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Insichgeschäft


Begriff und rechtliche Grundlagen des Insichgeschäfts

Das Insichgeschäft bezeichnet im deutschen Zivilrecht ein Rechtsgeschäft, das eine Person mit sich selbst vornimmt. Es liegt vor, wenn eine Person gleichzeitig auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts steht, also als Vertreter beider Parteien handelt oder mit sich selbst als Vertreter und gleichzeitig als Vertragspartner einen Vertrag schließt. Insichgeschäfte sind aufgrund der potentiellen Interessenkollisionen im Gesetz speziell geregelt.

Definition und Erscheinungsformen

Das Insichgeschäft wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 181 behandelt. Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden:

  • Selbstkontrahieren: Ein Vertreter schließt im Namen des Vertretenen mit sich selbst oder als Vertreter einer anderen Partei einen Vertrag ab.
  • Mehrvertretung: Dieselbe Person vertritt beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts zwei verschiedene Parteien.

Beispiel für Selbstkontrahieren

Ein Geschäftsführer einer GmbH verkauft im eigenen Namen ein Fahrzeug an die von ihm vertretene Gesellschaft.

Beispiel für Mehrvertretung

Ein Rechtsanwalt vertritt sowohl Käufer als auch Verkäufer beim Abschluss eines Kaufvertrags.

Gesetzliche Regelung

§ 181 BGB – Verbot des Insichgeschäfts

Der Grundsatz des § 181 BGB lautet, dass ein Vertreter im Namen des Vertretenen kein Rechtsgeschäft mit sich selbst oder als Vertreter eines Dritten abschließen kann, es sei denn, das Insichgeschäft ist ausdrücklich gestattet oder besteht allein in der Erfüllung einer Verbindlichkeit.

Die Regelung dient vor allem dem Schutz vor Interessenkonflikten. Ausnahmen und Einschränkungen sind jedoch rechtlich vorgesehen.

Wortlaut von § 181 BGB

„Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten kein Rechtsgeschäft vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.“

Schutzzweck

Das Verbot soll verhindern, dass eine Person ihre Vertretungsmacht dazu benutzt, einseitig zu Lasten der vertretenen Partei zu handeln. Es geht darum, die Gefahr unzureichender Interessenwahrnehmung zu vermeiden.

Ausnahmen und Gestattungen

Das Verbot des Insichgeschäfts gilt nicht ausnahmslos. Das Gesetz kennt explizite Ausnahmen:

Gestattung durch den Vertretenen

Die Vertretung bei Insichgeschäften ist zulässig, wenn sie ausdrücklich durch den Vertretenen gestattet wurde. Typischerweise kann eine solche Gestattung bereits im Gesellschaftsvertrag, durch eine Vollmacht oder einen Einzelbeschluss erteilt werden.

Erfüllung einer Verbindlichkeit

Besteht das Insichgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer bereits bestehenden Verpflichtung, ist § 181 BGB nicht anwendbar. Das gilt beispielsweise, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen eine bereits eingegangene Verpflichtung erfüllt.

Ausschluss des Verbots durch gesetzliche Regelungen

Für bestimmte Berufsgruppen oder Organe sehen Gesetze spezielle Regelungen zum Insichgeschäft vor, etwa für Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften. Auch in Verfahrensordnungen einzelner Rechtsgebiete sind teilweise weitergehende oder restriktivere Regelungen enthalten.

Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 181 BGB

Ist ein Insichgeschäft entgegen § 181 BGB abgeschlossen worden, ist es in der Regel schwebend unwirksam. Das bedeutet, das Rechtsgeschäft ist zunächst nichtig, kann aber durch Genehmigung des Vertretenen wirksam werden. Erfolgt keine Genehmigung, bleibt das Insichgeschäft endgültig unwirksam.

Besonderheiten im Gesellschaftsrecht

In Immobiliengeschäften, etwa beim Selbstkontrahieren durch den Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft (§ 35 GmbHG, § 112 AktG), ist regelmäßig eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB notwendig, damit ein Vertrag wirksam zustande kommt.

Anfechtbarkeit

Neben der Unwirksamkeit oder Schwebendigkeit des Insichgeschäfts kann zusätzlich die Anfechtung des Rechtsgeschäfts in Betracht kommen, insbesondere falls widerrechtliche oder irrige Willensbildungen im Spiel waren.

Praktische Bedeutung und Anwendungsbeispiele

Typische Anwendungsfälle

Insichgeschäfte kommen in der Praxis häufig bei Organvertretern von juristischen Personen, bei Stellvertretungen im Familienrecht, Erbrecht oder Gesellschaftsrecht vor. Auch bei Bevollmächtigten, die etwa über Konten verfügen, treten Insichgeschäfte regelmäßig in Erscheinung.

Vermeidung von Risiken

Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot des Insichgeschäfts empfiehlt es sich, bereits in der Vollmachtserteilung Möglichkeiten für bestimmte Insichgeschäfte oder generelle Befreiungen zu regeln. In vielen Unternehmen wird Führungspersonal bereits per Anstellungsvertrag oder Satzung von § 181 BGB befreit.

Abgrenzung zu ähnlichen Konstruktionen

Stellvertreter ohne Vertretungsmacht

Beim Handeln ohne Vertretungsmacht liegt kein Insichgeschäft im Sinne des § 181 BGB, sondern eine sogenannte Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 177 BGB vor. Die dogmatische Unterscheidung ist für die rechtlichen Folgen von Bedeutung.

Missbrauch der Vertretungsmacht

Insichgeschäfte unterscheiden sich vom Missbrauch der Vertretungsmacht. Während § 181 BGB einen Regelfall der Interessenkollision regelt, geht es beim Missbrauch um Überschreitung der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis, mit anderen Folgen und Korrekturinstrumenten.

Internationale Vergleiche

In zahlreichen Rechtsordnungen gibt es ähnliche Regelungen wie § 181 BGB. In Österreich etwa ist das Selbstkontrahieren nach § 1009 ABGB geregelt. Auch das Schweizer Obligationenrecht sieht in Art. 32 Abs. 2 OR Grenzen bei Insichgeschäften vor.

Literatur- und Quellenhinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 181 BGB
  • GmbH-Gesetz (GmbHG)
  • Aktiengesetz (AktG)
  • Palandt, BGB-Kommentar, § 181 BGB
  • Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB
  • MüKoBGB, Kommentar zum BGB, § 181

Hinweis: Dieser Artikel dient der umfassenden Information über den Begriff „Insichgeschäft“ und beleuchtet dessen rechtliche Aspekte in Deutschland. Für konkrete Anwendungsfälle oder die Ausarbeitung von Dokumenten empfiehlt sich die individuelle Prüfung der Rechtssituation.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt ein Insichgeschäft im rechtlichen Sinne vor und wann ist es unzulässig?

Ein Insichgeschäft liegt im rechtlichen Sinne dann vor, wenn eine Person rechtlich gleichzeitig auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts steht, das heißt, wenn sie als Vertreter für beide Parteien handelt oder wenn sie auf der einen Seite im eigenen Namen und auf der anderen Seite als Vertreter tätig wird (§ 181 BGB). Die Unzulässigkeit eines Insichgeschäfts ergibt sich regelmäßig dann, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch Interessenkonflikte entstehen, da die Person nicht unparteiisch zwischen den beteiligten Parteien vermitteln kann. Das Gesetz verbietet diese sog. „Selbstkontrahierung“ und „Mehrvertretung“ grundsätzlich, es sei denn, das Insichgeschäft wird ausdrücklich vom Vertretenen gestattet oder besteht ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit. Dadurch wird verhindert, dass der Vertreter sich selbst begünstigt oder das Vermögen des Vertretenen ohne unabhängige Kontrolle beeinträchtigt. Die genannte Regelung dient insbesondere dem Schutz des Vertretenen vor nachteiligen Geschäften und stellt eine wichtige Einschränkung im deutschen Zivilrecht dar.

Welche Ausnahmen vom Insichgeschäftsverbot gibt es nach deutschem Recht?

Vom grundsätzlichen Verbot des Insichgeschäfts sieht das deutsche Recht verschiedene Ausnahmen vor: Zum einen kann das Insichgeschäft explizit durch eine vorherige Gestattung des Vertretenen erlaubt werden (§ 181 Satz 1 Alt. 1 BGB). Eine weitere Ausnahme besteht, wenn das Insichgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, also etwa wenn der Vertreter lediglich eine geschuldete Leistung an sich selbst bewirkt (§ 181 Satz 2 BGB). Darüber hinaus existieren Sonderregelungen in bestimmten Gesetzeswerken und für bestimmte Vertreter, etwa für Organvertreter juristischer Personen, Insolvenzsachverwalter oder Testamentsvollstrecker, die teils von den strengen Regeln des § 181 BGB abweichen, teils diesen ausdrücklich beibehalten. Sonderregelungen in Gesellschaftsverträgen oder Satzungen können weitere Erleichterungen oder zusätzliche Beschränkungen vorsehen.

Welche Rechtsfolgen hat die Verletzung des Insichgeschäftsverbots?

Wird das Verbot des Insichgeschäfts missachtet und kein Ausnahmetatbestand greift, so ist das auf diese Weise zustande gekommene Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Das bedeutet, dass das Rechtsgeschäft bis zur Genehmigung durch den Vertretenen keine rechtliche Wirkung entfaltet (§ 177 Abs. 1 BGB analog). Verweigert der Vertretene die Genehmigung, so ist das Geschäft endgültig unwirksam. Darüber hinaus können sich für den Vertreter in einem solchen Fall auch haftungsrechtliche Konsequenzen ergeben, insbesondere, wenn er seine Vollmacht überschritten oder gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen hat. Im Extremfall drohen auch strafrechtliche Folgen, zum Beispiel bei Untreue (§ 266 StGB), sofern Vermögensnachteile verursacht wurden.

Wie steht das Insichgeschäftsverbot im Verhältnis zu Treuhandverhältnissen oder Vormundschaften?

Im Rahmen von Treuhandverhältnissen, Vormundschaften oder anderen gesetzlichen Vertretungsverhältnissen gilt das Insichgeschäftsverbot in aller Regel besonders strikt, da hier ein besonderes Schutzbedürfnis der vertretenen Person besteht. In diesen Fällen ist ein Insichgeschäft grundsätzlich unzulässig und nur unter engen Voraussetzungen gestattet, etwa wenn ein ausdrücklicher gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt vorliegt oder das Gesetz gewisse Ausnahmen normiert (§§ 1795, 181 BGB, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Ziel ist immer, die stationäre Schwäche oder Unerfahrenheit des Vertretenen zu kompensieren und Missbrauchsmöglichkeiten von vornherein zu unterbinden. Jede Handlung im Namen des Vertretenen, die auf eine finanzielle Selbstbegünstigung hinausläuft, ist daher streng reglementiert.

Wie können Gesellschaftsverträge oder Satzungen das Insichgeschäft regeln oder abbedingen?

Gesellschaftsverträge, Satzungen oder sonstige interne Regelwerke von juristischen Personen oder Personengesellschaften können das Insichgeschäftsverbot modifizieren, indem sie bestimmte Insichgeschäfte gestatten oder Ausnahmen näher definieren. Beispielsweise haben Gesellschafter einer GmbH die Möglichkeit, dem Geschäftsführer durch einen entsprechenden Gesellschaftsbeschluss die Vornahme von Insichgeschäften zu gestatten, was dann explizit ins Handelsregister eingetragen werden muss (§ 181 BGB i.V.m. § 37 GmbHG). In Aktiengesellschaften und Vereinen gilt das Verbot in der Regel für den Vorstand, wobei auch hier eine abweichende Regelung durch die Satzung möglich ist. Eine komplette Aufhebung des Verbots ist jedoch regelmäßig ausgeschlossen, sofern sie gegen zwingende gesetzliche Schutzvorschriften verstößt. Wichtig ist stets die eindeutige und nachweisbare Gestattung, um Missbrauch und spätere Anfechtungen zu vermeiden.

Welche besonderen Vorschriften gibt es für Insichgeschäfte im Handels- und Gesellschaftsrecht?

Im Handels- und Gesellschaftsrecht gibt es eine Reihe von gesetzlichen Sondervorschriften zum Insichgeschäft. Besonders relevant ist hier § 181 BGB in Verbindung mit spezialgesetzlichen Regelungen, etwa im GmbH-Gesetz (§ 35 Abs. 4 S. 1 GmbHG), wo ausdrücklich geregelt ist, dass der Geschäftsführer Geschäfte mit sich selbst nur durchführen darf, wenn er durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Gesellschafterbeschluss dazu ermächtigt ist und dies im Handelsregister eingetragen wurde. Bei Aktiengesellschaften (§ 112 AktG) ist für Insichgeschäfte des Vorstands mit der Gesellschaft die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich. Für offene Handelsgesellschaften (OHG) und Kommanditgesellschaften (KG) existieren eigene Regelungen in den §§ 114 ff. HGB. Diese spezialgesetzlichen Regelungen gehen dem allgemeinen Insichgeschäftsverbot des BGB regelmäßig vor und dienen der Transparenz sowie dem Schutz der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter.

Wie wird die Gestattung eines Insichgeschäfts wirksam erteilt und dokumentiert?

Die Gestattung eines Insichgeschäfts bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, sollte jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit und der Beweisbarkeit stets schriftlich erfolgen. In Gesellschaften wie der GmbH muss die Ermächtigung förmlich durch Gesellschafterbeschluss erfolgen und ist, gemäß § 37 Abs. 4 GmbHG, zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Eine bloß mündliche Gestattung ist in diesen Fällen nicht ausreichend und kann zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten führen. Bei natürlichen Personen genügt unter Umständen eine schriftliche Vollmacht oder eine ordnungsgemäß beurkundete Zustimmung; bei Minderjährigen, Betreuten oder in Nachlassangelegenheiten ist häufig eine gerichtliche Genehmigung erforderlich. Die Dokumentation dient dem Schutz des Vertretenen und der Aufklärung im Streitfall.