Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Incoterms

Incoterms

Incoterms: Begriff, Einordnung und Bedeutung

Incoterms sind international anerkannte, standardisierte Handelsklauseln zur Auslegung von Lieferbedingungen im grenzüberschreitenden und nationalen Warenverkehr. Sie werden von der Internationalen Handelskammer (ICC) veröffentlicht und dienen dazu, Pflichten, Kosten- und Gefahrverteilung zwischen Verkäufer und Käufer rund um die Lieferung von Waren klar zuzuordnen. Incoterms sind kein Gesetz, erhalten jedoch rechtliche Wirkung, wenn sie ausdrücklich in einen Kaufvertrag einbezogen werden.

Rechtsnatur und Geltungsweise

Incoterms sind privat erarbeitete Regelwerke. Sie entfalten Bindungswirkung durch Parteivereinbarung. Werden Incoterms in einen Vertrag aufgenommen, regeln sie insbesondere den Ort der Lieferung, den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, die Kostentragung sowie Pflichten im Zusammenhang mit Transport, Versicherung, Dokumenten und Zoll. Andere Vertragsfragen – etwa Eigentumsübergang, Preis, Zahlung, Haftung für Sachmängel oder Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen – werden durch Incoterms nicht bestimmt und verbleiben beim anwendbaren Kaufrecht und den individuellen Vertragsabreden.

Aktuelle Fassung

Die derzeit maßgebliche Fassung ist „Incoterms 2020″. Frühere Fassungen bleiben relevant, wenn sie von den Parteien ausdrücklich in Bezug genommen werden. Eine eindeutige Bezugnahme einschließlich der Jahresangabe verbessert die rechtliche Einordbarkeit der gewählten Klausel.

Funktion im Warenkauf

Zuordnung von Pflichten

Incoterms ordnen, je nach Klausel, u. a. folgende Punkte zu:

  • Lieferort und Art der Bereitstellung oder Übergabe der Ware
  • Zeitpunkt und Ort des Gefahrübergangs
  • Tragung von Transport-, Umschlags-, Versicherungs- und Zollkosten
  • Abschluss von Transport- und ggf. Versicherungsverträgen
  • Beschaffung, Übergabe und Form von Dokumenten (physisch oder elektronisch)
  • Ausfuhr- und Einfuhrabfertigung einschließlich Sicherheitsanforderungen

Gefahr- und Kostenübergang

Ein Kernelement der Incoterms ist die klare Trennung von Risiko und Kosten: Der Gefahrübergang (Wer trägt das Risiko eines Verlusts oder einer Beschädigung?) kann sich zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort vollziehen als der Kostenübergang (Wer trägt welche Kosten?). Diese Unterscheidung ist für die Haftungsverteilung zentral.

Systematik der Incoterms 2020

Klauseln für alle Transportarten

  • EXW – Ab Werk: Abholung durch den Käufer am benannten Ort; Risiko geht bei Bereitstellung über.
  • FCA – Frei Frachtführer: Übergabe an den ersten Frachtführer am benannten Ort.
  • CPT – Frachtfrei: Verkäufer organisiert Transport bis zum benannten Bestimmungsort; Risiko geht früher über.
  • CIP – Frachtfrei versichert: Wie CPT, zusätzlich Pflicht des Verkäufers zum Abschluss einer Transportversicherung mit weitergehender Deckung.
  • DAP – Geliefert benannter Ort: Lieferung bereit zur Entladung am benannten Ort; Risiko bis dorthin beim Verkäufer.
  • DPU – Geliefert, entladen: Lieferung erfolgt nach Entladung am benannten Ort.
  • DDP – Geliefert verzollt: Verkäufer trägt Einfuhrabfertigung und Einfuhrabgaben.

Klauseln ausschließlich für See- und Binnenschiffstransporte

  • FAS – Frei Längsseite Schiff: Lieferung längsseits des Schiffs im Verschiffungshafen.
  • FOB – Frei an Bord: Gefahrübergang beim Verladen an Bord im Verschiffungshafen.
  • CFR – Kosten und Fracht: Verkäufer trägt Beförderungskosten bis Zielhafen; Risiko geht beim Verladen an Bord über.
  • CIF – Kosten, Versicherung und Fracht: Wie CFR, zusätzlich Pflicht zum Abschluss einer Transportversicherung mit Mindestdeckung.

Rechtliche Wirkung im Vertrag

Einbeziehung und Auslegung

Rechtliche Wirkung erlangen Incoterms durch eindeutige vertragliche Bezugnahme, einschließlich der gewählten Klausel, des benannten Orts/Hafens und der maßgeblichen Fassung (z. B. „Incoterms 2020″). Im Kollisionsfall gehen individuelle Abreden den Standardregeln vor. Handelsbräuche und die konkrete Vertragspraxis können die Auslegung beeinflussen.

Verhältnis zu nationalem Recht

Incoterms ersetzen nicht das anwendbare Kaufrecht. Sie ergänzen es hinsichtlich Lieferung, Risiko, Kosten und damit verbundener Pflichten. Fragen wie Vertragsschluss, Mängelrechte, Verzug, Schadensersatz, Eigentumsübergang, Preis und Zahlungsmodalitäten werden durch das einschlägige Recht und die vertraglichen Regelungen bestimmt. Werden Incoterms als Teil allgemeiner Geschäftsbedingungen verwendet, können in einzelnen Rechtsordnungen zusätzliche Wirksamkeitsanforderungen bestehen.

Verhältnis zum UN-Kaufrecht

Wenn das UN-Kaufrecht anwendbar ist, wirken Incoterms als detaillierte Auslegungshilfe für Liefer- und Risikoregeln. Sie können spezielle, von den gesetzlichen Grundregeln abweichende Bestimmungen enthalten; die vertragliche Vereinbarung hat insoweit Vorrang.

Inhaltliche Kernelemente der Klauseln

Benannter Ort und Präzision

Der benannte Ort/Hafen ist rechtlich entscheidend für Lieferpflicht, Gefahrübergang und Kostenzuordnung. Je präziser der Ort benannt ist, desto klarer ist die Zuordnung der Pflichten entlang der Lieferkette.

Transportvertrag und -mittel

Je nach Klausel trifft den Verkäufer oder Käufer die Pflicht, einen Transportvertrag abzuschließen. In bestimmten Klauseln ist auch eine Beförderung mit eigenen Mitteln möglich. Der Umfang der Pflicht richtet sich nach der Klausel und dem benannten Ort.

Versicherungspflichten

Nicht alle Klauseln beinhalten Versicherungspflichten. Bei CIF und CIP besteht eine Pflicht zum Abschluss einer Transportversicherung zugunsten des Käufers. Bei CIP ist die Deckung höher angelegt als bei CIF. Die genauen Inhalte ergeben sich aus der jeweiligen Klauselbeschreibung.

Dokumente und elektronische Nachweise

Incoterms erkennen an, dass Dokumente sowohl in Papierform als auch elektronisch bereitgestellt werden können, sofern vereinbart oder handelsüblich. Dazu zählen Transportdokumente, Liefernachweise und Zollunterlagen.

Zoll, Abgaben und Sicherheit

Die Zuständigkeit für Ausfuhr- und Einfuhrabfertigung, die Tragung von Abgaben sowie die Erfüllung sicherheitsrechtlicher Anforderungen werden den Parteien je nach Klausel zugewiesen. Üblicherweise organisiert der Verkäufer die Ausfuhr, während die Einfuhr beim Käufer liegt; DDP bildet eine Ausnahme mit Einfuhrpflichten auf Verkäuferseite.

Abgrenzungen und typische Missverständnisse

Eigentum vs. Gefahr

Incoterms regeln nicht den Eigentumsübergang. Der Zeitpunkt, zu dem die Gefahr übergeht, ist unabhängig davon, wem die Ware rechtlich gehört. Eigentum und Risiko können auseinanderfallen.

Zahlungskonditionen

Zahlungsmodalitäten, Skonti, Zahlungszeitpunkt sowie Sicherungsinstrumente wie Akkreditive werden nicht durch Incoterms festgelegt. Gleichwohl beeinflussen bestimmte Klauseln die Dokumentenlage und damit die Abwicklung von Zahlungsinstrumenten.

Produkthaftung, Gewährleistung und Rechtsfolgen

Fragen der Mängelhaftung, der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung, Verzug und Rücktritt sind nicht Gegenstand der Incoterms. Diese Aspekte richten sich nach dem anwendbaren Recht und den vertraglichen Vereinbarungen.

Versionierung, Sprache und Auslegung

Die ICC veröffentlicht autorisierte Sprachfassungen. Für die Auslegung ist die ausdrücklich in Bezug genommene Fassung maßgeblich. Übersetzungen dienen der Verständlichkeit; maßgebliche Textfassungen der ICC bilden die Grundlage für die rechtliche Einordnung.

Digitale Entwicklungen

Die zunehmende Nutzung elektronischer Frachtpapiere und digitaler Nachweise ist in den Incoterms angelegt, sofern vereinbart oder üblich. Die rechtliche Anerkennung elektronischer Dokumente hängt zusätzlich von den anwendbaren Rechtsordnungen und der Vertragsgestaltung ab.

Zusammenfassung

Incoterms schaffen Rechtsklarheit über Lieferort, Risiko, Kosten sowie Transport-, Versicherungs- und Zollpflichten. Sie wirken als vertragliche Regelungen, ergänzen das anwendbare Kaufrecht und erleichtern die einheitliche Auslegung internationaler Lieferbedingungen. Andere Vertragsfragen bleiben unberührt und müssen gesondert geregelt werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind Incoterms und welche rechtliche Wirkung haben sie?

Incoterms sind standardisierte Lieferklauseln der Internationalen Handelskammer. Sie erhalten rechtliche Wirkung durch vertragliche Einbeziehung und regeln insbesondere Lieferort, Gefahr- und Kostenübergang sowie bestimmte Transport-, Versicherungs- und Zollpflichten.

Ersetzen Incoterms das anwendbare Kaufrecht?

Nein. Incoterms ergänzen das anwendbare Recht in Bezug auf Lieferung, Gefahr, Kosten und damit verbundene Pflichten. Fragen wie Eigentumsübergang, Preis, Zahlung, Gewährleistung, Verzug oder Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen bleiben vom Kaufrecht und den individuellen Vertragsabreden bestimmt.

Regeln Incoterms den Eigentumsübergang?

Nein. Incoterms bestimmen den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, nicht den Eigentumsübergang. Eigentumserwerb und Risiko können zeitlich auseinanderfallen.

Wie werden Incoterms wirksam in einen Vertrag einbezogen?

Durch eine eindeutige Bezugnahme im Vertrag, die die konkrete Klausel (z. B. FOB), den benannten Ort oder Hafen sowie die maßgebliche Fassung (z. B. Incoterms 2020) enthält. Die Einbeziehung macht die Klauseln zum Bestandteil der vertraglichen Regelungen.

Worin unterscheiden sich CIF und CIP in Bezug auf die Versicherung?

Beide Klauseln enthalten eine Pflicht des Verkäufers zum Abschluss einer Transportversicherung zugunsten des Käufers. Bei CIP ist die vorgesehene Versicherungsdeckung weitergehend als bei CIF; die vertraglich zu erfüllenden Mindeststandards unterscheiden sich entsprechend.

Dürfen Incoterms angepasst oder kombiniert werden?

Abweichungen sind möglich, wenn sie klar vertraglich formuliert werden. Individuelle Regelungen gehen den Standardklauseln vor. Unklare oder widersprüchliche Kombinationen können die Auslegung erschweren.

Welches Verhältnis besteht zwischen Incoterms und dem UN-Kaufrecht?

Incoterms und UN-Kaufrecht wirken nebeneinander. Incoterms konkretisieren insbesondere Lieferung, Risiko und Kosten. Soweit vertraglich vereinbart, haben die Incoterms-Regeln innerhalb ihres Anwendungsbereichs Vorrang vor allgemeinen gesetzlichen Grundsätzen.