Begriff des Informierten Benutzers im Recht
Der Begriff Informierter Benutzer hat sich im Rahmen des europäischen und nationalen Rechts entwickelt und spielt insbesondere im gewerblichen Rechtsschutz eine bedeutende Rolle. Seine rechtliche Relevanz findet der informierte Benutzer vor allem im Designrecht sowie bei der Beurteilung des Schutzumfangs und der Schutzfähigkeit von Geschmacksmustern, wobei er als objektivierter Maßstab dient. Nachfolgend werden Definition, rechtliche Herleitung, Funktionen, Anwendungsbereiche und Auswirkungen des informierten Benutzers innerhalb des rechtlichen Rahmens umfassend dargestellt.
Definition und rechtliche Einordnung
Ursprung und Entwicklung
Der Begriff des informierten Benutzers ist im europäischen Geschmacksmusterrecht verankert, insbesondere in der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung – GGV). In Deutschland findet sich die Parallelregelung im Geschmacksmustergesetz (seit 2014: Designgesetz). Der informierte Benutzer fungiert als maßgeblicher Vergleichsmaßstab für die Prüfung der Eigenart eines Designs sowie bei der Beurteilung einer etwaigen Verletzung durch Dritte.
Definition
Im Unterschied zum „Durchschnittsverbraucher“, der im Verbraucherrecht von Bedeutung ist, und zum „Fachmann“, der etwa im Patentrecht verwendet wird, nimmt der informierte Benutzer eine vermittelnde Position ein. Er ist mit einem gewissen Grad an aufmerksamem Interesse und Kenntnissen des betroffenen Produktbereichs ausgestattet, jedoch ohne die Tiefe eines Fachkundigen oder Gestalters. Der informierte Benutzer verfügt über:
- Grundlegende Kenntnisse über die betroffene Warengruppe
- Erfahrungswissen im Umgang mit der Warengruppe und deren Designs
- Die Fähigkeit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Designs zu erkennen.
Es handelt sich nicht um eine identifizierbare reale Person, sondern um einen rechtlichen Bewertungsmaßstab (fiktive Person).
Rechtsgrundlagen und Rechtsquellen
Europäisches Recht
Die Vorschriften zum informierten Benutzer finden sich insbesondere in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV):
- Art. 6 GGV beschreibt den Neuheits- und Eigenartsschutz: „Ein Geschmacksmuster gilt als eigenartig, wenn sich der Gesamteindruck, den es bei dem informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes, bereits zuvor bekannt gemachtes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft.“
- Art. 10 GGV regelt den Schutzumfang: „Der Umfang des Schutzes, der durch das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt wird, erstreckt sich auf jedes Muster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.“
Nationales Recht
Im deutschen Recht gilt das Designgesetz (DesignG):
- § 2 Abs. 3 DesignG orientiert sich an der europäischen Regelung: „Eigenart liegt vor, wenn sich der Gesamteindruck des Designs beim informierten Benutzer vom Gesamteindruck anderer bereits zuvor öffentlich zugänglicher Designs unterscheidet.“
Weitere Rechtsgebiete
Zwar ist der informierte Benutzer primär im Designrecht relevant, jedoch lassen sich vergleichbare Bewertungsmaßstäbe auch im Marken- und Urheberrecht erkennen, wo die Wahrnehmung bestimmter Durchschnittspersonen ausschlaggebend für die Rechtslage ist.
Rolle und Bedeutung bei der Beurteilung von Designs
Funktion im Rahmen der Schutzvoraussetzungen
Der Maßstab des informierten Benutzers ist entscheidend für die:
- Beurteilung der Eigenart: Es muss ermittelt werden, ob das eingetragene oder angemeldete Design einen anderen Gesamteindruck beim informierten Benutzer erzeugt als bereits vorhandene Designs.
- Beurteilung des Schutzumfangs: Im Verletzungsfall gilt, ob ein angegriffenes Design ebenfalls einen anderen Gesamteindruck beim informierten Benutzer hervorruft oder nicht.
Der Gesamteindruck
Der Vergleich erfolgt auf Grundlage des Gesamteindrucks der Designs. Dabei ist zu beachten:
- Einzelheiten und Details treten zurück, die objektive Gesamtwirkung ist maßgeblich.
- Berücksichtigt werden der Grad der Gestaltungsfreiheit des Designers und der durch technische Vorgaben eingeschränkte Gestaltungsspielraum.
Fähigkeiten und Kenntnisse des Informierten Benutzers
Der informierte Benutzer ist mit den Grundformen des Designbereichs vertraut, erkennt Unterschiede und Gemeinsamkeiten und kann bekannte Trends und Gestaltungsstände einordnen. Er besitzt jedoch keine professionelle Beurteilungsfähigkeit, sondern eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit im Vergleich zum „Durchschnittsverbraucher“.
Praxis und Rechtsprechung
Leitentscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
Im Urteil vom 20. Oktober 2011 (Rs. C-281/10 – PepsiCo / Grupo Promer) stellte der EuGH fest:
- Der informierte Benutzer steht zwischen dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher und dem mit umfassenden Fach- und Detailkenntnissen ausgestatteten Fachmann.
- Die Beurteilung orientiert sich an der Wahrnehmungsfähigkeit eines Users mit Kenntnis der Entwürfe und Gestaltungsfreiheit in der betreffenden Produktgruppe.
Deutsche Rechtsprechung
Die deutsche Rechtsprechung übernimmt die Leitlinien des EuGH und wendet diese systematisch auch auf nationale Rechtsfragen im Designrecht an. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) und der Instanzgerichte haben zur weiteren Ausformung des Merkmals „informierter Benutzer“ beigetragen. Die Gerichte prüfen, wie sich marktrelevante Gestaltungsdetails und Unterschiede auf den Gesamteindruck aus Sicht des informierten Benutzers auswirken.
Abgrenzung zu anderen Maßstäben
Unterschied zum Durchschnittsverbraucher
Der Durchschnittsverbraucher ist weniger informiert und weniger aufmerksam als der informierte Benutzer. Er spielt vor allem im Marken- und Wettbewerbsrecht eine Rolle.
Unterschied zum Fachmann
Der Fachmann kennt technische Details, Entwicklungen und Hintergründe, insbesondere im Patentrecht. Der informierte Benutzer bleibt davon deutlich abgegrenzt, da er kein besonderes technisches oder künstlerisches Fachwissen hat.
Bedeutung in der Praxis
Designschutz und Wettbewerbsrecht
Hersteller, die ihre Designs schützen lassen wollen, müssen darauf achten, dass der Gesamteindruck des eigenen Designs sich für den informierten Benutzer hinreichend von bestehenden Designs abhebt. Für die Praxis bedeutet dies, dass Designs, die sich nur unwesentlich von bereits existierenden abheben, keinen oder nur eingeschränkten Schutz genießen.
Verletzungsverfahren
In Verletzungsverfahren ist der Maßstab des informierten Benutzers entscheidend für die Frage, ob eine Nachahmung im rechtlichen Sinne gegeben ist. Die Frage, wie der informierte Benutzer die betreffenden Produkte wahrnimmt, ist darüber hinaus häufig Gegenstand gerichtlicher Gutachten und Beweisaufnahmen.
Zusammenfassung
Der informierte Benutzer ist ein zentrales Element im Designrecht und dient als objektivierter Maßstab bei der Beurteilung von Eigenart, Schutzumfang und eventuellen Verletzungen geschützter Designs. Seine genaue Ausgestaltung wurde in der Rechtsprechung auf europäischer wie nationaler Ebene präzisiert. Er steht zwischen dem durchschnittlichen Verbraucher und dem Fachmann, verfügt über Grundkenntnisse im Bereich und ist mit üblichen Gestaltungsmerkmalen vertraut, jedoch ohne spezifische Fachkenntnisse. Die konsequente Anwendung dieses Maßstabs gewährleistet Transparenz und Berechenbarkeit im gewerblichen Rechtsschutz und schützt so die Interessen der an Designentwicklungen und deren Schutz beteiligten Unternehmen und Personen.
Weiterführende Literatur und Quellen (Auswahl):
- Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
- Designgesetz (DesignG)
- EuGH, Urteil vom 20.10.2011 – C-281/10
- BGH GRUR 2015, 482 – Kinderwagen II
- BGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 – I ZR 197/13 – Buntstift
Dieser Artikel dient der umfassenden Information und stellt keine Rechtsberatung dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen müssen erfüllt sein, damit ein Benutzer als „informiert“ gilt?
Ein Benutzer gilt rechtlich als „informiert“, wenn er vor einer Entscheidung, insbesondere hinsichtlich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten, über alle wesentlichen Aspekte verständlich und transparent aufgeklärt wurde. Die Anforderungen hierbei ergeben sich vor allem aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere Art. 4 Nr. 11, Art. 7 und Art. 13. Zu den Mindestanforderungen zählen Informationen über die verantwortliche Stelle, Zwecke der Verarbeitung, die Art der erfassten Daten, Rechtsgrundlagen, mögliche Empfänger, Speicherdauer, sowie die Betroffenenrechte (z.B. Auskunft, Löschung, Widerspruch). Die Informationen müssen in klarer und leicht zugänglicher Form, in verständlicher Sprache bereitgestellt werden. Der Umfang der Aufklärung richtet sich zudem nach dem jeweiligen Verarbeitungskontext und der Komplexität der Datenverarbeitung. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, ist eine – etwaige Einwilligung – rechtlich unwirksam, da dem Benutzer die zur informierten Entscheidung notwendige Wissensgrundlage fehlt.
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Informationspflicht gegenüber Benutzern?
Die zentrale gesetzliche Grundlage für die Informationspflicht gegenüber Benutzern bildet die DSGVO. Besonders relevant sind hier Art. 12 bis 14, die vorschreiben, dass betroffene Personen transparent, präzise und leicht zugänglich informiert werden müssen. Daneben regelt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ergänzende nationale Anforderungen. Für spezifische Anwendungsbereiche, wie etwa Telemedien, gelten noch das Telemediengesetz (TMG) und das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG). Deren Zweck ist es, rechtliche Klarheit darüber zu schaffen, welche Informationen, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt bereitgestellt werden müssen, um die informierte Einwilligung des Benutzers und die Wahrnehmung seiner Rechte zu gewährleisten.
Welche Konsequenzen drohen, wenn ein Benutzer nicht ausreichend informiert wird?
Werden Benutzer nicht ausreichend und gemäß den gesetzlichen Vorgaben informiert – also nicht zum informierten Benutzer gemacht -, sind die daraus eingeholten Einwilligungen rechtlich unwirksam. Das kann gravierende Folgen haben: Zum einen kann die Verarbeitung der entsprechenden Daten unzulässig sein und muss ggf. eingestellt oder rückgängig gemacht werden (Löschung der Daten). Zum anderen drohen erhebliche Bußgelder, die nach Art. 83 DSGVO bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen können. Darüber hinaus können zivilrechtliche Ansprüche, etwa auf Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO, entstehen. Die mangelnde Information gefährdet somit die Rechtssicherheit und kann auch den guten Ruf des Verantwortlichen erheblich schädigen.
Wie muss die Information für einen informierten Benutzer gestaltet sein?
Die Information muss klar, prägnant und in einer einfachen, verständlichen Sprache erfolgen. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Information leicht zugänglich und transparent bereitgestellt wird (Art. 12 Abs. 1 DSGVO). Komplexe oder juristische Fachsprache sollte vermieden werden. Gleichzeitig müssen alle für die Entscheidung notwendigen Angaben enthalten sein. Dazu zählen: Umfang der Datenverarbeitung, Verarbeitungszwecke, Rechtsgrundlage, Identität des Verantwortlichen, Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, Empfänger oder Kategorien von Empfängern der Daten, Dauer der Speicherung, Betroffenenrechte und das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde. Je nach Zielgruppe (z.B. Kinder) sind die Informationen nochmals vereinfacht oder visuell unterstützt bereitzustellen.
Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Informationspflicht bei unterschiedlichen Nutzergruppen?
Ja, die Informationspflicht muss auf die jeweilige Nutzergruppe angepasst werden. Besondere Schutzvorschriften bestehen beispielsweise für Kinder und Jugendliche, da diese als besonders schutzwürdig gelten. Die DSGVO betont in Erwägungsgrund 38, dass Kinder spezifische Informationen in für sie verständlicher Sprache erhalten müssen. Auch für Personen mit Einschränkungen hinsichtlich Sprache oder Verständnisfähigkeit sind besondere Maßnahmen vorzusehen – etwa Übersetzungen oder barrierefreie Versionen. Unternehmen sind auch angehalten, die Informationsvermittlung auf den Nutzungskontext (z.B. Apps, Webseiten, Verträge) anzupassen, damit die Nutzer wirksam zu informierten Benutzern werden können.
Welche Rolle spielt die Nachweisbarkeit der Nutzer-Information im rechtlichen Kontext?
Der Verantwortliche muss jederzeit nachweisen können, dass und wie ein Benutzer informiert wurde („Accountability“ nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO). Dazu gehört eine sorgfältige Dokumentation der Prozesse zur Informationsvermittlung, insbesondere bei Einwilligungen. Es sollten beispielsweise Kopien der Einwilligungstexte, Zeitpunkte der Zustimmung sowie technische Nachweise gespeichert werden. Im Streitfall trägt der Verantwortliche die Beweislast dafür, dass eine informierte Einwilligung vorlag und der Nutzer durchgehend über seine Rechte und die Datenverarbeitung informiert wurde. Dies ist im Rahmen von Datenschutz-Audits oder aufsichtsbehördlichen Überprüfungen essentiell.