Begriff und Bedeutung der Incoterms
Die Incoterms (International Commercial Terms) sind weltweit anerkannte Regelwerke, welche standardisierte Vertragsklauseln für den internationalen Warenhandel bereitstellen. Sie dienen der eindeutigen Regelung der Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer in Bezug auf Lieferung, Transport, Kostenübernahme, Gefahrübergang und Versicherung von Waren. Herausgegeben werden die Incoterms von der Internationalen Handelskammer (ICC, International Chamber of Commerce) mit Sitz in Paris. Die aktuell gültige Fassung sind die Incoterms 2020, welche am 1. Januar 2020 in Kraft trat.
Rechtlicher Hintergrund und Einordnung
Funktion der Incoterms im Handelsverkehr
Die Incoterms stellen keine eigenständigen Rechtsvorschriften oder Gesetze dar, sondern sind als freiwillig vereinbarte Vertragsklauseln Teil privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Parteien. Sie werden weder automatisch noch zwangsläufig Bestandteil eines Kaufvertrages, sondern bedürfen der ausdrücklichen Vereinbarung, z. B. in Formulierung wie „CIF Hamburg Incoterms 2020″. Die Klauseln regeln weder das Zustandekommen des Vertrages noch Eigentumsübergang, Zahlungsbedingungen oder Vertragsstrafen.
Einordnung im internationalen Recht
Rechtlich basieren die Incoterms auf international üblichen Gepflogenheiten (Handelsbräuchen / Usancen). Ihre Anwendung findet vor allem im internationalen Warenkauf nach dem UN-Kaufrecht (CISG) sowie im übernationalen Handel statt. Innerhalb nationaler Rechtssysteme entfalten sie lediglich Wirkung, wenn sie ausdrücklich als Vertragsbestandteil vereinbart werden.
Relation zu bestehenden Rechtsvorschriften
Die Incoterms ergänzen die gesetzlichen Regelungen, wobei nationales Recht und zwingende internationale Vorschriften (wie z. B. UN-Kaufrecht, Seerecht, Zollrecht) stets Vorrang haben. Sie sind auf die Schnittstelle zwischen Vertragspartnern im grenzüberschreitenden Handelsverkehr ausgerichtet und vermeiden Doppelregelungen und Auslegungsschwierigkeiten.
Systematik und Aufbau
Gliederung der Incoterms 2020
Die Incoterms 2020 enthalten insgesamt elf verschiedene Klauseln, die sich in zwei Hauptgruppen unterteilen lassen:
- Klauseln für alle Transportarten: EXW, FCA, CPT, CIP, DAP, DPU, DDP
- Klauseln ausschließlich für den See- und Binnenschiffstransport: FAS, FOB, CFR, CIF
Jede Klausel wird durch eine dreibuchstabige Abkürzung sowie einen vereinbarten Ort oder Bestimmungsort präzisiert (z. B. FOB Rotterdam, DDP Wien).
Rechtswirkungen der einzelnen Klauseln
Die Vertragspartner wählen automatisch mit der Klausel die zwischen ihnen geltenden Regelungen in den folgenden Bereichen:
- Lieferort und Art der Lieferung
- Kostenverteilung
- Gefahrenübergang
- Pflichten in Bezug auf Transportdokumente, Versicherung und Exportformalitäten
Eine Übersicht der wichtigsten Effekte folgt:
- EXW (Ex Works / Ab Werk): Verkäufer stellt die Ware auf seinem Gelände zur Verfügung, der Käufer trägt nahezu alle Kosten und Risiken ab Werkstor.
- FCA (Free Carrier / Frei Frachtführer): Verkäufer übergibt die Ware an einen spezifizierten Frachtführer; Gefahr und Kosten gehen ab Übergabe über.
- CIF (Cost, Insurance and Freight / Kosten, Versicherung und Fracht): Verkäufer trägt Kosten und Fracht bis zum vereinbarten Zielhafen inkl. Mindestversicherung, Gefahrübergang erfolgt jedoch bereits am Verschiffungshafen.
Eine detaillierte Beschreibung aller Klauseln findet sich jeweils in den offiziellen Veröffentlichungen der ICC.
Haftung, Risiko und Gefahrübergang
Das zentrale Element der Incoterms ist die Bestimmung des Zeitpunkts und Orts, an dem das Risiko für Verlust oder Beschädigung der Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Dieser sogenannte Gefahrübergang unterscheidet sich je nach gewählter Klausel und ist für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen relevant.
So geht z. B. bei der Klausel FCA die Gefahr bereits bei Übernahme der Ware durch den Frachtführer auf den Käufer über, wohingegen bei DDP (Delivered Duty Paid) der Verkäufer bis zum abgestimmten Bestimmungsort alle Risiken trägt.
Kostenverteilung und Transportpflichten
Die Finanzierungsverantwortung für unterschiedliche Abschnitte des Transportweges (z. B. Frachtkosten, Versicherungsprämien, Zollgebühren, Steuern) ist ebenfalls klar zugewiesen und in den jeweiligen Klauseln exakt definiert. In der Regel trägt der Verkäufer ab EXW lediglich die Kosten bis zur Bereitstellung der Ware, während bei CIF und CIP er auch Transport- und Versicherungskosten bis zum Zielort übernehmen muss.
Zudem regeln die Incoterms, wer für die Einholung etwaiger behördlicher Dokumente (z. B. Exportlizenzen, Ursprungszeugnisse, Zolldokumente) verantwortlich ist.
Pflichten hinsichtlich Transportdokumente und Versicherung
Einige Klauseln verpflichten explizit zur Beschaffung und Übergabe von Transportdokumenten (Ladeschein, Bill of Lading, Frachtbrief). So ist der Verkäufer bei den Klauseln CIF und CIP verpflichtet, auf eigene Kosten eine Transportversicherung zugunsten des Käufers abzuschließen – jedoch nur mit Mindestdeckung gemäß den jeweils gültigen ICC-Versicherungsbedingungen (Institute Cargo Clauses).
Anwendungsbereich und Ausnahmen
Die Incoterms sind ausschließlich auf den physischen Warenhandel ausgerichtet und finden keine Anwendung auf Dienstleistungen, Software, Immobilien, Finanzinstrumente oder immaterielle Güter. Sie regeln explizit keine Fragen des Zahlungsverkehrs (wie Akkreditive oder Zahlungsmodalitäten), Verantwortlichkeit für Ladungssicherung oder Haftung infolge vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens.
Bedeutung bei Streitigkeiten und Vertragsauslegung
Die Incoterms reduzieren das Risiko von Missverständnissen bezüglich Lieferverpflichtungen, Gefahrübergängen und Kostenverteilung. Im Streitfall unterstützen sie die Klärung, sofern sie gemäß den amtlichen ICC-Texten präzise vereinbart wurden (inklusive Jahreszahl, z. B. „Incoterms 2020″).
Entscheidend für die Anwendung bleibt jedoch stets die ergänzende vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Nationale sowie internationale Gerichte und Schiedsstellen ziehen regelmäßig die Auslegungshilfen der ICC heran.
Neuregelungen und Anpassungen (Incoterms 2020)
Die Rechtsentwicklung der Incoterms spiegelt die Veränderungen des Welthandels wider. Die aktuelle Fassung von 2020 enthält Anpassungen, um flexibler den Einsatz moderner Transportmittel (wie Containerverkehr) und aktueller Sicherheitsanforderungen (wie ISPS-Code) zu berücksichtigen. Wesentliche Änderungen betreffen u. a.:
- Die Umbenennung von DAT (Delivered at Terminal) zu DPU (Delivered at Place Unloaded).
- Änderungen bei der Pflicht zur Versicherung und Höherdeckung bei CIP.
- Detailliertere Regelungen zur Übernahme der Beförderungspapiere und zur Informationspflicht.
Fazit und Bedeutung für den internationalen Handel
Die Incoterms bilden unverzichtbare Eckpfeiler im internationalen Warenverkehr. Sie schaffen klare und einheitliche Regelungen für den Gefahrenübergang, die Kostenverteilung sowie Transport- und Versicherungspflichten. Damit fördern sie die Rechtssicherheit, Transparenz und Effizienz bei der Vertragsgestaltung, insbesondere im internationalen Kontext.
In der rechtsverbindlichen Praxis empfiehlt sich eine sorgfältige Auswahl und präzise Bezugnahme auf jeweils gültige Incoterms-Fassungen. Die Wahl der passenden Klausel sollte stets mit Blick auf individuelle Interessen, Transportwege und die einschlägigen nationalen wie internationalen Rechtsvorschriften erfolgen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtliche Verbindlichkeit haben Incoterms in internationalen Verträgen?
Incoterms (International Commercial Terms) sind von der Internationalen Handelskammer (ICC) veröffentlichte Regelwerke, die im internationalen Warenhandel zur Anwendung kommen. Rechtlich gesehen sind Incoterms keine Gesetze, sondern setzen ihre Verbindlichkeit erst durch ausdrückliche vertragliche Einbeziehung in den Kaufvertrag voraus. Erst dann, wenn beide Parteien im Vertrag explizit einen oder mehrere Incoterms als Grundlage benennen – etwa „CIF Hamburg, Incoterms® 2020″ – entfalten diese verbindliche Wirkung. Es ist daher rechtlich essenziell, die aktuelle Revision und die konkrete Fassung zu nennen. Die Incoterms regeln zwar zentrale Aspekte des Warenhandels, insbesondere den Gefahrenübergang, Kostentragung und bestimmte Pflichten der Parteien, sie ersetzen jedoch keine gesetzlichen Vorschriften über das Eigentum, die Zahlungsabwicklung oder die Vertragsauflösung. Nationale Gesetze und vorrangige internationale Abkommen wie das UN-Kaufrecht (CISG) bleiben gültig und können im Zweifel Anwendung finden, wenn Incoterms einzelne Fragen nicht abschließend regeln.
Welche Risiken bestehen, wenn in einem Vertrag ein veralteter Incoterm verwendet wird?
Wird in einem Vertrag eine ältere Fassung der Incoterms (z. B. Incoterms® 2000 anstelle von Incoterms® 2020) referenziert, gilt ausschließlich diese Version, auch wenn zwischenzeitlich eine neuere Fassung veröffentlicht wurde. Das birgt mehrere rechtliche Risiken: Zum einen können Inhalte und Regelungen von Fassung zu Fassung erheblich variieren, was zu Missverständnissen hinsichtlich der Risiken, Kosten und Pflichten führen kann. Zum anderen könnten sich nationale Rechte oder internationale Gepflogenheiten seit Entwicklung der älteren Fassung gewandelt haben, sodass veraltete Klauseln nicht mehr aktuellen Praktiken oder gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dadurch erhöht sich das Risiko für Streitigkeiten und mögliche Gerichtsverfahren, insbesondere dann, wenn die Parteien von unterschiedlichen Fassungen ausgehen oder die vertragliche Bezugnahme unklar bleibt. Rechts- und Vertragssicherheit ist deshalb nur gewährleistet, wenn exakt die gewünschte Fassung durch Nennung von Jahr und Bezeichnung festgelegt wird.
Welche Aspekte regeln Incoterms ausdrücklich nicht und erfordern zusätzliche rechtliche Vereinbarungen?
Trotz ihrer breiten Akzeptanz beschränken sich Incoterms ausschließlich auf die Fragen rund um die Lieferung von Waren, insbesondere den Gefahrenübergang, die Kostenaufteilung sowie die Verpflichtungen hinsichtlich Transportversicherungen, Fracht und Zolldokumenten. Incoterms regeln jedoch ausdrücklich nicht die Eigentumsübertragung der Ware, Zahlungsbedingungen, Gerichtsstand und anwendbares Recht, Vertragsstrafen, Haftungsbegrenzungen oder die Folgen von Vertragsbruch und höherer Gewalt (Force Majeure). All diese Punkte müssen durch gesonderte Vereinbarungen oder ergänzende Vertragsklauseln festgelegt werden. Das gilt auch für Qualitätskontrollen, Wareneingangsprüfungen und spezifische Anforderungen an die Lieferbedingungen über die Incoterms hinaus. Fehlen solche Vereinbarungen, wird auf nationale oder internationale gesetzliche Regelungen zurückgegriffen, was zu ungewollten Rechtsfolgen führen kann.
Wie ist das Verhältnis zwischen Incoterms und nationalen zwingenden Rechtsvorschriften?
Incoterms finden ihre Anwendbarkeit nur im Rahmen der Vertragsfreiheit und können durch zwingende nationale Rechtsvorschriften eingeschränkt oder überlagert werden. Beispielsweise können bestimmte Verbraucherschutzgesetze, Zollvorschriften oder Transportgesetze einzelner Staaten Vorrang gegenüber vertraglichen Incoterms-Vereinbarungen haben und deren Wirkung einschränken oder überschreiben. So kann im Transportrecht oder im Seehandelsrecht beispielsweise das nationale HGB (Handelsgesetzbuch) in Deutschland oder spezifische Vorschriften zur Haftungsbegrenzung Anwendung finden. Sind Incoterms mit zwingendem Recht unvereinbar, werden nur die zulässigen Teile der Incoterms-Klauseln Vertragsbestandteil; im Übrigen gelten die nationalen Vorschriften. Parteien sollten daher sorgfältig prüfen, in welchem Rechtsraum der Vertrag wirkt und ob erforderliche Anpassungen oder Klarstellungen notwendig sind.
Welche Bedeutung haben Incoterms im Streitfall vor Gericht oder im Schiedsverfahren?
Im Streitfall dienen die vereinbarten Incoterms als zentrale Auslegungsregel für die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Hinblick auf Lieferung, Gefahrtragung und Kosten. Da Incoterms international anerkannt und weit verbreitet sind, werden sie von Gerichten und Schiedsgerichten als maßgeblicher Vertragsinhalt herangezogen, sofern sie wirksam in den Vertrag aufgenommen wurden. Die konkrete Klausel und deren Fassung bestimmen dann die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Unklarheiten oder fehlende Präzisierungen – wie eine fehlende Jahresangabe – werden regelmäßig zulasten der Partei gewertet, die sich darauf beruft, weil sie nach ständiger Rechtsprechung für die klare und eindeutige Vertragsgestaltung verantwortlich ist. Zusätzlich wird im Streitfall geprüft, ob möglicherweise ergänzende oder abweichende vertragliche Regelungen oder nationale Vorschriften zu berücksichtigen sind.
Inwiefern beeinflussen Incoterms die Haftung bei Transportverlust oder -schäden?
Incoterms regeln explizit den Zeitpunkt und Ort des Gefahrenübergangs, also wann das Risiko für Verlust oder Beschädigung der Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. Das bedeutet jedoch nicht, dass Incoterms Haftungsfragen im Haftungsrecht selbst abschließend regeln. Während beispielsweise bei der Klausel FOB („Free On Board“) das Risiko auf den Käufer übergeht, sobald die Ware an Bord des Schiffs im Verschiffungshafen ist, muss für einzelne Haftungsfragen, etwa bei grober Fahrlässigkeit oder Pflichtverletzungen, auf das einschlägige nationale oder internationale Recht zurückgegriffen werden. Incoterms ersetzen keine spezialgesetzlichen Haftungsregelungen, sondern bestimmen vielmehr, ab wann und in welcher Phase etwaige Schadensersatzansprüche geltend zu machen sind. Versicherungsaspekte sind bei einigen Klauseln geregelt (z.B. CIF, CIP), aber oft bleibt eine Absicherung Länderrisiken, Schäden oder Verlust durch spezielle Transportversicherungen zu berücksichtigen, für deren Abschluss die Incoterms selbst nur den Rahmen setzen.
Welche Rolle spielen Incoterms im Kontext des Zollrechts?
Incoterms haben erheblichen Einfluss auf zollrechtliche Fragen, insbesondere bei der Bestimmung des Zollwerts, der Deklarationspflichten und Verantwortlichkeiten für die Einfuhr- und Ausfuhrzollabfertigung. Die jeweilige Klausel legt vertraglich verbindlich fest, welche Partei für die Besorgung, Bezahlung und Vorlage der zollrelevanten Dokumente sowie für die Durchführung der Zollabfertigung verantwortlich ist. Dennoch ersetzen Incoterms weder die Zollgesetze noch die formellen Anforderungen an Deklarationen und Meldepflichten – hier gelten weiterhin die einschlägigen nationalen und internationalen zollrechtlichen Vorschriften. Fehler bei der vertraglichen Ausgestaltung oder Missverständnisse über die Verantwortlichkeiten können zu zollrechtlichen Sanktionen oder Bußgeldern führen. Faktoren wie Ursprungsnachweis, Lieferbedingungen oder Präferenzen müssen daher vertraglich eindeutig geregelt werden, um auch zollrechtlich konforme Abläufe sicherzustellen.