Herstellerhaftung
Die Herstellerhaftung bezeichnet die rechtliche Verantwortlichkeit von Produzenten für Schäden, die durch Fehler ihrer hergestellten Produkte entstehen. Sie ist ein zentraler Bestandteil des Produktsicherheitsrechts und dient dem Schutz des Verbrauchers sowie dem Interessensausgleich zwischen Herstellern und geschädigten Personen. In Deutschland wird die Herstellerhaftung insbesondere durch das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) sowie ergänzende Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und weiteren Normen geregelt. Auf europäischer Ebene bildet die Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG die Grundlage.
Begriff und Abgrenzung
Herstellerhaftung umfasst die verschuldensunabhängige sowie die verschuldensabhängige Haftung des Herstellers. Sie ist abzugrenzen von der Gewährleistung, der vertraglichen Haftung und anderen Rechtsinstituten wie der Verkehrssicherungspflicht oder der Betriebsgefahr.
Haftung für fehlerhafte Produkte
Unter einem fehlerhaften Produkt versteht man eine bewegliche Sache, die nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwarten darf. Fehler können insbesondere Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler oder Instruktionsfehler sein.
Konstruktionsfehler
Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt aufgrund einer fehlerhaften Planung oder Konzeption gefährlich ist und nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Fabrikationsfehler
Von einem Fabrikationsfehler spricht man, wenn ein Produkt infolge eines Abweichens vom Sollzustand bei der Herstellung Fehler aufweist, obwohl das Produkt an sich fehlerfrei konstruiert ist.
Instruktionsfehler
Ein Instruktionsfehler entsteht, wenn der Hersteller es unterlässt, ausreichende Hinweise oder Warnungen zum sicheren Gebrauch oder zu bestehenden Gefahren zu geben.
Rechtsgrundlagen der Herstellerhaftung
Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
Das Produkthaftungsgesetz regelt die verschuldensunabhängige Haftung für fehlerhafte Produkte, die zu Körperverletzungen oder Sachschäden an privat genutzten Sachen führen. Der Hersteller haftet unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft.
Haftungsvoraussetzungen
- Fehlerhaftes Produkt: Das Produkt ist mangelhaft im Sinne des § 3 ProdHaftG.
- Schaden: Es ist ein Personen- oder Sachschaden eingetreten.
- Kausalität: Der Schaden ist kausal auf das fehlerhafte Produkt zurückzuführen.
- Herstellerstellung: Der Anspruchsgegner muss als Hersteller, Quasi-Hersteller oder Importeur im Sinne des § 4 ProdHaftG anzusehen sein.
Haftungshöchstgrenzen
Für Personenschäden sieht das Gesetz Haftungshöchstbeträge vor (§ 10 ProdHaftG), um die Überschaubarkeit des Risikos für den Hersteller zu gewährleisten.
Deliktische Haftung nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB)
Nach § 823 Abs. 1 BGB haftet der Hersteller im Rahmen der Verschuldenshaftung, wenn ihn ein Fehlverhalten trifft. Im Unterschied zur Produkthaftung muss hier ein Verschulden nachgewiesen werden.
Haftungssubjekte
Hersteller
Der eigentliche Hersteller ist derjenige, der das Endprodukt oder einen Grundstoff herstellt. Für verschiedene Komponenten können auch mehrere Hersteller haften.
Quasi-Hersteller
Auch wer sich als Hersteller ausgibt (z. B. durch Anbringung des eigenen Namens oder Markenzeichens) haftet wie der eigentliche Hersteller.
Importeur
Das Gesetz bezieht Importeure ebenfalls als Haftungssubjekte ein, soweit sie Produkte aus Drittstaaten in den Europäischen Wirtschaftsraum einführen.
Lieferanten
In bestimmten Fällen kann auch der Lieferant, der nicht den Hersteller benennen kann, als Hersteller in Haftung genommen werden.
Haftungsausschlüsse und -begrenzungen
Entlastungsbeweise
Das Produkthaftungsgesetz ermöglicht Herstellern, sich unter bestimmten Bedingungen von der Haftung zu entlasten:
- Wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar war (Entwicklungsrisiko, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG).
- Wenn der Fehler durch die Vorschrift gesetzlicher Normen verursacht wurde.
Haftungshöchstgrenzen und Schadenersatz
Die Entschädigungspflicht ist bei Sachschäden auf einen gewissen Mindestbetrag (500 Euro, § 11 ProdHaftG) und bei Personenschäden auf insgesamt 85 Millionen Euro pro Ereignis begrenzt.
Verjährung von Ansprüchen
Ansprüche aus der Herstellerhaftung verjähren grundsätzlich drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte von Schaden, Fehler und ersatzpflichtiger Person Kenntnis erlangt hat (§ 12 ProdHaftG). Unabhängig von der Kenntnis erlischt der Anspruch jedoch grundsätzlich spätestens nach zehn Jahren ab Inverkehrbringen des Produkts.
Beweislast
Im Produkthaftungsrecht trägt der Anspruchsteller die Beweislast für den Schaden, den Produktfehler sowie den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden. Die Fehlerhaftigkeit eines Produkts kann jedoch oft auf Grundlage von Anscheinsbeweisen angenommen werden.
Internationale Aspekte der Herstellerhaftung
Durch die europäische Harmonisierung gelten im Bereich der Produkthaftung innerhalb der EU weitgehend einheitliche Regelungen. In anderen Ländern, insbesondere in den USA, bestehen teils erheblich weitergehende Haftungsregeln (z. B. punitive damages).
Abgrenzung zur Gewährleistung und anderen Haftungsarten
Herstellerhaftung und Produkthaftung unterscheiden sich von der Gewährleistung, die auf das Bestehen eines Mangels zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Rahmen eines Vertragsverhältnisses abstellt. Zudem sind vertragliche oder deliktische Ansprüche neben dem Produkthaftungsgesetz häufig parallel anwendbar, können jedoch unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen haben.
Zusammenfassung:
Die Herstellerhaftung ist ein wesentlicher Bestandteil des Produkt- und Verbraucherschutzrechts. Sie verpflichtet Hersteller, Quasi-Hersteller und Importeure grundsätzlich auf Schadensersatz, wenn Personen oder bestimmtes Eigentum durch fehlerhafte Produkte zu Schaden kommen. Die Haftung ist sowohl verschuldensunabhängig (Produkthaftungsgesetz) als auch verschuldensabhängig (BGB) ausgestaltet. Durch klare Haftungsvoraussetzungen, Haftungsausschlüsse und Verjährungsregelungen wird ein Ausgleich zwischen Konsumentenschutz und wirtschaftlicher Belastbarkeit der Hersteller geschaffen. Besonderheiten gelten für internationale Sachverhalte und speziell für differierende Regelungen außerhalb Europas.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für eine Herstellerhaftung nach dem Produkthaftungsgesetz erfüllt sein?
Um die Herstellerhaftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geltend machen zu können, müssen mehrere strenge Voraussetzungen vorliegen. Zunächst muss ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht worden sein. Das Produkt muss dabei entweder einen Konstruktionsfehler, einen Fabrikationsfehler oder einen Instruktionsfehler aufweisen. Weiterhin ist erforderlich, dass durch das fehlerhafte Produkt ein Schaden an einer Person (Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit) oder an einer anderen Sache als dem fehlerhaften Produkt selbst entstanden ist. Letztere muss dem privaten Verbrauch dienen. Die sogenannte „Fehlerhaftigkeit“ orientiert sich am berechtigten Sicherheitserwartungsniveau der Allgemeinheit zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Zudem muss ein ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) zwischen dem Fehler des Produkts und dem eingetretenen Schaden bestehen. Schließlich greift die Haftung nur, wenn keine der im Gesetz vorgesehenen Haftungsausschlüsse vorliegt, zum Beispiel, wenn der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zur Zeit des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG).
Wer kann als Hersteller im Sinne des Gesetzes haften?
Als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes gilt nicht nur der tatsächliche Produzent des Endprodukts. Der Herstellerbegriff ist im Gesetz weit gefasst: Er umfasst neben dem eigentlichen „Endhersteller“ auch den Hersteller von Teilprodukten oder Grundstoffen, den sog. Komponentenhersteller. Auch derjenige, der seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Zeichen auf dem Produkt anbringt und sich so als Hersteller ausgibt (Quasi-Hersteller oder Anscheinshersteller), haftet nach dem ProdHaftG. Darüber hinaus kann auch der Importeur eines Produkts in die Europäische Union als Hersteller gelten, sofern der eigentliche Hersteller nicht ermittelbar ist. Das Gesetz sieht zudem vor, dass auch inländische Händler als Hersteller gelten können, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann (§ 4 ProdHaftG).
Für welche Schäden haftet der Hersteller?
Der Hersteller haftet nach dem Produkthaftungsgesetz grundsätzlich nur für bestimmte Schäden. In erster Linie sind dies Personenschäden, das heißt Schäden, die durch Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit verursacht wurden. Darüber hinaus haftet der Hersteller auch für Sachschäden, allerdings mit entscheidenden Einschränkungen: Es wird nur für solche Schäden an Sachen gehaftet, die normalerweise zum privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt sind und vom Geschädigten auch hauptsächlich privat genutzt wurden. Schäden am fehlerhaften Produkt selbst oder für rein wirtschaftliche Vermögensschäden (wie Gewinnentgang) besteht keine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz. Auch besteht bei Sachschäden eine Selbstbeteiligung des Geschädigten von 500 Euro (§ 11 ProdHaftG).
Welche Verjährungsfristen gelten bei der Herstellerhaftung?
Für Ansprüche aus der Produkthaftung gelten spezielle Verjährungsfristen. Der Anspruch auf Schadensersatz verjährt in der Regel drei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte von dem Schaden, dem Produktfehler und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 12 Abs. 1 ProdHaftG). Unabhängig davon erlischt die Haftung spätestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des fehlerhaften Produkts (absolute Verjährung, § 13 ProdHaftG), unabhängig davon, ob der Geschädigte zwischenzeitlich Kenntnis erlangt hat oder nicht. Nach Ablauf dieses Zeitraums sind Ansprüche gegen den Hersteller ausgeschlossen.
Gibt es Möglichkeiten für den Hersteller, die Haftung auszuschließen oder zu begrenzen?
Das Produkthaftungsgesetz sieht einen weitgehenden Haftungsausschluss aus vertraglichen Vereinbarungen zwischen Hersteller und Käufer nicht vor. Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen zum Nachteil des Geschädigten sind grundsätzlich nicht erlaubt und im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen (§ 14 ProdHaftG). In einzelnen Ausnahmefällen kann sich der Hersteller entlasten, insbesondere wenn erwiesen werden kann, dass der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte (sog. Entwicklungsrisiko, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG). Weitere Haftungsausschlüsse sind z.B. gegeben, wenn das Produkt nicht für den Verkauf oder eine sonstige Form des Vertriebs zu wirtschaftlichen Zwecken hergestellt wurde.
Welche Beweislastregelungen gelten im Produkthaftungsrecht?
Im Produkthaftungsrecht trägt grundsätzlich der Geschädigte die Beweislast für das Vorliegen eines Produktfehlers, den entstandenen Schaden sowie den ursächlichen Zusammenhang (Kausalität) zwischen Produktfehler und Schaden. Allerdings wird dem Geschädigten durch die Rechtsprechung und das Gesetz in bestimmten Fällen Erleichterung gewährt, insbesondere, wenn der Nachweis von Fehlern technisch komplex oder ohne weiteres nicht möglich ist. Der Hersteller kann sich vollständig oder teilweise exkulpieren, indem er nachweist, dass ihm kein Fehler anzulasten ist oder einer der gesetzlichen Haftungsausschlusstatbestände vorliegt.
Was ist der Unterschied zwischen Produkthaftung und Gewährleistung?
Die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz ist eine deliktische und verschuldensunabhängige Haftung, die auf den Schutz der Allgemeinheit und insbesondere der Endverbraucher vor gefährlichen Produkten abzielt. Sie entsteht mit dem Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts und unabhängig von vertraglichen Beziehungen. Die gesetzliche Gewährleistung hingegen ist eine verschuldensunabhängige Haftung für Mängel im Rahmen eines Kauf- oder Werkvertrags und stärkt die Rechte des Käufers in Bezug auf mangelhafte Produkte gegenüber dem Verkäufer. Während die Produkthaftung Personen- und bestimmte Sachschäden abdeckt, umfasst die Gewährleistung primär Nachbesserungs- und Ersatzansprüche für mangelhafte Waren. Die Geltendmachung erfolgt regelmäßig gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner, während die Produkthaftung unmittelbar gegen den Hersteller gerichtet werden kann.