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Indicative


Indicative: Bedeutung und rechtliche Einordnung

Definition und Begriffsherkunft

Der Begriff „Indicative“ (deutsch: Indikativ, auch als „Indikatives Angebot“ oder „Indicative Offer“ im Rechts- und Wirtschaftsverkehr bekannt) bezeichnet eine unverbindliche Auskunft, eine vorläufige Einschätzung oder ein Angebot im Rahmen einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Transaktion. „Indicative“ wird insbesondere im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions), Unternehmenstransaktionen, Finanzierungen sowie Vergabeverfahren verwendet. Das indicative Angebot dient häufig als erster Schritt zur Heranführung an verbindliche Verhandlungen und Verträge und stellt keine rechtliche Bindung im Sinne eines rechtswirksamen Angebots (§§ 145 ff. BGB) dar.

Funktion und Zielsetzung

Rolle im Transaktionsprozess

Ein Indicative wird in der Regel im frühen Stadium eines Transaktionsprozesses abgegeben. Es erfasst subjektive Annahmen, vorläufige Bewertungen oder Preisvorstellungen des Bieters beziehungsweise Interessenten, bevor eine abschließende Due Diligence oder eine intensive Prüfung stattgefunden hat. Es dient dem Zweck, die beiderseitigen Erwartungen abzugleichen und eine Selektion der potentiellen Transaktionspartner vorzunehmen.

Abgrenzung vom verbindlichen Angebot

Im Unterschied zu einem verbindlichen Angebot handelt es sich beim Indicative ausdrücklich um kein bindendes Rechtsgeschäft. Im deutschen Recht wurden dieses Prinzip und die Unverbindlichkeit eines solchen Angebots in verschiedenen Gerichtsentscheidungen und Schrifttum bestätigt: Ein Indicative wird als „invitatio ad offerendum“ eingeordnet, also als Einladung an den Transaktionspartner, ein verbindliches Angebot abzugeben.

Rechtliche Charakteristik

Rechtsnatur und Bindungswirkung

Das Indicative ist in der Regel explizit als unverbindlich gekennzeichnet. Der Anbieter verpflichtet sich nicht, zu den genannten Bedingungen tatsächlich abzuschließen, und dem Empfänger entstehen durch die Annahme des Indicative keine Rechtsansprüche auf den Vertragsschluss. Gleichwohl gelten allgemeine rechtliche Grundsätze, wie zum Beispiel das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (culpa in contrahendo) oder Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein schadensersatzrechtliches Haftungsrisiko kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Empfänger durch schuldhafte Täuschung in erheblichem Maße in seinem Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrags geschädigt wurde.

Typische Form und Inhalte

Indicative Offers sind üblicherweise als schriftliche Dokumente ausgestaltet, die mindestens folgende Elemente enthalten:

  • Beschreibung des Transaktionsgegenstands (z. B. Kaufobjekt, Dienstleistung, Unternehmensanteile)
  • Preisvorstellung oder Wertindikationen
  • Vorbehalt der weiteren Prüfung/ Due Diligence
  • Hinweise auf Unverbindlichkeit und Vorläufigkeit der Angaben
  • Angaben zu potenziellen Bedingungen für ein späteres bindendes Angebot

Besondere Bedeutung kommt dem Hinweis auf die Unverbindlichkeit zu, um eine unerwünschte Bindungswirkung zu vermeiden.

Bedeutung im internationalen Rechtsverkehr

Insbesondere bei internationalen Transaktionen, insbesondere im angloamerikanischen Rechtsraum, ist der indicative offer fest etabliert. Die Formulierung „subject to contract“ oder „Non-Binding Indicative Offer“ wird oftmals genutzt, um Missverständnisse hinsichtlich einer vertraglichen Verpflichtung auszuschließen. Hier gelten ergänzend zu den jeweiligen nationalen Vorschriften allgemeine Grundsätze des internationalen Vertragsrechts (z. B. UN-Kaufrecht).

Rechtsfolgen und Haftungsfragen

Haftungsausschluss und Haftungsrisiken

Solange ein Indicative als unverbindlich gekennzeichnet und vom Empfänger als solches verstanden wird, gilt grundsätzlich: Ein Anspruch auf Durchführung der Transaktion oder sonstige vertraglichen Nebenpflichten entsteht nicht. Risiken bestehen allerdings, wenn das Indicative missverständlich formuliert ist oder Bindungswirkung suggeriert. Insoweit können unter Umständen Ansprüche aus vorvertraglichem Vertrauensschutz, etwa aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder in Extremfällen aus vorsätzlicher Täuschung, geltend gemacht werden.

Bedeutung für die Vertragsverhandlungen

Im Rahmen von Vertragsverhandlungen dient ein Indicative als Grundlage für Sondierungsgespräche. Erst nach Abschluss der Due Diligence und dem Austausch verbindlicher Vertragsentwürfe treten rechtliche Bindungen und Erfüllungsansprüche ein. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das indicative Angebot rechtlich in einem Stadium der Unverbindlichkeit.

Praxisrelevanz und Anwendungsgebiete

Indicative Offers finden sich vor allem in folgenden Bereichen:

  • Unternehmenskäufe und -verkäufe (Mergers & Acquisitions)
  • Finanzierungstransaktionen (Kreditanfragen, Investitionsbeteiligungen)
  • Immobiliengeschäfte
  • Vergabeverfahren bei öffentlichen Aufträgen

In sämtlichen Anwendungsbereichen ist auf eine präzise Formulierung und die eindeutige Kennzeichnung der Unverbindlichkeit zu achten, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Der Begriff „Indicative“ bezeichnet im rechtlichen Kontext eine unverbindliche, vorläufige Erklärung oder ein Angebot, das im Rahmen von Transaktionsprozessen und Vertragsverhandlungen regelmäßig Anwendung findet. Es dient der Feststellung von Interessen und Marktwerten, ohne eine rechtliche Bindung zwischen den Parteien herzustellen. Die rechtliche Ausgestaltung und Formulierung eines Indicative ist von entscheidender Bedeutung, um Klarheit über den Grad der Verbindlichkeit zu schaffen und Haftungsrisiken auszuschließen. Das indicative Angebot stellt eine essenzielle Vorstufe im Rahmen komplexer wirtschaftlicher Transaktionen dar und ist Element moderner Vertragsverhandlungsprozesse im nationalen und internationalen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtliche Bindungswirkung hat ein Indicative im Vergleich zu einem Letter of Intent?

Im rechtlichen Kontext ist die Bindungswirkung eines Indicative, auch als „Indicative Offer“ oder „Indikatives Angebot“ bezeichnet, von zentraler Bedeutung. Im Gegensatz zu einem Letter of Intent (LOI), der oftmals bereits erste rechtlich relevante Verpflichtungen (wie Exklusivität oder Geheimhaltung) enthalten kann, stellt ein Indicative ausschließlich eine vorläufige, unverbindliche Interessensbekundung eines potenziellen Käufers im Rahmen von Transaktionsprozessen, insbesondere bei Unternehmensverkäufen (M&A), dar. Mit einem Indicative signalisiert der Abgebende lediglich seine Bereitschaft, unter bestimmten, oft noch zu verhandelnden Bedingungen, in weiterführende Gespräche oder eine Due Diligence einzutreten. Er enthält regelmäßig Angaben zu angestrebten Bewertungskorridoren, Transaktionsstruktur und Finanzierung ohne bindende Wirkung. Rechtlich ist ein Indicative oft ausdrücklich als „unverbindlich“ formuliert, sodass daraus auch bei Nichterfolg der Verhandlungen keine Schadenersatz- oder Erfüllungsansprüche abgeleitet werden können. Dies schützt die Parteien in diesem frühen Transaktionsstadium vor rechtlichen Verpflichtungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt – etwa mit Abschluss eines verbindlichen Kaufvertrags – entstehen sollen.

Welche Rolle spielt das Indicative im Ablauf eines M&A-Prozesses?

Das Indicative spielt im Rahmen des Mergers & Acquisitions (M&A)-Prozesses eine maßgebliche Rolle als „Filtermechanismus“ zwischen der ersten Interessenbekundung (Expression of Interest) und der eigentlichen Due Diligence-Phase. Aus rechtlicher Sicht dient das Indicative dazu, den Kreis der ernsthaften Interessenten zu identifizieren und konkrete Rahmenbedingungen für die weitere Verhandlungsführung abzustecken, ohne bereits eine rechtliche Bindung einzugehen. Typischerweise fordert der Verkäufer potenzielle Investoren nach Sichtung von ersten Unternehmensinformationen (z.B. Teaser, Informationsmemorandum) auf, ein Indicative Offer vorzulegen. Darauf basierend entscheidet der Verkäufer rechtskonform und diskriminierungsfrei, mit welchen Bietern später eine vertiefte Prüfung des Unternehmens erfolgen soll. Das Indicative regelt dabei keine abschließenden Rechte und Pflichten, sondern begrenzt sich auf eine vorläufige rechtliche Interessenlage und etwaig geplante nächste Schritte.

Welche Mindestinhalte werden aus rechtlicher Sicht in einem Indicative erwartet?

Auch wenn das Indicative rechtlich unverbindlich ist, werden von professionellen Marktteilnehmern gewisse Inhalte erwartet, um Rechtsunsicherheiten zu minimieren und Transparenz im Bieterverfahren zu gewährleisten. Aus rechtlicher Sicht sollten insbesondere enthalten sein: die Identifizierung der involvierten Parteien, eine Beschreibung des Transaktionsgegenstands, Struktur- und Preiskorridore der geplanten Akquisition, Finanzierungsüberlegungen, vorläufige Annahmen zu erforderlichen Genehmigungen oder rechtlichen Bedingungen (z.B. Kartellrecht), sowie der weitere geplante zeitliche Ablauf. Wenngleich keine der Angaben rechtlich bindend ist, können unscharfe oder fehlende Inhalte später zu rechtlichen Auslegungsschwierigkeiten oder zur Bevorzugung anderer Bieter im Auswahlprozess führen. Es empfiehlt sich zudem, explizit die Unverbindlichkeit in den Text des Indicative aufzunehmen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Kann aus der Abgabe oder Annahme eines Indicative Rechtsanspruch auf Abschluss eines Vertrags entstehen?

Nach herrschender Rechtsauffassung begründet die Abgabe oder Annahme eines Indicative weder einen Vertragsabschluss noch einen Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrags, solange die grundsätzliche Unverbindlichkeit des Indicative explizit im Dokument geregelt ist. Auch das Verhalten der Parteien, wie etwa die Aufnahme intensiver Vertragsverhandlungen oder Austausch von Informationen, führt – insbesondere nach deutschem und österreichischem Recht – nicht automatisch zu einem „Vorvertrag“ oder einer Abschlussverpflichtung. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn aus den Umständen eindeutig hervorgeht, dass das Indicative entgegen der Bezeichnung und Formulierung bereits alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält und die Parteien endgültige Bindungswirkung beabsichtigen (beispielsweise durch konkludentes Verhalten). Hier empfiehlt es sich, eindeutige Formulierungen und Disclaimer („dieses Angebot ist ausdrücklich unverbindlich“) zu verwenden, um Missverständnisse und spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Welche rechtlichen Risiken bestehen trotz Unverbindlichkeit eines Indicative?

Trotz der regelmäßigen Unverbindlichkeit kann ein Indicative in bestimmten Konstellationen zu rechtlichen Risiken führen. Beispielsweise besteht das Risiko eines „culpa in contrahendo“ (Verschulden bei Vertragsverhandlungen), falls eine Partei durch ihr Verhalten berechtigtes Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrags begründet und anschließend ohne angemessenen Grund die Verhandlungen abbricht. Zudem können durch das Indicative ausgelöste Kosten für Due Diligence oder vorbereitende Maßnahmen unter gewissen Umständen ersatzfähig sein, falls der Eindruck einer verbindlichen Zusage erweckt wurde. Ein weiteres Risiko besteht in Bezug auf Vertraulichkeitsregelungen: Werden im Zuge des Indicative vertrauliche Informationen ausgetauscht, können unabhängig von der Unverbindlichkeit Schadensersatzansprüche entstehen, falls diese missbräuchlich verwendet werden. Daher wird üblicherweise parallel zum Indicative ein separates NDA (Non Disclosure Agreement) abgeschlossen.

Wie wird sichergestellt, dass ein Indicative tatsächlich unverbindlich bleibt?

Zur rechtssicheren Ausgestaltung eines unverbindlichen Indicative ist eine explizite Formulierung der Unverbindlichkeit entscheidend. In der Praxis werden Formulierungen wie „dies ist kein bindendes Angebot, sondern eine unverbindliche und freibleibende Interessenbekundung“ oder „vorbehaltlich weiterer Verhandlungen und Abschluss eines schriftlichen Vertrages“ verwendet. Idealerweise sollte das Indicative keine Formulierungen enthalten, die als feste Zusagen, Garantien oder Erklärungen zum Vertragsabschluss interpretiert werden könnten. Zudem empfiehlt es sich, im Dokument festzuhalten, dass jeder Abschluss weiteren vertraglichen Regelungen, insbesondere eines finalen Kaufvertrags, vorbehalten bleibt. Durch solche juristisch eindeutigen Formulierungen können Missdeutungen und der Anschein einer vorvertraglichen Bindung vermieden werden.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen einem Indicative und einem Term Sheet?

Obwohl sowohl das Indicative als auch das Term Sheet im Rahmen von Transaktionsverfahren eingesetzt werden und meist als unverbindlich ausgestaltet sind, gibt es feine, aber wichtige rechtliche Unterschiede. Das Indicative ist klassisch eine erste, grobe Interessenbekundung mit Übersichtscharakter und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ein Term Sheet hingegen enthält gewöhnlich bereits präzisere, detailliertere Bedingungen und kann – je nach Ausgestaltung – auch einzelne rechtlich bindende Bestandteile (z.B. Exklusivität, Vertraulichkeit) vorsehen. Während das Indicative meist vor einer Due Diligence und zur Sondierung des Käuferinteresses eingeholt wird, bildet ein Term Sheet oft die Grundlage für die finale Vertragsverhandlung nach erfolgter Due Diligence. Daher ist bei beiden Dokumenten auf die klare rechtliche Ausgestaltung – insbesondere bezüglich der Bindungswirkung – zu achten.