Legal Lexikon

HOAI


Begriff und Bedeutung der HOAI

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist eine bundesweit geltende Rechtsverordnung, die die Berechnung der Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in Deutschland regelt. Sie ist ein zentrales Instrument zur Honorarermittlung und dient sowohl dem Schutz der Auftraggeber als auch dem Schutz der Planenden, indem sie eine transparente und faire Vergütung sicherstellt.

Die HOAI wurde im Jahr 1977 erstmals eingeführt und seitdem mehrfach novelliert, zuletzt unter Berücksichtigung der Vorgaben des europäischen Rechts. Die Verordnung selbst hat ihren rechtlichen Ursprung in § 34 der Bundesgebührenordnung und basiert aktuell auf der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 2 Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG).


Anwendungsbereich und Regelungsgehalt

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Die HOAI findet Anwendung auf Architektinnen und Architekten sowie auf Ingenieurinnen und Ingenieure, die in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind. Maßgeblich ist die Erbringung von Planungsleistungen im Bauwesen. Zu den Leistungen zählen beispielsweise Objektplanung, Fachplanung und Tragwerksplanung.

Nicht alle Leistungen im Zusammenhang mit Bauvorhaben sind jedoch erfasst. Die HOAI bestimmt abschließend, für welche Leistungen ein anwendbares Honorartableau vorliegt.

Aufbau und Struktur der HOAI

Die HOAI besteht aus mehreren Teilen, die unterschiedliche Leistungsbilder und Honorarermittlungen vorsehen:

  • Allgemeine Vorschriften (§§ 1-15 HOAI): regeln Grundbegriffe, Vertragsfreiheit, anrechenbare Kosten, Nebenkosten und Honorarvereinbarungen.
  • Besondere Teile: Widmen sich der Honorarermittlung für spezifische Leistungsbilder wie Gebäude, Innenräume, Freianlagen, Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen und Technische Ausrüstung.

Rechtliche Aspekte der HOAI

Rechtsnatur

Die HOAI ist eine Rechtsverordnung und damit untergesetzliches Recht. Sie ist keine selbstständige gesetzliche Grundlage, sondern wird durch das ArchLG ermöglicht. In der Vergangenheit war die HOAI zwingendes Preisrecht. Das bedeutet, dass die in der HOAI vorgesehenen Mindest- und Höchsthonorarsätze grundsätzlich verbindlich waren, sofern nicht explizit im zulässigen Rahmen abgewichen wurde.

Entwicklung durch europarechtliche Vorgaben

Im Jahr 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 04.07.2019, Rs. C-377/17), dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der damaligen HOAI mit der Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union nicht vereinbar sind. Aufgrund dessen wurde die HOAI zum 1. Januar 2021 novelliert. Seither ist die Honorarhöhe grundsätzlich frei vereinbar; die Honorartafeln der HOAI dienen nur noch als unverbindliche Orientierung.

Vertragsfreiheit und Honorarvereinbarung

Mit der Novellierung 2021 gilt: Die Vertragsparteien können die Honorare für Grundleistungen und Besondere Leistungen frei aushandeln. Eine schriftliche Honorarvereinbarung ist jedoch zwingend erforderlich. Fehlt eine solche, gilt das Basishonorar gemäß HOAI-Tabellen als vereinbart.

Anrechenbare Kosten und Leistungsbilder

Die anrechenbaren Kosten stellen die Bezugsgröße für die Honorarermittlung dar. Sie entsprechen den Kosten, die im Zusammenhang mit der erbrachten Planungsleistung tatsächlich entstehen. Die HOAI definiert die einzelnen Leistungsbilder und untergliedert diese in Grundleistungen sowie Besondere Leistungen. Der Honorarsatz ergibt sich unter Berücksichtigung des jeweiligen Schwierigkeitsgrades und des Leistungsumfanges.

Grundleistungen

Grundleistungen sind diejenigen Teilleistungen, die üblicherweise zur vollständigen Erfüllung des Planungsauftrags erforderlich sind und daher regelmäßig im Honorar abgedeckt werden.

Besondere Leistungen

Besondere Leistungen sind Arbeiten, die nicht zwangsläufig mit dem Leistungsbild einhergehen und in gesonderter Vergütung vereinbart werden können.

Honorarzonen und Honorartafeln

Die HOAI differenziert fünf Honorarzonen (bei Gebäuden), abhängig vom Schwierigkeitsgrad und Umfang der Planung. Die Honorarzone wird durch Bewertungskriterien, wie etwa die Komplexität des Bauwerkes oder besondere Nutzungsanforderungen, ermittelt. Die Honorartafeln enthalten Orientierungswerte für die jeweiligen Zonen und Kostenspannen.

Nebenkosten und Umsatzsteuer

Neben dem Grundhonorar können im Rahmen der HOAI weitere Kosten, wie etwa für Reisen, Plankopien oder Fremdleistungen, separat abgerechnet werden. Besteht keine individualvertragliche Regelung, gilt § 14 HOAI; demnach sind notwendige Auslagen und Nebenkosten zusätzlich zu erstatten. Ebenso ist auf das Honorar die jeweils gültige Mehrwertsteuer anzuwenden.


HOAI im Kontext des Privatrechts und öffentlichen Baurechts

Werkvertragsrechtliche Einordnung

Leistungen nach der HOAI werden im rechtlichen Sinne regelmäßig als Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) betrachtet. Das bedeutet, dass der Planende verpflichtet ist, ein bestimmtes Werk – zumeist einen vollständigen Bauplan – zu erstellen. Die HOAI ergänzt hierbei die gesetzlichen Vorschriften des Werkvertragsrechts.

Vergütungsfolgen bei mangelhafter oder fehlender Vereinbarung

Wurde keine oder nur eine ungenügende Honorarvereinbarung getroffen, bestimmt § 7 HOAI, dass das mittlere Honorar (Basishonorar) als vereinbart gilt. Im Falle unklarer Vereinbarungen ist im Zweifel auf die HOAI zurückzugreifen. Im Werkvertragsrecht bleibt zudem die Durchsetzung des Honoraranspruchs an die erfolgreiche Abnahme der Leistung gebunden.

Öffentlich-rechtliche Bedeutung

Die HOAI hat ebenso eine gewerbe- und wettbewerbsrechtliche Komponente, da sie einen fairen Markt gewährleisten und Preisdumping unterbinden soll. Seit der EuGH-Entscheidung entfällt allerdings der Schutz der Mindest- und Höchsthonorarregelungen, was zu einer stärkeren Marktöffnung führte.


Besonderheiten im internationalen sowie öffentlichen Auftragswesen

Die HOAI ist grundsätzlich nur innerhalb Deutschlands unmittelbar anwendbar. Im internationalen Planungsumfeld sowie bei Projekten im Ausland kann sie jedoch als vertraglicher Maßstab vereinbart werden. Bei EU-weiten Vergabeverfahren müssen Auftraggeber die Dienstleistungsfreiheit beachten und dürfen bei Honorarvereinbarungen in der Regel keine zwingenden Preisvorgaben nach HOAI mehr machen.


Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Fortlaufende Anpassung an das EU-Recht

Nach der HOAI-Novellierung 2021 steht die Verordnung weiterhin unter Beobachtung. Künftige Reformen werden insbesondere von europarechtlichen Entwicklungen und weiteren Gerichtsurteilen beeinflusst werden.

Aktuelle Tendenzen in der Rechtsprechung

Deutsche Gerichte setzen laufend neue Akzente hinsichtlich der Anwendbarkeit und Auslegung der HOAI, insbesondere bei der Vertragsgestaltung und im Zusammenhang mit den Folgen von fehlerhaften oder fehlenden Honorarvereinbarungen.


Zusammenfassung

Die HOAI stellt das maßgebliche Regelwerk zur Honorarermittlung für Architektinnen, Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure in Deutschland dar. Sie schafft die Grundlage für eine transparente und nachvollziehbare Vergütung von Planungsleistungen, unterliegt jedoch seit der letzten Novellierung weitreichender Vertragsfreiheit. Ihre Regelungswirkung erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche Verträge als auch auf öffentlich-rechtliche Belange im Bauwesen. Die laufende Anpassung an europarechtliche Vorgaben und eine sich wandelnde Rechtsprechung führen zu einer ständigen Weiterentwicklung der HOAI und ihrer praktischen Anwendung.

Häufig gestellte Fragen

Unterliegt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zwingendem Recht?

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure war über viele Jahre hinweg verbindliches Preisrecht, d.h. die Mindest- und Höchstsätze waren zwingend einzuhalten. Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019 – C-377/17) zur Unvereinbarkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mit europäischem Recht, ist die HOAI jedoch in wesentlichen Teilen nicht mehr zwingendes Preisrecht. Seit Inkrafttreten der HOAI 2021 sind die in der HOAI enthaltenen Honorartafeln als „Orientierungshilfe“ zu verstehen, d.h. Architekten und Ingenieure sowie ihre Auftraggeber haben grundsätzlich Vertragsfreiheit bei der Honorarvereinbarung. Ein zwingendes Festhalten an den vorgeschlagenen Honorarsätzen ist nur noch in Ausnahmefällen geboten, zum Beispiel bei öffentlich finanzierten Projekten, sofern nationale Fördervorgaben eine Bindung an die HOAI vorschreiben. Gleichwohl hat die HOAI auch weiterhin besondere Bedeutung zur Ermittlung angemessener Honorare, etwa im Rahmen nachträglicher Prüfungen durch Gerichte, falls der Vertrag keine klare Vergütungsabrede enthält.

Wie wirkt sich das EuGH-Urteil zur HOAI auf bestehende Verträge aus?

Das EuGH-Urteil und die daraufhin angepasste HOAI wirken sich grundsätzlich nur auf Verträge aus, die nach dem Stichtag 1. Januar 2021 geschlossen wurden. Für davor abgeschlossene Verträge behalten die alten verbindlichen Preisgrenzen im Regelfall weiterhin Gültigkeit, allerdings kann nach deutschem Recht im Einzelfall eine Anpassung der Verträge wegen der geänderten Gesetzeslage verlangt werden. Problematisch kann insbesondere die Anwendung höheren oder niedrigeren als der HOAI entsprechenden Honorare im Bestand sein; hier entscheidet die Rechtsprechung einzelfallbezogen, ob und wann eine Vertragsanpassung zu erfolgen hat oder inwieweit Treu und Glauben gegen eine rückwirkende Anwendung sprechen. Auftraggeber und Auftragnehmer sollten sich daher frühzeitig über die aktuelle Rechtslage informieren und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen.

Welche Rechtsfolgen entstehen, wenn keine schriftliche Honorarvereinbarung nach HOAI getroffen wurde?

Sofern zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer keine ausdrückliche schriftliche Honorarvereinbarung getroffen wurde, greift – nach der HOAI 2021 – nicht mehr automatisch ein gesetzlich bindender Mindestsatz. Stattdessen kann zur Bestimmung der Vergütung auf die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthaltene Regelung (§ 632 Abs. 2 BGB) zurückgegriffen werden, wonach bei Fehlen einer Honorarvereinbarung die „übliche Vergütung“ zu bezahlen ist. Dabei wird regelmäßig auf die in den Honorartafeln der HOAI genannten Sätze aus Gründen der Orientierung zurückgegriffen, sofern keine anderen branchenüblichen Vergütungen nachweisbar sind. Das bedeutet aber auch, dass im Streitfall ein Gericht prüfen muss, ob das verlangte Honorar tatsächlich üblich ist – Beweislast und Nachweispflicht können die Parteien erheblich belasten.

Kann die Vergütung für Planungsleistungen frei vereinbart werden?

Nach aktueller Rechtslage ist eine völlig freie Vereinbarung der Vergütung grundsätzlich möglich, da seit 2021 keine verbindlichen Honoraruntergrenzen oder -obergrenzen mehr bestehen. Die Vergütung kann also ausdrücklich auch unterhalb oder oberhalb der Honorartafeln vereinbart werden, sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen (etwa im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren) entgegenstehen. Eine freie Honorarvereinbarung sollte immer schriftlich erfolgen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Vorgaben zur Transparenz und Klarheit sowie eventuelle Formanforderungen hinsichtlich schriftlicher Vereinbarungen ergeben sich aus § 7 HOAI 2021 bzw. allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen (§ 126 BGB).

Welche Rolle spielt die HOAI bei der gerichtlichen Überprüfung von Honoraren?

Die HOAI wird auch nach der Neuregelung weiterhin als zentrales Orientierungselement bei der Beurteilung der Angemessenheit von Honoraren herangezogen. Gerichte nehmen im Rahmen von Streitigkeiten – insbesondere/bei Fehlen einer expliziten Honorarvereinbarung – regelmäßig Bezug auf die HOAI, um die angemessene und übliche Vergütung im Einzelfall zu ermitteln. Die HOAI übernimmt so die Funktion eines Sachverständigen- oder Vergleichswerts. Insbesondere bei Nachtragsleistungen und Lücken in Verträgen kann die HOAI entscheidend sein, zum Beispiel bei der Frage, wie wesentliche Änderungen der Leistungsumfänge das Honorar beeinflussen.

Greift die HOAI auch bei Verträgen mit ausländischen Architekten oder Ingenieuren?

Die Anwendbarkeit der HOAI bei internationalen Sachverhalten ist rechtlich differenziert zu betrachten. Entscheidend ist, welches Recht auf den Vertrag Anwendung findet („Rechtswahl“). Haben die Vertragsparteien deutsches Recht vereinbart, so gilt grundsätzlich auch die HOAI als Teil des deutschen Preisrechts, allerdings stets unter Beachtung der durch die HOAI 2021 eingeführten Vertragsfreiheit. Ohne Rechtswahl kann nach internationalen privaten Vorschriften (z. B. Rom I-Verordnung) deutsches Recht zur Anwendung gelangen, wenn der Schwerpunkt der Leistung in Deutschland liegt oder das Bauvorhaben in Deutschland realisiert wird. Für Leistungen im EU-Ausland, die keinerlei Bezug zu einem deutschen Bauvorhaben aufweisen, findet die HOAI keine Anwendung.

Welche Bedeutung hat die Schriftform bei Honorarvereinbarungen nach HOAI?

Gemäß § 7 HOAI 2021 müssen Honorarvereinbarungen für sie wirksam sein, grundsätzlich in Textform getroffen werden. Das bedeutet, dass die Vereinbarung in einer lesbaren Weise auf einem dauerhaften Datenträger abgefasst sein und die Vertragspartner identifizieren muss (beispielsweise E-Mail oder unterschriebene PDF-Datei). Erfolgt eine Honorarvereinbarung nicht rechtzeitig vor Beginn der Leistungserbringung oder nicht in Textform, so gilt unter Umständen wiederum die übliche Vergütung als vereinbart. Hierzu können die HOAI-Honorartafeln als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die Einhaltung der Form dient der Rechtssicherheit und Beweissicherung für beide Parteien.