Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Arbeitsrecht»Güteverhandlung

Güteverhandlung


Begriff und Bedeutung der Güteverhandlung

Die Güteverhandlung ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivilprozessrecht und beschreibt die im frühen Stadium eines Gerichtsverfahrens angesetzte Verhandlungsform, die vorrangig der gütlichen Einigung der Parteien dient. Ziel der Güteverhandlung ist es, Konflikte bereits zu Beginn des gerichtlichen Streits durch eine außergerichtliche Einigung oder einen gerichtlichen Vergleich konsensual zu lösen und so die förmliche, oft zeit- und kostenintensive Hauptverhandlung zu vermeiden.

Gesetzliche Grundlagen der Güteverhandlung

Zivilprozessordnung (ZPO)

Die rechtlichen Grundlagen der Güteverhandlung finden sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgeblich ist § 278 ZPO, der die Förderung der gütlichen Streitbeilegung durch das Gericht ausdrücklich vorsieht:

  • § 278 Abs. 2 ZPO: Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte hinwirken.
  • § 278 Abs. 2 ZPO: Die Güteverhandlung ist regelmäßig der erste Verhandlungstermin.

Darüber hinaus kann das Gericht nach § 278a ZPO das Verfahren vor einem Güterichter anordnen.

Weiterführende gesetzliche Bestimmungen

Ergänzend sind Regelungen in anderen Verfahrensordnungen (z. B. Arbeitsgerichtsgesetz, Sozialgerichtsgesetz), in Spezialgesetzen sowie in der Gerichtspraxis zu beachten, die der gütlichen Streitbeilegung und der Vermeidung einer streitigen Entscheidung dienen.

Ablauf einer Güteverhandlung

Einleitung und Zielsetzung

Die Güteverhandlung wird im Regelfall als erster Termin nach der Klageeinreichung durchgeführt. Sie dient dazu, die gegenseitigen Interessen, die den Streitparteien zugrunde liegenden Beweggründe und mögliche Lösungswege gemeinsam mit dem Gericht zu eruieren. Der Vorsitzende weist die Parteien auf die Möglichkeit eines Vergleichs oder einer sonstigen einvernehmlichen Regelung hin.

Verhandlungsführung

Die Verhandlungsführung während der Güteverhandlung ist weniger formalisiert als die streitige Hauptsacheverhandlung. Das Gericht agiert vermittelnd, unterbreitet Vergleichsvorschläge oder bewertet Vorbringen hinsichtlich Erfolgsaussichten. Die Parteien sind nicht verpflichtet, sich zu einigen, wohl aber zur Teilnahme und mündlichen Erörterung ihrer Standpunkte angehalten.

Verhandlungsformen

  • Mündliche Güteverhandlung: Persönliches Erscheinen der Parteien, Vermittlung durch den Vorsitzenden Richter
  • Schriftliches Verfahren: In Ausnahmefällen, etwa bei Entfernung oder aus besonderen Gründen, Durchführung im schriftlichen Verfahren möglich

Abschluss und Folgen der Güteverhandlung

Findet eine Einigung statt, wird diese regelmäßig in Form eines gerichtlichen Vergleichs (§ 278 Abs. 6 ZPO) protokolliert. Ein solcher Vergleich hat rechtsverbindliche Wirkung und kann als vollstreckbarer Titel genutzt werden (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Kommt keine Einigung zustande, folgt die förmliche streitige Hauptverhandlung.

Bedeutung und Funktionen der Güteverhandlung

Entlastung der Gerichte

Durch eine erfolgreiche Güteverhandlung kann der Rechtsstreit ohne Urteil beendet werden. Das entlastet die Gerichte und fördert einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen.

Förderung der Rechtsfrieden

Einvernehmliche Lösungen tragen zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Rechtsfriedens zwischen den Parteien bei und vermeiden langwierige Auseinandersetzungen.

Materiell- und Verfahrensrechtliche Vorteile

Eine Einigung in der Güteverhandlung bietet den Parteien Flexibilität hinsichtlich der Ausgestaltung der Vereinbarung, welche häufig über das hinausgeht, was ein Urteil leisten kann. Zudem können Verfahrenskosten reduziert und spätere Vollstreckungsprobleme vermieden werden.

Unterschiede zur streitigen Verhandlung

Während die Güteverhandlung auf die Einigung der Parteien abzielt und von vermittelnden Elementen sowie dialogischer Kommunikation geprägt ist, steht in der streitigen Verhandlung die prozessuale Auseinandersetzung der Sach- und Rechtslage mit dem Ziel einer gerichtlichen Entscheidung im Vordergrund.

Der Güterichter

Übertragung auf den Güterichter

Nach § 278 Abs. 5 ZPO kann das Gericht die Sache einem sogenannten Güterichter zur Durchführung der Güteverhandlung oder weiterer Einigungsversuche überweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich Mediation einsetzen. Die Übertragung erfolgt freiwillig und setzt das Einverständnis der Parteien voraus.

Verfahren vor dem Güterichter

Im Verfahren vor dem Güterichter besteht die Möglichkeit, intensiver und mit alternativen Methoden an einer Einigung zu arbeiten. Das Verfahren ist vertraulich; das vor dem Güterichter erlangte Wissen darf in einem späteren Streitverfahren vor dem entscheidenden Gericht nicht verwendet werden.

Besonderheiten und praktische Aspekte

Erscheinenspflicht und Folgen des Ausbleibens

Das Gericht kann das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen (§ 141 Abs. 1 ZPO). Bei unentschuldigtem Ausbleiben können Ordnungsgelder verhängt werden (§ 141 Abs. 3 ZPO).

Protokollierung und Rechtskraft

Kommt ein Vergleich zustande, wird dieser in das Protokoll der Güteverhandlung aufgenommen und erlangt damit Rechtskraft. Dies bildet eine zentrale Funktion der Güteverhandlung als Instrument effektiver Streitbeilegung.

Historische Entwicklung und Dogmatik

Die Güteverhandlung hat ihre Wurzeln im Grundsatz der prozessualen Förderung der gütlichen Einigung im Zivilverfahren, der bereits in den frühen Kodifikationen des deutschen Zivilprozessrechts verankert war. In jüngerer Zeit wurde die Bedeutung der konsensualen Streitbeilegung durch die institutionelle Einführung des Güterichters und gesetzgeberische Reformen weiter gestärkt.

Fazit

Die Güteverhandlung ist ein bedeutendes Element des deutschen Zivilverfahrens, das der frühzeitigen, einvernehmlichen Lösung gerichtlicher Streitigkeiten dient. Sie ist rechtlich durch das Zivilprozessrecht detailliert ausgestaltet, wahrt die Interessen sachlicher und effizienter Streitbeilegung und trägt maßgeblich zur Funktionsfähigkeit der Justiz bei. Durch vielfältige verfahrensrechtliche Optionen und anwenderfreundliche Gestaltungsmöglichkeiten besitzt sie eine hohe Praxisrelevanz im deutschen Rechtssystem.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt der Richter in der Güteverhandlung?

In der Güteverhandlung übernimmt der Richter eine vermittelnde und moderierende Funktion. Anders als im förmlichen Hauptverfahren steht nicht die richterliche Entscheidungsfindung im Vordergrund, sondern der Versuch, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen. Der Richter stellt zunächst den Streitstand fest und klärt den Sachverhalt, ohne dabei bereits eine abschließende rechtliche Bewertung vorzunehmen. Er kann die Parteien auf die voraussichtliche Rechtslage und die Risiken des Prozesses hinweisen, Vorschläge zur gütlichen Einigung unterbreiten und kreative Lösungsansätze anbieten. Häufig spricht der Richter die Parteien direkt an, um eine offene Kommunikation zu fördern und die jeweiligen Interessen herauszuarbeiten. Dabei ist der Richter zur Neutralität verpflichtet, darf jedoch aktiv Einfluss auf den Fortgang der Verhandlung nehmen, um die Erfolgsaussichten für einen Vergleich zu erhöhen.

Besteht für die Parteien eine Pflicht, an der Güteverhandlung teilzunehmen?

Grundsätzlich besteht für die Parteien die Pflicht, der Ladung zur Güteverhandlung Folge zu leisten. Dies ergibt sich aus der Zivilprozessordnung (§ 278 ZPO). Die persönliche Anwesenheit der Parteien kann vom Gericht angeordnet werden, insbesondere dann, wenn sie zur Herbeiführung eines Vergleichs entscheidend erscheinen könnte. Erscheint eine Partei ohne hinreichende Entschuldigung nicht zur Güteverhandlung, kann das Gericht ein Versäumnisurteil verhängen oder andere nachteilige prozessuale Maßnahmen ergreifen. Ein unentschuldigtes Fernbleiben wird regelmäßig als Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten bewertet und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Kostenfolgen nach sich ziehen.

Kann in der Güteverhandlung ein rechtsverbindlicher Vergleich geschlossen werden?

Ja, ein in der Güteverhandlung geschlossener Vergleich ist rechtsverbindlich und kann, sofern er gerichtlich protokolliert wird, wie ein vollstreckbares Urteil behandelt werden. Die Parteien können sowohl einen vollständigen als auch einen teilweisen Vergleich über einzelne Streitpunkte schließen. Voraussetzung hierfür ist die ausdrückliche Einigung der Parteien über die zu regelnden Streitgegenstände und die Aufnahme der Einigung in das Protokoll, das vom Richter gefertigt wird. Der gerichtlich protokollierte Vergleich besitzt die Wirkung eines vollstreckbaren Titels gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sodass bei Nichterfüllung unmittelbar die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden kann. Widerruf oder Anfechtung des Vergleichs sind nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich.

Welche Folgen hat das Scheitern der Güteverhandlung für das weitere Verfahren?

Scheitert die Güteverhandlung, weil keine Einigung erzielt werden konnte, wird das Verfahren in das streitige Hauptverfahren übergeleitet. Das Gericht wird einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen und die Parteien auffordern, ihre Standpunkte weiter schriftlich zu begründen bzw. zu entwickeln. Das Scheitern der Güteverhandlung hat für die Rechtmäßigkeit oder den Fortgang des gesamten Verfahrens keine negativen Auswirkungen. Lediglich der Versuch der Einigung ist dokumentiert und bleibt für das weitere Verfahren bedeutungslos, es sei denn, im Rahmen der Güteverhandlung wurden bereits Teilaspekte des Streits einvernehmlich geregelt.

Werden in der Güteverhandlung bereits Beweise erhoben?

Im Rahmen der Güteverhandlung findet grundsätzlich keine förmliche Beweisaufnahme statt. Das Ziel der Verhandlung besteht darin, auf der Basis des bisherigen Sach- und Streitstands, wie er sich aus den eingereichten Schriftsätzen oder dem mündlichen Vortrag ergibt, einen Kompromiss zu erzielen. Allenfalls kann der Richter anregen, dass die Parteien zur Schaffung einer Einigungsgrundlage bestimmte Sachverhalte klarstellen oder zugestehen. Kommt es zu keiner Einigung, so werden im anschließenden streitigen Verfahren die erforderlichen Beweise gemäß den einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften aufgenommen.

Können Dritte oder Zeugen an der Güteverhandlung teilnehmen?

Die Teilnahme an der Güteverhandlung ist grundsätzlich den Streitparteien und deren gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertretern vorbehalten. Öffentlich ist die Güteverhandlung in der Regel nicht. Die Anwesenheit Dritter, wie beispielsweise Zeugen, ist nicht vorgesehen und auch rechtlich nicht erforderlich, weil in der Güteverhandlung keine Beweisaufnahme erfolgt. Ausnahmen bestehen nur insoweit, als das Gericht eine Beteiligung weiterer Personen zur Einigung für sinnvoll hält, etwa in familienrechtlichen Verfahren, in denen die Mitwirkung von Jugendämtern vorgesehen sein kann.

Hat die Güteverhandlung Einfluss auf die Kostenentscheidung im Prozess?

Die Güteverhandlung an sich hat keinen direkten Einfluss auf die spätere Kostenentscheidung. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welchem Umfang ein Vergleich zustande kommt und wie der Inhalt dieses Vergleichs gestaltet ist. Wird ein Prozessvergleich geschlossen, so können die Parteien – abweichend von der gesetzlichen Regelung – eine eigenständige Kostenvereinbarung treffen (§ 98 ZPO). Kommt es hingegen zu keiner Einigung, richtet sich die spätere Kostenentscheidung nach den allgemeinen Grundsätzen, im Wesentlichen nach dem Ausgang des Verfahrens. Die Durchführung der Güteverhandlung ist kostenneutral, sie verursacht keine gesonderten Gerichtskosten.