Definition und rechtliche Einordnung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist eine Verordnung der deutschen Bundesregierung, die die Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen im Bereich des Bauwesens regelt. Sie stellt eine zentrale Regelung des Preisrechts im Zusammenhang mit Architektur- und Ingenieurdienstleistungen dar. Die HOAI wurde erstmals 1977 erlassen, mehrfach novelliert und zuletzt grundlegend infolge europarechtlicher Vorgaben angepasst.
Historische Entwicklung der HOAI
Die HOAI hat eine über 40-jährige Entwicklung hinter sich. Ihr Ursprung liegt im Bedürfnis, eine verbindliche und transparente Regelung zur Honorierung von Planungsleistungen zu schaffen. Ziel war und ist es, eine angemessene Vergütung sicherzustellen und ruinöse Unterbietungen, die sich negativ auf Leistung und Bauqualität auswirken, zu verhindern.
Novellen und europarechtliche Einflüsse
Wesentliche Änderungen ergeben sich durch Anpassungen an die europäische Rechtsprechung, insbesondere nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2019 (Rechtssache C-377/17). Das Gericht erklärte die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI für unvereinbar mit der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG. Infolge dessen wurde die HOAI 2021 grundlegend überarbeitet und enthält seither nur noch unverbindliche Honorarempfehlungen.
Systematik der HOAI
Geltungsbereich
Die HOAI gilt für die Planung und Überwachung von Bauwerken durch Architekten und Ingenieure innerhalb Deutschlands. Sie regelt insbesondere Honorarfragen im Kontext von Grundleistungen und besonderen Leistungen in verschiedenen Leistungsphasen von Bauprojekten (z.B. Gebäude, Freianlagen, Ingenieurbauwerke).
Persönlicher Geltungsbereich
Die HOAI richtet sich an am Baugeschehen beteiligte Architekten und Ingenieure, unabhängig von deren rechtlicher Beziehung zum Auftraggeber (z. B. Einzelvertrag, Rahmenvertrag).
Sachlicher Geltungsbereich
Erfasst werden insbesondere folgende Leistungen:
- Objektplanung für Gebäude und Innenräume
- Tragwerksplanung
- Technische Ausrüstung
- Stadtplanung
- Leistungen bei Freianlagen und Verkehrsanlagen
Aufbau und Struktur der HOAI
Die HOAI gliedert sich in einen allgemeinen und einen fachspezifischen Teil. Nach allgemeinen Vorschriften folgen Regelungen zu den verschiedenen Leistungsbildern und Honorartafeln.
Rechtsnatur und rechtliche Bindungswirkung
Rechtsform der HOAI
Bei der HOAI handelt es sich um eine Rechtsverordnung, erlassen auf Basis der Ermächtigungsgrundlage des § 34 Bundesarchitektenordnung (BAK) und § 34 Bundesingenieurkammergesetz (BKIng).
Rechtswirkungen seit 2021
Vor dem EuGH-Urteil war die HOAI zwingendes Preisrecht mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen. Seit dem 1. Januar 2021 besteht nur noch eine Orientierungsfunktion: Honorare können frei vereinbart werden, sofern sie in Textform festgelegt werden. Fehlt eine solche Vereinbarung, gilt das Basishonorar laut HOAI als Orientierungswert.
Anwendbarkeit und Ausnahmen
Die HOAI ist nicht auf Auslandsplanungen oder Leistungen außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets anwendbar. Für Verträge mit öffentlichen Auftraggebern gelten nach wie vor die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
Inhaltliche Schwerpunkte der HOAI
Leistungsbilder und Leistungsphasen
Die HOAI definiert sog. Leistungsbilder in neun aufeinander aufbauenden Leistungsphasen (z.B. Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Objektüberwachung). Jede Phase stellt einzelne Aufgabenbereiche und zugehörige Grundleistungen dar. Für zusätzliche Aufgaben sind besondere Leistungen vorgesehen.
Honorartafeln und Honorarsätze
Die HOAI benennt für verschiedene Leistungsbilder jeweils Honorartafeln mit Orientierungswerten (Mindest-, Regel-, und Höchstsatz – letzterer jedoch nur noch als unverbindliche Empfehlung). Die tatsächliche Vergütung wird auf Grundlage der anrechenbaren Kosten und des Schwierigkeitsgrades der Planung (Honorarzone) berechnet.
Honorare für Grundleistungen
Das Honorar für die einzelnen Leistungsphasen ergibt sich aus Prozentsätzen und anrechenbaren Kosten des Bauwerks.
Honorare für Besondere Leistungen
Besondere Leistungen werden in der HOAI ausdrücklich ausgewiesen und können auf Basis separater Vereinbarungen vergütet werden.
Vertragsgestaltung, Textform und Transparenz
Der Architekten- oder Ingenieurvertrag muss eine Vereinbarung über das Honorar in Textform (z. B. per E-Mail) enthalten. Andernfalls gilt automatisch das Basishonorar der jeweiligen Honorartafel als verabredet (§ 7 Abs. 5 HOAI n.F.).
Auswirkungen europarechtlicher Vorgaben
Der Wegfall der verbindlichen Mindestsätze nach EuGH-Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf das Preisgefüge am Markt. Nach wie vor besteht jedoch für öffentliche Auftraggeber und zur Gewährleistung der Qualität Planungssicherheit durch Orientierung an den HOAI-Regelwerken.
Anwendungsprobleme und Streitfragen
Altverträge und Übergangsregelungen
Für Verträge, die vor Inkrafttreten der HOAI 2021 geschlossen wurden, gilt weiterhin das alte Preisrecht. Die Differenzierung zwischen Alt- und Neuverträgen kann in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten führen, wenn Leistungen grenzüberschreitend oder über einen längeren Zeitraum erbracht werden.
Gerichtlich überprüfbare Honorarfestsetzung
Im Fall von Honorarstreitigkeiten dient die HOAI als sachverständige Grundlage zur Bemessung einer marktüblichen Vergütung, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden.
Bedeutung der HOAI für die Baupraxis
Die HOAI bleibt trotz der europäischen Einflüsse der maßgebliche Bezugsrahmen für die Honorarermittlung von Architekten- und Ingenieurleistungen in Deutschland. Sie gewährleistet Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Vergütung komplexer Planungsleistungen. Zudem trägt sie zur Qualitätssicherung und zur Wahrung wettbewerblicher Strukturen in der Bauwirtschaft bei.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- HOAI – Textausgabe mit amtlicher Begründung, jeweils aktuelle Fassung
- Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Informationen zur HOAI
- Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Urteile zur Honorarordnung
- Bundesarchitektenkammer: Erläuterungen zur Anwendung der HOAI
- Wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Honorarordnung im Baurecht
Hinweis
Dieser Artikel dient dem rechtlichen Verständnis der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure und spiegelt den Stand der Gesetzgebung und Rechtsauffassung zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (2024) wider. Für die Anwendung im Einzelfall ist die jeweils aktuelle Gesetzeslage sowie einschlägige Rechtsprechung maßgeblich zu berücksichtigen.
Häufig gestellte Fragen
Wie ist die HOAI rechtlich einzuordnen und welche Bedeutung hat sie nach aktueller Rechtslage?
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist eine Verordnung der Bundesregierung, die auf Grundlage des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG) erlassen wurde. Die HOAI legt Rahmenbedingungen für die Vergütung von Grundleistungen bei Planungs- und Bauüberwachungsleistungen im Bauwesen fest. Nach wegweisenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Juli 2019 (C-377/17) sowie des Bundesgerichtshofs wurde die zwingende Mindest- und Höchstpreisbindung durch die HOAI für europarechtswidrig erklärt. Die seit 2021 geltende Fassung der HOAI sieht daher keine verbindlichen Preisrahmen mehr vor, sondern gibt lediglich Honorarempfehlungen. Ein Verstoß gegen die Empfehlung ist dennoch nicht rechtswidrig, wohl aber kann sie als Orientierung für eine übliche Vergütung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs herangezogen werden. Vertraglich können nunmehr grundsätzlich auch außerhalb der Empfehlung liegende Honorare frei vereinbart werden, solange sie nicht sittenwidrig sind. Öffentlich-rechtliche Auftraggeber sind jedoch gehalten, die Grundsätze von Transparenz und Nichtdiskriminierung zu wahren. Die HOAI entfaltet insgesamt weiterhin Wirkung als gesetzliche Leitlinie, insbesondere für die gerichtliche Ermittlung der angemessenen Vergütung, sofern keine Individualvereinbarung getroffen wurde.
Welche Bedeutung kommt dem Grundsatz der Vertragsfreiheit bei Honorarvereinbarungen nach HOAI zu?
Mit der Neufassung der HOAI und dem Wegfall der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze ist die Vertragsfreiheit bei der Vereinbarung von Honoraren für Architekten- und Ingenieurleistungen maßgeblich gestärkt worden. Auftraggeber und Auftragnehmer können frei aushandeln, welches Honorar sie für die zu erbringenden Leistungen vereinbaren möchten. Es besteht keine rechtliche Verpflichtung mehr, sich innerhalb bestimmter Honorartafeln zu bewegen – lediglich die Stundensätze für bestimmte Leistungen müssen weiterhin schriftlich vereinbart werden. Die Vertragsfreiheit ist jedoch durch die allgemeinen zivilrechtlichen Beschränkungen, insbesondere die §§ 134 BGB (Verstoß gegen gesetzliches Verbot), 138 BGB (Sittenwidrigkeit), und die §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) begrenzt. Kommt keine Honorarvereinbarung zustande, so gilt gemäß § 632 Abs. 2 BGB die „übliche Vergütung“, wobei die Honorartafeln der HOAI als Richtschnur herangezogen werden.
Was gilt, wenn keine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen wurde?
Nach § 7 Abs. 7 HOAI 2021 und § 632 Abs. 2 BGB ist für das Honorar grundsätzlich die übliche Vergütung maßgeblich, wenn keine wirksame schriftliche Vereinbarung getroffen wurde. In der Praxis wird zur Feststellung der üblichen Vergütung auf die entsprechenden Honorartafeln der HOAI zurückgegriffen, auch wenn diese seit 2021 nur noch Empfehlungscharakter haben. Die Gerichte nutzen die HOAI daher nach wie vor als objektivierte Bewertungsgrundlage, um im Streitfall die ortsübliche und angemessene Vergütung zu ermitteln. Die Beweislast für eine abweichende Vergütungsabsprache oder eine andere übliche Vergütung liegt beim Auftraggeber.
Sind nach der aktuellen HOAI noch Schriftformerfordernisse für Honorare zu beachten?
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HOAI 2021 gilt weiterhin, dass Vereinbarungen über das Honorar für Grundleistungen und über Zuschläge zur schriftlichen Form getroffen werden müssen, d.h. sie sind von beiden Parteien zu unterzeichnen. Eine rein mündliche oder elektronische Absprache genügt grundsätzlich nicht, wenn ein abweichendes Honorar geltend gemacht werden soll. Wird das Schriftformerfordernis nicht eingehalten, bleibt als Rechtsfolge die Anwendung der „üblichen Vergütung“, welche nach herrschender Meinung anhand der HOAI ermittelt wird. Das Schriftformerfordernis betrifft nicht den gesamten Vertrag, sondern nur die konkrete Honorarabsprache. Ausnahmen gelten für Bauüberwachungsleistungen und einzelne Beratungsleistungen, bei denen die Formvorschriften gelockert sein können.
Inwieweit gelten Wettbewerbsregeln und EU-Vergaberecht bei öffentlich-rechtlichen Aufträgen?
Im Rahmen öffentlich-rechtlicher Auftragsvergaben ist das Vergaberecht der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinien 2014/24/EU sowie das GWB und die VgV, maßgeblich. Öffentliche Auftraggeber dürfen bei der Wahl des Honorars keine diskriminierenden oder intransparenten Maßstäbe ansetzen. Nach dem EuGH-Urteil sind sie verpflichtet, Honorare in offenen Vergabeverfahren auszuschreiben und dürfen keine starren Preisgrenzen anlegen. Sie können jedoch auf die HOAI Bezug nehmen, müssen dies aber mit den europäischen Vergaberegeln vereinbar gestalten, zum Beispiel durch Preisrahmen als Anhaltspunkt oder durch eigene Bewertungsmethoden, die Transparenz und Wettbewerb wahren. Abweichungen von der HOAI und ergänzende Regelungen müssen jedoch diskriminierungsfrei und überprüfbar sein.
Wie wirken sich Verstöße gegen die HOAI auf die Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen aus?
Ein Verstoß gegen die HOAI führt nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr automatisch zur Nichtigkeit der Honorarvereinbarung, da die preisrechtlichen Vorgaben der HOAI nur noch Empfehlungscharakter besitzen. Honorare außerhalb der HOAI-Tafeln sind daher grundsätzlich wirksam, sofern keine anderen zivilrechtlichen Vorschriften verletzt sind. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn eine zwingende öffentliche Vergabevorschrift verletzt wurde, etwa bei fehlender Transparenz in der öffentlichen Ausschreibung – in solchen Fällen kann dies aus vergaberechtlichen Gründen die Unwirksamkeit des Vertrags begründen, nicht aber aus der HOAI an sich.
Welche Auswirkungen hat die HOAI auf die Abrechnung von Mehr- und Zusatzleistungen?
Die HOAI unterscheidet zwischen Grundleistungen und besonderen Leistungen. Für Mehr- und Zusatzleistungen, die nicht als Grundleistungen im Sinne der HOAI gelten, ist eine gesonderte Vereinbarung notwendig; das Honorar hierfür ist mangels Regelung in der HOAI frei verhandelbar. Ohne Honorarvereinbarung für diese Leistungen gilt ebenfalls die übliche Vergütung; die HOAI kann hierfür als Anhaltspunkt herangezogen werden. Die ordnungsgemäße Beauftragung und schriftliche Vereinbarung der Mehr- und Zusatzleistungen ist insbesondere vor dem Hintergrund der Nachweisbarkeit für die spätere Abrechnung und Streitfälle von erheblicher rechtlicher Bedeutung.