Begriff und Grundlagen der Interzession
Die Interzession ist ein zentrales Rechtsinstitut im Schuldrecht, das die Übernahme einer Verbindlichkeit oder die Sicherung einer Verpflichtung eines Dritten durch einen Interzedenten zum Gegenstand hat. Im Alltag und der wirtschaftlichen Praxis tritt die Interzession häufig in verschiedenen Erscheinungsformen auf, wie etwa in der Bürgschaft, Schuldübernahme oder Garantie. Die Interzession wird begrifflich vom Begriff der Sicherheiten und anderen Formen der Einstandsübernahme abgegrenzt und ist insbesondere im deutschen und europäischen Recht von hoher praktischer Bedeutung.
Rechtsformen der Interzession
Bürgschaft
Eine klassische Form der Interzession ist die Bürgschaft gemäß §§ 765 ff. BGB. Hierbei verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen. Die Bürgschaft ist ein akzessorisches Sicherungsgeschäft: Ihre Existenz und ihr Umfang hängen unmittelbar von der Hauptschuld ab.
Charakteristika der Bürgschaft
- Schriftform: Die Bürgschaftserklärung bedarf gemäß § 766 BGB der Schriftform.
- Akzessorietät: Die Bürgschaft lebt und erlischt mit der Hauptschuld.
- Einreden: Dem Bürgen stehen zahlreiche Einreden gegenüber dem Gläubiger zu, beispielsweise aus § 770 BGB (Einrede der Vorausklage).
Schuldbeitritt
Der Schuldbeitritt (auch kumulative Schuldübernahme) erfolgt, wenn ein Dritter neben den bisherigen Schuldner als weiterer Schuldner in das bestehende Schuldverhältnis eintritt. Der Gläubiger kann somit beide Schuldner gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen. Der Schuldbeitritt ist von der Bürgschaft durch den Wechsel der Haftungsgrundlage zu unterscheiden: Der Beitretende haftet nicht mehr akzessorisch, sondern als (Mit-)Schuldner.
Garantie und Patronatserklärung
Im Rahmen der Interzession kann der Interzedent auch eine Garantie oder eine Patronatserklärung abgeben. Bei der Garantie verpflichtet sich der Garantiegeber, unabhängig vom Bestehen einer Hauptschuld für einen bestimmten Erfolg einzustehen. Die Patronatserklärung enthält eine Verpflichtung der Muttergesellschaft, für die Zahlungsfähigkeit ihrer Tochtergesellschaft zu sorgen (sogenannte harte Patronatserklärung) oder zumindest den Gläubiger zu informieren, wenn die Tochtergesellschaft voraussichtlich ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann (weiche Patronatserklärung).
Schuldübernahme
Die Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) bezeichnet den Eintritt eines Dritten an die Stelle des ursprünglichen Schuldners. Die Befreiung des ursprünglichen Schuldners muss mit dem Gläubiger vereinbart werden (befreiende Schuldübernahme). Die Schuldmitübernahme oder der Schuldbeitritt stellen Sonderformen dar.
Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten
Die Interzession ist von anderen Sicherungsinstrumenten wie Sicherungsübereignung, Hypothek oder Pfandrecht abzugrenzen. Während bei diesen das Sicherungsobjekt im Vordergrund steht, ist die Interzession durch die Verpflichtung einer weiteren Person gekennzeichnet. Zudem unterscheidet sich die Interzession von der sogenannten Verpflichtungsgarantie, die keine Akzessorietät zur Hauptschuld aufweist.
Rechtsfolgen der Interzession
Haftungsumfang
Der Umfang der Einstandspflicht richtet sich nach dem jeweiligen Interzessionstatbestand. Bei der Bürgschaft umfasst sie sämtliche Haupt- und Nebenforderungen, soweit im Vertrag keine Beschränkungen vereinbart sind. Bei selbstschuldnerischer Bürgschaft kann der Gläubiger unmittelbar auf den Bürgen zugreifen, ohne vorher eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner durchführen zu müssen.
Einwendungen und Einreden
Der Interzedent kann sich auf Einreden berufen, die entweder aus dem Hauptschuldverhältnis oder dem eigenen Verhältnis zum Gläubiger resultieren. Dazu gehören Anfechtung, Aufrechnung sowie Verjährung. Ein wesentlicher Rechtsschutzmechanismus für den Interzedenten besteht darin, dass er nur im Rahmen seines Verpflichtungserklärungen haftet und auf seine Sekundärrechte ausdrücklich hingewiesen werden muss.
Interzession im internationalen Kontext
Auch im internationalen Rechtsverkehr spielt die Interzession eine große Rolle. Sie wird etwa im UN-Kaufrecht, im europäischen Bankenrecht oder im anglo-amerikanischen Common Law unter Bezeichnungen wie „guarantee“, „surety“, „indemnity“ oder „undertaking“ angewandt. Die Anerkennung und Durchsetzbarkeit hängt dabei von der jeweiligen Rechtsordnung ab, wobei grenzüberschreitende Sachverhalte zu komplexen Abgrenzungsfragen führen können.
Besonderer Schutz des Interzedenten
Da Interzessionen oft auf eine persönliche Haftungsübernahme hinauslaufen, existieren besondere Vorschriften zu ihrem Schutz:
- Formvorschriften bei der Bürgschaft (§ 766 BGB)
- Gesetzliche Widerrufsrechte bei bestimmten Verbraucherbürgschaften (§§ 312g, 495 BGB)
- Beschränkungen bei Sittenwidrigkeit (nach § 138 BGB, etwa bei „krasser finanzieller Überforderung“)
Praxisrelevanz und wirtschaftliche Bedeutung
Gerade im Bankwesen und unternehmensbezogenen Rechtsverkehr ist die Interzession ein alltägliches und strategisch bedeutendes Instrument zur Sicherung von Krediten und zur Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten. Sie ermöglicht Gläubigern mehrfache Zugriffsmöglichkeiten und bietet Schuldnern zusätzliche Verhandlungsoptionen. Für Privatpersonen ist die rechtliche Tragweite der Interzession jedoch meist schwer absehbar, was die besondere Bedeutung der oben genannten Schutzmechanismen unterstreicht.
Siehe auch:
- Bürgschaft
- Schuldübernahme
- Garantie (Recht)
- Gesamtschuldnerschaft
Literaturhinweise:
- Palandt, BGB, aktuelle Auflage
- Staudinger, Kommentar zum BGB, Schuldrecht Besonderer Teil
- MüKoBGB, Münchener Kommentar zum BGB, Schuldrecht
Hinweis: Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Interzession können sich durch Gesetzesänderungen und höchstrichterliche Rechtsprechung weiterentwickeln. Es empfiehlt sich, stets auf die aktuelle Gesetzeslage und einschlägige Urteile zu achten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine wirksame Interzession erfüllt sein?
Für die Wirksamkeit einer Interzession – also einer rechtlichen Verpflichtungsübernahme zugunsten eines Dritten, meist im Kredit- oder Darlehensrecht (z. B. Bürgschaft, Schuldbeitritt, Garantie) – müssen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist die Formvorschrift zu beachten: Nach § 766 BGB ist beispielsweise die Bürgschaftserklärung schriftlich zu verfassen, andernfalls ist sie grundsätzlich nichtig. Bei anderen Interzessionsarten können mündliche Abreden unter Umständen ausreichend sein, wobei Beweisprobleme zu beachten sind. Außerdem ist die Geschäftsfähigkeit des Interzedenten (der Person, die die Verpflichtung übernimmt) erforderlich, § 104 ff. BGB. Minderjährige können nur unter besonderen Voraussetzungen und mit Einwilligung der gesetzlichen Vertreter eine Interzession eingehen. Häufig ist zudem ein konkretes, bestehendes oder zukünftiges Hauptschuldverhältnis Voraussetzung – etwa das zwischen Gläubiger und Hauptschuldner. Beim Schuldbeitritt besteht keine eigenständige Akzessorietät wie bei der Bürgschaft, wohl aber ein Bezug zum Hauptschuldverhältnis. Schließlich ist die Wirksamkeit an die allgemeinen Vorschriften zu Willensmängeln, §§ 119 ff. BGB, und ggf. an sittliche Gebote (§ 138 BGB) gebunden, besonders bei einer krassen finanziellen Überforderung des Interzedenten.
In welchen Fällen können Interzessionen sittenwidrig und damit unwirksam sein?
Interzessionen können gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und somit nichtig sein, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Dies wird insbesondere bei wirtschaftlich krass überforderten Interzedenten diskutiert, etwa wenn Ehepartner oder nahe Verwandte ohne eigenes wirtschaftliches Interesse für vergleichsweise große Verpflichtungen einstehen. Die Rechtsprechung sieht eine Sittenwidrigkeit regelmäßig dann als gegeben an, wenn der Interzedent bei Abschluss der Vereinbarung schon objektiv außerstande ist, für die Verbindlichkeit einzustehen, und subjektiv die Motive aus emotionaler Verbundenheit oder unter Druck standen. Besteht ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der Leistungsfähigkeit oder wurde der Interzedent überrumpelt, kann das Rechtsgeschäft nichtig sein. Im Ergebnis sind damit vor allem sogenannte „krasse“ Fälle familieninterner Bürgschaften oder Schuldenübernahmen geschützt. Banken und Gläubiger haben bei der Ausgestaltung von Interzessionsverträgen die rechtlichen Grenzen zu beachten und müssen insbesondere auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit und mögliche Zwangslagen des Interzedenten achten.
Welche Informations- und Aufklärungspflichten treffen den Gläubiger bei der Vereinbarung einer Interzession?
Ein Gläubiger trifft im Zusammenhang mit der Interzession besondere Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Interzedenten. Zwar besteht grundsätzlich keine generelle Pflicht zur umfassenden Aufklärung, jedoch muss der Gläubiger auf wesentliche Umstände aufmerksam machen, die für den Interzedenten von besonderer Bedeutung sind und deren Kenntnis beim Interzedenten nicht vorausgesetzt werden kann. Das betrifft insbesondere die Risiken und den Umfang der Haftung, die konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse des Hauptschuldners (soweit bekannt) sowie unübliche Gestaltungen oder außergewöhnliche Belastungen. Unterlässt der Gläubiger diese Hinweise schuldhaft, kann sich daraus eine Haftung auf Schadensersatz erwachsen oder der Interzedent kann sich im Einzelfall auf eine Anfechtung oder Nichtigkeit berufen. Im Bereich des Verbraucherschutzes – etwa nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder bei Fernabsatzgeschäften – bestehen zudem weitergehende Informationspflichten, wie die Bereitstellung der Vertragsbedingungen und Widerrufsinformationen.
Gibt es im Zusammenhang mit der Interzession Besonderheiten beim Widerrufsrecht für Verbraucher?
Für Verbraucher-Interzedenten gelten im deutschen Recht besondere Widerrufsrechte, insbesondere dann, wenn die Interzession im Rahmen von Fernabsatzverträgen oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde (§§ 312g, 355 BGB). Dann muss der Gläubiger – meistens ein Kreditinstitut – dem Interzedenten eine Widerrufsbelehrung aushändigen. Innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Belehrung kann der Verbraucher die Interzession ohne Angabe von Gründen widerrufen; fehlt eine ordnungsgemäße Belehrung, verlängert sich das Widerrufsrecht sogar auf 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Das Widerrufsrecht erfasst insbesondere Bürgschaften oder Schuldbeitritte von Privatpersonen, während Unternehmer-Interzedenten hiervon ausgenommen sind. Zu beachten ist, dass das Widerrufsrecht stets schriftlich ausgeübt werden muss und durch fristgerechten Zugang beim Gläubiger wirksam wird.
Welche Haftungsfolgen ergeben sich für den Interzedenten im Falle eines Forderungsausfalls des Hauptschuldners?
Kommt es beim Hauptschuldner zu einem Forderungsausfall, ist der Interzedent nach den Grundsätzen der Akzessorietät und den im Vertrag festgelegten Bedingungen zur vollständigen Begleichung der gesicherten Schuld verpflichtet. Das bedeutet, dass der Gläubiger zunächst versuchen kann, den Anspruch aus dem Hauptschuldverhältnis zu realisieren, bevor er auf den Interzedenten zurückgreift; bei der Bürgschaft ist dies der sogenannte Grundsatz der subsidiären Haftung, der durch die sogenannte „selbstschuldnerische Bürgschaft“ (§ 773 BGB) aufgehoben werden kann. Beim Schuldbeitritt hingegen haftet der Interzedent neben dem Hauptschuldner als Gesamtschuldner nach § 421 BGB, sodass der Gläubiger frei wählen kann, bei wem er den vollen Betrag geltend macht. Tritt der Forderungsausfall ein, wird der Interzedent zur Zahlung in Anspruch genommen und muss, sofern keine Einreden oder Einwendungen bestehen, leisten. Nach erfolgter Zahlung kann er nach § 774 BGB Rückgriff beim Hauptschuldner nehmen (Legalzession) und dessen Ansprüche gegen den Gläubiger übernehmen.
Unter welchen Voraussetzungen kann sich der Interzedent auf Einreden und Einwendungen berufen?
Der Interzedent hat die Möglichkeit, sich gegen die Inanspruchnahme durch den Gläubiger mit Einreden und Einwendungen zu verteidigen. Dabei gilt für die jeweiligen Formen der Interzession: Bei der Bürgschaft kann der Bürge grundsätzlich alle Einreden geltend machen, die auch dem Hauptschuldner zustehen, etwa wenn die Hauptschuld erloschen ist oder der Schuldner zahlungsunfähig ist (§ 768 BGB). Neben den Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis kann er eigene Einreden aus seiner Person vorbringen, wie etwa Anfechtung, Sittenwidrigkeit oder Nichtigkeit seiner Verpflichtung. Beim Schuldbeitritt ist die Lage anders: Hier haftet der Mitschuldner wie der Hauptschuldner und kann Einreden nur nach Maßgabe der gesamtschuldnerischen Regelungen (§§ 421 ff. BGB) geltend machen. Die sorgfältige Prüfung der eigenen Rechtsposition ist daher insbesondere bei Geltendmachung von Einreden gemäß § 775 BGB oder der Berufung auf einen krassen Missbrauch (§ 138 BGB) essenziell.
Wie ist das Verhältnis zwischen Interzession und Sicherheiten im Insolvenzfall des Hauptschuldners geregelt?
Im Insolvenzfall des Hauptschuldners erhält der Gläubiger durch die Interzession eine zusätzliche Sicherung seiner Forderung. Während der Hauptschuldner insolvent wird und der Gläubiger eventuell mit seiner Forderung nur anteilig berücksichtigt wird, kann der Gläubiger sich weiterhin an den Interzedenten halten. Leistet der Interzedent an den Gläubiger, geht nach § 774 BGB (im Fall der Bürgschaft) bzw. anderen gesetzlichen Vorschriften regelmäßig ein Erstattungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den insolventen Hauptschuldner auf ihn über (Legalzession). Dieser Anspruch wird in der Insolvenz nur als einfache Insolvenzforderung behandelt; der wirtschaftliche Nachteil für den Interzedenten bleibt jedoch bestehen, da die Befriedigung seiner Rückgriffsansprüche durch die Insolvenzquote begrenzt wird. Außerdem ist im Vorfeld zu prüfen, ob die Interzession in der Insolvenz anfechtbar ist, insbesondere wenn sie kurz vor Insolvenzeröffnung erfolgt ist (§§ 129 ff. InsO). Hierbei sind komplexe Fristen und Tatbestände zu beachten, um eine spätere Unwirksamkeit der Interzessionsvereinbarung zu vermeiden.