Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Vertragsrecht»Konkludentes Handeln

Konkludentes Handeln


Begriff und allgemeine Bedeutung des konkludenten Handelns

Das konkludente Handeln stellt im Recht einen besonderen Modus der Willenserklärung dar, bei dem der Wille einer Person nicht ausdrücklich (z. B. durch gesprochene oder geschriebene Worte), sondern durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht wird. Es spielt insbesondere im Schuldrecht eine erhebliche Rolle, findet jedoch in nahezu allen Rechtsgebieten Anwendung. Typisch ist, dass aus den Umständen und dem beobachtbaren Verhalten der Beteiligten auf einen bestimmten Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann, ohne dass dieser ausdrücklich geäußert wird.

Rechtliche Grundlagen konkludenten Handelns

Zivilrechtliche Einordnung

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist das konkludente Handeln nicht explizit geregelt. Sein rechtlicher Stellenwert besteht jedoch darin, dass auch eine Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden kann (§ 133, § 157 BGB). Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, wie das jeweilige Verhalten nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 242 BGB) objektiv zu verstehen ist.

Voraussetzungen für konkludentes Handeln

Für die Annahme einer wirksamen Willenserklärung durch konkludentes Handeln sind folgende Voraussetzungen maßgeblich:

  • Erklärungsbewusstsein: Die handelnde Person muss zumindest das Bewusstsein haben, rechtserheblich zu handeln. Allerdings ist nach der sogenannten „Rechtsscheinhaftung“ auch unbeabsichtigtes, aber objektiv als Erklärung deutbares Verhalten beachtlich, sofern der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben auf den Erklärungstatbestand vertrauen durfte.
  • Handlungswille: Die Willensbetätigung erfolgt bewusst; bloßes reflexhaftes Verhalten genügt nicht.
  • Objektiver Empfängerhorizont: Entscheidend ist, wie ein verständiger Dritter das Verhalten nach § 133, § 157 BGB auslegen würde.

Abgrenzung zu anderen Formen der Willenserklärung

Das konkludente Handeln steht neben der ausdrücklichen Willenserklärung (mündlich oder schriftlich) und der sogenannten „stillschweigenden“ Erklärung (schweigen als Zustimmung). Während Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt (Ausnahmen existieren), ist konkludentes Handeln stets durch eine aktive Betätigung gekennzeichnet, aus deren objektivem Gehalt ein Wille abzuleiten ist.

Grenzen des konkludenten Handelns

Nicht in sämtlichen Konstellationen ist konkludentes Handeln zulässig:

  • Formbedürftigkeit: Bei gesetzlichen Schriftformerfordernissen (z. B. § 311b BGB für Grundstückskaufverträge) reicht ein bloß konkludentes Handeln nicht aus.
  • Bestimmte einseitige Rechtsgeschäfte: Beispielsweise bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist meist eine ausdrückliche schriftliche Erklärung notwendig.

Beispiele für konkludentes Handeln in der Rechtsprechung

Vertragsabschluss durch schlüssiges Verhalten

Ein klassisches Beispiel ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel: Der Erwerb eines Fahrscheins und das Betreten des Zuges stellen konkludente Handlungen dar, aus denen der Vertragsschluss abgeleitet wird. Ebenso liegt konkludentes Handeln etwa beim Einwurf von Münzen in einen Automaten oder beim Betanken eines Fahrzeugs an einer Selbstbedienungstankstelle vor.

Genehmigung und Annahme

Ein Vermieter, der die Miete für eine durch einen Dritten bewohnte Wohnung fortlaufend entgegennimmt, kann dadurch konkludent die Zustimmung zur Untervermietung erklären. Auch im Arbeitsrecht führen fortgesetztes Tätigwerden nach Ablauf eines befristeten Vertrags oder vorbehaltslose Entgegennahme der Arbeitsleistung zu konkludenten Verlängerungs- oder Annahmeerklärungen.

Abgrenzung im Geschäftsverkehr und Alltag

Kleingeschäfte des täglichen Lebens werden häufig konkludent abgeschlossen, etwa bei alltäglichen Kaufhandlungen im Einzelhandel: Das Ablegen von Waren auf das Kassenband wird als Angebot, das Scannen und Kassieren durch das Personal als Annahme des Vertrags verstanden.

Konkludentes Handeln im öffentlichen Recht

Auch im öffentlichen Recht kann konkludentes Handeln Bedeutung erlangen, etwa im Bereich der Genehmigungen, Verwaltungsakte oder bei öffentlich-rechtlichen Verträgen.

  • Verwaltungsakt: Ein Verwaltungsakt erfordert grundsätzlich eine ausdrückliche Erklärung, jedoch kann unter bestimmten Umständen konkludentes Handeln, etwa durch stillschweigende Duldung oder faktisches Verwaltungshandeln, ausreichen.
  • Öffentlich-rechtlicher Vertrag: Auch hier können bestimmte Willensbetätigungen konkludent erfolgen, wenn das Verhalten erkennbar auf einen Vertragsschluss gerichtet ist.

Konkludentes Handeln und Schweigen

Obwohl konkludentes Handeln und Schweigen sich ähneln, sind sie streng voneinander zu unterscheiden. Schweigen gilt in der Regel nicht als Zustimmung, es sei denn, es bestehen besondere gesetzliche Regelungen oder Verkehrsbräuche. Konkludentes Handeln hingegen setzt ein aktives Tun voraus, das nach außen hin als Erklärung aufgefasst werden kann.

Grenzen der Wirksamkeit konkludenter Erklärungen

Formvorschriften

Bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen kraft Gesetzes besonderer Form (z. B. notarielle Beurkundung, schriftliche Form). In diesen Fällen ist ein Vertrag oder eine Erklärung durch konkludentes Handeln regelmäßig unwirksam (§ 125 BGB).

Fehlende Erklärungsbewusstseins und Irrtumsanfechtung

Bei Fehlen des Erklärungsbewusstseins kann das Geschäft nach den anerkannten Grundsätzen angefochten werden (§ 119 BGB). Demgegenüber besteht eine rechtliche Verantwortung, wenn dem Erklärungsempfänger die Handlung als rechtserheblich erschienen ist.

Rechtliche Folgen des konkludenten Handelns

Eine durch konkludentes Handeln abgegebene Willenserklärung ist mit einer ausdrücklich abgegebenen Erklärung gleichwertig und entfaltet die gleiche rechtliche Wirkung. Daraus können Ansprüche, Rechte und Pflichten entstehen, wie aus formalen Vertragsabschlüssen.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, Bearbeiter der relevanten Vorschriften zu Willenserklärungen (§ 133, § 157 BGB)
  • MüKo-BGB: Kommentierung der Auslegung von Willenserklärungen
  • BGH Rechtsprechung zum konkludenten Handeln, insb. zu Vertragsschluss, Annahmeerklärungen und Verhalten im Geschäftsverkehr

Fazit:
Konkludentes Handeln ist integraler Bestandteil des deutschen Privatrechts und darüber hinaus. Sein Verständnis ist grundlegend für das Erkennen und Bewerten rechtserheblicher Erklärungen im täglichen Leben und im geschäftlichen Verkehr. Bei Unklarheiten zu Form oder Inhalt ist stets die maßgebliche gesetzliche Regelung sowie die bestehende Verkehrssitte im Einzelfall zu prüfen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für konkludentes Handeln erfüllt sein?

Für die Anerkennung konkludenten Handelns im rechtlichen Sinn ist erforderlich, dass das Verhalten eines Beteiligten nach objektiver Auslegung den Schluss auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen zulässt. Dies bedeutet, dass die Handlung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133, § 157 BGB) so ausgelegt werden muss, dass der Erklärungsempfänger mit Recht auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg schließen darf. Es genügt nicht, wenn eine bloße tatsächliche Handlung vorliegt; diese muss vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls als Willensäußerung hinsichtlich eines bestimmten Rechtsgeschäfts zu deuten sein. Die Willenserklärung, die sich aus konkludentem Handeln ergibt, darf zudem nicht ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen worden sein. Darüber hinaus darf dem konkludenten Handeln kein gesetzliches Formerfordernis entgegenstehen, etwa wenn für das entsprechende Rechtsgeschäft Schriftform vorgeschrieben ist.

In welchen Rechtsgebieten findet konkludentes Handeln besonders häufig Anwendung?

Konkludentes Handeln spielt in vielen Bereichen des Zivilrechts eine wichtige Rolle, vorrangig jedoch im Vertragsrecht. Ein typisches Beispiel ist das Zustandekommen von Kaufverträgen im Einzelhandel, wenn etwa durch das Vorlegen von Waren an der Kasse durch den Kunden und das Kassieren durch den Verkäufer ein Vertrag zustande kommt, ohne dass explizit ein Angebot und dessen Annahme ausgesprochen werden. Auch im Miet-, Dienst- und Werkvertragsrecht werden Verträge häufig durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen. Darüber hinaus begegnet man konkludentem Handeln bei der Entstehung und Ausübung von Gesellschaftsverhältnissen, Geschäftsbesorgungsverhältnissen sowie im Schuldrecht bei der Annahme von Leistungen. Im Öffentlichen Recht ist die Anerkennung konkludenten Handelns dagegen regelmäßig ausgeschlossen, vor allem wenn behördliches Handeln in Verfahrensformen gebunden ist.

Gibt es Situationen, in denen konkludentes Handeln keine Rechtswirkung entfaltet?

Ja, konkludentes Handeln bleibt dann ohne rechtliche Wirkung, wenn für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts eine besondere Form gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, etwa bei Bürgschaftserklärungen (§ 766 BGB), beim Grundstückskauf (§ 311b BGB) oder beim Ehevertrag (§ 1408 BGB). In diesen Fällen verlangt das Gesetz ausdrücklich eine bestimmte Form (meist Schrift- oder notarielle Beurkundung), sodass ein konkludentes Handeln nicht ausreicht, um den jeweiligen rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Außerdem entfaltet schlüssiges Verhalten dann keine Wirkung, wenn es durch eine ausdrücklich erklärte gegenteilige Willensäußerung überlagert wird oder wenn Umstände vorliegen, die ein anderes Verständnis aus Sicht des Empfängers begründen.

Welche Bedeutung kommt dem Empfängerhorizont bei der Auslegung konkludenten Handelns zu?

Der Empfängerhorizont ist für die rechtliche Bewertung konkludenten Handelns von zentraler Bedeutung. Nach §§ 133, 157 BGB kommt es darauf an, wie der Erklärungsempfänger das Verhalten des Handelnden unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und der Begleitumstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Die subjektive Vorstellung des Handelnden tritt zurück, vielmehr wird eine objektive Auslegung vorgenommen. Maßgeblich ist also, ob ein verständiger Dritter in der Position des Erklärungsempfängers das Verhalten als bestimmte Willenserklärung auffasst. Dadurch wird dem Schutz des Rechtsverkehrs und dem Vertrauen des Erklärungsempfängers Vorrang eingeräumt.

Welche Rechtsfolgen können aus konkludentem Handeln resultieren?

Aus konkludentem Handeln ergeben sich dieselben Rechtsfolgen wie aus ausdrücklich abgegebenen Erklärungen, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und keine Formvorschriften entgegenstehen. Wird durch schlüssiges Verhalten ein Vertrag geschlossen, entstehen die jeweiligen schuldrechtlichen Ansprüche, wie zum Beispiel auf Zahlung des Kaufpreises oder auf Leistung aus einem Dienst- oder Werkvertrag. Auch Nebenabreden, Vertragsänderungen, Kündigungen oder die Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Anfechtung, Rücktritt) können unter bestimmten Voraussetzungen konkludent erklärt werden. Liegt ein konkludentes Handeln nicht vor oder ist dieses rechtlich nicht beachtlich, kann kein entsprechender Rechtsfolgewillen angenommen werden, sodass es zu keiner oder zu abweichenden rechtlichen Bindungen kommt.

Wie unterscheidet sich konkludentes Handeln von faktischem Verhalten ohne Rechtsbindungswillen?

Konkludentes Handeln setzt stets einen nach außen zum Ausdruck gebrachten Rechtsbindungswillen voraus, auch wenn dieser nicht explizit erklärt wird, sondern sich aus den jeweiligen Umständen ergibt. Dagegen fehlt bei rein tatsächlichem Verhalten dieser Rechtsbindungswille; dies ist beispielsweise bei Gefälligkeiten unter Freunden oder im Rahmen bloßer gesellschaftlicher Kontakte der Fall, solange nicht aus den Gesamtumständen für den Erklärungsempfänger erkennbar ist, dass eine rechtliche Bindung gewollt ist. Die Abgrenzung erfolgt mithilfe einer objektiven Auslegung: Maßgeblich ist, ob das Verhalten aus der Sicht eines verständigen Dritten als Erklärung mit Rechtsfolgewillen gewertet werden kann.

Ist eine Anfechtung einer durch konkludentes Handeln abgegebenen Willenserklärung möglich?

Grundsätzlich kann auch eine durch konkludentes Handeln abgegebene Willenserklärung gemäß §§ 119 ff. BGB angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund wie etwa ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorliegt. Entscheidend ist, dass überhaupt eine Willenserklärung abgegeben wurde und beim Handelnden ein entsprechender – wenn auch nicht explizit geäußerter – Willen vorlag. Eine Anfechtung kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn das tatsächliche Verhalten unbeabsichtigt als rechtserhebliche Erklärung zu werten war und der Handelnde dies nicht erkannt hat. In solchen Fällen findet auf konkludente Willenserklärungen die Anfechtungsregelung uneingeschränkt Anwendung.