Inkasso: Rechtliche Grundlagen, Ablauf und Besonderheiten
Begriff und Bedeutung des Inkassos
Der Begriff Inkasso beschreibt das geschäftsmäßige Einziehen fremder oder abgetretener Forderungen. Inkassodienstleister und andere Berechtigte übernehmen dabei die Durchsetzung von Geldforderungen gegenüber Schuldnern, deren Zahlungsverpflichtungen offenstehen. Im Mittelpunkt steht die Realisierung offener Forderungen auf außergerichtlichem und, sofern erforderlich, gerichtlichem Weg. Der Begriff ist sowohl in unternehmerischen Zusammenhängen als auch im privaten Geschäftsverkehr relevant.
Rechtliche Grundlagen des Inkassos
Gesetzliche Definition und Abgrenzung
Inkasso ist im deutschen Recht vor allem durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) geregelt. Nach § 10 Absatz 1 Nummer 1 RDG ist das Betreiben des Einzugs fremder oder abgetretener Forderungen eine sogenannte „besonders erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung“. Hierbei werden also keine Ansprüche aus eigenem Recht, sondern Forderungen Dritter oder abgetretene Ansprüche verwertet.
Erlaubnispflicht und Registrierung
Inkassodienstleistungen dürfen nur von dafür registrierten Unternehmen durchgeführt werden (§ 10 RDG). Die Registrierung erfolgt durch das zuständige Landgericht im Rechtsdienstleistungsregister. Dabei sind die persönliche Zuverlässigkeit, Sachkunde und eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen.
Wer Inkassodienstleistungen ohne erforderliche Registrierung erbringt, verstößt gegen das RDG und macht sich unter Umständen schadensersatzpflichtig oder ordnungswidrig.
Zulässige Tätigkeiten
Im Rahmen des Inkassos dürfen folgende Tätigkeiten ausgeübt werden:
- außergerichtliches Geltendmachen von Forderungen (Mahnen, Verhandeln, Zahlungsvereinbarungen)
- gerichtliches Mahnverfahren (Beantragung Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid)
- Einleiten der Zwangsvollstreckung nach Titulierung der Forderung
Nicht gestattet ist die umfassende Vertretung in Streitverfahren vor Zivilgerichten; hierfür ist eine entsprechende Prozessvertretung erforderlich.
Ablauf des Inkassoverfahrens
Inkassoverfahren im Überblick
Das Inkassoverfahren verläuft in mehreren Stufen:
- Außergerichtliche Mahnstufe: Der Inkassodienstleister nimmt Kontakt zum Schuldner auf, mahnt den offenen Betrag an und setzt Fristen zur Zahlung. Ferner prüft er die Einwände des Schuldners auf ihre Berechtigung.
- Gerichtliches Mahnverfahren: Bleibt die außergerichtliche Mahnung erfolglos, kann beim zuständigen Mahngericht ein Mahnbescheid beantragt werden. Dies bewirkt eine Hemmung der Verjährung.
- Vollstreckungstitel und Zwangsvollstreckung: Reagiert der Schuldner nicht, erhält der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid. Mit diesem Titel kann die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden.
Rechte und Pflichten der Beteiligten
Gläubiger
Der Gläubiger bleibt Inhaber der Forderung, auch wenn ein Inkassounternehmen eingeschaltet wird. Nur bei einer sogenannten Forderungszession (Abtretung) wechselt die Rechtsinhaberschaft.
Inkassodienstleister
Das Inkassounternehmen ist verpflichtet, die berechtigten Interessen von Gläubiger und Schuldner zu wahren. Es darf keine unlauteren Methoden anwenden und muss nach § 13a RDG nachweisen, dass ein Forderungseinzug nicht mutmaßlich unberechtigt ist (sogenanntes Verbot des Forderungseinzuges bei vorhersehbarer Unbegründetheit der Forderung).
Schuldner
Der Schuldner hat das Recht, gegen unberechtigte Forderungen Einwendungen zu erheben. Er kann ferner im Mahnverfahren durch Widerspruch verhindern, dass ein Vollstreckungstitel ergeht.
Kosten des Inkassos
Die Kosten richten sich nach dem Gesetz über Rechtsanwaltsvergütung (RVG) beziehungsweise nach der Inkassodienstleistungsverordnung (RDV). Die üblichen Inkassokosten umfassen:
- Entgelte für die Inkassotätigkeit (häufig Gebührensätze gemäß der Forderungshöhe)
- Auslagen für Porto und Telekommunikation
- Gerichtskosten bei Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens
Die Kosten dürfen nur in dem Maße vom Schuldner verlangt werden, wie sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und verhältnismäßig sind (§ 4 Abs. 5 RDG).
Besondere rechtliche Anforderungen und Grenzen
Verbotene Inkassopraktiken
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) setzen dem Inkassounternehmen enge Grenzen. Unzulässig sind beispielsweise:
- Androhung nicht zulässiger Maßnahmen (z.B. Strafanzeige ohne tatsächlichen Anlass)
- wiederholte oder Nachstellungshandlungen trotz Widerspruchs des Schuldners
- Verstöße gegen Datenschutzanforderungen
Informationspflichten des Inkassodienstleisters
Nach § 13a RDG besteht die Pflicht, dem Schuldner die maßgeblichen Informationen zur Forderung offen zu legen. Dazu zählen:
- Name und Anschrift des Gläubigers
- Grund und Höhe der geltend gemachten Forderung
- Berechnung und Herkunft etwaiger Inkassokosten
Inkasso im internationalen Kontext
Auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr kommt Inkasso vor. Europäische Vorgaben wie die EU-Inkassoverordnung und das europäische Mahnverfahren ermöglichen die einfachere Durchsetzung von Geldforderungen aus grenzüberschreitenden Verträgen innerhalb der Europäischen Union.
Inkasso und Datenschutz
Inkassounternehmen verarbeiten regelmäßig personenbezogene Daten, weshalb sie den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterliegen. Die Datenverarbeitung darf nur zweckgebunden und im Rahmen des Forderungseinzugs erfolgen. Betroffene haben das Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung ihrer Daten.
Fazit
Inkasso ist ein zentraler Bestandteil des Forderungsmanagements in Wirtschafts- und Privatleben. Die rechtlichen Vorgaben stellen sicher, dass sowohl die Interessen der Gläubiger an der Durchsetzung berechtigter Forderungen als auch die Rechte der Schuldner auf sachgerechte Prüfung und Schutz vor unzulässigen Praktiken gewahrt werden. Der Rechtsrahmen sorgt durch Registrierungs- und Verhaltenspflichten der Inkassodienstleister, Kostentransparenz und umfangreiche Informationspflichten für eine rechtskonforme und faire Abwicklung des Forderungseinzugs.
Quellen:
- Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
- Inkassodienstleistungsverordnung (RDV)
- Zivilprozessordnung (ZPO)
Häufig gestellte Fragen
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Beauftragung eines Inkassounternehmens?
Für die Beauftragung eines Inkassounternehmens in Deutschland ist in der Regel ein fälliger und unbezahlter Anspruch notwendig, beispielsweise eine offene Rechnung. Das Inkassounternehmen muss zudem nach § 10 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registriert sein, um rechtlich zulässige Inkassodienstleistungen erbringen zu dürfen. Die Auftraggeber müssen den Forderungsbestand detailliert darlegen können; dazu zählen insbesondere der Nachweis über die Forderungsentstehung, die Fälligkeit, etwaige Mahnungen sowie die vollständige Vollmachtserteilung an das beauftragte Unternehmen. Schuldner müssen unmittelbar nach Beauftragung informiert werden, zudem sind sie über die Inkassokosten und deren Zusammensetzung aufzuklären. Ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Vorgehen des Inkassounternehmens ist gesetzlich verboten; dies umfasst beispielsweise das Erzeugen von unnötigem Druck, das Aussprechen unbegründeter Drohungen oder die Ankündigung nicht zulässiger Maßnahmen. Die Einhaltung des Datenschutzes gemäß der DSGVO ist ebenfalls verpflichtend.
Welche Inkassokosten dürfen rechtlich gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden?
Inkassokosten sind nur insoweit erstattungsfähig, wie sie als „Schaden“ im Sinne von §§ 280, 286 BGB durch den Zahlungsverzug des Schuldners entstanden sind. Nach ständiger Rechtsprechung sind dabei grundsätzlich nur diejenigen Kosten erstattungsfähig, die auch ein Rechtsanwalt für vergleichbare Tätigkeiten abrechnen dürfte. Die Höhe der zulässigen Inkassogebühren richtet sich daher meist nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), typischerweise nach einer 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr. Überhöhte oder unübliche Kosten, insbesondere für zusätzliche Mahnschreiben, Recherche- oder Telefonkosten, können in der Regel gegenüber dem Schuldner nicht geltend gemacht werden. Zudem wird die Erstattung verweigert, wenn das Inkassounternehmen und der Gläubiger wirtschaftlich oder rechtlich eng verbunden sind (bspw. bei konzerninternen Vorgängen) und somit keine echte Vermögenseinbuße beim Gläubiger vorliegt.
Was muss ein Inkassounternehmen bei der Korrespondenz mit Schuldnern gesetzlich beachten?
Inkassounternehmen sind gesetzlich verpflichtet, in der ersten Kontaktaufnahme gegenüber dem Schuldner umfassende Angaben zu machen. Laut § 13a RDG müssen sie deutlich machen, im Auftrag welches Gläubigers sie handeln, den Grund der Forderung, die genaue Forderungshöhe (ggf. mit Aufschlüsselung von Hauptforderung, Zinsen und Inkassokosten), das Aktenzeichen sowie ein Widerspruchsrecht anführen. Darüber hinaus müssen sie den Schuldner über seine datenschutzrechtlichen Rechte gemäß DSGVO informieren und darauf hinweisen, wie er Einwände gegen die Forderung geltend machen kann. Jegliche irreführende Angaben, beispielsweise bezüglich angeblich drohender gerichtlicher Maßnahmen oder Einträge in Schuldnerverzeichnissen, verstoßen gegen das Wettbewerbsrecht und können abgemahnt oder mit Bußgeldern belegt werden.
Besteht eine Pflicht zur außergerichtlichen Mahnung vor dem Inkassoverfahren?
Zwar sieht das Gesetz keine generelle Pflicht zur vorherigen Mahnung vor, jedoch ist der Schuldner in den meisten Fällen erst nach erfolglosem Ablauf einer Mahnfrist im Verzug (§ 286 BGB). Fehlt eine Mahnung, muss ausnahmsweise die Fälligkeit kalendermäßig bestimmt oder der Schuldner die Zahlungsverweigerung ausdrücklich angekündigt haben. Ohne Verzug kann kein Ersatz der Inkassokosten verlangt werden. Gläubiger sollten daher in der Praxis stets zumindest eine Mahnung versenden und deren Zugang dokumentieren, bevor ein Inkassounternehmen beauftragt wird. Das erhöht die rechtliche Durchsetzbarkeit der Inkassokosten und stellt Nachweispflichten sicher.
Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Schuldner, sich gegen eine unberechtigte Inkassoforderung zu wehren?
Wird ein Schuldner mit einer aus seiner Sicht unberechtigten Inkassoforderung konfrontiert, hat er mehrere rechtliche Möglichkeiten: Zunächst sollte unverzüglich widersprochen und die Forderung substantiiert bestritten werden. Das Inkassounternehmen ist dann verpflichtet, die Forderung zu überprüfen und ggf. an den Gläubiger zurückzugeben oder das Verfahren einzustellen. Ein unbestrittener Widerspruch verhindert nicht unmittelbar eine gerichtliche Geltendmachung der Forderung, aber er kann die Erhebung von Inkassokosten stoppen. Sollte das Inkassounternehmen unzulässigen Druck ausüben (z.B. durch Androhung nicht statthafter Maßnahmen), kann der Schuldner sich an die Aufsichtsbehörde (meist das Landesjustizministerium) wenden oder ggf. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Rechtliche Beratung – z.B. durch eine Verbraucherzentrale – ist ebenfalls zu empfehlen. Werden die Forderungen trotz Widerspruch weiterverfolgt, steht dem Schuldner in einem ggf. folgenden Gerichtsverfahren das volle Verteidigungsrecht zur Verfügung.
Wer haftet für Fehler oder rechtswidriges Verhalten eines Inkassounternehmens?
Inkassounternehmen unterliegen bei ihrer Tätigkeit dem Rechtsdienstleistungsgesetz und haften daher für schuldhafte Pflichtverletzungen aus dem Inkassovertrag bzw. aus unerlaubter Handlung. Die Haftung kann sowohl den Gläubiger als auch den Schuldner treffen, etwa wenn durch fehlerhafte oder unrechtmäßige Maßnahmen Schäden entstehen (z.B. durch einen unberechtigten Negativeintrag in einer Auskunftei). Verletzt das Inkassounternehmen z.B. Datenschutzvorschriften oder Verfahrenstransparenz, können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bestehen, ggf. auch Bußgelder durch Aufsichtsbehörden verhängt werden. Gläubiger müssen außerdem bei sog. Überwachungsverschulden für das Verhalten des von ihnen beauftragten Unternehmens einstehen (§ 278 BGB), wenn sie ihre Überwachungspflichten vernachlässigen. Ferner können Betroffene sich auch an Verbraucherzentralen und Schlichtungsstellen wenden.
Welche Verjährungsfristen gelten im Inkassowesen?
Die Verjährung einzelner Forderungen richtet sich stets nach den gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere nach §§ 195 ff. BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt (§ 199 BGB). Einige Forderungen, wie beispielsweise aus Werkverträgen im Bauwesen, verjähren bereits nach zwei Jahren, titulierte Forderungen hingegen (z.B. nach einem Vollstreckungsbescheid) erst nach 30 Jahren (§ 197 BGB). Inkassounternehmen dürfen nach Eintritt der Verjährung keine ernsthaften Zahlungsaufforderungen mehr versenden oder überhöhten Druck ausüben, andernfalls drohen Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen. Ein Verjährungseinwand ist gegenüber dem Inkassounternehmen formell möglich und sollte stets aktiv geltend gemacht werden.
Dürfen Inkassounternehmen negative SCHUFA-Einträge veranlassen?
Inkassounternehmen können die Übermittlung von Negativdaten an Auskunfteien wie die SCHUFA nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen vornehmen. Dies ist rechtlich nur zulässig, wenn der Schuldner in Verzug ist, vorher mindestens zweimal schriftlich gemahnt wurde, zwischen der ersten und der Meldung mindestens vier Wochen liegen, die Ankündigung des Eintrags explizit erfolgt ist und der Schuldner keinen Widerspruch eingelegt hat. Ferner muss die Forderung unstrittig oder rechtskräftig festgestellt sein. Unberechtigte oder verfrühte Meldungen stellen einen gravierenden Datenschutzverstoß dar und können erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen (§ 823 BGB, Art. 82 DSGVO). Inkassounternehmen sind verpflichtet, die Rechtmäßigkeit sorgfältig zu prüfen und entsprechende Nachweise zu dokumentieren, bevor sie Datenweitergaben an Auskunfteien vornehmen.