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Haftung des Arbeitnehmers


Haftung des Arbeitnehmers

Die Haftung des Arbeitnehmers ist ein zentrales Thema im Arbeitsrecht und bezieht sich auf die rechtlichen Folgen, wenn ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten dem Arbeitgeber oder Dritten einen Schaden zufügt. Die Regelungen zur Arbeitnehmerhaftung gewährleisten einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber, insbesondere im Hinblick auf das sogenannte „betrieblich veranlasste“ Handeln.


Rechtliche Grundlagen der Arbeitnehmerhaftung

Die Grundlagen der Haftung des Arbeitnehmers finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den Vorschriften des Deliktsrechts (§§ 823 ff. BGB), sowie in arbeitsrechtlichen Grundsätzen, die durch die Rechtsprechung entwickelt wurden. Zudem ist die Arbeitnehmerhaftung durch die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) geprägt.

Haftungstatbestände

Ein Arbeitnehmer kann insbesondere in folgenden Fällen haftbar gemacht werden:

  • Verschulden im Arbeitsverhältnis: Verursachung eines Schadens durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten während der Ausübung der Arbeitstätigkeit.
  • Verletzung vertraglicher Nebenpflichten: Missachtung betrieblicher Anweisungen oder Schutzvorschriften.
  • Deliktische Haftung: Schädigung des Arbeitgebers oder Dritter durch unerlaubte Handlungen.

Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung

Innerbetrieblicher Schadensausgleich / Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung

Im Unterschied zur allgemeinen zivilrechtlichen Haftung wird die Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis aus Gründen des sozialen Schutzes und der Risikoverteilung wesentlich eingeschränkt. Diese Haftungsbeschränkung wird als „innerbetrieblicher Schadensausgleich“ bezeichnet und in der Rechtsprechung entwickelt.

Haftungsstufenmodell

Das Haftungsrisiko wird nach dem Verschuldensgrad differenziert:

  1. Leichte Fahrlässigkeit: Der Arbeitnehmer haftet in der Regel nicht für verursachte Schäden.
  2. Normale (mittlere) Fahrlässigkeit: Es erfolgt eine Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wobei das Ausmaß der Beteiligung an den Umständen und die Höhe des Schadens zu berücksichtigen sind.
  3. Grobe Fahrlässigkeit: Hier kann eine vollständige Haftung des Arbeitnehmers eintreten, sofern keine besonderen Umstände vorliegen.
  4. Vorsatz: Bei vorsätzlicher Schadenszufügung haftet der Arbeitnehmer vollumfänglich für den Schaden.

Berücksichtigung weiterer Umstände

Im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs finden unter anderem folgende Aspekte Berücksichtigung:

  • Grad des Verschuldens
  • Abstraktes und konkretes Risiko der Tätigkeit
  • Gefahrengeneigtheit des Arbeitsplatzes
  • Vergütung und Position des Arbeitnehmers
  • Versicherungsschutz
  • Wirtschaftliche Verhältnisse des Arbeitnehmers

Besondere Formen der Haftung

Gesamtschuldnerische Haftung

Wird der Schaden durch mehrere Arbeitnehmer verursacht, können diese gemeinsam als Gesamtschuldner haften. Die interne Ausgleichspflicht richtet sich dann nach den jeweiligen Verschuldensanteilen.

Haftung gegenüber Dritten

Verursacht ein Arbeitnehmer einen Schaden an Dritten, etwa durch einen Verkehrsunfall im Außendienst, haftet in der Regel zunächst der Arbeitgeber gemäß § 278 BGB für Verrichtungsgehilfen. Der Arbeitgeber kann jedoch in bestimmten Fällen, insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz, Rückgriff beim Arbeitnehmer nehmen.

Regress des Arbeitgebers im Innenverhältnis

Im Rahmen des Innenverhältnisses zum Arbeitgeber findet der innerbetriebliche Schadensausgleich Anwendung. Der Regressanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer beschränkt sich auf die nach Verschulden und den Einzelfall zugeordnete Haftungsquote.


Ausschluss oder Begrenzung der Haftung

Tarifvertragliche & arbeitsvertragliche Regelungen

Vielfältige tarifliche oder einzelvertragliche Regelungen können die Haftung weiter beschränken oder modifizieren. Unzulässig sind jedoch Vereinbarungen, die zu einer unbilligen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen (vgl. § 307 BGB).

Gesetzlich geregelte Haftungsausschlüsse

Besondere Schutzvorschriften regeln in bestimmten Fällen einen Haftungsausschluss, etwa im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 104 SGB VII). Danach sind Arbeitnehmer für Arbeitsunfälle von Kollegen grundsätzlich von der Haftung befreit, es sei denn, der Schaden wurde vorsätzlich herbeigeführt.


Kontext: Schaden und Haftungsumfang

Schadensbemessung

Die Bemessung des vom Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (§§ 249 ff. BGB). Zu ersetzen ist der tatsächlich entstandene Vermögensschaden einschließlich Folgeschäden.

Kürzungsmöglichkeit aus Billigkeitsgründen

Gerichte können den Schadensersatzanspruch aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen gemäß § 254 BGB oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mindern.


Verjährung von Ansprüchen

Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 195 BGB).


Zusammenfassung

Die Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis unterliegt umfangreichen Einschränkungen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen. Neben der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung greifen besondere arbeitsrechtliche Grundsätze, die insbesondere im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs Anwendung finden und von der Rechtsprechung konkretisiert wurden. Die Bewertung der Haftungsfrage erfolgt stets einzelfallbezogen und berücksichtigt das Maß des Verschuldens sowie die Arbeitsumstände und die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers. Tarifliche und individuelle Vertragsgestaltungen können die Haftung modifizieren, dürfen aber keine unangemessene Benachteiligung enthalten.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen haftet der Arbeitnehmer für Schäden, die während der Arbeit verursacht werden?

Der Arbeitnehmer haftet grundsätzlich für Schäden, die er während seiner Arbeitszeit und im Rahmen seiner Tätigkeit dem Arbeitgeber, Kollegen oder Dritten zufügt. Die Haftung richtet sich jedoch nach dem sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleich, der in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeprägt ist. Entscheidend sind das Maß des Verschuldens und die Umstände des Einzelfalls. Grob kann die Haftung in drei Kategorien eingeteilt werden: leichte Fahrlässigkeit (in der Regel keine Haftung oder sehr geringe Beteiligung), mittlere Fahrlässigkeit (teilweise Haftung) und grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz (volle Haftung). Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten besteht volle Haftung, während im Falle leichter Fahrlässigkeit der Arbeitgeber in aller Regel den Schaden allein trägt.

Wie unterscheidet sich die Haftung bei leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit?

Die Unterscheidung nach dem Verschuldensgrad ist maßgeblich für die Verteilung des Schadens. Bei leichter Fahrlässigkeit, wenn dem Arbeitnehmer nur ein geringfügiger Fehler unterlaufen ist, haftet dieser in der Regel nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit, also bei nicht unerheblichen Sorgfaltspflichtverletzungen, erfolgt eine quotenmäßige Haftungsverteilung, oftmals in Abhängigkeit von Schadenhöhe, Gehalt und Risikoverteilung im Betrieb. Bei grober Fahrlässigkeit, also bei schwerwiegenden Verstößen gegen Sorgfaltspflichten, haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich voll für den entstandenen Schaden. Im Falle von Vorsatz, also wenn der Schaden absichtlich verursacht wurde, haftet der Arbeitnehmer ebenfalls in vollem Umfang.

Gibt es Haftungsbeschränkungen für Arbeitnehmer bei besonders gefährlichen Tätigkeiten?

Ja, insbesondere dann, wenn die Arbeit von vornherein mit einem erhöhten Schadensrisiko verbunden ist (z. B. Fahren eines Lkws, Arbeiten mit Maschinen), kann die Haftung des Arbeitnehmers eingeschränkt sein. Das gilt vor allem bei Tätigkeiten, deren Risiken im Interesse des Betriebs übernommen werden und die notwendigerweise mit bestimmten Gefahren einhergehen („gefahrgeneigte Arbeit“). Das Arbeitsrecht erkennt an, dass der Arbeitnehmer nicht für jedes Risiko voll haftbar gemacht werden kann, sondern dass ein Ausgleichsinteresse besteht. Entsprechend kann die Haftung – je nach Umständen – stark begrenzt oder sogar gänzlich ausgeschlossen werden, vor allem bei leichter Fahrlässigkeit. Diese Prinzipien sind durch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt.

Wie wirkt sich ein Mitverschulden des Arbeitgebers auf die Haftung des Arbeitnehmers aus?

Besteht ein Mitverschulden des Arbeitgebers, etwa durch unklare Anweisungen, mangelhafte Arbeitsmittel oder fehlende Unterweisungen, wird dies bei der Haftungsverteilung berücksichtigt. Das bedeutet, dass der Anteil des Schadens, den der Arbeitnehmer zu tragen hat, entsprechend reduziert wird. In Fällen, in denen das Verschulden des Arbeitgebers überwiegt, kann die Haftung des Arbeitnehmers sogar vollständig entfallen. Diese Regelung dient dem fairen Interessenausgleich und berücksichtigt betriebliche Gefahrenquellen und Verantwortlichkeiten.

Muss der Arbeitnehmer auch für Schäden aufkommen, die Dritten (z. B. Kunden) zugefügt werden?

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer auch für Schäden an Dritten haftbar gemacht werden, wenn diese im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit entstehen. Allerdings gilt auch hier der innerbetriebliche Schadensausgleich für den Regress des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer. Ansprüche von Geschädigten werden in der Regel zunächst gegen den Arbeitgeber gerichtet, der im Anschluss entscheiden kann, ob er Rückgriff beim Arbeitnehmer nimmt. Die Rückgriffshaftung unterliegt den gleichen Grundsätzen wie die Haftung gegenüber dem Arbeitgeber: Maßgeblich sind insbesondere das Verschulden des Arbeitnehmers sowie die Höhe und die Umstände des Schadens.

Wie verhält es sich mit der Haftung während der Probezeit oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen?

Für Arbeitnehmer in der Probezeit oder in befristeten Arbeitsverhältnissen gelten grundsätzlich dieselben Haftungsregelungen wie für dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer. Das heißt, der innerbetriebliche Schadensausgleich findet auch hier Anwendung. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses hat keinen Einfluss auf die rechtlichen Haftungsmaßstäbe, wohl aber können bei der Schadensteilung individuelle Umstände wie mangelnde Erfahrung, Eingewöhnungszeiten und Unterweisungen mitberücksichtigt werden, was im Zweifel zu einer geringeren Haftungsquote führen kann.

Welche Rolle spielen arbeitsvertragliche Vereinbarungen zur Haftung des Arbeitnehmers?

Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die die Haftung des Arbeitnehmers regeln, sind grundsätzlich möglich, jedoch gibt es hierfür enge gesetzliche Grenzen (§ 307 BGB – Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie § 276 Abs. 3 BGB – Verbot verschärfter Haftung für Fahrlässigkeit). Eine Vereinbarung, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und vom gesetzlichen Haftungsprivileg zum Nachteil des Arbeitnehmers abweicht, ist unwirksam. Insbesondere ist es nicht zulässig, die Haftung für leicht fahrlässige Schäden oder für typische Arbeitsrisiken uneingeschränkt auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Solche Klauseln sind regelmäßig unwirksam und werden im Zweifelsfall durch die gesetzlichen Bestimmungen ersetzt.