Begriff und rechtlicher Ursprung: Kauf bricht nicht Miete
Der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ ist ein zentrales Dogma im deutschen Mietrecht und bedeutet, dass bei einem Eigentümerwechsel einer vermieteten Immobilie das bestehende Mietverhältnis grundsätzlich fortbesteht. Der Mieter behält demnach seine Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag, auch wenn das Eigentum an der vermieteten Sache durch Verkauf, Erbschaft oder andere Übertragungsformen auf eine neue Person übergeht. Gesetzlich normiert ist dieses Prinzip in § 566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Historische Entwicklung und gesetzgeberischer Hintergrund
Das bürgerliche Gesetzbuch sieht seit seiner Reformierung Ende des 19. Jahrhunderts einen besonderen Schutz des Mieters bei Veräußerung der Mietsache vor. Der Gesetzgeber beabsichtigte, das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Sache zu stärken und dessen soziale Stellung zu sichern. Zuvor war der Bestand des Mietvertrags gegenüber dem neuen Eigentümer weniger klar geregelt.
Gesetzliche Verankerung: § 566 BGB
Wortlaut und Inhalt
§ 566 BGB regelt ausdrücklich:
„Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter vom Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber an Stelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.“
Der Wortlaut umfasst das Verhältnis bei Mietverträgen über Wohnraum, findet jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch für andere Mietobjekte, wie beispielsweise Gewerbeflächen, Anwendung im Rahmen der §§ 578, 566 BGB.
Anwendungsbereich
Die Vorschrift greift immer dann, wenn
- ein Mietverhältnis über eine bewegliche oder unbewegliche Sache besteht,
- der Vermieter die Mietsache nach Übergabe an den Mieter an einen Dritten veräußert.
Nicht nur der Verkauf (Kaufvertrag), sondern auch jede andere Form der Eigentumsübertragung (z. B. Schenkung, Tausch, Abschichtung im Rahmen der Erbfolge) fallen unter den Anwendungsbereich.
Rechtsfolgen für die Vertragsparteien
Stellung des Mieters
Für den Mieter bedeuten die gesetzlichen Regelungen eine weitreichende Absicherung:
- Das Mietverhältnis bleibt bei einem Eigentümerwechsel in vollem Umfang weiterhin bestehen.
- Der neue Eigentümer tritt automatisch in die Rechte und Pflichten des bisherigen Vermieters ein (sog. Gesamtrechtsnachfolge).
- Ein Recht zur ordentlichen Kündigung seitens des neuen Eigentümers besteht nur dann, wenn auch der ursprüngliche Vermieter zur Kündigung befugt gewesen wäre.
- Mieterschutzregelungen, wie u.a. Kündigungsschutz und Sozialklausel (§ 574 BGB), bleiben unberührt.
Stellung des Erwerbers (neuer Eigentümer)
Der neue Eigentümer muss:
- sämtliche mietvertraglichen Verpflichtungen des vorherigen Vermieters erfüllen,
- bestehende Mietverträge samt Konditionen (Miete, Nebenkosten, Mietdauer) übernehmen,
- auch für Vorschüsse und Kautionszahlungen haften, soweit diese mit übertragen wurden.
Von diesem gesetzlichen Grundsatz kann weder zum Nachteil des Mieters im Vorfeld des Verkaufs noch im Kaufvertrag abgewichen werden.
Schutz für den Erwerber
Der Erwerber kann sich gegen mögliche insoweit nachteilige Vereinbarungen durch eine sorgfältige Prüfung des bestehenden Mietverhältnisses und eine gesonderte Vereinbarung über Rückgriffsansprüche gegenüber dem alten Vermieter absichern.
Besonderheiten und Ausnahmen
Wirkung gegenüber Dritten
Der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ hat auch Wirkung gegenüber Dritten, beispielsweise Gläubigern des alten Vermieters im Fall einer Zwangsversteigerung. Der Erwerber im Rahmen der Zwangsversteigerung tritt wie beim regulären Eigentumserwerb in das Mietverhältnis ein. Allerdings steht dem Ersteher nach § 57a ZVG ein Sonderkündigungsrecht zu.
Insolvenz des Vermieters
Im Fall der Insolvenz des Vermieters gilt § 112 Insolvenzordnung (InsO). Auch hier bleibt das Mietverhältnis zunächst bestehen, wobei besondere Kündigungsrechte des Insolvenzverwalters bestehen können.
Zeitlich und sachlich begrenzte Ausnahmen
„Kauf bricht nicht Miete“ greift nicht:
- wenn das Objekt noch nicht übergeben wurde,
- bei bestimmten Untermietverhältnissen und Pachtverträgen (hier gelten ergänzende Vorschriften),
- bei eigenständigen gesetzlichen Auflösungstatbeständen (z. B. im Sonderkündigungsrecht bei Zweckentfremdung),
- falls das Mietverhältnis erst nach Eigentumswechsel begründet wurde.
Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
Haftung des alten Vermieters
Bis zur Eigentumsumschreibung bleibt der alte Vermieter dem Mieter zur Erfüllung des Mietvertrags verpflichtet. Nach Übergang des Eigentums haftet er regelmäßig gesamtschuldnerisch mit dem neuen Eigentümer für bis zu diesem Zeitpunkt begründete Pflichten und Ansprüche (§ 566 Abs. 2 BGB).
Haftung und Rückgriffsrechte
Der Erwerber kann, sofern er Ansprüche aus vor Eigentumswechsel verursachten Pflichtverletzungen erfüllen musste, Rückgriffsansprüche gegenüber dem bisherigen Eigentümer des Objekts geltend machen.
Bedeutung in der täglichen Praxis
Das Prinzip „Kauf bricht nicht Miete“ ist von erheblicher Praxisrelevanz im Bereich von Wohn- und Gewerberaummietverhältnissen sowie bei Immobiliengeschäften. Es sichert die Rechtsposition des Mieters und schafft Rechtssicherheit bei Immobilientransaktionen. Alle anfallenden Vertragsgestaltungen und -prüfungen im Rahmen von Eigentumsübertragungen müssen diese Regelung beachten.
Zusammenfassung
Der Rechtsgrundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ gewährleistet, dass ein Mietverhältnis bei einem Eigentümerwechsel der vermieteten Immobilie fortbesteht. Diese Regelung schützt den Bestand des Mietverhältnisses und sichert dem Mieter ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass der Erwerber sowohl Rechte als auch Pflichten aus dem bestehenden Mietverhältnis übernimmt. Der Grundsatz ist eine tragende Säule im deutschen Mietrecht und beeinflusst sämtliche Vertragsverhältnisse im Immobilienbereich nachhaltig.
Häufig gestellte Fragen
Welche Auswirkungen hat der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ auf bestehende Mietverträge beim Eigentümerwechsel?
Wenn ein vermietetes Grundstück oder eine vermietete Immobilie an einen neuen Eigentümer verkauft wird, bleibt der bestehende Mietvertrag nach § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) grundsätzlich bestehen und geht mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Dies bedeutet, dass der neue Eigentümer in die Rolle des Vermieters eintritt und der Mieter weiterhin zu denselben Bedingungen in der Wohnung oder den Geschäftsräumen verbleiben darf. Eine Kündigung allein wegen des Eigentümerwechsels ist ausgeschlossen; der Mieter erhält somit einen umfassenden Kündigungsschutz. Der Erwerber kann sich also nicht auf einen eigenen Bedarf berufen, um kurzfristig zu kündigen, sondern muss sich an die gesetzlichen Kündigungsfristen und -gründe halten. Der alte Vermieter haftet nach § 566 Abs. 2 BGB nur noch für jene Ansprüche, die bis zum Eigentumsübergang fällig geworden sind, während der neue Eigentümer ab der Eigentumsübertragung zur Erfüllung der aus dem Mietverhältnis resultierenden Verpflichtungen verpflichtet ist.
Können mit dem Erwerber nach dem Eigentumsübergang neue Mietbedingungen vereinbart werden?
Nach dem Eigentumsübergang bleibt der bestehende Mietvertrag zwar grundsätzlich mit allen bisherigen Bedingungen bestehen, Mietpartei und Erwerber können jedoch jederzeit einvernehmlich Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags beschließen. Solche Vertragsänderungen bedürfen grundsätzlich der Schriftform (§ 550 BGB, sofern es sich um wesentliche Vertragsbedingungen handelt und die Änderung für mehr als ein Jahr gelten soll), damit sie rechtlich wirksam sind. Einseitige Änderungen durch den neuen Eigentümer, etwa die Anpassung der Miete oder der Nebenkosten, sind ausgeschlossen, solange keine gesetzlichen Voraussetzungen, wie beispielsweise eine Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB, gegeben sind. Für Anpassungen an den Vertrag gelten dieselben Anforderungen und Zustimmungsregelungen wie bei jedem anderen Mietvertrag: Sie erfordern die ausdrückliche Einwilligung des Mieters.
Wie wirkt sich der Eigentumswechsel auf den Mietkautionsanspruch aus?
Mit Übergang des Eigentums erhält der Käufer auch den Anspruch auf Herausgabe der vom Mieter hinterlegten Mietkaution, sofern diese vom alten Vermieter ordnungsgemäß getrennt und insolvenzfest angelegt wurde (§ 566a BGB). Der Erwerber wird damit zum neuen Gläubiger der Kaution. Sollte die Kaution nicht übergeben oder ausgekehrt werden, haftet der ursprüngliche Vermieter gegenüber dem Erwerber für die Übergabe, bleibt jedoch auch gegenüber dem Mieter für die ordnungsgemäße Rückzahlung der Kaution haftbar. Der Mieter kann die Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses wahlweise vom alten oder neuen Vermieter fordern, sofern der Eigentumsübergang und die Weitergabe der Kaution nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, womit eine doppelte Haftung gegeben sein kann.
Dürfen laufende Modernisierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen nach dem Verkauf fortgesetzt werden?
Wird eine Immobilie mit laufenden Modernisierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen verkauft, ist zu unterscheiden, ob diese Maßnahmen vor dem Eigentumsübergang angekündigt, bereits begonnen oder lediglich geplant waren. Der Erwerber tritt mit Übergang des Eigentums in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein, einschließlich der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Fortführung von Maßnahmen, die entweder Teil des Mietvertrags oder bereits konkret angekündigt und begonnen wurden. Eine einseitige Beendigung oder Änderung solcher Maßnahmen kann zu Schadensersatzansprüchen des Mieters führen. Plant der Erwerber neue Maßnahmen, die über das bisher Vereinbarte hinausgehen, muss auch er die entsprechenden gesetzlichen Ankündigungs- und Zustimmungsfristen gegenüber dem Mieter einhalten (§§ 555b ff. BGB).
Welche Besonderheiten gelten bei gewerblichen Mietverhältnissen und dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“?
Auch bei gewerblichen Mietverhältnissen findet der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ Anwendung, sodass der Erwerber nach Kauf des vermieteten Objekts in die bestehenden gewerblichen Mietverträge eintritt. Anders als bei Wohnraummietverhältnissen sind gewerbliche Mietverträge jedoch häufig detaillierter ausgestaltet und können Kündigungs-, Anpassungs- oder Sonderkündigungsrechte für bestimmte Fälle des Eigentümerwechsels vorsehen, sofern dies im Vertrag ausdrücklich geregelt wurde. Solche individuell vereinbarten Klauseln sind im Rahmen der Vertragsfreiheit gültig, solange sie nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen (§§ 138, 242 BGB). Die Kündigungsbeschränkungen bei Wohnraummietverträgen gelten nur in eingeschränktem Umfang für die Gewerberaummiete, sodass im Zweifel immer ein Blick in den Einzelfallvertrag und die aktuelle Rechtsprechung erforderlich ist.
Wie werden Mietrückstände oder Guthaben bei Eigentümerwechsel behandelt?
Etwaige bis zum Eigentümerwechsel entstandene Mietrückstände oder Guthaben betreffen grundsätzlich das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und dem bisherigen Vermieter. Der neue Eigentümer ist erst ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs (Übergang des Besitzes, in der Regel Eintragung ins Grundbuch) für Forderungen im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis verantwortlich (§ 566 Abs. 2 BGB). Ist jedoch die Miete für eine Periode zu zahlen, die anteilig auf beide Vermieter entfällt, sieht die Rechtsprechung eine zeitanteilige Abrechnung vor. Eventuelle offene Nebenkosten, Vorauszahlungen oder Mietrückstände müssen zwischen Käufer und Verkäufer separat geregelt werden. Der neue Eigentümer kann nur diejenigen Forderungen gegen den Mieter geltend machen, die nach dem Eigentumsübergang entstehen.
Hat der Mieter bei einem Eigentümerwechsel ein Sonderkündigungsrecht?
Der Mieter erhält durch den Eigentümerwechsel kein gesetzlich vorgesehenes Sonderkündigungsrecht. Der Abschluss eines neuen Mietvertrages ist nicht erforderlich, da der alte Vertrag fortgeführt wird. Es gelten weiterhin die regulären Kündigungsfristen und -bedingungen. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn im Vertrag ausdrücklich ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eines Eigentümerwechsels vereinbart wurde, was aber im Wohnraummietrecht äußerst selten und rechtlich kritisch zu betrachten ist. Das Recht zur ordentlichen und gegebenenfalls außerordentlichen Kündigung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt natürlich bestehen, wobei die jeweilige Kündigungsfrist einzuhalten ist.