vor. Die daraus resultierenden Rechte und Pflichten richten sich nach dem allgemeinen Vertragsrecht, insbesondere nach den Vorschriften zum Werkvertrag (§ 631 BGB) und teilweise nach den Sonderregelungen für Personenbeförderung, etwa bei der gewerblichen Personenbeförderung nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Beförderung in Gemeinschaften (Fahrgemeinschaften)

Im Fall von Fahrgemeinschaften wird häufig eine Kostenbeteiligung, aber kein Gewinn erzielt. Das Rechtsverhältnis wird daher regelmäßig als unentgeltliche Gefälligkeitsfahrt mit anteiliger Kostenerstattung qualifiziert. Dies hat insbesondere Auswirkung auf die Haftungsprivilegierungen und den Versicherungsschutz.

Mitfahrer als Dritte im Sinne des § 328 BGB

Mitfahrer können im Falle bestehender Beförderungs- oder Drittschutzverträge als begünstigte Dritte Ansprüche aus dem jeweiligen Vertrag ableiten.

Mitfahrer und Strafrecht

Im Zusammenhang mit Mitfahrern können auch strafrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Beispielsweise kann ein Mitfahrer strafrechtlich belangt werden, wenn er sich bewusst an einer Straftat beteiligt, etwa indem er den Fahrer zum Verstoß gegen Verkehrsvorschriften anstiftet oder Beihilfe leistet (§ 26, § 27 StGB). Ferner kann das Verhalten des Mitfahrers relevant sein, wenn dieser den Fahrer durch Ablenkung gefährdet oder gesundheitlich beeinträchtigt.

Sozialrecht und Mitfahrer

Im Zusammenhang mit Fahrgemeinschaften können sich sozialrechtliche Implikationen ergeben, zum Beispiel beim Transport von Arbeitnehmern im Rahmen betrieblicher Fahrgemeinschaften. Hier bestehen etwa Haftungsprivilegierungen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, wenn der Unfall im Rahmen des Arbeitswegs eintritt.

Mitfahrer im internationalen Recht

Auch im internationalen Kontext gelten je nach Land unterschiedliche Regelungen hinsichtlich Haftung, Versicherungsschutz und Anspruchsdurchsetzung für Mitfahrer. Im europäischen Ausland sind etwa die Vorgaben der Richtlinie 2009/103/EG über die Kfz-Haftpflichtversicherung zu beachten, die den Versicherungsschutz für Insassen europaweit harmonisieren soll.

Fazit

Der Begriff Mitfahrer beinhaltet eine Vielzahl rechtlicher Nuancen. Die rechtliche Stellung hängt maßgeblich vom zugrundeliegenden Beförderungsverhältnis, von den getroffenen Vertragsabsprachen, von etwaigen Kostenbeteiligungen sowie den gesetzlichen und versicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen ab. Im Schadensfall sind insbesondere Haftungsregelungen, Versicherungsschutz sowie etwaige Einschränkungen oder Haftungsausschlüsse sorgfältig zu prüfen, um die Rechtsposition des Mitfahrers zu bestimmen. Das Mitführen von Fahrgemeinschaftsverträgen, die Nutzung von Mitfahrzentralen oder gewerbliche Fahrdienste kann die rechtliche Einordnung zusätzlich beeinflussen und sollte im Einzelfall speziell betrachtet werden.

Häufig gestellte Fragen

Haftet der Fahrzeughalter für Schäden, die ein Mitfahrer verursacht?

Grundsätzlich haftet der Fahrzeughalter für Schäden, die durch das Fahrzeug entstehen, unabhängig davon, ob er selbst gefahren ist oder ein anderer das Fahrzeug geführt hat. Verursacht allerdings ein Mitfahrer einen Schaden – etwa durch grob fahrlässiges Verhalten wie das unberechtigte Eingreifen ins Lenkrad oder das Öffnen der Tür während der Fahrt – so haftet zunächst der Mitfahrer persönlich nach § 823 BGB (Schadensersatzpflicht). Die Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters kann in solchen Fällen zwar zunächst den Schaden übernehmen, wird aber, sofern nachweislich ein grober Verstoß des Mitfahrers vorliegt, auf den Mitfahrer im Rahmen der sogenannten „Regressnahme“ zurückgreifen und die Kosten zurückfordern. Der Halter ist allerdings verpflichtet, im Rahmen der Sorgfaltspflichten dafür zu sorgen, dass seine Mitfahrer keine Gefahr darstellen. Versäumt er dies, kann eine Mithaftung des Halters entstehen.

Gibt es eine Anschnallpflicht für Mitfahrer und wer haftet bei Verstoß?

Für alle Insassen eines Kraftfahrzeugs besteht nach § 21a StVO die Pflicht, einen Sicherheitsgurt anzulegen. Verstößt ein Mitfahrer gegen die Anschnallpflicht, liegt ein Eigenverschulden des Mitfahrers vor. Kommt es zu einem Unfall und der Mitfahrer erleidet Verletzungen, kann dies zu einer erheblichen Minderung oder gar zum Ausschluss seiner eigenen Ersatzansprüche gegenüber dem Fahrer und dessen Versicherung führen (Stichwort: Mitverschulden nach § 254 BGB). Der Fahrer ist zudem verpflichtet, Mitfahrer auf die Anschnallpflicht hinzuweisen und vor Fahrtantritt für die Einhaltung zu sorgen. Kommt er dieser Aufsichtspflicht nicht nach, kann auch eine Mithaftung des Fahrers in Betracht kommen.

Wie verhält es sich mit der Versicherung von Mitfahrern bei einem Unfall?

Mitfahrer eines Fahrzeugs sind über die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters automatisch mitversichert. Erleiden sie durch Verschulden des Fahrers einen Schaden, haben sie Anspruch auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld. Allerdings gibt es Ausnahmen, etwa wenn der Mitfahrer bewusst in ein offensichtlich verkehrsuntüchtiges Fahrzeug einsteigt oder sich von einem erkennbar alkoholisierten Fahrer befördern lässt. In solchen Fällen kann die Versicherung die Leistung kürzen oder verweigern. Darüber hinaus steht Mitfahrern abgesehen von der Haftpflichtversicherung auch die Möglichkeit offen, über eine Insassenunfallversicherung zusätzliche Leistungen zu beziehen – dies ist jedoch eine freiwillige Zusatzversicherung.

Welche Regelungen gelten bei Fahrgemeinschaften hinsichtlich Kostenbeteiligung und Steuer?

Teilt sich eine Gruppe von Personen die Fahrtkosten im Rahmen einer Fahrgemeinschaft (z.B. Kraftstoff, Maut, Parkplatzgebühren), so sind diese Beiträge rechtlich als sogenannte „echte Fahrgemeinschaft“ zu bewerten. Hierbei liegt keine Gewinnerzielungsabsicht des Fahrzeughalters vor. Überschreiten die eingenommenen Beiträge nicht die anteiligen Kosten der Fahrt, sind diese steuerfrei und bedürfen keiner Anmeldung beim Finanzamt. Sobald jedoch offensichtliche Gewinnerzielungsabsicht vorliegt – etwa durch wiederholtes, gewerbliches Anbieten von Mitfahrten oder das Verlangen überhöhter Beträge – kann eine gewerbliche Personenbeförderung vorliegen. In diesem Fall greifen deutlich strengere rechtliche Regelungen wie Personenbeförderungserlaubnis und steuerliche Meldepflicht.

Kann ein Mitfahrer bei Verkehrsverstößen des Fahrers zur Verantwortung gezogen werden?

Mitfahrer haften grundsätzlich nicht für Verkehrsverstöße, die der Fahrer während der Fahrt begeht, da sie keine unmittelbare Verantwortung für die Fahrzeugführung tragen. Eine Ausnahme liegt jedoch vor, wenn der Mitfahrer den Verkehrsverstoß aktiv unterstützt oder dazu anstiftet, also beispielsweise den Fahrer ausdrücklich zum Schnellfahren ermutigt oder die Nutzung des Handys während der Fahrt fordert. In solchen Fällen kann eine sogenannte „Beihilfe zum Verkehrsverstoß“ vorliegen, wofür der Mitfahrer nach §§ 26, 27 StGB (Strafgesetzbuch – Anstiftung und Beihilfe) zur Verantwortung gezogen werden kann.

Muss der Fahrer persönliche Daten seiner Mitfahrer im Falle eines Unfalls angeben?

Nach einem Unfall ist der Fahrer gesetzlich verpflichtet, seine eigenen Personalien und die des Fahrzeughalters anzugeben. Die Weitergabe von Daten der Mitfahrer ist jedoch datenschutzrechtlich streng geregelt. Grundsätzlich muss der Fahrer die Mitfahrerdaten nur dann offenlegen, wenn sie zur Klärung des Unfallhergangs erforderlich sind und eine Behörde (etwa die Polizei) dies ausdrücklich verlangt. Sonst dürfen die Daten der Mitfahrer nicht ohne deren Zustimmung an unbeteiligte Dritte weitergegeben werden, da dies einen Verstoß gegen geltende Datenschutzvorschriften (DSGVO, BDSG) darstellen kann.

Welche Zustimmung benötigen Minderjährige, um als Mitfahrer zu reisen?

Kinder und Jugendliche, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung ihrer Erziehungsberechtigten an einer Mitfahrt teilnehmen. Dies gilt insbesondere bei Fernfahrten oder Mitfahrgelegenheiten mit fremden Personen. Die Rechtsgrundlage hierfür stellen die Aufsichtspflicht nach § 1631 BGB und eventuell strafrechtliche Bestimmungen dar. Ohne ausdrückliche Genehmigung der Eltern oder Erziehungsberechtigten können sowohl der Fahrer als auch die Eltern des minderjährigen Mitfahrers bei Schäden oder Problemen zur Verantwortung gezogen werden.

Wie ist die Rechtslage bei Ehestreitigkeiten um das Mitnehmen bestimmter Mitfahrer?

Führt die Mitnahme bestimmter Personen zu Konflikten zwischen Ehepartnern (beispielsweise bei Scheidungsstreitigkeiten oder wenn das Fahrzeug gemeinsam genutzt wird), so entscheidet grundsätzlich der Halter über die Vergabe privater Mitfahrten. Ist das Fahrzeug im gemeinschaftlichen Eigentum oder wird es regelmäßig von beiden Ehepartnern genutzt, empfiehlt sich eine klare Absprache. Im Zweifel kann eine einseitige Entscheidung zur Mitnahme Dritter als Verstoß gegen eheliche Rücksichtspflichten (§ 1353 BGB) gewertet werden. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind jedoch selten und entstehen in der Regel nur bei schwerwiegenden Loyalitäts- oder Treueverstößen.