Innovationspartnerschaft – Rechtliche Grundlagen und Bedeutung
Die Innovationspartnerschaft ist ein spezifisches Vergabeverfahren, das im öffentlichen Auftragswesen zur Anwendung kommt, wenn Bedarf an innovativen Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen besteht, die auf dem Markt entweder noch nicht verfügbar sind oder erst noch entwickelt werden müssen. Die rechtlichen Regelungen hierfür finden sich insbesondere im europäischen und deutschen Vergaberecht. Im Folgenden werden die wesentlichen rechtlichen Aspekte, Anforderungen, Abläufe und Besonderheiten der Innovationspartnerschaft umfassend dargestellt.
Rechtliche Einordnung der Innovationspartnerschaft
Europarechtliche Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen der Innovationspartnerschaft finden sich in der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe. Diese Richtlinie wurde mit dem Ziel geschaffen, öffentlichen Auftraggebern ein Verfahren an die Hand zu geben, das Innovationsförderung und vergaberechtliche Transparenz miteinander vereint.
Nationale Regelungen in Deutschland
In Deutschland sind die Vorgaben, die Innovationspartnerschaften regeln, in den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere in den §§ 119 ff. GWB, sowie in der Vergabeverordnung (VgV) und der Sektorenverordnung (SektVO) umgesetzt worden. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 19 VgV und 16 SektVO.
Anwendungsbereich der Innovationspartnerschaft
Voraussetzungen für das Verfahren
Die Innovationspartnerschaft ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Sie darf nur dann genutzt werden, wenn:
- Innovative Lösungen benötigt werden, die auf dem Markt noch nicht erhältlich sind,
- und der Bedarf weder durch bereits verfügbare Güter, Dienstleistungen oder Bauleistungen gedeckt werden kann.
Der öffentliche Auftraggeber muss diesen Bedarf im Rahmen der Auftragsbekanntmachung ausreichend darlegen und begründen.
Ziele der Innovationspartnerschaft
Ziel der Innovationspartnerschaft ist die Entwicklung einer innovativen Leistung gemeinsam mit einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und nach erfolgreicher Entwicklung der anschließende Erwerb der entwickelten Leistung.
Ablauf und Struktur der Innovationspartnerschaft
Mehrstufiges Verfahren
Das Verfahren der Innovationspartnerschaft ist grundsätzlich mehrstufig konzipiert:
- Bekanntmachung und Interessenbekundung
– Der Auftraggeber veröffentlicht eine Bekanntmachung und fordert interessierte Unternehmen zur Bewerbung auf.
- Teilnahmewettbewerb
– Auswahl geeigneter Bewerber nach festgelegten Eignungskriterien.
– Möglichkeit der Begrenzung auf eine angemessene Zahl an Bewerbern (mindestens drei).
- Verhandlungsverfahren
– Aufforderung zur Abgabe von Erstangeboten.
– Verhandlungsrunden über innovative Konzepte und Entwicklungsschritte.
– Ausschluss von wesentlichen Änderungen an den Zuschlagskriterien im Laufe der Verhandlungen.
- Abschluss der Innovationspartnerschaft
– Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss mit einem oder mehreren Partnern.
– Innovationspartnerschaft kann mit mehreren Partnern geschlossen werden, alle müssen aber dieselben Rechte und Pflichten haben.
Phasen der Innovationspartnerschaft
Der Vertrag über eine Innovationspartnerschaft muss gemäß § 19 Abs. 3 VgV mindestens zwei Phasen umfassen:
- Entwicklungsphase
– Entwicklung der innovativen Lösung mit regelmäßigen Fortschrittskontrollen.
– Vergütung erfolgt in abgeschlossenen, vorab definierten Phasen.
- Beschaffungsphase
– Anschließende Lieferung, Ausführung oder Umsetzung der erfolgreich entwickelten innovativen Produkte oder Dienstleistungen.
Rechtliche Besonderheiten und Kontrollmechanismen
Vertragsgestaltung
Die Partner haben während der gesamten Laufzeit der Innovationspartnerschaft dieselben Pflichten und dürfen nicht unterschiedlich behandelt werden. Die Vertragsgestaltung ist darauf ausgerichtet, alle Aufgaben von der Entwicklungs- bis zur Beschaffungsphase vertraglich abzusichern. Für jede Phase müssen Leistungsbeschreibung, Vergütung und Erfolgskriterien präzise geregelt werden.
Wettbewerb und Transparenz
Während das Verfahren wettbewerbsoffen ist, fordert das Gesetz einen transparenten und diskriminierungsfreien Umgang mit allen Bewerbern. Die Vergabe ist an eindeutige Zuschlagskriterien gebunden, die bereits in der Auftragsbekanntmachung festgelegt wurden.
Vergütung
Die Vergütung erfolgt stufenweise, wobei nach Abschluss einer Entwicklungsstufe stets die Erfolgskontrolle steht und erst nach erfolgreichem Abschluss einer Phase die nächste Vergütungsstufe erreicht wird. Dieses Modell verringert das finanzielle Risiko für den öffentlichen Auftraggeber.
Vorteile und Risiken der Innovationspartnerschaft
Vorteile
- Förderung von Innovationen im öffentlichen Sektor.
- Enge Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Entwicklung neuer Lösungen.
- Schrittweise Entwicklung und Beschaffung „aus einer Hand“.
Risiken
- Hoher administrativer und rechtlicher Aufwand, insbesondere bei gleichzeitigen Partnerschaften mit mehreren Unternehmen.
- Sorgfältige Dokumentation und genaue Leistungsbeschreibung erforderlich, um vergaberechtlichen Anforderungen zu genügen.
- Mögliche Probleme bei Schutzrechten und Vertraulichkeit der entwickelten Lösungen.
Abgrenzung zu anderen Vergabearten
Die Innovationspartnerschaft ist von anderen Vergabearten wie dem Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb sowie dem wettbewerblichen Dialog abzugrenzen. Während bei diesen Verfahren bereits marktreife Lösungen im Fokus stehen, ist die Innovationspartnerschaft explizit auf die Entwicklung und anschließende Beschaffung innovativer Lösungen ausgerichtet.
Fazit
Die Innovationspartnerschaft stellt ein in der Praxis anspruchsvolles, aber zugleich chancenreiches Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen dar. Sie ermöglicht die rechtssichere Entwicklung und Beschaffung innovativer Produkte, Dienstleistungen oder Bauwerke, sofern der öffentliche Auftraggeber die komplexen Anforderungen an Transparenz, Gleichbehandlung, Dokumentation und Vertragsgestaltung beachtet.
Weiterführende Literatur:
- EU-Richtlinie 2014/24/EU
- §§ 119 ff. GWB
- §§ 19 VgV, 16 SektVO
Siehe auch: Öffentliches Vergaberecht | Verhandlungsverfahren | Wettbewerblicher Dialog
Häufig gestellte Fragen
Wie läuft das Vergabeverfahren bei einer Innovationspartnerschaft ab?
Im rechtlichen Kontext ist das Vergabeverfahren für eine Innovationspartnerschaft im § 119 Abs. 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie in den §§ 19 ff. der Vergabeverordnung (VgV) geregelt. Das Verfahren ist mehrstufig ausgestaltet: Es beginnt mit einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb, bei dem die Eignung der Bewerber überprüft wird. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs werden die geeigneten Bieter zur Abgabe eines Erstangebots aufgefordert. Im Anschluss daran erfolgt eine Verhandlungsphase, in der die technischen und kommerziellen Bedingungen sowie die innovativen Elemente des Projekts konkretisiert werden können. Abschließend wird das Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung beendet. Ein wesentliches Element ist, dass bereits im Vergabeverfahren die Bedingungen für die spätere Innovationspartnerschaft (also sowohl für die Forschungs- und Entwicklungsphase als auch für die anschließende Beschaffungsphase) festgelegt werden müssen. Vertragliche Absprachen dürfen sich nachträglich nur noch in engen Grenzen ändern – dies dient der Transparenz und Planungssicherheit für alle Beteiligten.
Welche Anforderungen sind an die Leistungsbeschreibung zu stellen?
Die rechtlichen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung einer Innovationspartnerschaft sind äußerst hoch, da das Ziel eine objektive, nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Ausschreibung ist. Die Leistungsbeschreibung muss gemäß § 31 VgV funktionale und ergebnisorientierte Vorgaben beinhalten, da das Leistungsziel (Innovation) vorab nicht exakt festgelegt werden kann. Der öffentliche Auftraggeber muss insbesondere darlegen, welche innovative Leistung oder Problemlösung angestrebt wird, welche Funktionsanforderungen bestehen und welche Mindestkriterien erfüllt werden müssen. Gleichzeitig darf die Beschreibung jedoch potenziell innovative Lösungen nicht unnötig einschränken. Dies erfordert eine sorgfältige Formulierung, die offen für verschiedene technische Ansätze bleibt und keine bereits bestehenden Produkte begünstigt.
Wann liegt nach rechtlichem Maßstab eine geeignete „innovative Leistung“ vor?
Nach § 119 Abs. 7 GWB bzw. § 19 VgV wird eine innovative Leistung immer dann angenommen, wenn es sich entweder um die Entwicklung einer grundlegend neuen oder spürbar verbesserten Ware, Dienstleistung oder eines Bauwerks handelt, das derzeit auf dem Markt nicht oder nur unvollständig verfügbar ist. Ein willkürliches Benennen von Produkten als „innovativ“ reicht nicht aus. Es muss aus den Vergabeunterlagen hervorgehen, dass ein tatsächlicher Innovationsbedarf besteht und im Markt keine vergleichbare Leistung zu angemessenen Bedingungen angeboten wird. Die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Innovation sollte im Rahmen der Markterkundung vorab geprüft und dokumentiert werden. So lassen sich spätere Nachprüfungsanträge vermeiden.
Wie ist die Preisstruktur während einer Innovationspartnerschaft rechtlich abzusichern?
Juristisch ist zwingend zu unterscheiden zwischen der Vergütung für die Forschungs- und Entwicklungsleistungen sowie der späteren Beschaffungslieferung. Beide Vergütungsabschnitte müssen bereits im Rahmen des Vergabeverfahrens festgelegt sein (§ 19 Abs. 2 VgV). Für die Forschungs- und Entwicklungsphase kann häufig nur eine Kostenschätzung erfolgen, während für die Beschaffungsphase ein Festpreis, eine Preisformel oder andere objektive Preismodelle anzugeben sind. Bei der Preisgestaltung ist Transparenz oberstes Gebot, um die Nachvollziehbarkeit für alle Verfahrensbeteiligten zu gewährleisten und die Kontrolle durch Rechtsschutzinstanzen zu ermöglichen.
Welche Besonderheiten bestehen beim Rechtsschutz im Rahmen von Innovationspartnerschaften?
Vergaberechtlicher Rechtsschutz steht den Bietern während des gesamten Vergabeverfahrens offen – das umfasst insbesondere die angreifbare Gestaltung der Leistungsbeschreibung, der Zuschlagskriterien sowie der Verfahrensdurchführung. Nach Zuschlagserteilung gelten die allgemeinen Regeln des Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 155 ff. GWB. Besonderheit: Da das Verfahren über einen langen Zeitraum läuft und sich Interessenlagen im Verlauf der Forschungs- und Entwicklungsphase verändern können, kommt dem Nachprüfungsverfahren in der Frühphase besondere Bedeutung zu. Nach Zuschlag und Beginn der Partnerschaft ist ein Rückgriff auf vergaberechtlichen Rechtsschutz in der Regel nicht mehr möglich; es greifen dann zivilrechtliche Rechtsbehelfe bei Vertragsstreitigkeiten.
Welche Rolle spielt die Markterkundung bei einer Innovationspartnerschaft?
Im rechtlichen Kontext ist die Markterkundung ein zentrales Element gemäß § 28 VgV. Sie dient dazu, die Voraussetzungen für eine Innovationspartnerschaft rechtssicher festzustellen, etwa das Fehlen vergleichbarer Produkte oder Dienstleistungen am Markt. Die Ergebnisse der Markterkundung sind sorgfältig zu dokumentieren, um im Falle eines Nachprüfungsverfahrens nachzuweisen, dass tatsächlich ein innovationsgetriebenes Vergabeverfahren erforderlich ist und keine Standard- oder Sektorlösung ausreichend wäre. Fehlerhafte oder unzureichende Markterkundung kann zur Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens führen.
Welche Vorgaben gibt es für die Vertragsgestaltung der Innovationspartnerschaft?
Die Vertragsgestaltung muss den rechtlichen Vorgaben der VgV entsprechen, insbesondere § 19 VgV. Im Vertrag sind alle wesentlichen Rechte und Pflichten, Meilensteine, Vergütungsmodelle, Erfolgsparameter sowie Regelungen zum geistigen Eigentum und den Nutzungsrechten präzise festzulegen. Spätere Änderungen sind gemäß § 132 GWB nur unter engen Voraussetzungen möglich und erfordern in der Regel ein erneutes Vergabeverfahren, falls sie den Vertragscharakter wesentlich verändern. Die Vertragskonditionen sollten daher im Ausschreibungsverfahren so detailliert und abschließend wie möglich gefasst sein, um spätere Streitigkeiten und rechtliche Unsicherheiten auszuschließen.