Begriff und Definition des Jahrmarkts
Der Begriff Jahrmarkt bezeichnet eine regelmäßig, meist jährlich an demselben Ort stattfindende Veranstaltung, auf der in festgesetztem zeitlichen Rahmen Waren verschiedener Art angeboten und volksfestähnliche Unterhaltungsangebote bereitgestellt werden. Jahrmärkte (manchmal auch „Kirmes”, „Dult” oder „Messe” genannt) sind historisch gewachsene Institutionen und unterliegen in Deutschland sowie im europäischen Kontext diversen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Regelungen.
Rechtliche Einordnung des Jahrmarkts
Gewerberechtliche Grundlagen
Jahrmärkte sind in Deutschland überwiegend öffentlich-rechtlich geregelt. Zentrale gesetzliche Grundlage bildet dabei die Gewerbeordnung (GewO). Insbesondere §§ 68 bis 69 GewO behandeln die sogenannten „Märkte”, zu denen Wochenmärkte, Spezialmärkte, Jahrmärkte und Messen zählen.
Definition nach der Gewerbeordnung
Gemäß § 68 Abs. 2 GewO ist ein Jahrmarkt eine zeitlich begrenzte, regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Anbietern Waren verkauft oder gewerbsmäßig feilbietet. Dabei werden Waren unterschiedlicher Gattung und Herkunft angeboten. Im Gegensatz zu Spezialmärkten ist die Warenpalette nicht auf spezielle Güter beschränkt.
Marktrechtliche Zulassung und Durchführung
Festsetzungspflicht
Für die rechtmäßige Durchführung eines Jahrmarkts ist eine behördliche Festsetzung erforderlich (§ 69 GewO). Die örtlich zuständige Behörde – in der Regel das Ordnungs- oder Gewerbeamt – muss auf Antrag die Veranstaltung zum Jahrmarkt erklären. Erst durch die Festsetzung erlangt der Jahrmarkt die besonderen Vergünstigungen des Marktrechts.
Voraussetzungen der Festsetzung
Die Festsetzung erfolgt nur, wenn:
- ein öffentliches Bedürfnis oder ein besonderes Interesse besteht,
- die ordnungsgemäße Durchführung nach Art und Umfang gewährleistet erscheint,
- Belange des Schutzes der Allgemeinheit, insbesondere des Jugendschutzes, des Immissionsschutzes und des Gesundheitsschutzes berücksichtigt werden.
Umfang der Festsetzung
Die Festsetzung bestimmt insbesondere:
- Art der Veranstaltung (Jahrmarkt),
- Zeitraum und Ort,
- Teilnahmeberechtigung,
- zugelassene Waren und Dienstleistungen.
Rechtliche Wirkungen der Festsetzung
Mit der Festsetzung eines Jahrmarkts gelten die Ausnahmen und Erleichterungen des Marktrechts. Dazu gehören:
- Widerruflichkeit behördlicher Genehmigungen: Die Festsetzung kann mit Auflagen versehen oder widerrufen werden, wenn Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung es erfordern.
- Rechtsstellung der Teilnehmer: Zugelassene Anbieter benötigen keine gesonderte Reisegewerbekarte für den Verkauf auf dem Jahrmarkt (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 GewO).
- Sonntagsverkaufsverbot: Marktverkehr ist auch an Sonn- und Feiertagen zulässig, sofern die jeweils geltenden Landesgesetze dies gestatten.
- Befreiung von bestimmten Beschränkungen: Für den Marktplatz und für die Dauer der Veranstaltung gelten Sonderregelungen des Straßenverkehrs-, Immissionsschutz- und Baurechts, sofern die Festsetzung keine abweichenden Anordnungen trifft.
Wettbewerbsrechtliche Aspekte
Auswahl und Zulassung von Anbietern
Im Rahmen öffentlicher Jahrmärkte besteht ein Anspruch auf diskriminierungsfreie Auswahl der Marktbeschicker, insbesondere bei Begrenzung der Teilnehmerzahl. Die Auswahlgrundsätze müssen nach sachlichen, transparenten und nachvollziehbaren Kriterien erfolgen, sodass alle Bewerber sich auf eine faire Auswahl verlassen können.
Marktrechtlicher Ausschluss
Eine Ablehnung oder ein Ausschluss eines Teilnehmers ist nur zulässig, wenn objektive Gründe, wie etwa Verstöße gegen Vorgaben der Veranstaltung oder fehlende Zuverlässigkeit, vorliegen. Willkürliche oder diskriminierende Entscheidungen sind rechtswidrig und können verwaltungsgerichtlich überprüft werden.
Steuerrechtliche Behandlung des Jahrmarkts
Die Umsätze auf Jahrmärkten unterliegen grundsätzlich der Umsatzbesteuerung nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG), sofern keine Ausnahmevorschriften (Kleinunternehmerregelung, § 19 UStG) greifen. Gewerbetreibende und Veranstalter sind zudem verpflichtet, die Vorgaben der steuerlichen Erfassung und Dokumentation einzuhalten.
Vergnügungssteuer
In einigen Gemeinden kann auf Attraktionen (z.B. Fahrgeschäfte) eine Vergnügungssteuer erhoben werden. Die Höhe und Erhebung richten sich nach den jeweiligen kommunalen Satzungen.
Ordnungsrechtliche Pflichten und Haftungsfragen
Verkehrssicherung und Veranstalterverantwortung
Der Veranstalter eines Jahrmarkts trägt umfangreiche verkehrssicherungsrechtliche Pflichten. Er muss für die Sicherheit der Besucher sorgen, Gefahrenstellen absichern und die Einhaltung öffentlicher Vorschriften (zum Beispiel Lärmschutz, Gesundheitsschutz, Brandschutz) gewährleisten.
Haftungstatbestände
Kommt es auf dem Gelände zu Schadensfällen (z.B. Unfälle durch defekte Fahrgeschäfte), kann eine Haftung nach den §§ 823 ff. BGB (Schadensersatzrecht) in Betracht kommen. Veranstalter sichern sich üblicherweise durch Haftpflichtversicherungen ab, was jedoch nicht von eigenen Sorgfaltspflichten entbindet.
Polizeirechtliche und ordnungsbehördliche Eingriffsmöglichkeiten
Je nach Größe und Gefahrenlage eines Jahrmarkts stehen den Sicherheitsbehörden weitreichende Eingriffsbefugnisse zu. Dazu zählen die Kontrolle der Veranstaltung, Erlass von Platzverweisen, die Durchsetzung des Jugendschutzgesetzes und, im Einzelfall, die vorzeitige Beendigung der Veranstaltung bei akuten Gefahren.
Jahrmarkt und Immissionsschutzrecht
Jahrmärkte sind oft mit erheblicher Lärmentwicklung verbunden. Der Betrieb unterliegt daher dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und zugehörigen Verordnungen. Bei Überschreitungen der zulässigen Lärmgrenzwerte sind behördliche Maßnahmen wie Auflagen zu Betriebszeiten oder Beschränkungen von Attraktionen möglich.
Sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte
Beschäftigte auf Jahrmärkten unterliegen den arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, des Mindestlohngesetzes sowie der einschlägigen Vorschriften zum Gesundheitsschutz. Bei jugendlichen Beschäftigten greift zudem das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Besonderheiten im europäischen Rechtsvergleich
Im europäischen Kontext bestehen ähnliche Regelungen für Jahrmärkte, insbesondere hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist zu beachten, wenn Händler aus anderen EU-Mitgliedsstaaten am Jahrmarkt teilnehmen.
Zusammenfassung
Der Jahrmarkt ist in Deutschland und Europa eine rechtlich komplex geregelte Großveranstaltung mit gewerblichen, öffentlich-rechtlichen und haftungsrechtlichen Dimensionen. Das Marktrecht sorgt für Sonderregeln beim Warenverkauf, während zahlreiche Genehmigungs-, Sicherheits- und Steuerpflichten zu beachten sind. Für Veranstalter und Teilnehmer ist die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften essenziell, um einen reibungslosen und rechtlich einwandfreien Ablauf der Veranstaltung zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Genehmigung eines Jahrmarkts zuständig?
Für die Durchführung eines Jahrmarkts ist in der Regel die zuständige kommunale Ordnungsbehörde verantwortlich. Die Genehmigung erfolgt gemäß § 69 der Gewerbeordnung (GewO) und kann nur erteilt werden, wenn der Antragsteller die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Dazu zählt insbesondere der Nachweis der Zuverlässigkeit des Veranstalters sowie die Vorlage eines detaillierten Veranstaltungskonzepts, das Sicherheitsaspekte, Lärmschutz, Verkehrskonzepte und Hygienemaßnahmen umfasst. Die Behörde prüft außerdem, ob die Veranstaltung im Einklang mit örtlichen Bau-, Umwelt- und Immissionsschutzauflagen steht. Gegebenenfalls werden weitere Fachabteilungen wie das Gesundheits- oder Umweltamt eingebunden, um den gemeinschaftsbezogenen Regelungen, insbesondere auf dem Gebiet des Arbeits- und Verbraucherschutzes, Rechnung zu tragen.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Stände und Fahrgeschäfte?
Stände und Fahrgeschäfte auf Jahrmärkten unterliegen einer Vielzahl rechtlicher Bestimmungen. Betreiber müssen für jedes Fahrgeschäft oder Verkaufsstand einen Nachweis der technischen Sicherheit (TÜV-Bescheinigung gemäß DIN EN 13814) vorlegen. Zudem erfordern die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften, dass technische Einrichtungen regelmäßig geprüft und instand gehalten werden. Der Betreiber muss nachweisen, dass alle elektrischen Anlagen ordnungsgemäß installiert sind und den Vorgaben der DGUV Vorschrift 3 (ehemals BGV A3) entsprechen. Zusätzlich greifen bauordnungsrechtliche Anforderungen hinsichtlich der Standsicherheit und Fluchtwege, die vor Inbetriebnahme von der Bauaufsichtsbehörde kontrolliert werden. Der Lebensmittelverkauf unterliegt den Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) sowie den Hygienevorschriften der VO (EG) Nr. 852/2004.
Welche Schutzmaßnahmen sind für Besucher gesetzlich vorgeschrieben?
Veranstalter eines Jahrmarkts sind verpflichtet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Dies beinhaltet die Erstellung eines Sicherheitskonzepts, das in Abstimmung mit Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdiensten erfolgt. Rechtlich vorgeschrieben sind unter anderem ausreichende Rettungswege, Feuerwehrzufahrten sowie ein Notfall- und Evakuierungsplan gemäß den jeweiligen landesrechtlichen Versammlungsstättenverordnungen. Für größere Jahrmärkte kann auch der Einsatz privater Sicherheitsdienste erforderlich sein. Spezifische Vorgaben bestehen zudem im Jugendschutz, etwa das Aushängen von Hinweisen zu Alkoholverboten für Minderjährige gemäß Jugendschutzgesetz (JuSchG).
Welche Haftungsregelungen gelten auf Jahrmärkten?
Sowohl der Veranstalter als auch die Betreiber einzelner Fahrgeschäfte und Stände haften für Schäden, die im Zusammenhang mit dem Betrieb entstehen. Die Haftung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere § 823 BGB (Schadensersatzpflicht). Es besteht eine Verkehrssicherungspflicht, das heißt, alle zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr müssen getroffen werden. Bei Verstößen kann sowohl für Sach- als auch für Personenschäden gehaftet werden. Veranstalter sind verpflichtet, eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen, die sowohl eigene als auch fremdverschuldete Schäden abdeckt.
Gibt es rechtliche Vorschriften zum Lärmschutz auf Jahrmärkten?
Der Betrieb eines Jahrmarkts muss die Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der örtlichen Lärmschutzverordnungen einhalten. Die jeweiligen Bezugswerte richten sich nach dem Gebietstyp (Wohn- oder Mischgebiet) und der Tageszeit (tagsüber oder nachts). Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte bedürfen einer Ausnahmegenehmigung, die von der zuständigen Behörde im Einzelfall geprüft wird. Dabei sind auch die Interessen der Anwohner zu berücksichtigen. In der Regel werden Auflagen erteilt, beispielsweise zur Einschränkung der Betriebszeiten lauter Fahrgeschäfte oder zur Begrenzung der Musiklautstärke.
Welche Pflichten bestehen in Bezug auf Umweltschutz und Abfallentsorgung?
Der Veranstalter ist verpflichtet, das Veranstaltungsgelände sauber zu halten und für eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung zu sorgen. Nach § 7 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) muss ein Entsorgungskonzept erstellt werden, das sowohl die Bereitstellung ausreichender Abfallbehälter als auch die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Entsorgungsunternehmen einschließt. Weiterhin gelten Vorgaben zum Ressourcenschutz, beispielsweise durch Verbot von Einweggeschirr in bestimmten Gemeinden. Auch die Vermeidung von umweltgefährdenden Stoffen und die Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorschriften, etwa im Hinblick auf den Schutz angrenzender Grünflächen oder Gewässer, sind zu beachten.
Was ist bei der Erhebung von Eintrittsgeldern oder Standgebühren zu beachten?
Die Erhebung von Eintritts- oder Standgebühren unterliegt öffentlich-rechtlichen und steuerlichen Vorschriften. Eintrittsgelder dürfen nur erhoben werden, wenn dies mit der Art des Jahrmarkts und der erteilten Erlaubnis vereinbar ist. Standbetreiber müssen ihre Einnahmen ordnungsgemäß versteuern und können je nach Umsatzgrenze der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Der Veranstalter ist verpflichtet, den Behörden gegenüber die Zahl der teilnehmenden Betriebe und die Höhe der Standgebühren offen zu legen. Zudem sind bei der Organisation der Zahlungsabwicklung die Vorgaben zur Kassenführung und ggf. die Registrierkassenpflicht nach § 146a AO zu beachten.