Definition und Grundlagen der Krise der Gesellschaft
Die Krise der Gesellschaft ist ein rechtlicher Begriff, der in unterschiedlichen Rechtsgebieten, insbesondere im Gesellschaftsrecht, eine zentrale Rolle spielt. Darunter versteht man eine Situation, in der eine Gesellschaft – gleich welcher Rechtsform – in einem existenzgefährdenden Zustand gerät, der häufig ihre Zahlungsfähigkeit, Fortführungsprognose oder ihren Fortbestand betrifft. Die Krise der Gesellschaft kann verschiedene Ursachen haben und führt regelmäßig zu erhöhten Anforderungen an die Geschäftsleitung, Gesellschafter sowie deren Berater und beeinflusst Handlungen und Verantwortlichkeiten signifikant.
Ursachen und Erscheinungsformen der Gesellschaftskrise
Wirtschaftliche Krise
Die klassische wirtschaftliche Krise einer Gesellschaft ist durch einen erheblichen Wertverlust, Umsatz- oder Gewinneinbruch bis hin zur Zahlungsunfähigkeit gekennzeichnet. Häufig ist die Überschuldung (§ 19 InsO) Ausgangspunkt wirtschaftlicher Probleme.
Rechtliche Krise
Eine Gesellschaft durchläuft häufig auch eine rechtliche Krise, wenn sie gegen gesetzliche Vorgaben verstößt, etwa fehlende Einzahlung des Stammkapitals bei GmbHs, unzulässige Auszahlungen an Gesellschafter oder Verletzungen von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen. Rechtsverstöße können Bußgelder, Zwangsmaßnahmen und Schadenersatzansprüche nach sich ziehen.
Steuerliche Krise
Steuerliche Probleme entstehen, wenn Steuerverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können oder Steuerstraftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten begangen wurden. Auch das Ausbleiben von Steuererklärungen oder unrechtmäßige Steuervorteile können eine Gesellschaftskrise auslösen.
Gesellschaftsinterne Krise
Interne Konflikte innerhalb der Gesellschafter, etwa bei Meinungsverschiedenheiten oder Abstimmungsblockaden, können zu einer Lähmung der Gesellschaftsorgane führen, was eine Handlungs- und Geschäftsunfähigkeit der Gesellschaft nach sich zieht.
Rechtliche Folgen der Gesellschaftskrise
Handlungspflichten der Organmitglieder
Wird eine Krise der Gesellschaft festgestellt, treffen die Mitglieder der Geschäftsführung sowie sonstige Organwalter besondere Sorgfaltspflichten, beispielsweise Informations-, Prüfungs- und Handlungspflichten. Bei Anzeichen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind sie nach § 15a InsO zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet. Versäumt die Geschäftsleitung diese Pflicht, drohen zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken.
Insolvenzrechtliche Aspekte
Tritt eine Insolvenzreife ein, ändert sich die Rechtslage maßgeblich. Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind gemäß § 64 GmbHG beziehungsweise § 92 AktG nur ausnahmsweise zulässig. Insolvenzrechtliche Vorschriften bestimmen ab diesem Zeitpunkt das Schicksal der Gesellschaft, über das Insolvenzverfahren kann es zur Sanierung, Restrukturierung oder Liquidation der Gesellschaft kommen.
Insolvenzantragspflicht
Die Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) besteht grundsätzlich binnen drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife. Geschäftsleiter, welche dieser Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, haften für entstandene Schäden und gehen das Risiko strafrechtlicher Sanktionen ein.
Haftung der Gesellschafter und Organmitglieder
In der Krisensituation bestehen für Gesellschafter und Organmitglieder erhöhte Haftungsrisiken. Typische Haftungskonstellationen ergeben sich unter anderem bei verbotenen Zahlungen, nicht rechtzeitiger Antragstellung, fehlerhafter Insolvenzverschleppung oder unerlaubten Ausschüttungen. Überdies können gesellschaftsrechtliche Treuepflichten eine Rückzahlungsverpflichtung von erhaltenen Leistungen auslösen.
Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen
Beschließungs- oder Verfügungshandlungen, die während der Krise vorgenommen werden, können nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO im späteren Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter angefochten werden. Ziel ist dabei, die Gläubigergleichbehandlung sicherzustellen und benachteiligende oder bevorrechtigende Handlungen zu korrigieren.
Gesellschaftsrechtliche Besonderheiten einzelner Gesellschaftsformen
Krise bei der GmbH
Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gelten besondere Regelungen bezüglich Kapitalerhaltung (§ 30 GmbHG), Zahlungsverboten in der Krise sowie umfassenden Berichtspflichten der Geschäftsführung. Insbesondere bei Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbaren Leistungen („Kapitalkredit“ nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 135 InsO) finden spezielle Vorschriften Anwendung, um eine Gläubigergefährdung auszuschließen.
Krise bei der Aktiengesellschaft (AG)
Die Aktiengesellschaft unterliegt ebenso strengen kapitalerhaltenden Vorschriften. Hier regelt § 92 Abs. 2 AktG eine Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Darüber hinaus sind Handlungen des Vorstands und Aufsichtsrats in der Krise besonders streng an rechtliche Rahmenbedingungen gebunden.
Krise bei Personengesellschaften
Auch bei Personengesellschaften, etwa der OHG oder KG, können Krisensituationen entstehen. Hier sind regelmäßig persönliche Haftungsverpflichtungen der Gesellschafter von Bedeutung, insbesondere für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 128 HGB. Gesellschafterbeschlüsse über Sanierungen oder Restrukturierungen benötigen oft Einstimmigkeit, was zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt.
Auswirkungen auf Sanierung und Restrukturierung
Sanierungsmaßnahmen und rechtliche Rahmenbedingungen
Um den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern, können Maßnahmen zur Sanierung oder Restrukturierung vorgenommen werden. Dazu zählen unter anderem die Zuführung frischen Kapitals, Restrukturierung von Verbindlichkeiten, Geschäftsmodellveränderungen oder personelle Umstrukturierungen der Geschäftsleitung. Gesetzliche Normen wie das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) bieten seit 2021 zusätzliche Instrumente zur außergerichtlichen Sanierung.
Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren
Das Insolvenzrecht ermöglicht in der Krise spezielle Verfahren (Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltung nach § 270b InsO), die auf eine nachhaltige Sanierung der Gesellschaft zielen. Diese Verfahren bieten der Geschäftsführung größere Einflussmöglichkeiten bei der Restrukturierung. Voraussetzung ist regelmäßig ein tragfähiges Sanierungskonzept.
Gesellschaftsrechtliche Informations- und Publizitätspflichten in der Krise
Offenlegungspflichten
In der Krise einer Gesellschaft steigen die Offenlegungspflichten deutlich an. Dazu zählt insbesondere die rechtzeitige und vollständige Einreichung von Jahresabschlüssen sowie die Offenlegung von Sanierungskonzepten gegenüber Gläubigern, Geldgebern und – bei börsennotierten Gesellschaften – gegenüber dem Kapitalmarkt.
Nichtbeachtung von Informationspflichten
Bei Verletzung der Publizitäts- und Informationspflichten kommt eine persönliche Haftung der Organmitglieder sowie Ordnungsmaßnahmen in Betracht. Typische Konsequenzen sind Bußgelder, Gewinnabschöpfung und im schlimmsten Fall die Aberkennung der Geschäftsführungsbefugnis.
Zusammenfassung
Die Krise der Gesellschaft ist ein vielschichtiger, rechtlich komplexer Begriff mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten einer Gesellschaft. Die erfolgreiche Bewältigung einer solchen Krise erfordert nicht nur umfassende Kenntnisse der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Regelungen, sondern auch die penible Beachtung der sich daraus ergebenden Pflichten. Die Nichtbeachtung der spezifischen Vorschriften und Pflichten im Krisenfall kann erhebliche zivil- sowie strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und gefährdet nicht nur Fortbestand und Vermögen der Gesellschaft, sondern auch das der handelnden Organe und Gesellschafterpersönlichkeiten.
Häufig gestellte Fragen
Inwiefern können Krisen der Gesellschaft zu Einschränkungen von Grundrechten führen?
Gesellschaftliche Krisen, wie Pandemien, Naturkatastrophen oder sicherheitsrelevante Ausnahmesituationen, können staatliche Maßnahmen zur Folge haben, die in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Der rechtliche Rahmen für solche Einschränkungen findet sich im Grundgesetz, insbesondere in den sogenannten Schrankenregelungen der jeweiligen Grundrechte. Die Einschränkung ist grundsätzlich zulässig, sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, verhältnismäßig ist und dem Gemeinwohl dient. Insbesondere müssen die Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel – etwa den Schutz von Leben und Gesundheit oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung – zu erreichen. Die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, prüft in solchen Fällen, ob die Eingriffe über das notwendige Maß hinausgehen oder ob es mildere Mittel gegeben hätte. Temporäre Einschränkungen, wie z.B. Ausgangsbeschränkungen oder Versammlungsverbote, müssen regelmäßig überprüft und aufgehoben werden, sobald der Krisenzustand dies zulässt.
Welche rechtlichen Grundlagen ermöglichen dem Staat in einer gesellschaftlichen Krise die Verhängung von Notstandsmaßnahmen?
Die Befugnis des Staates, in Krisenzeiten Notstandsmaßnahmen zu ergreifen, leitet sich aus unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen ab. Im Falle innerer Notstände ist insbesondere das Grundgesetz maßgeblich, das in Art. 35 GG die sogenannte „Amtshilfe“ zwischen Behörden regelt und in den Notstandsartikeln (Art. 115a ff. GG) spezifische Regelungen für Verteidigungsfälle oder den inneren Notstand vorsieht. Daneben existieren Spezialgesetze wie das Infektionsschutzgesetz (IfSG), welches bei pandemischen Lagen umfangreiche Eingriffsrechte – etwa Quarantäneanordnungen oder Versammlungsverbote – vorsieht. Auch das Katastrophenschutzrecht der Länder gibt Behörden besondere Befugnisse, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen, wobei stets das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der gesetzliche Richtervorbehalt zu beachten sind.
Wie ist die Rolle des Parlaments in der Kontrolle von Krisenmaßnahmen geregelt?
Das parlamentarische Kontrollrecht ist ein zentrales Element zur Wahrung der Gewaltenteilung auch und gerade in Krisenzeiten. Viele Notstands- und Krisenbefugnisse der Exekutive unterliegen daher einer Zustimmungspflicht oder erfordern die nachträgliche Zustimmung des Bundestages oder der Länderparlamente. So muss zum Beispiel bei Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz der Bundestag die Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ treffen, was weitreichende Befugnisse für das Bundesministerium für Gesundheit auslöst. Zudem bestehen Berichtspflichten der Regierung gegenüber den Parlamenten und für bestimmte Maßnahmen ist eine Befristung gesetzlich vorgesehen. Solche Kontrollmechanismen sollen eine Konzentration von Entscheidungsmacht bei der Regierung vermeiden und eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gewährleisten.
Können staatliche Entscheidungen in Krisenzeiten gerichtlich überprüft werden?
Auch während einer gesellschaftlichen Krise bleiben die Entscheidungen der Exekutive grundsätzlich der richterlichen Kontrolle unterworfen. Jeder Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 GG das Recht, die Gerichte anzurufen, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt sieht. Gerichte überprüfen dabei insbesondere die Rechtsgrundlage, die Verhältnismäßigkeit und die Angemessenheit der jeweiligen Maßnahme. Gerade in Eilfällen, beispielsweise bei Demonstrationsverboten oder Ausgangsbeschränkungen, ist der einstweilige Rechtsschutz von besonderer Bedeutung. Die gerichtliche Kontrolle stellt sicher, dass auch in Krisenzeiten der Rechtsstaat gewahrt bleibt und unverhältnismäßige Eingriffe verhindert werden können.
Welche Bedeutung hat das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei Krisenmaßnahmen?
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist ein zentraler juristischer Maßstab bei der Beurteilung von Eingriffen in Grundrechte, auch im Krisenfall. Eine Maßnahme muss geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, erforderlich sein – es darf kein milderes, gleich wirksames Mittel geben – und angemessen, also im Sinne einer Güterabwägung zumutbar erscheinen. Die Rechtsprechung betont, dass der Ausnahmezustand keine „rechtsfreien Räume“ schafft. Vielmehr sind auch in Krisenzeiten die Eingriffe stets auf das nötige Maß zu beschränken und müssen, sobald eine Krisensituation es rechtfertigt, unverzüglich aufgehoben werden. Dies gilt insbesondere für tiefgreifende Maßnahmen wie Freiheitseinschränkungen, Eingriffe in das Versammlungsrecht oder allgemeine Kontaktverbote.
Wer haftet für Schäden durch staatliche Maßnahmen in einer gesellschaftlichen Krise?
Wenn Bürger oder Unternehmen durch Krisenmaßnahmen einen Schaden erleiden, besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz gegenüber dem Staat. Die rechtliche Grundlage variiert je nach Art der Maßnahme: Im Infektionsschutzgesetz finden sich spezielle Entschädigungsregelungen, etwa im Fall von Quarantäneanordnungen (vgl. § 56 IfSG). Allgemein kann ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) oder auf Grundlage besonderer Schadensausgleichsgesetze entstehen. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Maßnahme rechtswidrig oder zumindest unverhältnismäßig war oder einen Sonderopfercharakter hatte, der über das allgemeine Maß hinausgeht, das Bürger in einer Krise zu tragen haben. Die Durchsetzung erfolgt vor den Verwaltungs- beziehungsweise ordentlichen Gerichten.
Gibt es zeitliche Grenzen für die Gültigkeit von Krisenmaßnahmen?
Rechtsstaatlich ist es gefordert, dass Krisenmaßnahmen stets zeitlich befristet und regelmäßig überprüft werden. Im Gesetzgebungsprozess ist daher häufig eine automatische Befristung (Sunset-Klausel) vorgesehen, sodass die jeweilige Maßnahme ohne erneute gesetzgeberische Verlängerung außer Kraft tritt. Darüber hinaus besteht eine Verpflichtung der Exekutive, fortlaufend die Auswirkungen und die Notwendigkeit der Maßnahmen zu evaluieren und diese, sobald der Grund für ihren Erlass entfällt, unverzüglich aufzuheben. Dies verhindert eine dauerhafte Einschränkung von Grundrechten und gewährleistet die Rückkehr zur Normalität nach Beendigung des Krisenzustands.