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Konzentration in der Wirtschaft

Begriff und Bedeutung der Konzentration in der Wirtschaft

Unter Konzentration in der Wirtschaft versteht man die Bündelung wirtschaftlicher Macht durch die Zusammenführung von Unternehmen, Betriebsteilen oder wesentlichen Vermögenswerten. Dies kann durch Zusammenschlüsse, den Erwerb von Beteiligungen, die Begründung von Kontrolle oder die Gründung gemeinsamer Unternehmen erfolgen. Konzentration verändert Marktstrukturen: Sie kann zu größeren Einheiten führen, Wettbewerbsverhältnisse verschieben und die Handlungsfreiheit von Kundinnen, Lieferanten und Wettbewerbern beeinflussen.

Rechtlich steht Konzentration im Spannungsfeld zwischen der Förderung leistungsfähiger Unternehmensstrukturen und der Sicherung wirksamen Wettbewerbs. Die maßgeblichen Regeln dienen dazu, die Entstehung oder Verstärkung von Marktmacht zu prüfen und zu begrenzen, ohne sinnvolle Zusammenschlüsse pauschal zu verhindern.

Rechtlicher Rahmen der Unternehmenskonzentration

Zielsetzung des Wettbewerbsrechts

Das Wettbewerbsrecht schützt offene Märkte und die Wahlmöglichkeiten von Abnehmern. Es soll verhindern, dass durch Zusammenschlüsse Machtpositionen entstehen oder ausgebaut werden, die den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen. Gleichzeitig berücksichtigt es, dass Konzentration Effizienzgewinne ermöglichen kann, etwa durch Skaleneffekte, besser nutzbare Infrastruktur, Forschung und Entwicklung oder eine verbesserte Versorgung.

Begriffe der Kontrolle und des Zusammenschlusses

Rechtlich erfasst werden verschiedene Formen der Kontrolle. Kontrolle liegt vor, wenn eine Einheit einen bestimmenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann, etwa durch Mehrheiten an Stimmrechten, besondere Vetorechte, langfristige Verträge oder andere Mittel, die die strategischen Entscheidungen prägen. Ein Zusammenschluss kann durch Verschmelzung, den Erwerb von Anteilen oder Vermögenswerten sowie die Gründung eines gemeinsamen, dauerhaft markttätigen Unternehmens entstehen. Auch Erwerbsvorgänge unterhalb der Mehrheit können erfasst sein, wenn ihnen eine beherrschende Wirkung zukommt.

Prüfungsmaßstab

Kernfrage der Kontrolle ist, ob der Zusammenschluss den wirksamen Wettbewerb erheblich beeinträchtigt. Zu prüfen sind insbesondere die Marktstellung der beteiligten Unternehmen, Marktzutrittsschranken, das Verhalten von Wettbewerbern, die Gegenmacht der Nachfrager, die Entwicklung von Preisen, Qualität, Innovation und Auswahl sowie die Möglichkeit koordinierten Verhaltens. Dominanz und ihre Verstärkung sind zentrale Aspekte, zugleich werden auch geringere, aber spürbare Beeinträchtigungen bewertet.

Verfahren und Zuständigkeiten

Anmeldepflicht und Prüfphasen

Unternehmenszusammenschlüsse können je nach wirtschaftlicher Größe anmeldepflichtig sein. Die Zuständigkeit richtet sich nach der Reichweite und Bedeutung der Transaktion; nationale und europäische Behörden sind zuständig, wobei Überschneidungen durch Kooperationsmechanismen begrenzt werden. Die Prüfung erfolgt in Phasen: Zunächst wird im Rahmen einer ersten Prüfung die Freigabefähigkeit bewertet; bei Wettbewerbsbedenken schließt sich eine vertiefte Prüfung an.

Vollzugsverbot

Vor der Freigabe gilt regelmäßig ein Vollzugsverbot. Maßnahmen, die die Transaktion faktisch vorwegnehmen, wie die Übertragung von Kontrolle, die Integration von Geschäftsbereichen oder die Abstimmung strategischer Entscheidungen, sind unzulässig, solange keine Freigabe erteilt wurde.

Entscheidungsformen

Die Behörde kann einen Zusammenschluss freigeben, freigeben mit Auflagen und Bedingungen oder untersagen. Ergebnisse können öffentlich bekannt gemacht werden, um Transparenz über marktbezogene Auswirkungen zu schaffen.

Abhilfemaßnahmen (Remedies)

Zur Beseitigung von Wettbewerbsbedenken kommen strukturelle und verhaltensbezogene Maßnahmen in Betracht. Strukturelle Maßnahmen umfassen insbesondere Veräußerungen von Geschäftsbereichen oder Vermögenswerten, um Marktmacht zu verringern. Verhaltensbezogene Maßnahmen betreffen etwa die Zugangsgewährung zu Schnittstellen, Lizenzierungen, Lieferzusagen oder die Entflechtung bestimmter Informationsflüsse. Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und umsetzbar sein und werden oft mit Überwachungsinstrumenten begleitet.

Formen der Konzentration

Horizontale Konzentration

Hier schließen sich Unternehmen zusammen, die auf derselben Marktstufe und im gleichen relevanten Markt tätig sind. Typische Auswirkungen betreffen Preise, Kapazitäten, Produktvielfalt und Innovationsdynamik.

Vertikale Konzentration

Sie verbindet Unternehmen auf vor- oder nachgelagerten Marktstufen, zum Beispiel Hersteller und Zulieferer oder Hersteller und Händler. Prüfungsrelevant sind mögliche Abschottungen gegenüber Wettbewerbern durch Bündelung von Bezugs- oder Absatzkanälen, Zugang zu wichtigen Vorleistungen sowie die Bevorzugung eigener Einheiten.

Konglomerate und kooperative Elemente

Konglomerate betreffen Unternehmen, die in unterschiedlichen Märkten tätig sind. Bedenken können etwa über Portfoliovorteile entstehen, wenn Marktmacht aus einem Bereich in andere übertragen wird. Kooperative Elemente, zum Beispiel in Form von Gemeinschaftsunternehmen, werden geprüft, wenn sie auf Dauer angelegt sind und eine eigenständige Marktpräsenz entfalten.

Gemeinschaftsunternehmen mit eigener Marktpräsenz

Gemeinschaftsunternehmen, die auf Dauer bestimmte Marktaufgaben übernehmen, gelten als Zusammenschlüsse. Zusätzlich kann bewertet werden, ob die Zusammenarbeit der Muttergesellschaften ihre Konkurrenzbeziehungen in anderen Märkten spürbar beeinflusst.

Wettbewerbliche Effekte

Unilaterale Effekte

Unilaterale Effekte entstehen, wenn das fusionierte Unternehmen aufgrund seiner Stellung unabhängig von Wettbewerbern handeln kann, etwa bei Preisgestaltung, Qualität, Innovation oder Verfügbarkeit. Die Wahrscheinlichkeit und Stärke solcher Effekte hängt von Marktanteilen, Produktnähe, Kapazitäten, Reaktionsmöglichkeiten der Konkurrenz und der Rolle engster Wettbewerber ab.

Koordinierte Effekte

Koordinierte Effekte betreffen die Erleichterung abgestimmten Verhaltens zwischen verbleibenden Marktteilnehmern, beispielsweise durch erhöhte Transparenz, ähnliche Kostenstrukturen oder wechselseitige Abhängigkeiten. Begünstigende Faktoren sind stabile Nachfrage, geringe Innovationsraten und hohe Marktzutrittsschranken.

Marktzutrittsschranken und Netzwerkeffekte

Relevante Schranken sind hohe Investitionskosten, Regulierungsanforderungen, Zugang zu Daten, Rechten des geistigen Eigentums oder Netzinfrastrukturen. In digitalen Märkten können Netzwerkeffekte, Datenvorteile und Ökosysteme die Marktmacht verstärken und den Eintritt neuer Anbieter erschweren.

Innovations- und Datenaspekte

Bei technologieorientierten Unternehmen wird die Wirkung auf Forschung, Entwicklung und Datenzugang bewertet. Auch Zusammenschlüsse ohne hohe Umsätze, aber mit wichtigen Vermögenswerten wie Datenbeständen, Plattformzugängen oder Schlüsseltechnologien, können wettbewerblich bedeutsam sein.

Messung der Marktkonzentration

Marktdefinition

Ausgangspunkt ist die Abgrenzung des relevanten Produkt- und geografischen Markts nach Austauschbarkeit aus Sicht der Nachfrager oder Anbieter. Preisliche, qualitative und funktionale Aspekte, Wechselkosten, Lieferfristen sowie regionale Besonderheiten spielen eine Rolle.

Kenngrößen der Konzentration

Zur Strukturbetrachtung dienen Konzentrationsraten und Indizes, die die Verteilung von Marktanteilen abbilden. Sie liefern Anhaltspunkte, ersetzen aber nicht die Einzelfallprüfung. Zusätzlich werden die Nähe der Wettbewerber, Kapazitätsreserven, Marktdynamik und potenzieller Wettbewerb berücksichtigt.

Marktmacht und Dominanz

Dominanz meint die Fähigkeit, sich unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten zu verhalten. Indizien sind dauerhafte, hohe Marktanteile, Kontrolle über wesentliche Ressourcen, Zugang zu unverzichtbaren Schnittstellen, starke Markenbindung oder Netzwerkeffekte. Eine Verstärkung bestehender Dominanz ist besonders prüfungsrelevant.

Sektor- und Sonderregelungen

Medienkonzentration

Im Medienbereich bestehen besondere Vorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt. Neben der wirtschaftlichen Struktur wird die publizistische Macht berücksichtigt, was zusätzliche Schwellen und Prüfmechanismen bedingen kann.

Finanzsektor, Energie und Telekommunikation

In regulierten Netzsektoren gelten branchenspezifische Anforderungen. Zusammenschlüsse können zusätzlich von Aufsichtsbehörden geprüft werden, etwa im Hinblick auf Stabilität, Versorgungssicherheit, Interoperabilität und Netzzugang.

Öffentliche Aufträge und Infrastruktur

Bei Anbietern, die an der Vergabe öffentlicher Aufträge teilnehmen oder essentielle Infrastrukturen betreiben, können Konzentrationen Auswirkungen auf Zugangsbedingungen, Standardisierung und Langfristverträge haben. Dies wird im Rahmen der allgemeinen und sektorspezifischen Regeln berücksichtigt.

Ausländische Investitionskontrolle

Erwerbe durch ausländische Investoren können zusätzlich einer gesonderten Prüfung unterliegen, wenn Sicherheitsinteressen oder die Integrität kritischer Infrastrukturen betroffen sind. Diese Kontrolle besteht neben der wettbewerbsrechtlichen Fusionskontrolle.

Rechtliche Grenzen und Folgen unzulässiger Konzentration

Untersagung und Auflagen

Führt eine Transaktion voraussichtlich zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen, kann sie untersagt oder nur unter Auflagen freigegeben werden. Auflagen müssen die festgestellten Bedenken zielgenau adressieren und ihre Wirksamkeit muss überprüfbar sein.

Abspaltungen und Entflechtung

Zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs kommen Abspaltungen oder Veräußerungen bestimmter Unternehmensteile in Betracht. Solche Maßnahmen können auch nach Vollzug in Betracht stehen, wenn ein Verstoß festgestellt wird.

Zusammenarbeit ohne Zusammenschluss

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die keinen Zusammenschluss darstellen, unterliegen gesonderten Regeln zur Verhinderung wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Informationsaustausch, Liefer- oder Bezugsbindungen und Kooperationsverträge werden anhand ihrer Marktwirkungen geprüft.

Durchsetzung, Sanktionen und zivilrechtliche Folgen

Bei Verstößen gegen Anmeldepflichten oder das Vollzugsverbot kommen behördliche Maßnahmen und Sanktionen in Betracht. Betroffene Marktteilnehmer können zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, etwa im Zusammenhang mit schadensstiftenden Wirkungen einer unzulässigen Konzentration.

Internationale Dimension

Mehrfache Zuständigkeiten und Kooperation

Größere Zusammenschlüsse betreffen oft mehrere Staaten. Zuständige Behörden arbeiten zusammen, um parallele Prüfungen zu koordinieren, Informationen auszutauschen und widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.

Grenzüberschreitende Transaktionen

Bei grenzüberschreitenden Vorhaben können zentrale Prüfverfahren vorgesehen sein, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls kommt es zu parallelen Prüfungen in mehreren Rechtsordnungen mit jeweils eigenen materiellen und prozessualen Kriterien.

Abgrenzungen und verwandte Begriffe

Konzentration ist abzugrenzen von bloßer Kooperation ohne Kontrollwechsel, die gesonderten Regeln unterliegt. Der Begriff Konsolidierung beschreibt häufig eine marktwirtschaftliche Bereinigung ohne zwingenden Kontrollwechsel. Konzentrationspolitik bezeichnet staatliche Ansätze zur Beeinflussung der Marktstruktur, meist durch allgemeine Wettbewerbsregeln.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet wirtschaftliche Konzentration rechtlich betrachtet?

Rechtlich bezeichnet Konzentration Vorgänge, durch die Unternehmen Kontrolle über andere Unternehmen oder Vermögenswerte erlangen und dadurch ihre Marktstellung verändern. Erfasst sind insbesondere Verschmelzungen, Anteilserwerbe mit kontrollbegründender Wirkung sowie die Gründung gemeinsamer, dauerhaft markttätiger Unternehmen.

Wann ist ein Zusammenschluss anzumelden und wer prüft ihn?

Eine Anmeldung ist erforderlich, wenn wirtschaftliche Schwellenwerte erreicht werden, die die Bedeutung der Transaktion anzeigen. Zuständig sind je nach Reichweite und Marktbetroffenheit nationale oder europäische Wettbewerbsbehörden. Bei grenzüberschreitenden Vorhaben können mehrere Behörden parallel zuständig sein, die ihre Verfahren koordinieren.

Was gilt vor der Freigabe eines Zusammenschlusses?

Vor Freigabe besteht regelmäßig ein Vollzugsverbot. Maßnahmen, die die Transaktion faktisch vorwegnehmen, sind unzulässig. Dazu zählen insbesondere die Übertragung von Kontrolle, die Integration von Organisationseinheiten, gemeinsame Preis- oder Absatzabstimmungen sowie der Austausch strategisch sensibler Informationen.

Nach welchen Kriterien wird eine Konzentration inhaltlich geprüft?

Geprüft wird, ob der Zusammenschluss den wirksamen Wettbewerb erheblich beeinträchtigt. Maßgeblich sind Marktdefinition, Marktanteile, Marktzutrittsschranken, die Nähe der Beteiligten als Wettbewerber, die Gegenmacht der Nachfrager, die Innovationsdynamik sowie mögliche unilaterale und koordinierte Effekte.

Welche Rolle spielen Effizienzgewinne in der Prüfung?

Effizienzgewinne können berücksichtigt werden, wenn sie wahrscheinlich, fusionsbedingt, überprüfbar und geeignet sind, die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb auszugleichen. Sie müssen in der Regel den Nachfragern zugutekommen, etwa in Form besserer Qualität, Innovation oder angemessenerer Preise.

Was sind Auflagen und Bedingungen (Remedies)?

Auflagen und Bedingungen sind Maßnahmen, mit denen Bedenken ausgeräumt werden sollen. Strukturelle Maßnahmen betreffen insbesondere Veräußerungen von Geschäftsteilen. Verhaltensbezogene Maßnahmen betreffen zum Beispiel Zugangs- oder Lizenzierungszusagen. Sie müssen verhältnismäßig und wirksam sein und unterliegen oft einer Überwachung.

Kann eine bereits vollzogene Transaktion rückgängig gemacht werden?

Wird ein Verstoß festgestellt, kommen Maßnahmen zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs in Betracht. Dazu zählen insbesondere Entflechtungen oder Veräußerungen. Begleitend können Sanktionen verhängt und zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.

Gibt es besondere Regeln für einzelne Branchen oder ausländische Investoren?

Ja, in bestimmten Sektoren wie Medien, Finanzwesen, Energie oder Telekommunikation bestehen zusätzliche Vorgaben neben der allgemeinen Fusionskontrolle. Erwerbe durch ausländische Investoren können gesondert im Hinblick auf Sicherheits- und Infrastrukturinteressen geprüft werden. Beide Prüfregime bestehen unabhängig voneinander.